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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.04.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-04-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960428014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896042801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896042801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-04
- Tag1896-04-28
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Größere Schriften laut unserem Preis verzeichnis. Tabellarischer und Zifsrrnsap nach höherem Tarif. Extra-Vetlaqen (gefalzt), nur mit der Morgen - AuSgab», ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Vormittag- 10 Uhr. Mo rgr »«Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Bet den Filialen und Annahmestellen je eine halb« Stunde früher. Anzeigen sind stets an di« Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig SV. Jahrgang. Dienstag den 28. April 1896. Das Reglement über die Einrichtung der Luchdruckereien. * Es ist einer der bewährtesten Kunstgriffe der social demokratischen Führer, unerfüllbare Forderungen an die gesetzgebenden Körperschaften zu stellen. Werden diese For derungen abgelehnt, so giebt die- willkommene Gelegenheit, die „Arbeiterfeindlichkeit der herrschenden Classen" mit den schwärzesten Farben zu malen und die Arbeiterwelt mit neuen« Haß gegen diese Classen zu erfüllen. Der Erfolg diese« Kunst griffe- ist so in die Augen fallend, daß er Allen, die mit Vorschlägen zur Verbesserung der Lage der Arbeiter und zur Beseitigung vonMißständen in den geschäftlichen Betrieben hervor zutreten sich gedrungen fühlen, zur Warnung dienen sollte. Leider aber ist von einer Frucht dieser Warnung in solchen Kreisen, die besonder- berufen zu sein glauben, durch sociale Reformen der Socialdemokratie das Wasser abzugraben, wenig zu spüren. Fast täglich begegnet man neuen Reform- Vorschlägen, die, sei es infolge mangelhafter Sachkenntniß der Urheber, sei es infolge ihres Uebereifers, ein Uebermaß von Forderungen enthalten und die socialen Gegensätze verschärfen, statt auszugleichen. Zu dieser Art von Vorschlägen müssen wir auch den vomReichskanzleraufGrund vontz 120c der Gewerbe ordnung dem BundeSralh vorgelegten Entwurf von Vorschriften für die Einrichtung und den Betrieb der Buchdruckereien und Schriftgießereien zählen, den wir kürzlich «nitgetheilt haben. ES ist nicht zu verkennen, daß dieser Entwurf manches Mtzliche, Zweckmäßige und Durchführbare enthält, daneben aber enthält er auch — ganz abgesehen von der mindestens höchst unzweckmäßigen Zusammenfassung zweier ganz ver schiedener Gewerbe — so viel Unnützes, Zweckwidriges und Un durchführbares, daß er dem hetzerischen Treiben der Social demokratie mehr Vorschub leistet, als das wirkliche Wohl der in beiden Betriebsarten beschäftigten Arbeiter fördert. Dem Buchdruckgewerbe muthet er Umbauten und Neubauten zu, die hoch in die Millionen laufen. Der Deutsche Buchdrucker verein berechnet die Kosten auf mindestens 14—15 Millionen. Man verlangt, daß alle Räume mindesten 3 m Höhe aufzu weisen haben. Schon in den Städten wird diese Höhe keineswegs überall vorhanden sein. Auf dem Lande aber gibt es manche Orte und selbst Städte, wo Häuser mit 3 m hohen Räumen überhaupt nicht vorhanden sind. Kleinere Druckereien richten sich aber häufig in vorhandenen Häusern ein und die Setzer fühlen sich in diesen Räumen nicht mehr beengt als die anderen Betriebe, die vorher in denselben Räumen etwa untergebracht waren. Eine Aenderungcines solchen Baues ist nicht möglich. Es bleibt also nur die Wahl zwischen einem anderen, den Bestimmungen entsprechenden Bau und dem Neubau. Noch eingreifender ist vie Bestimmung, die für jeden Arbeiter einen Luftraum von mindestens 15 cdm verlangt. Für die weit gesundbeilsgefährlichere Tabakindustrie hat der Bundesrath einen Mindestluftraum von 7^/r cdm festgesetzt. Selbst wenn diese Bestimmung ungenügend wäre, so ließe sich doch keineswegs rechtfertigen, bei einem viel gesünderen Berufe, als es die Tabakindustrie «st, das Doppelte zu bestimmen. Zum Vergleich der Zahlen, um die eS sich hier handelt, mag darauf hingewiesen werden, daß in den württembergischen Schulen nach einer CultuSministerialverfügung für jeden Schüler bis zu 14 Jahren ein Luftraum von mindestens 3 cdm, für ältere Schüler, je nach dem Alter, ein solcher von mindesten- 3,5 bis 5 cdm verlangt wird. DaS englische Fabrikgesetz begnügt sich mit einem MindestluftraukN von 9 cdm. Man «nag vasür sorgen, daß überfüllte Räume vermieden werden, man mag die Gewerbeaufsichtsbeamten mit entsprechenden Befugnissen auSstatten oder man mag, wenn die 7>/s cdm der Tabak industrie nicht genügen, nach englischem Vorbild 9, oder wenn es sein muß 10 oder gar 12 cdm verlangen; 12 cdm Luftraum sind Raumverhältnisse, die sich in gut eingerichteten Druckereien finden; von einer Gesundheits gefährdung kann dabei absolut nicht mehr die Rede sein; 15 cdm als Mindestluftraum ist aber so hoch gegriffen, daß die Bestimmung sich im Hinblick auf die Kosten nicht rechtfertigen läßt, wie sie im Hinblick auf die sanitären Vor theile, denen auch mit 10 cdm vollauf gedient ist, nicht noth- wendig erscheint. Dabei möge auch daraus hiigewiesen werden, daß unsere Polizeibehörden, die die Aufsicht haben, pünktlich und strenge nack den Vorschriften vorgeken werden. Wenn nun ein Betrieb, der den weitgehenden Bestimmungen der 15 cdm Luftraum entspricht, einmal vorübergehend genölbigt ist, wegen eines besonderen Auftrags oder wegen der Jahreszeit, die besondere Auf träge mit sich bringt, z. B. unmittelbar vor Weih nachten, einzelne Hilfskräfte vorübergehend anzustellen, soll da nun ein Neservebau bereit gehalten werden für die vorüber gehenden Hilfsarbeiter, weil nach dem polizeilichen Anschlag der Saal nicht zureicht für eine größere Zahl als die regelmäßig in ihm beschäftigten Arbeiter? Man wird doch nicht be haupten können, im Buchdruckgewerbe herrschten solch grauen hafte Zustände, baß man strenger sein müßte als sonst in irgend einem Berufe. Man denke an die Tabakindustrie, an die Zustände in der Hausindustrie, an die ConfectionSbranche. Man wird doch nicht glauben wollen, daß in diesen Betrieben für die Gesundheit besser gesorgt sei! Und wenn man Be stimmungen in Rücksicht auf die Gesundheit für nothwendig erachtet, so ist es doch nur angezeigt, gesundheitsschädliche Verhältnisse zu beseitigen, nicht aber alles DaS als Mindestmaß zu verlangen, was bei weitgehenden An sprüchen etwa als Wünschenswerth betrachtet werden kann. Es würde zu weit führen, hier auf alle einzelnen Be stimmungen des geplanten Reglements einzugehen. Einzelne sind, wie gesagt, vurchauS berechtigt, anderen aber sieht man zu sehr an, daß sie am grünen Tisch ohne Kenntniß der Verhältnisse gefertigt sind. Da ist z. B. vorgeschrieben, der Arbeitgeber habe „mit Strenge darauf zu halten", daß die Arbeiter jedes Mal, bevor sie Nahrungsmittel zu sich nehmen oder den Betrieb verlassen, von der vorhandenen Wasch gelegenheit Gebrauch machen. Wie der Arbeitgeber er wachsenen Leuten gegenüber auf solche Bestimmungen mit Strenge soll halten können, ist unerfindlich. WaS soll er thun, wenn die Arbeiter sich nicht darum kümmern? Was soll er thun, wenn ein Arbeiter, anstatt sich des Spucknapfs zu bedienen, der für Druckereien nun auch voraeschrieben wird, auf den Fußboden spuckt (was übrigen- unseres Wissen in den Druckereien schon jetzt nicht üblich ist), obgleich doch da- neue Reglement die Arbeitgeber verpflichtet, das Ausspucken auf den Fußboden zu untersagen. Soll etwa neben jeden Spucknaps ein Schutzmann gestellt werden? Einen Spuck napf für je fünf Personen muß der Arbeitgeber aufstellen und täglich muß er sie reinigen lassen. Das sind Be stimmungen, die sich ja schließlich ohne allzugroßen Kosten aufwand bewerkstelligen lassen, aber man wird doch auch hier fragen, ob solche weitgehende Eingriffe in die Rechte des Ein zelnen sich begründen lassen. Auch sonst sind noch viele ähnliche Bestimmungen vorhanden, die eine fortgesetzte polizeiliche Be aufsichtigung eines jeden Betriebes nothwendig machen: Ab gesehen davon, daß die Fußböden täglich naß zu reinigen sind, wird noch zweimal im Jahr eine gründliche Generalputzerei ver langt. Wände und Decken müssen mindestens einmal jährlich frisch angestrichen werden. Für je 5 Arbeiter ist eine besondere Waschgelegenheit einzurichten, eine Bestimmung, die etwa Sinn hat, wo das Wasser getragen und Waschschüsseln gestellt werden müssen. In Fabriken, in denen die einzelnen Räume fließendes Wasser mit Wasserleitung und Wasserabfluß haben, sollte eS doch genügen, wenn in den einzelnen Räumen jedem Arbeiter jederzeit der Wasserhahn mit darunter befindlichem Wasch becken zur Verfügung steht, und es dürfte keinen Sinn haben, zu verlangen, daß nun etwa an derselben Wand neben einander 3 oder 4 solcher Wasserhähne angebracht werden, nur damit nicht mehr als fünf Arbeiter auf einen und denselben Hahn angewiesen sind. Der Verein deutscher Buch druckereibesitzer verschließt sich keineswegs der Notbwrndigkeit, Mißständen, wo sie vorhanden sind, entgegenzutreten. Was aber in den neuesten Reglements verlangt wird, stellt finanzielle Anforderungen, die die Großbetriebe Wohl aus halten, die aber die mittleren Betriebe um so schwerer zu fühlen haben werden, als gerade auch in diesem Jahr die Neuregelung des Lohntarifs sie dauernd und recht fühlbar belastet. Dabei werden die Betriebe unter eine fortgesetzte Polizeiaufsicht gestellt, die die Zufriedenheit, mit dem, waS vom Reiche aus verlangt wird, nicht erhöhen kann. Der deutsche Buchdruckerverein hat an den Bundes- rath in der Sache eine Angabe gerichtet. Es werden darin zahlreiche Einzelbestimmungen vorgeschlagen, die vollen Schutz der Gesundheit bieten. Möge man die Klarlegung, die in der Eingabe zum Ausdruck kommt, beherzigen und vor dem Erlaß von einschneidenden Vorschriften eme allgemeine Enquete in dem gestimmten Buchdruckgewerbe anordnen, um Klarheit zu schaffen, ob und wieweit sanitäre Mißstände vorliegen, und festzustellen, was zu deren Behebung nothwendig ist und darüber, was billiger Weise verlangt und ohne tief ein greifende Opfer getragen werden kann, „um der Eventualität einer schweren Schädigung eine- großen Gewerbes und be sonder- des schwächsten TheilS desselben zu begegnen"! Deutsches Reich. * Leipzig, 27. April. In Bezug auf die Zusammenkunft des Kaisers mit dem Cardinal und Erzbischof Sanfelice erhält die „Christliche Welt" au- Neapel einen sehr interessanten Artikel, in dem eS heißt: „Es giebt hier in Neapel eine deutsche und zwei internationale Schulen, vor treffliche Anstalten, die vorzugsweise von den Buben und Mädchen der Fremdencolonie, aber auch von zahlreichen italienischen Kindern besucht werden. Die Vorsteher dieser Anstalten sind evangelische Deutsche, die Lehrer meist Pro testanten, Deutsche, Engländer, französische Schweizer, doch wird in den Schulen kein Religionsunterricht ertheilt und jede religiöse Propaganda streng gemieden. Gegen diese Schulen erließ im Januar 1892 der Erzbischof Sanfelice einen Hirtenbrief, den ich hier mit Kürzung der curialcn Weitschweifigkeit, doch in wortgetreuer Uebersetzung alles Wesentlichen wiedergebe: Seit der letzten Diözesansynode ist es unsere Sorge gewesen, die Aufmerksamkeit der Gläubigen auf die dem katholischen Glauben von den protestantischen Serien drohenden Gefahren zu lenken. In der Thal haben die Protestanten nicht nur zahlreiche Tempel gebaut, nicht nur halten sie an bestimmten Tagen Versammlungen, die sie fälschlich christliche nennen, um unvorsichtige Ge- müther zu bethören und ihre ruchlosen Absichten leichter auSsühren zu können, nein, sie haben auch mit viel Lärm Schulen eröffnet und wenden jedes Mittel an, um Kinder anzulocken und sie unter dem Vorwande wissenschaftlicher und literarischer Bildung vom katholischen Glauben zu entfernen. Mögen die pro» testantischra Lehrer immerhin, ja bis zum Ueberdruß wiederholen, daß in ihren Schulen von Religion nicht die Rede ist, wer wird Leuten Glauben schenken, die von blinder, krankhafter Wuth gegen den katholischen Glauben ersüllt sind? Aber auch wenn die Sache sich jo verhielte, wie sie sagen, hätte damit jede Gefahr sür den Glauben aufgehört? Ist für die Jugend das Beispeil ihrer Erzieher nicht maßgebend? und wenn die Kinder wahrnehmen, daß ihre Lehrer einen anderen Glauben bekennen, wird sie das nicht an ihrem eigenen irre machen und sie zum Jndiffrrentismus bringen? Und dieser führt geradeswegs zum Atheismus. Groß mithin ist die Gefahr, und schwerer Sünde Meßunterhaltung in frühester Zeit. Nachdruck verbot«». Seit dem 16. Jahrhundert, wo der verbreitetere Handels verkehr zu Wasser und Land, wo die zunehmende Sicherheit der Landstraßen und da- bequemere Reisen, die fortschreitende Bildung und der damit verbundene verfeinerte Geschmack auch für da« Wachsthum und die Bedeutung der Leipziger Messen von weittragender Bedeutung geworden war, er scheinen hier auch eine Art von Zuzüglern, welche die frühere Zeit nicht gekannt hatte. Es waren dies fahrende Künstler, Schausteller und Inhaber von Sehenswürdigkeiten. Die ersten Spuren davon finden sich in vereinzelten Nachrichten über Gaukler, Seiltänzer unv öffentliche Fecktschulen, die jedoch auch außer den Messen, besonders zu Festlichkeiten, nach Leipzig kamen. Die erste Meßschaustellung, welche al- solche bezeichnet wird, bot in der Michaelismesse 1571 ein Mann ohne Hände und Füße, der mit den Stümpfen und dem Munde ver wunderliche Arbeiten verrichtete. Ein polnischer Mann von ungeheuerer Länge und Breite war zur MichaeliSmeffe 1609 in Leipzig. Jungfer Magdalene Emmich, ohne Hände ge boren, kam zur MichaeliSmeffe 1616. Sie konnte mit den Füßen nahen, Nadeln einfadeln, essen, trinken und da- Haar kämme». Zur MichaeliSmeffe 1616 erschien zur Schaustellung ein wilder Knabe von 16 Jahre», der, als Kind au-gesetzt, von wilden Schafen im Walde erzogen worden war. Er hatte „natürliche SchafSart" an sich, besaß weder Witz noch Verstand, blökte auch wie «in Schaf und fraß Kraut, Heu und Gra-. Im Jahre 1650 brachte ein Holländer einen Elephanten, den erste», der i» Deutschland gezeigt worden ist, zur NeujahrSmesse. Er wurde in Falkner- Hause an« Naschmarkte sehen gelassen. Er konnte allerlei Kunststücke machen, auch mit dem Rüffel ein Pistol abschieße». Auf An- regung vornehmer Männer wurde der Elephant gewogen und 89 Centner schwer befunden. Zur nachfolgenden Ostermeffe ließ sich ein Mann mit verkrümmten Armen und nur einem Fuße sehen, der damit alle- Mögliche, sogar Fahr künste, verrichtete. Eine künstliche Wasserkunst brachte die Ostermeffe 1653, die im Eckhaus von Markt und PeterSstraße — jetzt Cafs National — ausgestellt war. Da erblickte man Fische, Delphine, wilde Enten, Wafserhunde, den Arion, «in Merrpfrrd, einen Meermann, eine Sirene, ein Schiff und Andere-, Zuletzt erschien ein Bauermädchen mit einer Kuh, vie sie melken wollte und dabei mit ihr und ihren zur Rettung herbei eilenden Eltern in- Wasser purzelte. Im Gasthause „Zum Birnbaum" io der Hainstraße »Pole! de Pologne) trat in der Ostermeffe 1668 die zwanzig jährige Riesenjungfrau Gertraud Ehrisutte auf, deren LeibeS- länge sattsame Verwunderung bervorrief. Zwei Wasser- triaker verherrlichten die Ostermeffe 1677. Sie soffen einen ganzen Zuber voll Wasser au-, da- sie nach Begehr al- Branntwein, Wein oder Zimmetwasser ftromweise wieder berau« sveieten. Sie traten in RothhauptS Hause am Markt« (jrßt im Umbau als Stieglitzen- Hof) auf. Uuter ihm», m «in«m Gewölbe, z«iztr »in I«u»rfr»ff«r seine Künste, der glühende Kohlen zerbiß, brennendes und Siegellack fraß, und glühendes Eisen mit der Hand ins Maul fleckte. In der Ostermeffe 1678 ließ sich in der Ritterstraße ein wilder Mann ums Geld sehen. Er hatte eine harte Haut und war vom Kopfe bis zum Fuße ganz raub, brummte wie ein Bär und fraß roheS Fleisch. Alle Welt lief hin, um den wilden Mann zu sehen, und er nahm viele- Geld ein. Später erfuhr man, daß der wilde Mann ein polnischer Jude ge wesen war, und durch seine Komödie als Wilder eine gute Messe gemacht hatte. De» ersten W a ch sfi aurencab ine tS wird zur Ostermeffe 1683 gedacht. Es war im Metznerschen Hause am Markte (AeckerleinS Hof) ausgestellt, bestand au-22 Figuren, alle in Lebensgröße, und zeigte den Hof des Königs Ludwig XIV. von Frankreich. Da sah man den König, die Königin, den Dauphin nebst Gemahlin, den Herzog von Orleans, des Königs Bruder und dessen Gemahlin, den Prinzen von Conds, Prinzen von Geblüt, den Herzog von Vermandois, Groß admiral von Frankreich, einem natürlichen Sohne deö König- von der Madame de la Valliere, die Prinzessin Conds als dessen Schwester, deS Königs drei Maitressen, nämlich die Montespan, die Fontange und die de la Valliere, ferner die Marschälle von Frankreich Turenne und Crequi, den Groß kanzler Colbert, den Erzbischof Monsieur Harley und den berühmten Kapuziner Pater MarcuS d'Oriano, der viel Wunder in Flandern gethan hatte. Im Jahre 1684 findet sich in der MichaeliSmeffe ein Riesen weih angezeigt, das sich zugleich mit einem Schafe sehen ließ, dem ein anderthalb Ellen langes Horn aus dem Halse gewachsen war. Als ein besonderes Ereigniß ist hervorzuheben, daß als Vorläuferin unserer Meßmusikvirtuosen zuerst niemand ander- genannt wird, als die berühmte italienische Sängerin Labella Margaretha aus Bononien, welche zur MichaeliS meffe 1685 in Leipzig erschien. Sie kam hier in einer Carrosse an und stieg im Amelung'schen Hause am Markte — jetzt Königshaus — ab. Labella Margaretha war dem Kurfürsten Johann Georg III. durch den Herzog von Mantua empfohlen worden, und gab am Dresdner Hofe Concerte. Von dort machte sie einen Meßabstechrr nach Leipzig. Hier entzückte sie durch ihre glockenreine, schmetternde Stimme sowohl die Einheimischen wie die Fremden. In derselben Messe war im BrLunick'schen Hofe in der PeterSstraße — jetzt Hohmann'» Hof — ein Löwe, rin Tigerthier und ein seltsamer Bogel, „Serdon" genannt, der an Kopf und Füßen und nach sonstiger LeibeSgestalt wie eine schwarze Sau auSsah, auf dem Kopfe in dir Höhe stehende Federn, auf dem Rücken und am Schwänze lange schwarze und weiß gestreifte Stacheln, „damit er klappern kunnte", hatte und Obst, Kraut und Rüben fraß, sowie rin indianischer Rabe und zwei fremde KönigSvögel, „die etzliche Worte französisch und italienisch sprachen", um'S Geld zu sehen. Die MichaeliSmeffe 1687 führte ein feuer- fressende« Weib mit einer „krabblichen Hand", die in den Armen vier Gelenke hatte, hierher. Sie verzehrte zusammengrschmolzene- glühende» Pech, Wach«, Colophonium, Baumöl und Therr und lief auf weißglührndem Eisen. „Bräunicken» Hof" war jetzt der von Schaustellern aller Art am meisten besuchte Ort. Nächste MichaeliS meffe, 1688, war hier rin Elephant, rin Löwe, rin Tiger und ein Knabe zu seben, der «ine Haut mit Fischschuppen hatte. Ein gelehrtes Pferd, das Referenzen machen, die Stunde angeben, militairisch exerciren, Geld zählen, seinen Herrn küssen und sich betrunken stellen konnte, erregte in der Michaelismesse 1691 allgemeines Aufsehen. Eine große Menagerie, darunter ein Elephant, Löwe, Tiger, Panther, Bären, Affen, ein Orangoutang — der gleichzeitige Bericht nennt ihn Orenutan — Papageien und viel anderes rares Getbier wurde in der MichaeliSmeffe 1692 in Bräuuikens Hofe gezeigt. Erst 1699 wird wieder einer erwähnenswerthen Meßunterhaltung, auch in der MichaeliS meffe, Erwähnung gethan, indem im Opernhause im Brühl — späteres Georgenhaus — und im Gasthofe „Zu den drei Schwanen" mit königlicher Genehmigung die französischen Komödianten auftratrn, wobei sie allabendlich 5 Uhr von den anwesenden polnischen und deutschen Fürsten besucht wurden. Zu Anfang des 18. Jahrhunderts erschien 1704 in der Michaelismesse ein zehnjähriger Lieutenantssohn ohne Füße, der trotzdem gehen, steigen und springen konnte, eia kunstreiches Pferd und ein WachSfigurencabinet, darin auch zu sehen war, wie der französische Marschall Tallard sich wegen der verlorenen Schlacht bei Hochstedt bei seinem König entschuldigte, daneben sein Sohn mit betrübter Miene, sowie der hessische Oberstlieutenant von Boyneburg, welcher den Marschall in der Schlacht gefangen hatte, mit dessen Degen und Commandostabe in der Hand. Noch nennen wir in der Neujahrsmesse 1706 einen Leitertänzer, die große Menagerie deS Holländers Philipp Hoetten, darunter zuerst in Europa gesehen, ein Flußpferd und zwei am Rück grat zusammengewachsene zehnjährige Mägdlein, Helene und Judith, die sich manchmal herzeten, manchmal aber auch prügelten. Von dieser Zeit an verschwanden die Schaustellungen und Sehenswürdigkeiten der Messen aus der inneren Stadt, indem ihnen der Rath einen Platz vor dem Grimmaischen Thore anwies. Es war dies der Raum am Roßplatz, läng» dem Bose'schen Garten, vom „Weinnäpkchen", an der JohanniSgasse, bis etwa zur jetzigen KönigSstraße. Noch vor wenig mehr als fünfzig Jahren wurde dieser Platz streng inne gehalten und während der Messen von den Leipzigern „Unter den Buden" bezeichnet. Weiterhin, bis zum PeterS- thore und dem Königsplatze, dehnte sich der Meßverkehr, ebenso wie auf dem Flrischerplatze, erst in neuerer Zeit auS. Wie das Treiben vor hundert Jahren „Unter den Buden" auSsah, erzählt un» die Niederschrift eines Zeitgenoffen. Er schildert sie nach eigener Anschauung wie folgt: „Da war allhier angekommen der berühmte Seiltänzer Spalnari, welcher sich an Len berühmtesten Höfen Europas hatte sehen lassen. Ein berühmter französischer Marionetten spieler ersuchte da» Publicum, seinen Vorstellungen beizu wohnen, wobei StandeSpersonen nach Belieben bezahlen konnten. In einer neuen Bude waren, wie eine gemalte Tafel anzeiate, Kameele, Tiger, Löwen, Meerkatzen, Stachel schweine, Hyänen und Paviane zu sehen. Ein Riese, gut gewachsen, der französisch sprach, ließ sich von Morgen« 8—12 und Nachmittags von 2—6 Ubr sehen. Neben seiner Bude schrie ein Kerl mit Heller Stimme vor einer Tafel, die mit allerlei Mordgeschichten, Feuer-noth und Wasser unglück bemalt war, au», daß da» Ansehen dieser Bildir man umsonst habe, dafür aber für ein schönes Lied, daS diese Un glücksgeschichten schilderte, ein Dreier zu entrichten sei. Von Zeit zu Zeit wurde dieses schöne Lied von ihm und einem alten Weibe in einer Weise abgesungen, die an Wolfsgeheul erinnerte, von den Zuhörern aber mit Rührung angehört und mit dem geforderten Dreier honorirt. Um sechs Pfennige war in einem Guckkasten zu sehen die Belagerung von Jerusalem mit Kanonen und Feuermörsern, der Leidensweg Christi mit Gerichtsdienern und Soldaten und andere biblische Geschichten. Aber auch auf den Straßen war dergleichen zu finden. Hier durchzog eia Mann mit einem Dudelsack und einer Menge zum Tanzen abgerichteter und mit possirlichen Anzügen bekleideter Hunde die Stadt, machte an jeder Ecke Halt und zwang seine vierfüßigen Künstler mit Peitschen hieben, „vor die geehrten Zuschauer ihre schönen Tänze und Porzelböme zu zeigen." Abends hörte man auf den Straßen rufen „Schöne Schattenspiel an der Wand, schöne Laterne maica". Hierauf wurde das Lied „Nun ruhen alle Wälder" oder auch „Wie schön leucht unS der Morgenstein" au» einem Leierkasten herausgeleiert. Noch ist der Meßmusik auf den Straßen zu ge denken. In früherer Zeit kamen Musikbanden, welche aus mittellosen Prager Studenten zusammengesetzt waren, zur Messe, denen, als sie im vorigen Jahrhundert wegblieben, Bergleute auS dem sächsischen Erzgebirge, inSgemem nickt Übel geschulte Musiker, folgten. Vor etwa dreißig Jahren hatten sich jedoch auch Straßencapellen eingefunden, deren ohrzerreißende Leistungen den Rath veranlaßten, vor Er- theilung der Conccssiou diesen Meßmusikern eine Prüfung aufzuerlegen. Diese wurde dem musikverständigen Polizei rath Kurzwelly übertragen, der, am offenen Fenster stehend, die Proben der im Hofe deS alten Polizeigebäudes am Naschmarkte aufgestellten Examinanden über sich ergehen ließ, aber wo nur immer möglich, in mrnsckknfreundlichcr Rücksicht Gnade für Recht auSübtr. Seit 1845 hatte die Entwickelung Leipzig- zur Musikstadt begonnen, und dieser Nimbus und der erwachte Sinn für daS Reine und Schöne, mag es gewesen sein, der die fahrenden Capellen von Len Straßen fegte und den Messen einen originellen von alten Leipzigern und vielen fremden Meßbesuchern ungern vermißten Kunstgenuß entzog. Hierzu gehörte auch der seit Menschen gedenken bestehende Musikmann, auch wandernde- Orchester oder Schüttelboom genannt. Auf dem Kopfe trug er eine Art Helm, an dem Glöckchen und Schellen angebracht waren. Vor dem Kinn war eine Papagenoflöte befestigt, auf dem Rücken eine Pauke, deren Schlägel einevon den Fersen angezogene Leine in Bewegung setzte, vor dem Leibe ein Leierkasten, zwischen den Knieen die Becken, an der Seite ein Triangel und dergleichen mehr. E» liegt auf rer Hand, daß, wenn „der Schüttelboom" alle diese an ihm befestigten Instrumente in Thätigkeit setzte, er einen komischen Anblick bot; trotzdem war er der Liebling der Straßenjugenb, die in Schaaren sein Geleit bildete. Zu den letzten Leipziger Meßmusikanten ge hörte — um 1865 — da» „Jnvaliden-Duett", ein an geblicher Invalid mit einer Ziehharmonika, wozu ihn eine Frau auf der Posaune begleitete. Ott» M»f«r.
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