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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.05.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-05-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960505016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896050501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896050501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-05
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Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen - Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Anzeiger. Ämtsölalt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Nathes und Nolizei-Ämtes der Stadt Leipzig. Dienstag den 5. Mai 1896. Ännalsmetchluß für Anzeigen: Abend-Ausaabr: Bormittags 10 Uhr. Morge n-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen ze ein« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leivzig SO. Jahrgang. Die Lage der weiblichen Angestellten. sek. Der Vorsitzende des Berliner Vereins für weibliche kaufmännische Angestellte hat unter den Mitgliedern dieses Vereins eine Enquete über allgemeine und besondere Vor bildung dieser Art von Hilfspersonal veranstaltet. ES haben sich hieraus folgende beachtenSwertbe Resultate ergeben. Unter 9l1 weiblichen Angestellten in HandlungSbäusern batten 46 Proc. nur bis zum 14. Lebensjahre eine Schule besucht, 33 Proc. bis zum 13. Lebensjahre; also rund 80 Proc. aller Beschäftigten batten keine besondere fachliche Berufs ausbildung genossen. Gedachte Enquete erbrachte ferner den Nachweis, daß bei 288 mit schriftlichen kaufmännischen Arbeiten beschäftigten weiblichen Angestellten 91, mitbin nur ca. 30 Proc., einen Unterricht in Handels- und kauf männischen Fortbildungsschulen in der Dauer von 6 Monaten bis 2 Jahren genoffen hatten. Man darf hier getrost an nehmen, daß der größere Theil hiervon einen Fachunterricht von mehr als 6 Monaten bis zu 1 Jahre, während nur 29, also 10 Procent, einen Vorbiloungsunterricht von 6 Monaten bis zu 2 Jahren genoffen batten, dagegen 115 weibliche An gestellte, mithin circa 40 Procent, nur etwa 4 Wochen bis 6 Monate bei Privatleuten eine Vorbereitung erhielten. Von 291 Buchhalterinnen hatten circa 17 Procent, eine über 1 Jahr, hinauSgehende Lehrzeit durchzumachen gehabt, 53, also circa 20 Procent, eine solche von nur 3—6 Monaten und 184, also 63 Procent, hatten überhaupt gar keine Lehr zeit bestanden. Was die Privatverhältnisse jener weiblichen Angestellten betrifft, so wobnten unter 938 Gehilfinnen 71 Procent bei Eltern oder Geschwistern, 17 Procent bei Verwandten oder mit anderen Frauen zusammen. 88 Procent genoffen also die socialen und materiellen Vergünstigungen des Familienanschluffes. Allerdings waren unter jenen 938 Gehilfinnen circa 300 Vater- oder elternlose. Diese Ziffern zeigen zunächst, daß bei dem über wiegenden Theil der weiblichen Handlungsangestellten auch nicht annähernd eine gleiche allgemeine, noch viel weniger eine Fach- und Berufsausbildung vorhanden war, wie bei männ lichen Handlungsangestellten. Hieraus ergiebt sich, daß der für fachliche Vorbildung verwendete Zeit- und Kostenaufwand bei männlichen HandelSangcstellten em weit größerer ist, was sich naturgemäß bei Stellung deS Gehaltsanspruches äußern muß. Es werden daher von den männlichen Angestellten thatsächlich zur Zeil auch höhere Ansprüche in dieser und anderer Be ziehung gestellt, von den weiblichen Angestellten dagegen ge ringere. Für letzteren Umstand spricht aber noch ein anderes zusammentreffendes Moment. Nach dem Ergebuiß der ange zogenen Berliner Enquete wohnten 88 Proc. der weiblichen An gestellten bei Familien, und dies bedeutet im Verbältniß zu den meist auswärts fick beköstigenden und lebenden männlichen An gestellten eine außerordentliche Ermäßigung der Lebensbedürf nisse. Während der männliche HandelSangestellte möglichst bald zu einer, wenn auch bescheidenen Selbstständigkeit von Haus aus angehalten und erzogen wird, zeigt sich beim weib lichen Angestellten die gerade entgegengesetzte Erscheinung. Es herrscht hier das Bestreben, dem jungen Mädchen möglichst lange die Woblthaten und den Schutz des Familienheims zu gewähren. Hierdurch bleiben diesem manche Ausgaben, die der sociale Verkebr erfordert, erspart und werden manche Bedürf nisse in ihm nicht wackgerufen. Dieser Rückhalt, der den weiblichen Angestellten heule noch auf längere Zeit hinau- in der Familie zu Gute kommt, ist in seinem verschiedenartigen Werthe nicht zu unterschätzen. Auch die Behandlung der weib lichen Angestellten im Dienst ist, obwohl ihnen theoretische Fachkenntniffe noch nicht in demselben Maße zur Seite stehen, wie ihren männlichen Collegen, eine entschieden nachsichtigere und duldsamere. Im Allgemeinen erledigen weibliche Angestellte diejenigen Arbeiten am besten, zu deren Erledigung nur ein gewisses Quantum theoretischer Fachkenntniffe, im Uebrigen aber eine gewisse Geduld und Ausdauer, ein gleichmäßiges Wabrnehmcn und Jnnebalten gewisser praktischer Gesckäftsregeln, mit einem Worte „ManipulationSgabe" erforderlich ist. Also vor Allem jede mechanische Berufsarbeit, bei welcher Genauigkeit und exacteS Arbeiten als erste Bedingung gefordert wird. Es ist aber nicht zu leugnen, daß aus die Dauer ein merklicher äußerer Unterschied zwischen Frauen- und Männerarbeit sich geltend macht. Dies ist ein frühzeitigeres Nachlassen der physischen Kräfte, der Arbeitsfähigkeit im Allgemeinen, bei weiblichen Angestellten. Die Natur tritt hier in ihre Rechte. Das physisch im Allgemeinen arbeitsschwächere Weib reibt sich bei einer 10- bis 13stündigcn täglichen Arbeitszeit rascher auf als der kräftigere männliche Organismus. ES treten bei ihm diel häufiger Unterbrechungen, kürzere oder längere Erkrankungen auf als beim männlichen Angestellten. Dies vertheuert als dann wieder die ursprünglich billigere weibliche Arbeitskraft. Es wäre eine Herabsetzung der täglichen Arbeitszeit bei weiblichen Angestellten daher zu befürworten. Was speciell die Fälle der Erkrankung weiblicher Angestellter betrifft, so giebt hierüber beispielsweise ein interessantes Bild die Münchener Ortskrankencasse. Diese Caffe batte im Hahre 1894 an 4492 männliche Angestellte im Ganzen nur 82 075 Krankengelder zu verausgaben, dagegen bei 3914 weiblichen Angestellten (also circa 600 Kopsen weniger) 83 588 , mithin um 1500 mehr. Im Ganzen waren in 1894 1119 männliche Angestellte 25 434 Tage erkrankt, dagegen 1218 weibliche Angestellte (also nur um circa 100 mehr) 38 213 Tage krank. Dies heißt also: die ungefähr gleiche Zahl weiblicher Erkrankter hat zur Wiederherstellung der Gesundbeit 13 000 Tagt länge, gebraucht, als die männlichen Erkrankten. Diese Erfahrung darf sicher auch für andere Orte, wo weibliche Angestellte thätig sind, im Allgemeinen gellen, wenn eS auch vielleicht als eine „Specialität" Münchens bezeichnet werden kann, daß unter 961 erkrankten erwachsenen weiblichen Angestellten sich circa 45 unvrrheiratbete, aber in Folge Wochenbettes Er krankte befanden, also circa 4'/? Procent. In dieser Richtung scheint also auS dem Zusammenbeschäftigtsein weiblicher und männlicher Arbeitskräfte sich auch ein ungünstiger Einfluß geltend zu machen, während andererseits die VerheiratbungS- möglichkeit jener weiblichen Angestellten in Anbetracht ihrer eigenen, meist geringen VermögenSkräftigkeit und in Anbetracht der mehr und mehr zu Tage tretenden Unlust der Männer, im jugendlichen Alter und vor Erreichung eine» gewissen höheren Graves von Selbstständigkeit eine Ehe ein zugehen, für die Frauen und Mädchen mit jedem Jahre schwieriger sich verwirklichen läßt. Dazu kommt auch die ziffernmäßige Ueberlegenheit des weiblichen Geschlechtes gegen über dem männlichen. Die allgemeine Volks- und Berufs- zäblung am Ende des JahreS 1895 ergab für Bayern 2 836 856 Männer und 2 900 558 Frauen, folglich 123 702 Frauen mehr. Für Berlin ergab diese Zählung folgendes Resultat: 845 180 Frauen, 769 902 Männer, folglich 75 278 Frauen mehr. In München ergab diese Zahlung: 2l8 694 Frauen und 196 827 Männer, folglich 21867 Frauen mehr. Diese ziffernmäßige Ueberlegenheit des weib lichen Geschlechtes ist in ganz Deutschland und in allen Culturstaaten statistisch festgestellt worden; sie beeinflußt mit zwingender Gewalt die socialen und die Erwerbsvcrhält- niffe und bewirkt, da daS Weib seinem ureigensten Berufe als Gattin und Mutter sich weniger zuwenven kann, ein größeres und in demselben Maßstabe ,m Lause der Jahre steigendes Herandrängen der Mädchen und unverheiratbeten Frauen zu bisher männlichen Berufen und Berufsarbeiten. Die Zahl der weiblichen Angestellten wird daher voraus sichtlich in den kommenden Jahren immer noch zunehmen und der auS diesen Kreisen lauter und lauter ertönende Ruf nach „Arbeit" und „Anstellung" wird die Lösung der „Frauen frage" an der Hand der Verhältnisse rascher auch bei uns berbeifübren, als Viele glauben, die jetzt noch lächeln, wenn sie davon reden hören. Eine gewisse Anzahl von Erwerbs beschäftigungen, eigentlich rein weibliche Berufsarbeiten, wie z. B. das Gewerbe der Köche, Conditoren, Sticker, Stricker, Flicker, Coiffeure, der männlichen Damenschneider, männlichen Dienstboten u. A, sollte den erwerbsbedürftigen Frauen wieder zurückgegeben werden. Deutsches Reich. * Leipzig, 4. Mai. Durch Beschluß des Reichsgerichts ist das Verfahren in dem Landesverraihsprocesse gegen den Ingenieur und Mühlenbesitzer Encillon wegen mangelnder Beweise nunmehr eingestellt worden. 6. H. Berlin, 4. Mai. Heute tritt in Berlin der zweite socialvemokratische G c w e rk s ch a f t S c o n g re ß zu sammen. Die socialvemokratischen Blätter erklärten vor wenigen Tagen, es sei ein glückliches Zeichen, daß der Congreß unmittetbar nach dem Demonstration»- und Feiertage der claffenbewußten Arbeiterschaft der ganzen Welt tage. Aber gerade der AuSgang dieses Demonstrations- und Feiertags wird wie ein dunkler Schatten auf den Congreß fallen. ES hat großer Anstrengung bedurft, um das Zustande kommen des von der socialdemokratischen Generalstreik» commission in Hamburg einberufenen CongresseS über haupt zu ermöglichen. DaS Berliner GewerkschaftScartell wollte Anfangs gar nicht» von ihm wissen, denn seinen Führern ging e» sehr gegen den Strick, daß sie eine Instanz über sich dulden sollten. Nach längeren heftigen Debatten gaben die Parteien aber klein bei, da die politischen Führer zureveten und namentlich Herr Singer den Berliner Gewerkschaften schmeichelte. So sagte er in einer seiner Maireden: Die Leitung de» Festes (1. Mai) sei nicht Sache der politischen Partei, sondern der Gewerkschaften; ohne diese habe die socialvemokratische Parte, keine Bedeutung. Und da die eitlen Führer der Gewerk schaften wirklich glaubten, sie würden am 4. Mai Len Ver tretern der übrigen Gewerksckaftcn Deutschlands erzählen können, wie großartig in Berlin der 1. Ma, durch ArbeitS- ruhe gefeiert worden sei, so gaben sie sich in den letzten 14 Tagen große Mühe, um den Congreß aus das Würdevollste zu empfangen. Nun ist e» aber mit der Maifeier, wie der Berliner sagt, „Essig" gewesen; etwa 800 Personen haben wider den Willen ihrer Arbeitgeber gefeiert. Mit der groß artigen Maifeier kann man den Gästen also nickt imponiren, im Gegentheil. Es ist daher auch nichts mehr von der gehobenen Stimmung zu merken, mit der man den Congreß empfangen wollte. Es ist der zweite seiner Art. Der erste hat vom 14.—18. März 1892 in Halber stadt getagt; die dort anwesenden 208 Telegirten haben angeblich 305 519 Mitglieder vertreten. Seitdem ist die socialdeinokratiscke Gewerkschaftsbewegung nicht weiter ge kommen; Anfang dieses Jahres haben die Gewerkschafts führer sogar bittere Klage darüber geführt, daß kaum 300 000 Arbeiter und Arbeiterinnen organisirt seien. In Berlin seien von 395 195 Arbeitern nur 37 022 und von 123 749 Arbeiterinnen nur 1460 organisirt. Seitdem mögen wohl in Folge einiger günstiger Streiks einzelne Gewerk schaften Mitglieder gewonnen haben; aber von einem mächtigen Emporblüben kann keine Rede sein. Ueberdics werden nur die centralorganistrten Gewerkschaften ver treten sein, da die localorganisirten, die zu den Anarchisten hinüberneigen, von dem Congreß nichts wissen wollen. Mehr als 250 000 Mitglieder werden also schwerlich vertreten sein. ES soll eine große Protestkundgebung für den A cht stunden - tag slattfinden; das wird jedenfalls auch geschehen, hat aber nichts zu bedeuten; denn nachdem die Maifeier ins Wasser gefallen ist, wird auch die Protestkundgebung für den Acht stundentag inS Wasser fallen. * Berlin, 4. Mai. In die geheimen Werkstätten der polnischen Agitation gewährt die folgende, von der polensreundlichen klerikalen „Köln. Volksztg." gebrachte Ver öffentlichung einen sehr lehrreichen Einblick: Tas polniiche Vereinswesen in der preußischen Monarchie und im deutschen Reiche hat gleichwie die polnische Presse in den beiden letzten Jahrzehnten einen außerordentlichen Aufschwung ge nommen. Besonders zahlreich sind im Osten die polnischen land- wirthschaitlichen Vereine. Da giebt es den polnischen land- wirthschastlicken Central - Verein der Großgrundbesitzer siir die Provinz Posen, der seinen Sitz in der Stadt Posen hat und zehn große Zweigvereme zählt, sowie einen Verein der polnischen Groß grundbesitzer Westpreußens. Daun kommen die polnischen bäuer lichen Vereine, von denen in der Provinz Posen 179 und in West preußen etwa 60 gezählt werden. Außerdem giebt es in Ober schlesien einige Dutzend polnischer bäuerlicher Vereine. Hierbei muß auch der Verein zur Unterstützung polnischer Wirthschafts- beamten erwähnt werden. Dem Verbandederpolnischen Erwerbs- und Wirtschafts-Genossenschaften für Posen und West preußen gehören gegenwärtig 84 Genossenschaften (davon 62 in Posen und 22 in Westprenßen) mit zusammen 28 815 Mitgliedern an. Tie letzte Rechnungs-Bilanz wies in Aktiven und Passiven rund 9 Millionen Mark nach. Polnische Gewerbe-, Industrie-, Handwerker- und kaufmännische Vereine giebt es in Posen und Westprenßen annähernd 150. Auch polnische Turn- und Gesangvereine sind in den letzten Jahren besonders in Posen und Westpreußen in größerer Anzahl begründet worden. So zählt man gegen wärtig in Westpreußen, Posen und Schlesien 58 Turn- und etwa 30 Gesangvereine. Der polnische Bolksbibliothrkenverein hat bis Zum Jahre 1896 in Posen, Westpreußen, Ostpreußen, Schlesien und im östlichsten Zipfel von Pommern nahezu 1300 Volks- bibliolheken aufgestellt, und in der Stadt Posen giebt es zur Zeit zehn Ausgabestellen dieser Volksbibliotheken. Auch über ein Dutzend katholischer Arbeiterverein« sür polnische Arbeiter sind in den letzten drei bis vier Jahren begründet worden. Der bedeutendste pvlnl che Verein ist der Verein zur Unterstützung der lernenden Jugend (der sogenannte Marcinkowskische), der Schüler und Studenten mit Stipendien bi» zu 900 unterstützt. Ebenso giebt es in Posen einen Verein zur Unterstützung vtr lernen- Inhalt! 1. Historischer Vortrag in akademischem Styl. Vom Präsidenten, Herrn Gustav Freytag. *2. Poetisches Jmpromptü. Von Herrn Woldemar Wenck, Mitgl. des Festausschusses beim 3ten Deutschen Turnerfest. *3. Mein erster Toast. Von Herrn Mdritz Busch, vor- getragen v. d. Herrn Präsidenten. (Die mit * bezeichneten Stücke konnten wegen beharrlicher Verweigerung des Manuskripts hier nicht mitgetheilt werden.) Die mitzutheilende Stelle aus der Ansprache Freytag'S lautet: k, — — — — —E —' E— —— —— — Meine Herren Commilitonen! Im Leben der Staaten wie der Individuen ist die Beobachtung nicht neu, daß auf längere Zeiten gemächlicher Ruhr und eines stillen Gedeihen» Perioden gewaltsamer Erschütterung folgen, in denen a»S gebeiMitiß- vollcr Tiefe zerstörende Kräfte auftauckeu; lockende Ruf« von Außen, unwiderstehliche Stimmen von Innen, niederträchtig« Briefe von Oben. — Es ist lehrreich, zu beobachten, wie auch den Kitzing seit den ersten Tagen des Jahre» 1863 der Sturm deS Lebens gefaßt hat, ein grünes Blatt nach dem andern aus seinem Kranze reißend. Zuerst ging er, der würdige Hauptmann der Genossenschaft *), der durch seine großen Augen und seine feste Regelmäßigkeit der wahre Grundpfeiler der Sodalität gewesen war. — Und in dieselbe Ecke von Deutschland zog kurr darauf ein zweiter, der höchst werthvolle Botaniker det Gesellschaft**) von einer unwiderstehlichen, für den Kitzing aber gräulichen Sehnsucht nach den Pilzen der Bergstraße ge trieben. — Fürwahr, eS war ein sehr wehmüthiaeS Gefühl für den unbefangenen Menschenfreund, daß der Kitzing ein» nach dem anderen seiner armen LäMmer vahiitgebeit mußte, damit sie dort in der Ferne sich in wilde Bäre verwandelten. Jetzt aber, Meine Herren, jetzt geht auch der Dritte! Der Teufel hole meine ruhige Betrachtung und Vie ganze Ge schichtswissenschaft. Jetzt hört der Spaß auf, und wir sind zu dem Punct gekommen, wo wir gewisse menschlische An gelegenheiten ernsthaft ins Auge fassen. : *) ikurk Mathy, der bekannte Politiker und Finanzmann, badischer StaotSMinister, während seine« Leipziger Anfenlkalt» (18SS—1862) Dtrkrtor der Deutschen CreditanstNlt, starb 1868 in Karlsruhe **) Wilhelm Hofmeister, Musikalienhändler in Leivzig- der sich in seinen Musestunden mit großem Erfolge Naturwissenschaft» licken Studien widmete, namentlich der pbysiologijchen Botanik, und 1863 al» Professor der Botanik nach Heidelberg, >872 nach Tübingen berufen wurde. Er war einer der bedeutendsten Gelehrten seine- Fache», tu gewisser Richtung ein Bahnbrecher der Wissenschaft. Starb 1877 in Lindenau bei Leipzig Eine Abschiedsrede an Heinrich v. Treitschke non Gustav Freytag. (Aus den „Nachrichten aus dem Buchhandel.") Zur Charakterisirung des seltenen Mannes, dessen vor zeitiges Hinscheiden wir beklagen, sei eS erlaubt, aus einer im engen Freundeskreise gehaltenen Abschiedsrede Gustav Freytaa/s an ihn hier die nachfolgende Stelle mitzutheilen und zur Erläuterung einige Worte vorauSzuschicken. Zu einem behaglichen abendlichen Plauderstündchen zwischen 7 und 8 Uhr hatten sich im Anfang der sechziger Jahre wenige vertraute Freunde am Stammtisch einer Gaststube Leipzig« zusammengefuttden, lauter Männer mik Namen von Klang uno Bedeutung, darunter Gustav Freytag und Heinrich von Treitschke, zwei enge Gesinnungsverwandt« (auch der jetzige Oberbürgermeister vr. Georgi gehörte dem Kreise an. Red. d. Leipz. Taaebl). Man nannte die Tafelrunde scherzweise den ^Kitzing" nach dem Gastwirthe, drffeu Name m der bekannten vornehmen Leipziger Gastwirtbscdafl Kitzing ck Helbig noch beute in Ehren besteht. Allmählich lichtete sich der Freundeskreis durch Berufung de« einen oder andern in einen neuen Wirkungskreis. Auch für Treitschke schlug am 11. August 1863 die Stunde deS Abschieds; er war nach Freiburg i. B. berufen worden, und eS gab eine schlickte, aber für alle Bethkiligten gewiß wtbmüthige Abschiedsfeier, wobei Gustav Freytag, zunächst voll Humor beginnend, dann aber in wuchtigen Ernst übergehend, d«M Scheidenden präch tige Worte zurief, vi« da« Wesen beider Männer würdig kennzeichnen und ehren. Diese Ansprache erschien al« kleiner Privatdtuck, der uns von geschätzter Seite in damals ge nommener Abschrift zur Verfügung gestellt würde, Und der, soweit wir übersehen konnten, Nirgend in einem Buche Frevtag'« zum Abdruck gelangt ist. Sein origineller Titel ist folgender! Bericht über die außerordentliche Sitzung welche Der Kitzing am Dienstag d. I I. August 1863 zu Ehren seine« scheidenden Mitglieds HeMrich von Treitschke Masten bat. Wir sollen Sie verlieren. In dem geselligen Zusammen sein unseres kleinen Kreise« ist eine Zuneigung und Freund schaft erwachsen, welche uns das Scheiden sehr schwer macht. — Und fragen wir uns: Wie kam es, daß wir uns einander so werth und Sie uns so lieb wurden? Daß die zwanglose Unterhaltung am runden Tisch, das leichte Plaudern von sieben bis acht so gute Kameradschaft hervorbrachte? — so erkennen wir wohl, warum das so wurde. Und wir rühmen zuerst als schöne Eigenschaft deutscher Natur, daß sie den tüchtigen Sinn eines Ändern schnell und svmpathisch würdigt, auch in leichte Verhältnisse eine herzliche Wärme legt und mit den bunten Farben eines warmen GeiNütheS sich alle Umgebung traulich zurichtet. — Den Zauber guter Kamerad schaft empfindet der Deutsche völliger als jedes ändere Volk. Wenn aber Männer von sicherem Selbstgefühl, zum Tbeil auf der Höhe des männlichen Alters, in so warmer Empfindung nebeneinander stehen wie Sie und wir, so hat in unseren Tagen solche Freundschaft fast immer Noch einen anderen Grund. — Es ist auch ein Zusammenklingen der Ueberzeugungen, welche die Befreundeten über die höchsten Interessen ihres Lebens gewonnen haben. — Es ist auch die Uebereinstimmung des Unheils, Gemeinsamkeit in Liebe und Haß, es ist auch eine politische Freundschaft, welche Sie mit uns verbindet. Und auch däfur wollen wir Ihnen heute danken. Denn besonders kräftig und lauter strömte aus Ihrem Innern Gedanke, Gefühl, Forderung; Ihre feste und rücksichtslos» Entschlossenheit hat auch uns nickt selten gehoben, gefestigt und uns die eigene Auffassung bestätigt. — Und ick, der geborene Preuße, nebme mir beute die Freiheit, Ihnen noch meinen besonderen Dank zu sagen für die Treue und Energie, womit Sie da« politische Glaubensbekenntniß, daß auch ich für den besten Inhalt meine« Leben« halte, nicht nur in unserem Kreise, vor dem ganzen Deutschland so mannhaft vertreten haben. Wir waren stolz auf Sir, als einen der Unfern. Und eS darf Sie nicht verletzen, wenn wir heute unter uns Sie einmal rühmen, und wenn beim Absckievsgruß in Worte« sich auSprägt, was Ihnen ost unser Händedruck gesagt bat. So oft Sie eine zahlreiche Versammlung durch die edle Größe Ihres Vortrags hinrissen, wir, Ihre Freunde, batten imMer uock ein anderes Gefühl, wir genofftn behaglich und stolz die Wirkungen, wie unsere eigenen, denn Sie waren unser Mann, einer vom Tisch, einer, der fest in unserem Herzen stand. Und wenn wir doppelt warm das Schöne und Gute aus Ihren Worten empfanden, so sah Mancher von unS, nicht Busch*) allein, dabei unruhig Und herausfordernd *) Mb ritz Bvich, der bekannte Schriftsteller und Journalist, Viögrnkck ViSinNtck's. damN'.S M-cftiir dkl- Grtnzboien. umher, ob das fremde Volk auch den Werth unseres Genossen gebührend anerkennen wollte. Aber nicht nur, wenn Sie vor Anderen Ihr Talent prächtig entfalteten, blickten wir mit Stolz auf Sie. Von den ehrlichen und guten Männern unseres Kreises ist Ihr Wesen so beurtbeilt worden, wie eS, so vertrauen wir. Vereinst unser Volk in sein Herz schließen soll: eine stattliche, frische Kraft, eine großangelegte Natur, einer, der zum Gelehrten, zum Mann geworden ist, trotz den Hindernissen, welche ein Neidisches Schicksal ihm in den Weg legte, in seinem helden haften Wesen eine bewunderungswürdige Verbindung von Ethos und Patbo«. So tragen wir sie im Herzen, und darum fühlen wir heute wchmütbig: in Ihnen scheidet aus unserem Kreise ein gutes Theil der Poesie, welche uns erwärmte und hob. Der arme Kitzing gleicht jetzt ohne sein Verschulden dem trotzigen KriegSftirsten au« arger Zeit, dem einer seiner Generale nach dem andern abfiel. Der aber jetzt von ihm geht, ist der Maz Piccolomini. Sie werden in größere und stärker bewegte Kreise treten, denn Sie tragen etwas in sich, was Sie einem öffentlichen, an Schicksalen reichen Leben entgegenführt. — Aber Sie werden, da» hoffen wir, immer an uns als ehrliche und besonders treue Gesellen denken. Die milde Wärme, welche Aeltere und Jüngere in unserer Genossenschaft erfüllte, die einfache, unbefangene, gescheute Art unsere« Tisches, welche wir nicht ZUM kleinert Tbeil der Aldmosphäre unserer wackeren Stabt Leipzig verdanken, diese bescheidenen Vorzüge mögen, so bitten wir, Ihnen immer in traulicher Erinnerung sein. So spricht unsere Genossenschaft zu Ihnen. Was die Einzelnen, welche IbneN durch Studien, Geistesarbeit und längere Freundschaft verbunden sind, bei Ihren, Abgänge verlieren, darüber macken wir heute keine Worte, mir selbst verwehrt heute die Trauer des Scheiden«, daß ich den Kampfgenossen und Freund so spät gefunden und daß ich ihn so früh ans meiner Naht verliere. Das Bündniß aber soll dauern. ES soll dauern für unS Alle. Wir sind die letzten FreUndt, Welche Sie in bttN ersten Theil Ihres Lebens, in den Jugendjahren, in Ihrer Heimalb gewonnen haben. Unsere Treue folgt Ihnen binührr zur Manneszeit, in welcher Sie auf neuem Gründe sich frei und selbstträftig da« neue HauS Ihre« Leben« errichten. Hier oder dort, Sie bleiben in unfern, Herren. Und so erheben wir uns und rüfrn mit dein Schbidt» grüß und Glückwunsch unserem lieben Feeunbt Heinrich von Treitschke ein Hock!*
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