Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.04.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-04-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960427020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896042702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896042702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-04
- Tag1896-04-27
- Monat1896-04
- Jahr1896
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Abend-Ausgabe Di« Morgen-An-gab« erscheint «m '/,? Uhr, die Abend-Ausgabe Wochentag- um S Uhr. Nr-actto« »vd Lr»e-itto«: AohOUnr-gasse 8. Dir Expedition ist Wochentag- «aunterbroche» grvsfurt v», früh S bi» Abend» 7 Uhr. Filiale«: Vit» Klemm'» Sortim. (Alfred Hahnk Uawersität-straß« 1, Louis Lösche, Katharinenstr. 14, Part, und König-Platz 7. eiWM. Tageblatt Anzeiger. Amtsblatt -es Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Mathes un- Molizei-Ämtes -er Lta-t Leipzig. Vezug-oPreiS M der Hauptexpedttion oder den im Stadt bezirk und den Bororten errichteten Aos- gaoestellen abgeholt: vierteljährlich ^4.50, bei »weimaliarr täglicher Zustellung ins Lau» S.bO. Durch di» Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteliährlich ^l S.—. Directe tägliche ikreuzbaildlenvung ins Ausland: monatlich ^ll 7.Ü0 Zs 212. Montag den 27. April 1896. AnzeigrN'PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Neclamen unter dem Redactionssicich (4ge- spalten) bO^, vor den Familiennachrichten <6 gespalten) 40/^. Größere Schriften laut unserem Prris- verzetchniß. Tabellarischer und Zifsernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesördrrung <^l 60 —, mit Poslbrsörderung ^ll 70.—. Ilnnahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bormittag» 10 Uhr. Mvrgen-Au-gabr: Nachmittags 4Uhr. Bet den Filialen und Annahmestellen je rin« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet- an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig SV. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 27. April. Wie wir bereit» in unserer SountagsauSgabe melden konnten, hat die Reich-tag-commission für da» Bürger liche Gesetzbuch den conservativea Antrag auf Einführung der fakultativen und den CentrumSantraa auf Einführung der obligatorischen kirchlichen Eheschließung in zwei Sitzungen durchberathen und schließlich abgelrhut. Da die weiteren Anträge de» Centrums zum Personen-Eberecht (Giltig keit, Scheidung u. s. w. betreffend) die Conservativen ge schloffen gegen sich hatten, so sind sie mit ziemlich großer Majorität gefallen. Hinsichtlich de» fakultativen Civilehe batten sich die conservativen Commissionsmitglieder gemäß der Haltung der „Kreuzreitung" einerseits und der de« „Reichsboten"anderer seits gespalten. Herr v. Buch la, ein streng kirchlich gerichteter Herr, empfahl die Beibehaltung der obligatorischen Civilehe, sein Parteigenosse Himburg vertrat die durch nichts gestützte, wohl aber von zahlreichen hervorragenden evangelischen Geistlichen widerlegte Ansicht, daß daS religiöse Gefühl der Mehrheit des evangelischen Volkes die kirchliche Eheschließung fordere. Das Cent rum vertheidigte seinen Antrag, der alle Ver lobten zur kirchlichen Eheschließung zwingen wollte, als einen Ausfluß der Toleranz und bekämpfte die Bestimmung des Bürgerlichen Gesetzbuches als intolerant. Es ist daS alter Brauch des UltramontanismuS, von Duldsamkeit zu reden, wo er unterdrücken will. In Wahrheit ist es selbst verständlich ein Gebot der Freiheit und Gleichheit, dem Staat, der für Alle da ist, der Niemand aus schließt und von dem sich Niemand ausschließen darf, die Eheschließung zu übertragen und nicht den Kirchen, derc.: jede nur für einen Theil der deutschen Reichsangehörigen vor handen ist von denen diejenige der Antragsteller selbst An gehörige auss chließt. Umgekehrt leiden die Kirchen nicht im Mindesten durch den Zwang, vor der kirchlichen Einsegnung der Ehe die Ehe selbst schließen zu lassen. Es ist Keinem benommen, seine nur vor dem Standesamt geschlossene Ehe nicht als eine solche anzusehen, und es ist auch den ReligionSgesellschaftea nicht verwehrt, zu lehren, daß die bürgerlich geschlossene Ehe vor Gott noch keine rechte Ehe sei. Die ungefähr vier Procent aller Paare, die in Deutschland mit der standesamtlichen Trauung sich begnügen, könnten nach dem CentrumSantrag allerdings in die Kirche gezwungen werden, vorausgesetzt, daß sie nicht vorzögen, aus der Religionsgemeinschaft auszuscheiden, in welchem Fall sie auch nach dem CentrumSantrage von dem Standesbeamten zusammengegeben werden könnten. Aber sie kämen nicht freiwillig, sondern würden vom Staat al« dem Büttel der Kirche vor den Geistlichen geschleppt, und hierin einen Gewinn für die Kirche zu erblicken, hieße leugnen, daß die Religion etwas Innerliches ist. Der Reichsjustiz- secretair trat den Versuchen, dem wohlgeordneten und be festigten Zustand auf dem Gebiete deS EheschließungsrechtrS mit aller Wünschenswertheu Entschiedenheit entgegen und daS Gleiche haben Vertreter der bayerischen, der württem- beraischen und der badischen Regierung gethan. Daß die sächsische sich nicht angeschlossen hat, beruht wohl auf einer Zufälligkeit und hat jedenfalls keine politische Be deutung. Daß der Reichstag, wenn er zu Pfingsten bis zum Herbste sich vertagt, dann eine kaum zu bewältigende Arbeitslast auf seinen Schultern haben wird, geht auS einer officiöscn Aufzählung des BerathungSmaterialS hervor, daS dem BundeSrathe vorliegt. „Mit dem Bürgerlichen Gesetzbuche" — so heißt eS in dieser Aufzählung — „sollen gleichzeitig Gesetze, betreffend Ar n der ungen desGerichts - Verfassungsgesetzes, der Civilproceßordnung und derEoncurSordnuna, über die Zwangsversteigerung und ZwangSvrrwaltuna, einer Grundbuchordnung und über die Angeleaenyeiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in Kraft treten. Bis auf die letzten beiden, an denen im Reichs-Justizamte eifrig gearbeitet wird, ist dieser geplante gesetzgeberische Stoff dem BundeS rathe bereits vorgelegt und wird in den Ausschüssen ein gehender Berathung unterzogen. Wenigstens von einigen dieser Entwürfe, die, wie die ConcurSordnungSnovelle, die weitesten Kreise in persönlichen Interessen angeht, darf man als sicher annehmen, daß sie nach ihrer Feststellung im BundeSrathe veröffentlicht werden. Allerdings wird man vor Schluß der jetzigen Parlamentstagung auf diese Veröffentlichung schwerlich rechnen dürfen. Neben den Vor lagen juridischen Charakters ist es der wirthschaftlich nicht un bedeutend ins Gewicht fallende deutsch-japanische Handelsvertrag, der dem BundeSrathe zur Entscheidung vorliegt. Von ihm hofft man, daß er bei gründlichster Durch- berathung noch so zeitig hergestellt werden wird, baß er den Reichstag in der laufenden Tagung beschäftigen kann. Sodann kommen für den BundeSraty Vorlagen, die sich auf den Schutz der Arbeiter beziehen, in Betracht, wie die über die Einrichtung und den Betrieb von Buckdruckereien und Schriftgießereien. Auch der Entwurf über die Arbeitszeit im Handelsgewerbe wird auf diesem Gebiete Arbeit verursachen. Schließlich sind, abgesehen von kleineren Vorlagen, Resolutionen des Reichstages zum Etat für 1896/97, sowie der vom Reichstage angenommeneEntwurs wegen A end e- rung des Wahlgesetze» für den deutschen Reichstag in Ausschußberathung. Dazu dürften in naher Zeit voraus sichtlich noch zwei Entwürfe kommen, und zwar einmal das HandwerksorganisationSgrsetz und sodann die Vor lage wegen der vierten Bataillone. Man sieht, daß der Umfang der Arbeiten des Bundesraths kein kleiner ist, jedoch wird man als sicher annehmen dürfen, daß die weit au- größte Mehrzahl der vom BundeSrathe in Berathung genommenen oder noch zu nehmenden Entwürfe die andere gesetzgebende Körperschaft deS Reich- erst nach der Sommerpause beschäftigen wird." Das Letztere ist eigentlich selbstverständlich, denn die Vorlagen, die jetzt dem Reichstage noch nicht vorliegen, kann er vor der Sommerpause nicht mehr in Berathung nehmen, sofern er diese Pause nicht hinauSschiebt- Da daS nickt zu erwarten ist, so wird wenigstens der BundeSratb in fortgesetzter Thätigkeit bleiben müssen, damit der Reichstag bei seinem Wiederzusammentritt im Herbste daS gesammte Arbeitsmaterial vorfindrt. Verlegenbeit ist die Signatur der Lage in Frankreich. Präsident Faure hatte Meline als den geeigneten Mann, die Schwierigkeiten zu lösen, auserkoren, aber dieser ist, vor läufig wenigstens, wieder in den Hintergrund getreten, da er für den Fall der ablehnenden Haltung der Kammer gegen ein Ministerium mit überwiegend gemäßigtem Charakter, das er zu bilden bereit schien, Ermächtigung zur Auflösung der Kammer verlangt hatte, eine Maßregel, die Faure zu bedenklich erschien. Das Staatsoberhaupt wandte sich nun an Sarrien, den bisherigen Minister des Inneren, der zur Bildung eines Concentrationsministeriums noch geeigneter erscheint als Möline. Sarrien ist Progressist, d. h. weder eigent licher Radikaler, noch eigentlicher Opportunist; er gehört zener Gruppederfortgeschrittenen Deputaten an, welchezwischen diesen großen Parteien steht und eine Verständigung der feindlichen Brüder anstrebt. Sarrien hat in seinem Wahlprogramm von« Jahre 1893 echt fortschrittliche Forderungen ausgestellt, u. A.: „Reform des veralteten Steuersystems, indem man nur Jene zahlen läßt, welche besitzen und in dem Verhält nisse ihres Besitzes. Bestimmung und Einschränkung der finanziellen Rechte des Senat», um Conflicte zwischen den beiden Kammern zu vermeiden. Entwickelung der Insti tutionen der Fürsorge und der Unterstützung. Ver besserung der Arbeitsverhältnisie. Alters- und Kranken versicherung durch Errichtung von Pensionöcassrn, die vom Staate und von den Gemeinden subventionirt sein sollen. Fortschritt auf allen Gebieten durch eine gerechtere Gesetzgebung für Jene, welche leiden und welche das Schickial in dem Kampfe um die Existenz entwaffnet bat." Andererseits aber finden sich in dem Programm folgende Sätze: „Ich weise die Wahl einer Constituante, welche die Regierung des Landes in Frage stellen könnte, zurück, und wenn ich glaube, daß man unsere Verfassung verbessern kann und daß das lebte Wort dem allgemeinen Stimmrecht gehören muß, so bleibe ich ein entschiedener Anhänger der Präsident schaft der Republik und der Institution de- Senat-." Einen besseren VersöhnungSmann, den vielleicht auch der Senat nicht zurückweisen würde, kann man sich gar nicht denken. Was die Forderung der progressiven Einkommensteuer anlangt, so macht diese ihn den Gemäßigten allerdings mißliebig, aber im Princip hat die Kammer die Steuer an erkannt. Dieselbe wird doch einmal kommen und ihre Einführung wäre, besonders auch von deutschem Standpunct betrachtet, nur zu begrüßen, da sie uns — namentlich unsere Industrie — entschieden wirthschaftlich concurrenzfähiger machen würde. Nun sind aber auch die Verhandlungen mit Sarrien in« Stocken gerathen. Er hat, nachdem er sich mit seinen Parteigenossen besprochen, dem Präsidenten erklärt, daß er ein Versöhnung-Ministerium, wie dieser es wünscht — neueren Meldungen nach infolge eine- demSenatgegebenenBersprechenS—nämlichmit ausgesprochenem Uebergewicht de- gemäßigt-republikanischen Elemente-, nicht zu Stande bringen könne, daß er vielmehr eine über wiegende Berücksichtigung der äußersten Linken für geboten erachte. Offenbar sind die socialistischeu Kundgebungen auf der Straße nicht ohne Einfluß auf Sarrien'S Haltung geblieben, und sie dürsten auch bei der weiteren Ministersuche eine Rolle spielen. Immerhin hofft Faure den Concentrations mann Sarrien noch umzustimmen, da er, wie unS gemeldet wird, ihn morgen nochmals zur Uebernahme der Cabinets- bildung zu bestimnien suchen wird. Andererseits verlautet, Faure werde nochmals bei Meline anklopfen und ihn bitten, es doch noch mit der Bildung eine- Concentrations- cabinetS, eventuell eine« rein gemäßigten, zu versuchen. So schwankt Faure noch immer zwischen Müline und Sarrien hin und her, Beide haben wenig Neigung, di« Mission zu übernehmen, und auch bei den noch in Betracht kommenden Personen wird der Präsident nicht mit offenen Armen empfangen werden. E- ist auch nicht verlockend, vor diese Kammer zu treten, und zwar mit dem Bewußtsein, sehr bald, vielleicht im Handumdrehen, in der Versenkung zu ver schwinden und sich politisch zu compromittiren. In England, wenigstens so weit es an der mit nationaler Zähigkeit betriebenen Afrikahetze theilnimmt, herrscht arge Verstimmung. Herrn Chamberlain ist eS nicht geglückt, den Präsidenten Krüger zu einem Besuche in London zu vermögen. Monate lang hat Krüger die Einladung un beantwortet liegen lassen, dann lautete sie — ablehnend, und die Ablehnung war einfach damit motivirt, daß der Volks- raad meine, es sei gegenwärtig nvthwendig, daß der Präsident im Lande bleibe. Diese neue Schlappe wird die Politik des Cabinets Salisbury hinnehmen müssen, ohne augen blicklich sich Grnugthuung verschaffen zu können. Daß die Weigerung Krüger'S die Gegensätze nur noch verschärfen wird, ist natürlich außer Frage, aber die Schuld daran liegt nicht an dem Präsidenten der südafrikanischen Republik, sondern an England. In London mußte man sich, wenn man nicht ganz mit Blindheit geschlagen war, Voraussagen, daß ein Krüger in die ihm gelegte Falle nicht gehen würde. Eine solche war dir Einladung, nach London zu kommen, wo man hoffte, durch persönliche Bearbeitung des aus dem Contact mit der Vertretung seines Landes herausgerissenen „alten Mannes" wichtige Zugeständnisse herauszulisten oder heraus zupressen, oder aber ibn so lange fern vom Schauplatz der Erreigniffe zu halten, bis man im Matabeleland im Stande gewesen wäre, die zweite verbesserte Auslage des Jamesonzuges ins Werk zu setzen. Thalsächlich ist die Lage der Engländer in Buluwayo bei Weitem nicht so schlimm, wie sie dargestcllt wird. Die Stadt gilt für uneinnehmbar, rin Angriff auf dieselbe ist ausgeschlossen und der glänzende Ausfall der drei hundert Besatzungsmannschaften zeigt, daß bei gutem Willen sehr rasch mit den Matabeles fertig zu werden ist. Ader zur Ablehnung Krüger'S kommt noch als weiterer höchst fataler Schlag der unerwartete Ausgang des Landesverraths- processes in Pretoria. Das Schuldgeständniß der An geklagten, welche- die Chartered Compaanie in der peinlichsten Weise bloß stellt, bat geradezu verblüffend gewirkt. Die Strafen für Hochverrath in Transvaal sind Haft, Geldbuße, Verbannung; daneben bestimmt ein besonderes Gesetz für Hoch verrath bezüglich der Goldfelder, daß die des Verbrechens über führten Personen im Grubeugebiet neben der sonstigen Strafe ihre sämmtlichen Anrechte und Besitzungen auf Goldfelder zu Gunsten des Staats einbüßen. Die Preßorgane der Chartered Company, „Times" und „Standard" voran, ziehen die Hörner stark ein. Sie sind plötzlich — natürlich nur. vorübergehend — ganz versöhnlich und rufen ziemlich kleinlaut die Gnade des Präsidenten an. „Daily News", die kürzlich in dasselbe Vager übergegangrn war, wirft die Hockverräther über Berd und erklärt, wer ohne Erfolg eine Staatsumwälzung ver suche, müsse die Folgen hinnehmen und könne nur die volle Strenge des Gesetzes erwarten, höchstens eine Milderung seines Looses von der Großmuth des Präsidenten erhoffen. „Daily Chronicle" erinnert daran, daß der des Hochverraths geständige Oberst Rhodes dem Verwaltungsrathe der Chartered Company angehört, und knüpft daran die Frage: „Wie steht nun sein Bruder und die übrigen Mitglieder?" Eine Sache, deren Behandlung in der Ersten schwedische» Kammer alle Zuhörerplätze füllte und i» allen Kreisen leb hafte Theilnahme fand, war der von Sittlichkeitsvereinen ausgegangene Antrag auf Verbot des Ausschanks von spirituosen Getränken in den sogenannten VaristSS, womit auch eine Einschränkung der Thätigkeil derselben beabsichtigt ist. Die Regierung hat einen Gesetzes vorschlag auf Aenderung der Branntweinverkaufs-Verordnung vorgelegt, wonach bei den Vorstellungen der VariStss der Ver kauf nur in besonderen Ausnahmefällen erlaubt sein solle. Lrctor Waldenström beantragte dagegen, da» Verbot solle ohne Ausnahme gelten. Von den LandeShauptmann-ämtern hatten sich die meisten zustimmend ausgesprochen, sechs aber und das Stockholmer Statthalteramt dem Verbot wider- rathen; ebenso hatte auch der Bewilligungsausschuß des Reichstags von der Sache abgerathen, da die Absicht durch das Verbot, da» man überdies in Nebenräumen umgehen könnte, nicht erreicht würde, ja noch schlimmere» Uebel daraus FeniHet-ir. Der Roman einer Schwiegermutter. Fräulein I. d« Saint-Aignan nacherzählt von H. Semmig. g) Nachdruck »erdotrn. „Ah! sieh da! Eine Einladung von einer unserer neu geschaffenen Fürstinneu und eine von der Herzogin de Luyne. Wie ist's? Kannst Du mir sagen, welcher von beiden der Hochmuth der Stiefmutter am wenigsten wird widerstehen können?" „Ich glaube, liebe Tante, daß die der Fürstin mehr darauf zählen kann, von Madame ve Lubersac angenommen zu werden." „Ja! ja! Du hast Recht. Al» PächterStochter verlangt sie nach Schaustellung, Flitter und Paukenlärm, sie möchte ihren Namen im Hofkalender prunken sehen. Die Bauern sind wie die Kinder, die die Feenmärchen den Romanen vor ziehen, weil eS darin ungewöhnlicher zugeht. Nun gut, mein Kind, Madame de Lubersac und die Frau Baronin Martial werden beide noch heute eine Einladung erhalten; Du eben falls, und wir werden sie nächsten Montag bei der Fürstin sehen." — „Sie werden also ihren Salon mit Ihrer Gegenwart beehren, liebe Tante?" rief d'Arton lachend aus. „Liebes Kind, köre mich an, ein Vorurtheil, da« un» Leuten entfremdet, die wir brauchen, ist nur eine Albernheit. Wir brauchen für unsere Zusammenkunft einen EmpfangS- saal. Nun finden wir einen, der prächtig dazu paßt; was wagen wir dabei, wenn wir ihn benutzen? Nicht einmal eine der schönen Federn, womit die- arme Geflügel der „basss-cour" sich so gern schmücken möchte; so wie wir hin kommen, so gehen wir auch wieder fort, unversehrt, da schwöre ich Dir zu, und sie daselbst werden so bleiben, wie wir sie gesunden haben." „Aber fürchten Sie nicht, daß Madame de Lubersac ohne ihre Stieftochter zu dem Feste geht?" „Unmöglich! Das wäre gar zu ungeschickt; daS wird sie nicht thun. Ihre Gegenwart allein würde lächerlich sein. New, nein; w,r bekommen sie alle beide nächsten Montag zu sehen Bi» dahin beurlaube ich Dich, aber hole mich bei Zeiten ab." Maxence erschien zur rechten Zeit und fand sein« Tante schon bereit, den Fächer in der Hand, die Schultern mit einem prächtigen Cachemirshawl bedeckt; es war ihr sogar gelungen, ihre Toilette sowohl der TageSmode als ihrem gealterten Gesicht anzupassen. Mit wundervollen Diamanten geschmückt, deren Schön heit durch die antike Fassung nicht versteckt werden konnte, die Wangen durch einen Anflug von Schminke leicht geröthet und ihre schwarzen Augen noch immer von der Schalkheit und Lebhaftigkeit ihrer Jugend blitzend, so trat die Mar quise de Chalancay in die Salons der Fürstin, gestützt auf den Arm ihres Neffen, der in der blendenden Gesellschaft, die sie antrafen, noch weit fremder war als sie selbst. ,,Wir kommen gerade recht, sagte die Marquise, der Ball ist in seinem vollen Glanz; wir werden unsere Damen gewiß antreffen." Um die beiden neu Eintretenden wimmelte eS von glän zenden Uniformen und so knapp anliegenden Toiletten, wie die Frauen sie nur je haben erfinden können. Die wallenden Gewänder mit phantastischem Schnitt nach persönlicher Laune waren damals nicht in der Mode. Es gefiel dem Herrscher geiste, der über Frankreich und die Zeit gebot, mit seinem Säbel kurzweg große Rahmen au-zuschneiden, worein sich nachher Sitten und Gewohnheiten, Gesetze und Länder ge zwungen oder freiwillig fügen mußten, und wie das immer geschieht, so prägte sich auch in der Mode, diesem leicht hin geworfenen oberflächlichen Bilde der Gesellschaft, der Geist deS Augenblicks auS, indem er Allem, was in dieses Fach schlug, vom Möbel an bis zur weiblichen Toilette, die steife gerade Linie eines Soldaten unter den Waffen aufnöthigtr. Gott weiß auch, wie sich manche Personen abquälten, um eine widerspenstige Natur in daS enge Futteral «in- zuzwiinaen, das vom Geschmack de« Tage« vorgeschrieben war. Frankreich selbst in seinem RuhmeSraufchr beugte sich ebenso gutwillig unter dem starren Absolutismus, der e» regierte; aber oft ließen unbeschreibbarr Leiden auf beiden Seiten erkennen, daß da» Kleid für dir Taille zu eng war. So mußte Wohl auch, trotz de» fröhlichen Lächeln«, da» über ihre Lippen glitt, Madame de Lubersac eine dieser namen- losen Folterqualen in dem nach den Griechen erneuerten Kleide empfinden, worin sie der Mode gemäß ihre frische Rundheit eingezwänat hatte. An ihrer Seite ließ Antonme, deren angeborener Reiz Alle« verwischte, wa« ihr Costüm Mißfälliar» kaben konnte, über die sie umgebend« Menge ihre großen scheuen Gazellrnaugrn gleiten, m denen man naire Urberraschuug, still» Bewunderung und kindlich» Freude einer armen Klausnerin lesen konnte, die plötzlich in den blendenden Glanz eines feenhaften Festes versetzt wurde. Zuweilen jedoch ward ihre treuherzige Physiognomie durch eine melancholische Wolke, eine plötzliche Zerstreuung, einen verstohlenen Blick verdunkelt, den sie auf die bunten Gruppen in den SalonS warf, bi- irgend eine neue blendende Er scheinung ihre Stirn plötzlich mit einem Blitze der Neugier wieder erhellte. Die Marquise de Chalancay war einige Schritte von denselben stehen geblieben und betrachtete die beiden Damen lange mit einem scharfen, forschenden Blicke; dann wendete sie sich plötzlich zu ihrem Neffen und sprach: „Die junge Frau ist reizend, sie gefällt mir, und ick billige deine Wahl: komm, stelle mich ihnen vor, wir müssen den Feldzug eröffnen." Maxence gehorchte und trat mit seiner Tante zu Madame de Lubersac. Als er sah, wie Antoninen- reizendes Gesicht bei seinem Erscheinen von einer plötzlichen Röthe übergossen wurde und dann blasser als vorher ward, vergaß er fast über der Aufregung, in die er gerietb, wa» er zu sagen hatte. Er erholte sich jedoch, und die Vorstellung fand nach allen Regeln statt. Wie Madame de Lubersac Maxence ansichtig ward, ver dunkelte sich ihre Physiognomie auffallend. Sie hatte nicht vermuthet, ihn bei der Fürstin anzutreffen, zu der sie Antoninen in vollem Vertrauen geführt batte. Als sie de» Namen der Marquise de Chalantzay aussprechen hörte, verneigte sich Cücile vielleicht rin wenig tiefer, al- in ihrer Absicht lag; wie sie sich aber wieder aufrichtete, nahm sie eine ma>estätische Miene an und schüttelte mit einer hochmüthigen Bewegung die Federn, die ihren Kops schmückten. Die Marquise bemerkte wohl diese Zeichen von Verdruß, ließ sich aber dadurch nicht einfchüchtern. Sie setzt« sich un gezwungen und munter zwischen Cöcile und ihre Stieftochter und sagte zu Maxence: „Jetzt, mein liebe» Kind, wo Du mich so gut unter gebracht hast, gebe ich Dir Deine Freiheit wieder; amüsire Dich und vergiß mich hier. Wenn ich Dich nötbig haben werde, werde ich Dich zu finden wissen." Maxence begriff, daß seine Tante ihn fortschick«» wollte, um bequemer plaudern zu können. Ta« paßte ihm aber k«ine»weg«, und auf die Gefahr hin, allem Ueberein- kommen zuwiderzuhandeln, trat er zu Antoninen und fragte sie, ob sie nicht walzte. Sofort ergriff CScile da» Wort. „Ach, Herr d'Arton", sprach sie, „Sie wissen, wie sehr und aus welchem Grunde Antonine die Gesellschaft flieht; als ick sie recht wider ihren Willen hierher geführt habe, nur in der Hoffnung, sie zu zerstreuen, hat sie mir das Versprechen ab genommen, daß ich sie nicht würde zum Tanzen zwingen lassen." Also abgewiesen, sah Maxence »in, daß er nicht« Besseres zu thun hätte, als seiner Tante zu gehorchen; seufzend ent fernte er sich. Die Marquise hqtte jetzt freies Feld; sie wandte sich mit dem liebenswürdigsten Lächeln zu Madame ve Lubersac und knüpfte da- Gespräch an. Die alte Dame sprach von tausenderiei Dingen und ging dabei gewandt um ihre Nachbarin herum, um ihre schwache Seite zu entdecken. Sie kannte die Vergangenheit der Madame de Lubersac, das war «in großer Vorthesi für sie. Aber Cöcile Bourdais hielt sich mit ihrer ordinairen Geschicklichkeit streng auf der Defensive und verwirrte mehr als einmal die Manöver der leichten Truppe, die um sie herum plänkelte. Äi« die Marquise sah, daß sie, anstatt vorwärts zu kommen, eher zurückweicken mußte, beschloß sie, ihr Geschütz nach einer anderen Seite zu richten und sich au Antoninen zu wenden, dir sie bisher ein wenig vernachlässigt halte. Zuvor mußte sie aber die Stiefmutter hinlänglich beschäftigen, damit sich dieselbe nicht etwa dazwischen warf- Die Marquise sah sich in der Gesellschaft um; unter den Gästen befand sich eine gute Anzahl ihrer alten Freunde, die sie sich zwar zu sehr verschiedenen Zeiten und unter sehr verschiedenen Um ständen erworben hatte, die aber Alle im Augenblick eine vortreffliche Stellung in der Welt einnahmen. Sie wechselte erst mit ihnen freundliche Grüße, dann einige Worte aus, die die Unbeschäftigten heranlockten und so bildete sich nach und nach um sie eine Gruppe, in welcher eS von gestickten AmlScostiimen, Ordensbändern, Kreuzen und glänzenden Namen der Epoche wimmelte. Die Marquise stellte jede dieser vornehmen Persönlichkeiten ihren Gesellschafterinnen vor und wenn einige unter ihnen Madame de Lubersac mit einiger Ueberraschung grüßten, so verziehen doch Alle rasch der alten Dame den wunderlichen Einfall, da sie ihm zugleich die Bekanntschaft mit der reizenden Baronin Martial verdankten, klebrigen» kümmerte sich die Marquis« wenig um da», wa» sie denken mochten, sah aber bald zu ihrer großen Zufriedenheit, wie Cöcile vor Freude strahl»«, vor Eitelkeit errolhete, sich eine Stellung gab, ihre Reize zur Sckau legte, dann wieder verlegen tackelte und doch ohne zu große Aufregung den Goldregen von großen Namen über sich ergehen ließ, der auf sie heravströmte. Als endlich Madam« d« Ehalanyay CScil« ganz in die Freud«
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite