Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.04.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-04-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960422012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896042201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896042201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- fehlerhafte Bindung: Seiten in falscher Reihenfolge
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-04
- Tag1896-04-22
- Monat1896-04
- Jahr1896
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Die Morgen-Ausgabe erscheint nm '/,? Uhr. die Abend-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr. Redaktion und Expedition: AshanneSsafie 8. DieExpebition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abend- 7 Uhr. FUialen: Dtt« Klemm'- Sorttm. (Alfred Hahn), UuiversitätSstraßr 1, Louis Lösche, Katharinenstr. 14, pari, und König-Platz 7. Bezugs-Preis « der Hauptexpedition oder den im Stadt» bezirk und den Bororten errichteten Aus gabestellen abgeholt: vierteljährliche 4^0, bei zweimaliger täglicher Zustellung im» Hau» e 5.50. Durch dir Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vieWeljährlich e S.—. Directe tägliche Kreuzbaudirudung tu» Ausland: monallich e 7 SO 202. Morgen-Ausgabe. KipMcr Tageblatt Anzeiger. Ämtsölatt des Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, des Ratljes und Nolizei-Amtes der Ltadt Leipzig. Mittwoch den 22. April 1896. Anzeigen-Preis die 8 gespaltene Petitzeile SO Pfg. Reklamen unter dem Redacnon-strich (»ge spalten) bO/H, vor den Familiennachrichken (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis- Verzeichnis». Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Ännahmeschlvß für Anzeigen: Ab end-Ausgabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halb» Stunde früher. Anzeige« sind stets an di« Expedition zu richten. Druck und Verlag von S. Polz in Leipzig SV. Jahrgang. „Sachfische Juristen!" kr. Hat da ein englischer Jurist, James Paddington, der sich einige Jahre in Deutschland, hauptsächlich in Sachsen aufgehalten hat, sich berufen gefühlt, über „Sächsische Juristen" ein Urtbeil zu fallen, daö von einer ge wissen Presse mit Wohlbehagen und Zustimmung entgegen genommen worden ist. Wer dem Urtheil Paddington'- bei stimmt, der zeigt nur, daß er von der Sache ebenso wenig versteht, wie — Mr. Paddington! Er hat läuten gehört, aber nicht zusammenschlagen! Die Broschüre, in welcher die englischen Verhältnisse vielfach zum Vergleich herangezogen werden, ist im Verlage von Max Hoffmann in Leipzig er schienen und führt den oben angezogenen Titel. Sie beschäftigt sich mit der juristischen Vorbildung, der Justizgesetzgebung, der inneren Verwaltung, der städtischen Verwaltung und der Finanz verwaltung in unserm Vaterlande. Paddington constatirt zu nächst die Thatsacke, daß fast alle Lebensverhältnisse Sachsens in auffälliger Abhängigkeit von einem stark juristischen Einflüsse sich befinden. Wo man hinsieht, ruft er aus, überall Juristen in Thätigkeit! In allen Zweigen der Staatsverwaltung trifft man sie an und zwar regelmäßig in den einflußreichsten Stellen. Da- kann doch nicht richtig sein! Unmöglich kann in einem Staatswesen der übermäßige Einfluß eines einzelnen Standes zum Wohle des großen Ganzen gereichen. Es ist geradezu ausgeschlossen, daß ein Stand allein zugleich auch die übrigen Stände sachgemäß vertreten kann. Durch das Dominiren de- Juristenstandes, meint Paddington, kommt es, daß die sächsischen Lebensverhältnisse an einer gewissen Einseitigkeit kranken und daß die jetzt gewöhnliche, juristisch-bureaukratische Behandlung der Sachen einer freien Entwickelung des wirth- schaftlichen Lebens Sachsens recht hemmend im Wege steht. DaS ist ein schwerer Vorwurf, aber Paddington kann auch für seine Behauptungen keinen ausreichenden Beweis bringen. Ihm genügt die Behauptung, darum soll sie auch Andern genügen! Daß in Sachsen Stellen mit Juristen besetzt sind, die auch ein Kaufmann einnehmen könnte, ist allerdings richtig. Man braucht nur an die Directorialstellen von großen Gesellschaften und Genossenschaften zu denken. Aber neben den Direktoren stehen auch hier immer fachmännische Mitarbeiter. Und meist müssen die Stellungen im Interesse deS ganzen Betriebes mit Personen besetzt sein, die in vollem Maße deS Rechtes kundig sind. Das gilt insbesondere von den Posten im Verwaltungs- und Finanzfache, die Paddington namentlich an Nichljuristen vertbeilen möchte. „Offenbar weiß das sächsische Volk gar nicht," fahrt Paddington fort, „wie sehr es unter dem Einflüsse eines rein juristischen Geistes steht, denn ein solches Bewußtsein, welches sich doch gewiß paaren würde mit dem sehnenden Verlangen, sich dieser Herrschaft möglichst zu entziehen, setzt einen weniger bescheidenen Sinn voraus, als er im Allgemeinen dem sächsischen Volke eigen zu sein scheint." Auch hier ist Paddington auf dem Holzwege mit seiner Mißachtung des „rein juristischen Geistes", denn dieser Geist, und dessen sind wir uns in Sachsen wohl bewußt, ist in einem geordneten, monarchischen Staatswesen der „Geist des Rechtes". Das Dominiren der Juristen in Sachsen soll nun nach Pad- dington's Anschauung besonders wegen der mangelhaften Vor bildung derselben verhängnißvoll sein. WaS der englische Jurist hinsichtlich dieser Vorbildung ansführt, ist tbeils von deutschen akademischen Lehrern zur Genüge gekennzeichnet worden, so daß der Sohn Albions sich vor uns nicht als „getreuer Eckart" aufzuspielen braucht, soweit cs aber anderentheils noch nicht gesagt ist, ist eS — der Wahrheit nickt entsprechend. „Ich habe mich längere Zeit (wie lange?) in Leipzig, dem Sitze der säcksischen Landesuniversität, aufgebalten und habe dort vielfach Gelegenheit gehabt, zu beobachten, daß gerade die Jura stndirenden jungen Herrn nicht allzubäusig die Collegia aufsuchten. Erst in den höheren Semestern pflegt gewöhnlich unter Anleitung von Männern, die Einpauker genannt werden, tüchtig gearbeitet zu werden." Es läßt sich nicht leugnen, daß Paddington damit einen wunden Punct berührt, aber das haben, wie ge sagt, schon so viele Autoritäten in unserem Vaterlande vor ihm gethan, daß seine Weisheit sehr wohlfeil erkauft ist. Und der Vorwurf trifft nicht nur „sächsische Juristen", sondern auch preußische, bayerische, ja vielleicht sogar — englische! Sollte es zu Oxford und Cambridge oder auf der „London University" nicht gelegentlich auch faule Studenten geben, Mr. Paddington? Die Vorwürfe, die der Autor weiter erhebt, sind hinfällig. Die Studenten erhielten auf der Universität „nur eine blasse Ahnung" vom sächsischen bürgerlichen Recht, sagt er, während im römischen Recht unterrichtet werde, als ob eS in Sacksen noch da« geltende sei. Nun wird aber das im Königreich Sachsen geltende bürgerliche Recht im Anschluß an da« Pandektenrecht, wenn auch nicht so eingehend wie jene«, behandelt und der Vergleich zwischen beiden Rechten wirkt außerordentlich fruchtbringend für da« Rechtsverständniß. Ferner schreibt Paddington, daß der Unterricht der Juristen in Sachsen ein rein theoretischer sei. Er hat also keine Ahnung von den verschiedenen Seminaren, in denen da« Referiren au« GerichtSacten, das Protokolliren, die Abfassung von Beweisbeschlüssen und Urtbeilen m s. w. praktisch betrieben wird. Schreiber dieser Zeilen erinnert sich noch heute gern eine« solchen Seminar«, in welchem ein bestimmter Fall praktisch durchgeführt und den Candidaten die Rollen de« Staat-anwalte«, Bertheid,ger« und Richters übertragen wurden! E« gewinnt den Anschein, al« ob Paddington sich mehr in den Corridoren, als in den Hör sälen der Universität aufgebalten hätte. Noch weniger stichhaltig ist der Vorwurf, daß der junge Jurist ohne die geringsten volkswirthsckaftlichen Kenntnisse bliebe. Gerade der „sächsische Jurist" zeichnet sich vor trm preußischen durch diese Kenntnisse au«, denn bei ibm ist die Bolk«wirthschaft und die Finanzwirtbschaft ein obligatorisches Colleg; desgleichen da« sächsische Verwaltung-recht. In diesen Fächern wird nicht nur mündlich geprüft, sondern auch zu den schriftlichen Arbeiten werden die Themata periodisch aus ihnen gewählt. Weiß Schreiber dieser Zeilen dock au- eigener Erfahrung, daß sogar recht specielle Fragen au« dem Gebitte der Landwirtbsckaft an die juristischen Prüfung-- «mdidaten zuweilen gestellt worden sind Paddington irrt auch, wenn er glaubt, daß bei der zweiten Prüfung nicht etwas Rücksicht darauf genommen werde, ob der Examinand fick der Verwaltungspraxis widmen wolle, oder dem richterlichen Berufe. So läuft Alles, was Paddington im ersten Theile seiner Schrift vorbringt, auf fahrlässige Behauptungen hinaus, die des thalsäcklichen Untergrundes entbehren, und es ist be zeichnend für die deutsche Journalistik, daß eS Blätter geben kann, die an diesem Unsinn noch Wohlgefallen finden und die Schrift empfehlen. Der ganze, zweite Tbeil der Paddington'scken Schrift bat mit dem Thema „Sächsische Juristen" aber überhaupt nichts zu thun. Paddington behandelt hier die Justizgesetzgebung. Er wirft aber dabei Reichsrecht und sächsisches Landrecht bunt durcheinander und die Vorwürfe, die er gerade gegen das erstere erhebt, gehen doch die „Sächsischen Juristen" an sich nichts an. Dieselben fühlen gewiß ebenso wie Mr. Paddington die Reformbedürftigkeit mancher Reichs gesetze, haben doch aber gar keine Macht, in ihrem Wirkungs kreise Aenderungen herbeizuführen. Lieber sind uns diese codificirten Rechte übrigens immer noch, als das weit läufige, unübersehbare gtututs - book im freien England! Paddington versucht einen Ausfall gegen unser Bürger liche- Gesetzbuch, aber er scheint selbst der Ueberzeugung zu sein, daß seine Wissenschaft nickt ausreicht, um diesen Ausfall zu rechtfertigen und er tritt alsbald wieder einen „geordneten Rückzug" an. Daß unser bürgerliches Recht gut codificirt ist, daß das bürgerliche Gesetz buch für das Königreich Sachsen eins der besten ist, welche bislang geschaffen wurden, haben auch die zugeben müssen, die an einzelnen Bestimmungen gemäkelt haben. Gerade wir in Sachsen würden ein deutsches, bürgerliches Gesetzbuch am ehesten entbehren können, obwohl wir die Sehnsucht nach einem solchen mit den übrigen Bundesstaaten tbeilen. Daß unser Civilrecht noch nicht die Popularität hat, die zu wünschen wäre, liegt nur an dem JndifferentiSmuS des Volkes. Es ist unrichtig, wenn Paddington behauptet, daß zur Verbreitung und zum Verständniß desselben nichts gethan würde. Die karv repvrt» der größeren englischen Zeitungen haben nichts vor uns voraus. Auch unsere Presse beschäftigt sich hin reichend in populärer Form mit Fragen aus dem geltenden, materiellen Rechte. WaS das Proceßrecht anlangt, so theilen wir die Schwärmerei Paddington'« für den altgermaniscken Straf- proceß nicht. Es sehnt sich kein Erwachsener darnach, in Pumphosen einherzulaufen. Wenn er sich über die „äußerst milde Behandlung" der Sträflinge im Zuchthause zu Wald heim beschwert, so mag dies im Vergleich zur englischen trssä will Berechtigung haben, wenn er aber vorschlägt, die Sträf linge in unsere Bergwerke zu schicken, so haben wir für diese Idee nur «in mitleidiges Lächeln. Wer die einschlägigen Verhältnisse kennt, wird mitlächeln. Im Civilproceß tadelt er die Verschleppung der Rechte durch die sächsischen Richter. Auf eine Klage, die im April eingereicht werde, werde erst im Oktober beim Landgericht Termin angesetzt. Dann würden verschiedentliche Beweisbescklüsse erlassen, immer neue Beweis erhebungen gemacht, neue Termine angesetzt und endlich im Juni nächsten Jahres ein Urtheil verkündet. „Natürlich" werde das Urtheil mit dem Rechtsmittel der Berufung angefochten, die Termine fänden in weit größeren Zwischenräumen beim OberlandeSgericht in Dresden von Neuem statt, der Spruch des Oberlandesgerichts werke durch Revision angefochten, das Reichsgericht verhandle „nach vielen Monaten" die Sache zum dritten Male, und so vergingen „leicht manchmal zwei bis drei Jahre, rbe eine „reckt einfache" Sache entschieden sei. Diese Behauptungen geboren zu den Ungeheuerlichkeiten, welche den Parisern oft in den Sousblättern der Seineftadt Uber deutsche Verhältnisse aufgelisckt werden. Es muß ein sehr complicirter und von den streitenden Parteien mit allen Cbikanen geführter Rechtsstreit sein, der sich so in die Länge ziehen könnte, wie eS hier ge schildert wird. Daß manche Processe schneller erledigt werken könnten, ist richtig. Aber der Eingeweihte weiß, daß die Schuld an der Hinschleppung meist an Versäumnissen, weit schichtigen Behandlungen der Sache u. s. w. seitens der Par teien, ungenügender JnstructionSertheilung an die Partei vertreter, liegt, denn der Richter sieht ein Aktenstück nur un gern zum Folianten anschwellen WaS Paddington über die Proceßkosten sagt, entbebrt nicht der logischen Conscquenz, gilt aber auch nickt allein für Sachsen, sondern für das ganze deutsche Reich. „Aufgefallen ist mir in Sachsen", schreibt Paddington S. 22, „die oft eigenartige Vertheilung der Proceßkosten, wenn rin Proceß mehrere Instanzen durch laufen hat. Ich habe zum Beispiel wiederholt zweit instanzliche Urtbeil« gesehen, weche den ersten Richter spruch au- Rechtsgründen aufheben. ohne jedoch die in erster Instanz entstandenen gerichtlichen Kosten in Wegfall zu stellen. DaS will mir nicht einleuchten. Denn waS kann eine Partei dafür, daß der Richter, vor dem sie Recht zu nehmen hat, diese« Recht falsch anwendet." WaS da« ConcurSverfadren anbelangt, so plaidirt Paddington für die Anstellung von Kaufleuten al« Evncursverwaltern bei kleinen Massen, hinsichtlich der Nacklaß- regulirung für «ine Vereinfachung de« Verfahren«. Die von ibm gegebenen Erwägungen bieten indessen nicht- Neues. Jrrthümern begegnet man auf jeder Seite. Uebertreibungen in gleicher Anzahl. Mag sich Paddington über den Dienst bei den Amtshauptmannschaften, bei städtischen Verwaltungen, bei der Finanz- bez. Stenervrrrvaltung ver breiten, immer muß man ein Körnchen Wahrheit bei ihm aus der Spreu de- JrridumS suchen. Aber man steht sehr bald, was der Verfasser will: sich den Anschein geben, al- ob er in die sächsischen Jnstizrerhältnisie eingewecht wäre! Um diesen Zweck zu erreichen, fehlt eS ibm nicht an der nötbigen Methode, „rnougst Ulis ds mackvss^ zwt tdere is metkvck iu it!" DaS hat auch «in großer Engländer gesagt, Mr. Paddington, und da« glitt un« bei der Beendung der Lektüre Ihrer Schrift unwillkürlich über die Lippen! Deutsches Reich. L. Berlin, 21. April. Der Abgeordnete Bachem hat bei der Begründung seiner Duell-Interpellation in der gestrigen Rcichs- tagssitzung sich nicht die Unterlassungssünde zu Schulden kommen lassen, die widerwärtige Ausbeutung der Fälle, die neuerdings zu Duellen geführt haben, durch einen Tbeil der Presse nicht zu erwähnen und zu brandmarken. ES gehört zu den häß lichsten Erscheinungen, daß die Zeitungen nicht da' geheiligte GeheimnH der Familie achten, sondern aus dem Brcittreten intimer Vorgänge ein schmutziges Gewerbe machen. Denn um Erwerb bandelt es sich, der Skandal bringt Geld und wird darum cultivirt. Der Einwand, daß mit ibm nichts zu verdienen wäre, wenn es nicht ein scandalsüchtiges Lesepublicum gäbe, ist natürlich begründet, besagt aber gar nichts zur Ent schuldigung jener Presse. Niedrigen Instinkten entgegenzu kommen, ist unter allen Umständen gemein, am gemeinsten, wenn es an Stellen geschieht, wo die Oeffcntlichkeitkeine Schranke kennt und nur mit Recht allgemein interessirende That- sachen und Angelegenheiten mitaetheilt und erörtert werden sollten. Uebrigens sucht das Publicum der Schmutzblätter das Skandalöse gar nicht eifrig, es ist nur bereit, es entgegen zunehmen, wenn cs ihm in so bequemer Weise, wie es durch Zeitungen geschehen kann, entgegengebracht wird. Anders verhält eS sich mit einer andern Kategorie von Gönnern und Nährvätern jener Schandzeitungen, den Personen aus den Kreisen der „Gesellschaft", die sich nicht schämen, dieZuträger des Klatsche« zu machen. Was gewisse Berliner Blätter über die Angelegenheit Kotze Richtige« gebracht haben — es war dessen nicht wenig —, kann ihnen nur von Angehörigen des HofeS oder doch durch das Verschulden von Angehörigen des Hofes mitaetheilt worden sein. Die Schamlosigkeit, das Dnell Schrader-Kotze in einer Zeitung anzukündigen, ist gleichfalls aus das Conto von Mitgliedern des Adels zu setzen. Sie läßt auf einen hohen Grad von Leichtfertigkeit schließen; denn über Waffengänge auf Leben und Tod, so lange sie nicht aus gefochten sind, unverbrüchliches Schweigen zu bewahren, gilt als selbstverständliche Pflicht der Eingeweihten. Was sich hier zeigt, ist ernster als die gewohnte Erscheinung gelb bedürftiger „elender Skribenten" und ihrer Helfershelfer aus dem Verlegerstande. Es ist ein Fäulnißsymplöm, wie die Angelegenheit.Kotze im Ganzen und noch so manches Andere, was zur Zeit Acrgerniß erregt. So veröffentlicht jetzt das Berliner Blatt, das in jener Angelegenheit von Hofleuten als Verlrauensorgan gebraucht worden ist, einen Roman, in dem der Verfasser mit ekler Breite erzählt, was er — Gerichts acten und Gefängnißjsurnale geben darüber Gewißheit — in der That erlebt Hal. Die That, die ihn der Strafe über antwortete, gehörte keineswegs nach unseren Sittlichkeits begriffen zu den nicht schimpflichen. Das hindert ihn nicht, sich mit,seinem vollen Namen zu nennen. Es ist gleichfalls ein Mitglied des Adels, bas sich dergestalt prostiluirt. Das läßt sich nicht verhindern. Leider aber wird das Blatt, in dem ein Adeliger aus seiner Schande Capital schlägt, in Adels- und Officierskreisen viel gelesen. U Berlin, 21. April. Nachdem die Hauptergebnisse der Statistik der Krankenversicherung für das Jahr 1894 ver öffentlicht sind, wird es auch möglich, den Vermögens bestand der Organe der staatlichen Arbeiterversicherung Deutschlands für das Ende des genannten Jahre- auf Heller und Pfennig sestzustellen. Die Krankenkassen batten am Ende des Jahres 1894 ein Vermögen von 94 305 642 die Berufsgenoffen- schaften Reservefonds in Höbe von 113 643 514,74und die Jnvalidiläts-und Altersversicherungsanstalteu einVermözenvon 303 570 969,71 Alle drei Organe der staatlichen Arbeiter versicherung verfügten demnach zu dem angegebenen Zeit punkte über einen Bermögensbelrag von genau 511 520 126,45 Mark. Mehr als eine halbe Milliarde war demnach bereits am Ende des vorletzten Jahres für die Arbeiter versicherung sestgelegt. Und diese Summe ist im letzten Jahre schon wieder gestiegen und wird in den nächsten noch mehr steigen. Zwar die Krankenkassen werden sich im Allgemeinen auf den im Gesetz vorgesehenen Reservefonds betrag, der Ende 1894 von den angegebenen 94,3 Millionen den größten Tbeil, nämlich 83,8 Millionen, in Anspruch nahm, beschränken, und die Berufsgenossenschaften werden nach dem Jahre 1896 Wohl nur noch zur kleineren Hälfte nöthig haben, die Zinsen zu den Reservefonds zuzuschlagen, nachdem sämmt- liche zu diesem Termine mit den Zuschlägen zu den Ent- sckädigungSbeträgen ausgebört haben werden, jedoch die Steigerung, welche der Vermögensbestand der Invalidität«- und Altersversicherungsanstalten auch in nächster Zeit noch trotz der Erweiterung der Zahl der Renten aufweisen wird, dürfte voraussichtlich immer noch eine recht beträchtliche sein. Bei einer solchen Lage der Dinge wird die Frage nach einer zweckmäßigen Anlegung der angesammelten Capitalien immer dringender. Für die Summen der Versicherungsanstalten ist wenigstens eine erweiterte Verwendung durch di« Zulassung der Anlegung in Grundstücken, Arbeiterhäusern rc. vorgesehen. Es würde jedenfalls am nächsten liegen, für die Bestände der Berufsgenossenschaften bei einer Revision der Unfall- verstcherungsgefetze eine gleiche Einrichtung zu schaffen. Berlin, 21. April. Der freisinnigen, socialdemokratischen und einem Tbeil der CentrumSpresse denunciren wir hiermit einen neuen, der Vernunft und dem gesunden Empfinden de- Bolke« hohnsprechenden Fall der Anwendung de- Begriffs de« äolus «vsutunlis. Der Hohn wird diesmal aller dings nicht von den in „künstlichen juristischen Eon« structionen untergesunkenen" Richtern einer Straffammer oder gar von dem „weltabgewandten" Reich-gericht gesprochen, sondern in einem Bericht der Wahl- Prüfungskommission d,S Reich«t»gs. Es handelt sich, beiläufig bemerkt, um ein Todtengericht. Da- Mandat, wegen dessen der Reichstag Recht sprechen soll, ist schon vor Monaten nicdergelegt worben und in diesem Augenblick wieder neu vergeben. Der Sachverhalt ist folgender: Ein Landrath batte der Redaktion eine« Kreisblatte« sein Mißfallen dar über zu erkennen gegeben, daß ein Wahlaufruf der socialdemo- kratiscken Parteileitung in ihr Blatt ausgenommen worden war, und für den Wiederholungsfall mit der Entziehung de« amt lichen Charakter« gedroht. Der Landrath erklärt nun, er habe die Verfügung unmittelbar nach der Hauptwahl und bevor seststand, daß eine Nachwahl stattzufinden habe — was sich aber als notbwendig herausstellte — erlassen. Die Absicht, mit der Verfügung auf die Nachwahl einzuwirken, habe ibm fern gelegen. Der Bericht der Wahlprüfungß- commission läßt diese Entschuldigung nicht gelten und bemerkt darüber: „Dir Stichwahl war — einerlei, ob sie dabei speciell in- Auge gefaßt ist — in dem Erlaß einbegriffen (üvlus eveutualis)". Es erfüllt uns mit hoher Selbstbefriedigung, mit der Aufdeckung des Faktums der demokratischen Presse einen ergiebigen Leitartikelstoff dargeboten zu haben. V. Berlin, 21. April. (Telegramm.) Die kaiserlichen tlindcr siedelten heute Nachmittag nach dem Neuen Palais über. HZ Berlin, 21. April. (Privattelegramm.) Die gestern im ReickStagsgcbäude abgehaltene Sitzung des OtaatS- mtnistcrtums dauerte von 2 bis 5 Uhr. Nachdem sich Herr v. Boetticker zur Beantwortung der Interpellation in den Sitzungssaal des Reichstags begeben hatte, führte Freiherr v. Berlepsch den Vorsitz. An der Sitzung nahmen auch Minister v. Marschall und Staatssecretair Graf PosadowSky Theil. tzK Berlin, 21. April. (Privattelrgramm. Um die Arbeiten der Commission für da« Bürgerliche Gesetzbuch schneller zu fördern, wird beabsichtigt, bis auf Weiteres wöchentlich eine Plenarsitzung des Reichstags ausfallen zu lassen. In dieser Woche wird der Sonnabend für die Commission frei gelassen werden. L. Berlin, 21. April. ^Privattelrgramm.) Die Polizei beabsichtigt, mit aller Schärfe gegen diejenigen LaScnbesitzer vorzugehen, welche der neue» Verordnung, betreffend Ab änderung der Kirmenschilver bis zum 1. Mai nicht nach gekommen sind. Die Beamten der verschiedenen Polizeireviere sind, der „Nat.-Ztg." zufolge, angewiesen worden, in diesen Tagen sämmtliche Ladenbesitzer, die der Verordnung bisher nock nicht nachgekommen sind, aufzusuchen und sie zu warnen mit dem Hinweise, daß sofort nach Lein 1. Mai, wenn bis dahin die Aenderung der Firmenschilder nicht vorgenommen ist, eine Strafe von 30 verhängt wird. 0. H. Berlin, 21. April. (Privattelegramm.) Eine seit etwa 6 Jahren in der preußischen Armee eingegangene Charge ist wieder neu geschaffen: Der Oberquartiermeister Generallieutenant Lberhoffer ist unter Beförderung znm General der Infanterie zum Gcneral-Lnarttermeifter er nannt worden. D Berlin, 21. April. (Telegramm.) Der Geh. Ober- postrath Wittko, vortragender Rath im Reichs-Postamte, ist zum Direktor im Reichs Postamts ernannt worben. . — Die Reichscommission für Arbeiterstatistik vernahm gestern Auskunftspersonen über die Verhältnisse der Damenkonfektion in Breslan und Erfurt. — Außer vr. Karl PeterS ist, wie die „B. N. N." hören, in diesen Tagen auch der Premierlientenant a. D. Kurella, Direktor der Siedelungsgesellschafl „Herman", ans dem Vor stand der deutschen Coloniatgesellsckafl ausgetreten, dieser indeß enkgiltig. * Osnabrück, 2l. April. (Mittags.) Bei der Reichs - tagSstichwahl im 4. hannoverschen Wahlkreise sind für Warn hoff (nat.-lib.) 1L848, für v. Schele 1S4«1 Stimmen gezählt. Aus 17 Ortschaften steht das Ergebniß noch aus. (Wiederholt.) * EottbuS, 20. April. Der Verband der Arbeitgeber der Textilbranche hat ein Circular verschickt, in welchem aus die seitens der Arbeitnehmer drohende permanente Streik gefahr und die daraus entspringende unaufhörliche Beun ruhigung der Textil-Industrie hingewiesen wird. In dem Circular heißt es: „Tas sollten die Textilfabrikanten sich sobald wie möglich klar machen, daß nur eine Gegenorganisaton die drohende Gefahr zn beschwören vermag, und zwar eine Gegenorganisation großen Stiles, die alle Zweige der Textil-Industrie umfaßt. Gerade so wie alle deutschen Arbeiter des Faches in Reih und Glied marschiren und demselben Winke blindlings gehorchen, gerade so muß eine Solidarität sämmtlicher deutschen Textil- sabrikanten «intreten, und es gilt, so rasch wie möglich eine Organisation zu schaffen, die eine solche Solidarität zu praktischem Ausdrucke bringt. Der deutsche Textil-Unternchmer muß wissen, daß alle seine Collegen hinter ihm stehen, wenn er den Muth and die Kraft gewinnen soll, dem gewaltigen Anstürme der gejammten deutschen Textilarbeiterschast nachhaltigen Widerstand entgegen zu setzen. Mögen also zunächst die Industriellen jedes Textilplatzes unter sich Bereinigungen zur Abwehr unberechtigter Forderungen der Arbeiter schaffen und mögen sodann diese Ver- einigungen mit einander in Verbindung treten, um jederzeit zn gemeinsamen Schritten bereit zu sein." Zum Schluffe wird gesagt, daß eine solche Organisation noch den Vortheil biete, auch nach der anderen Richtung hin vorrugeben und berechtigten Klagen der Arbeiter, wirklich vorhandener Noth und Mißständen Abhilfe zu gewähren. Welchen Erfolg dieser Aufruf haben wird, muß man ab warten. * BrottrroHk, 21. April. (Telegramm.) Der Kaiser hat den Besuch Brotterode- absagen lassen. * Coburg, 21. April. (Telegramm.) Der Kaiser reiste Nachmittags 3 Uhr nach Eisenach, und die Kaiserin nach nach Berlin ab. * Aus Heffen, 20. April. Die gestern hier abgehaltene socialdemokratische Landeskonferenz für da« Groß- herzogthum Hessen beschäftigte sich n. «. mit der Gewerk- schaftSfrage. Di« Adstimmnng über die beantragten Reso lutionen ergab eine Niederlage der Gewerkschaftler. Denn mit 32 gegen 17 Stimmen wurde, wie die „Franks. Ztg." berichtet, eine gewerkschaftsfreundliche Erklärung der Offen bacher abgelehnt, dagegen eine Resolution deS Reichstags abgeordneten Jost angenommen, in der e« heißt, daß die Eroberung der politischen Macht zur Emancipation der Arbeitrrclaffe unerläßlich sei, wobei man nickt verkenne, daß di« Gewerkschaftsbewegung von großer Wichtigkeit sei und nach Möglichkeit gefördert werden muffe. Ao« Weisenau bei Mainz lag ein Antrag vor, den dortigen Arbeiterwablverein ferner nicht mehr al« socialdemokratisch» Organisation an«
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite