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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.05.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-05-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189605037
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18960503
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18960503
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-05
- Tag1896-05-03
- Monat1896-05
- Jahr1896
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.05.1896
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Die Morgen-AuSgabe erscheint um '/,? Uhr. die Abend-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr. Re-action und ErpeLition: Aohannesgasse 8. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Filialen: Otis Klemm's Lortim. (Alfred Hahn), Universitntsstraße 3 (Paulinnm), LoniS Lösche, Katharinenstr. 14, pari. und Königsplatz 7. Bezugs-Preis in der Hauptexpedition oder den im Stadt bezirk und den Vororten errichteten Aus gabestellen abgeholt: vierteljährlich 4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins HauS .4 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertel>ährlich 6.—. Direkte tägliche Kreuzbandsendung inS Ausland: monatlich 7.50. UnWger TaMalt Anzeiger. Amtsblatt des ÄSnigkichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Rathes und Nolizei-Änttes der Stadt Leipzig. Anzeigen-PreiS die 6 gespaltene Petitzelle 20 Pfg. Reklamen unter dem Rrdactionsstrich (4gr- walten) 50/^, vor den Familiennachrichten (6 gespalten) 40/H. 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Prinz Ferdinand auS dem Hause Coburg, dem der Tod Stambulow's den Weg zum Fürstenthrone geebnet, ist in Berlin mit „den ihm gebührenden Ehren", wie eS in der halbamtlichen BegrüßungSnote hieß, empfangen worden. Er war nicht als Mitglied eines deutschen Fürstengeschlechts, sondern als Regent eines slawischen Volkes dahin gekommen, und so konnte es ihm nicht weiter schaden, daß er sich vorher seiner slawischen Abstammung berühmt hatte. Die Etiquette ist in dem Verkehr zwischen Regieren den ein unentbebrlicheS Ding, bei der Berührung von Volk und Volk ist sie es nicht. Der lieber» schwang, mit dem etliche Berliner Zeitungen den Beginn der ungarischen Millenniumsfeier feierten, hätte desbalb vermieden werden können. Man braucht Las Fest nicht zum Anlaß zn nehmen, den Magyaren unangenehme Wahrheiten zu sagen, aber noch weniger ist Grund vorhanden, das Gegen- theil zu thun, von einer magyarischen Cultur — die eS heute so wenig gicbt als vor 30 Jabren; was sich so nennt, ist deutsche, mit dem Druck der Regierung und des Pöbels in die ungarische Fahne gehüllte Cultur — zu reden und die Eöcainoteure deutschen Volkstbums der herzlichen Sympathie der Deutschen zu versichern. Den Berliner Blättern, die wir im Auge haben, muß allerdings der gelinde Paroxysmus, in den sie die Er öffnung ihrer eigenen Ausstellung versetzt hat, als mildernder Umstand angerechnet werden. In der „Köln. Ztg." wurde vor Jahren einmal bemerkt, die Berliner Preßorgane seien trotz der großen Erweiterung, die sie im letzten Jahrhundert erfahren haben, im Grunde Localblätter geblieben. Das mag,,damals paradox geklungen haben, nun aber bestätigt es die Zeit. Wenn die Berliner nicht die nüchternen Leute wären, die sie — ohne Pbilisterbafligkeit— in der Thal sind, die Veranstalter des Unternehmens und die Aussteller könnten durch jene Presse zu der Vorstellung verleitet werden, sie hätten eine neue Epoche der Culturgeschichte heraufgeführt. So aber ist der localpatriotische Enthusiasmus unschädlich und auch, da Berlin wirklich Tüchtiges zu zeigen haben wird, nicht allzu komisch. Tragikomisch wäre dieser Enthusiasmus geworden, wenn ein größerer Theil der Berliner Arbeitgeber von einigen Berliner Blättern sich hatte bewegen lassen, den ersten Mai zu einem Feiertage für ihre Arbeiter zu machen und den Versuch zu unternehmen, die Feiernden als Staffage bei der feierlichen Eröffnung der Ausstellung zu verwenden. Die „Staffage" würbe sich die Rolle der Hauptperson an gemaßt und die Bourgeosie in die Nolle der Statisten beim Jubelfeste der internationalen Socialdemokratie bcrabgedrückt haben. Glücklicher Weise ließen sich die so übel Berathenen noch rechtzeitig von anderen Blättern und den Socialdemokraten selbst warnen. Die Eröffnung der Aus stellung ist dadurch von einer erdrückenden Concurrenzfeier und die Berliner Arbeitgcberwelt von dem Vorwurfe des ganzen deutscken BürgerthumS, auS Eigensucht und Kurz sichtigkeit die Geschäfte der internationalen Socialdemokratie besorgt zu haben, bewahrt worden. Vom „Weltfeiertage" hat man infolge dessen in Berlin so wenig gesehen, wie anderwärts. Während über die wegen der Reform des Mili- tairstrafverfabrenS entstandenen heimlichen Zerwürfnisse bisher Sicheres nicht bekannt geworden ist, hat in Preußen eine Gesetzgebungsangclegenheit, die sich vor Aller Augen ab spielte, die Regierung in eine überaus üble und vielleicht auch „kritische" Lage gebracht. DaS Angesichts der elenden Be zahlung eines großen Theiles der preußischen Lehrer dringend nothwendige Lehrerdotationsgesetz ist vom Herrenbause rundweg abgelehnt worden. Die Vertreter der Städte waren nicht zu gewinnen, weil die Vorlage zur Deckung der Kosten derGehaltsausbesserung den großenGemeinden den größtenTheil der Summen entzieht, die ihnen der Staat bisher als Beitrag zu denSchullaslcn geleistet bat, und die reactionairen Mitglieder dcS Hauses verhielte» sich ablehnend, weil sie hoffen, der Hunger der Lehrer werde die Regierung zwingen, ein allgemeines — nach dem Muster des Zrdlitz'schen entworfenes — Schul gesetz vorzulegen. Die Verlegenheit der Negierung ist nicht gering, da die Minister Miquel und Bosse für den üblen Ausgang mit Recht verantwortlich gemacht werden. Wir veröffentlichen an anderer Stelle eine diese Seite der An gelegenheit behandelnde Auslassung der „National!. Corr." Wie nicht leicht ein Unglück allein kommt, so ist der preußischen Regierung in der verflossenen Woche ein zweites Fell davongeschwommen, eine Vorlage über die Reform der Ha ndekskammern, deren grundlegender Para graph in der für die Berathuna eingesetzten Commission in deren erster Sitzung mit großer Mehrheit abgelehnt worden ist und seiner Zurückziehung entgegensiebt. Bei dieser Niederlage ist der Vieles planende HandelSniinister v. Ber lepsch der zunächst Betheiligte. Kräftigend sind solche Nacken schläge auf eine ohnehin nicht übermäßig robuste Regierung gerade nicht. Von einer Niederlage der Regierung werden die Blätter der Linken wohl auch sprechen, wenn sie da» Verbot des vom Reichstag angenommenen börsenmäßigen Termin handels im Getreide erörtern. Mit Unrecht. Minister v. Berlepsch hatte dem Reichstage gesagt: „Der Getreide» terminhandel ist reif für den Strick, aber überlasten sie un», den Regierungen, daS Aufknüpfen." Kein Wunder, daß nach dieser Beurtheilung vom NegierungStisch der Reichstag, weil der Gesetzgeber eine sicherere Hand zu haben glaubt, als die e« verorduenden Regierungen, daS Geschäft selbst besorgen will. Deutsches Reich. u Berlin, 2. Mai. Als seinerzeit der sogenannte Fall Brausewetter auf der Tagesordnung der öffentlichen Dis- cussion stand, wurden die verschiedensten Cautelen dafür ver langt, daß ein geisteskranker Richter nicht Recht spreche, oder daß wenigstens die von ihm gefällten Urtheile hinfällig seien. Die Erregung, welche damals der Fall Brausewetter hervor gerufen hatte, hat sich inzwischen gelegt, und es zeigt sich immer mehr, daß es auch dabei wieder sehr zweckmäßig war, nicht den in der Erregung entstandenen Plänen und Projekten Folge zu geben. Wenn bei der zweiten Bcrathung der dem Reichstage vorliegenden Novelle zum Gerichts verfassungsgesetz und zur Strafproceßordnung der Fall Brausewetter wieder zur Erörterung gelangt, dürfte er eine ganz andere Beurtheilung erfahren. Es schwindet denn auch immer mehr die Aussicht, daß er eine Aenderung der bestehenden Gesetzgebung herbei führen wird. In der Commission, die zur Vorberathung der erwähnten Novelle eingesetzt war, hatte, wie bereits be kannt, der Fall Brausewetter einen Antrag gezeitigt, wonach die Wiederaufnahme des Verfahrens stattzufinden hätte, wenn bei dem Urtbeil ein Richter, Schöffe oder Geschworener mitgewirkt hat, der später geisteskrank geworden, sofern glaubhaft gemacht wird, daß sich derselbe bereits zur Zeit der Fällung des UrtheilS im Zustande der Geistes krankheit befunden hat. Die Gründe, die von der Regierung und verschiedenen CommissiouSmitgliedern dagegen angeführt werden konnten, waren recht zahlreich. Einmal kann der be legte Fall in allen Lebensbeziehungen vorkommen und beispiels weise bei Aerzten noch schlimmere Folgen haben, da einem wahnsinnigen Mitgliede eines Strafrichtercollegiums doch noch andere intacte Mitglieder zur Seite stehen. Auch geben die ordentlichen Rechtsmittel hinreichend Sicherheit gegen den Uebelstand. Die Gnadeninstanz ist für alle Fälle immer noch vorhanden. Der vorgesehene Fall kommt so selten vor, daß der Nutzen des Antrages durch den Nachtheil weit überwogen würde, daß die Bestimmung häufig benutzt werden könnte, um chicanöser- und frivolerweise das Gericht in die Nothwendigkeit zu versetzen, über den früheren Geisteszustand richterlicher Per sonen Ermittelungen einzuziehen. Schließlich ist der Begriff der Geisteskrankheit ein zu unbestimmter, und der Beweis deS Vorhandenseins dieses Zustandes in einer früheren Zeit schwerlich jemals zu führen. Die Gründe waren so schwer wiegend, daß die Commission den Antrag ablednte. Während dies jedoch in erster Lesung nur mit 9 gegen 8 Stimmen geschah, wurde die Verwerfung in zweiter Lesung mit 11 gegen 6 Stimmen ausgesprochen. Nach dem Stimmenver- hältniß bei der Abstimmung in zweiter Lesung ist also als ziemlich sicher anzunehmen, daß das Plenum des Reichstags aus dem Fall Brausewetter gleichfalls keinen Anlaß nehmen wird, eine Gesetzgebungsänderung herbeisühren zu wollen. * Berlin, 2. Mai. Graf Paul von Hoensbroech, der frühere Jesuit, veröffentlicht im Verlage von A. Haack in Berlin eine Flugschrift über „die Civilehe". Er weist nach, daß die Civilehe in keiner Weise dem christlichen Geiste widerspreche, und faßt daS Ergebniß seiner Untersuchungen in folgende Sätze zusammen: 1) die Ebe wird geschlossen durch die Willenserklärung der Brautleute, nicht aber durch Worte oder Handlungen dritter Personen, seien es nun Staats» oder Kirchendiener. Sie sind nur Zeugen für den eheschließenden Act der Nupturienten. 2) An dieser auf dem innersten Wesen der Ehe beruhenven Thatsache hat daS Christenthum nichts geändert. 3) Das Christenthum hat deshalb auch in den Ländern, wo eS seinen Einzug hielt, die dort vorgefundene bürgerlich-rechtliche Eheschließungsform ohne jedes religiöse Bedenken acceptirt. 4) Die Unter scheidung zwischen Civilehe und kirchlicher Ehe ist gänzlich unbegründet. Es giebt nur eine Ehe. Wird sie von Christen und in christlicher Gesinnung geschlossen, so ist «S eine christliche Ehe, vor wem immer die «beschließende Willenserklärung auch abgegeben sein mag. 5) Die fälschlich sogenannte Civilehe als keine Ehe hinzustellen, beruht auf Unkenntniß der evangelisch-christlichen Auffassung des Wesens der christ lichen Ebe. 8) Obwohl also die auf die standesamtliche Handlung folgende kirchliche Feier in keiner Weise die christliche Ehe schließt, so steht sie doch mit der schon erfolgten Eheschließung in organischem Zusammenhang und bildet daS äußerlich-kirchliche durchaus naturgemäße Complement zum voraufgegangeuen innerlich-christlichen Act der ehe schließenden Willenserklärung. Kein wahrer und echter Christ wird desbalb die sogenannte kirchliche Trauung versäumen. 7) Diese Anschauungen haben vom Beginn deS ChristenthumS an bi» weit über d,e Reformation hinaus bestanden. 8) Erst daß verderbliche Staatskirchenthum hat die kirchliche Trauung als nothwendigeS Requisit zur Eheschließung eingeführt. 9) Die facultative Civilehe ist ein Rückschritt zum Staatskirchenthum und eine durch den Staat ausgesprochene Mißachtung der kirchlichen Trauung. Sie ist eine Maßregel, von der nur die römifcheKirche Vortheil, die evan gelische nur Nachtheil hat. 10) Gegen die Einführung der facultativen Civilehe protestiren vom politischen Stand punkt aus der gesunde Sinn, der mit ihr schwere und un- nötbig heraufbeschworene Kämpfe entstehen sieht, vom christ lichen Standpunkt auS die objektiv« Auffassung deS Wesens und der Entwickelungsgeschichte der christlichen Ebe. * Berlin, 2. Mai. Die „Nationallib. Corr." schreibt: Wie die Regierung bei der Gestaltung deS Lehrer- besoldungSgrsetzeS unglücklich verfahren ist, so war sie nicht auf der Höhe ihrer Aufgabe, als sie sich vor gestern im Herrenbause der Absicht gegenüber sah, daS Gesetz über Hals und Kopf zu erledigen. Die Forderung, eine Vorlage von der Wichtigkeit der in Rede stehenden nicht ohne CommissionSberatbung zu entscheiden, ist durch da» Herkommen vollauf gerechtfertigt, und die Regierung hätte sie mit Zähig keit vertreten müssen. Herr vr. Bosse, dem überhaupt die Gabe, in Parlamenten eine entschiedene Haltung einzunehmen, versagt zu sein scheint, hat e« hierin fehlen lasten, und der Finanznnniftrr vr. Miquel, dem in erster Reihe die Ver antwortung für die Grundlage de« Gesetzes zufällt, hat, während diese« berathen wurde, im Abgeordnetenhause für sein Genostenschaft-castengesetz plaidirt. Zur richtigen Bemessung ihres Mißerfolgs wird sich die Regierung zu vergegenwärtigen haben, daß es ihre, nicht wesentlich veränderte Vorlage war, die kurzer Hand zurückgewiesen worden ist, und nicht etwa ein durch den Antrag Groth oder den Antrag Sattler modificirteS Gesetz. Eine Commissionsberathung hätte höchstwahrscheinlich ein anderes Ergebniß gehabt, als die gestrige Verhandlung, während die auf heute angesetzte zweite Plenarberathung wenig tröstliche Aussichten eröffnet. Daß eine abermalige Vereitelung der Hoffnungen von Zehntausendeu notb- leidender Lehrer ein überaus beklagenswerthes Ereigniß wäre und nicht, wie ein Berliner freisinniges Blatt in grenzenloser Eigensucht meint, ein „Glück", brauchen wir nicht auSeinanderzusetzen. Haben wir uns doch nur sehr schwer und unter der zwingenden Gewalt der Umstände mit der engen Begrenzung der Gehaltsaufbesserung, wie die Re gierungsvorlage sie mit sich bringt, einverstanden erklären können. Der Cullusminister hat gestern mit gutem Grund eine tiefe Mißstimmung der Lehrer als Folge der Ablehnung vorhergesagt, er irrt jedoch, wenn er glaubt, der Unwille werde sich gegen das Herrenhaus richten. Die Lehrer kennen Len Verlauf der schlecht begonnenen und schlecht — wir wollen noch nickt sagen, zu Ende geführten, aber dem Ende nahe gebrachten — Angelegenheit zu gut, um, wenn sie leer aus gehen, bei der Adressirung ihrer berechtigten Vorwürfe fehl zugreifen. Berlin, 2. Mai. (Telegramm.) Der Kaiser wohnte heute Vormittag der Besichtigung des ersten Garde-Regi ments z. F. auf dem Bornstädter Felde bei und frühstückte später im Kreise des OfsiciercorpS deS genannten Regiments. An dem Frühstück nahm auch der Fürst von Bulgarien Theil, welcher der Besichtigung des Regiments auf dem Born stedter Felde beigewohnt hatte. Gestern frühstückte der Fürst beim Prinzen Aribert von Anhalt. Heute Abend wohnt er einem ihm zu Ehren in der türkischen Botschaft veranstalteten Diner bei. Morgen Abend dinirt er beim Reichskanzler. L. Berlin, 2. Mai. (Privattelegramm.) Der-ritte -olnisch-socialistische Parteitag, der zu Pfingsten in Berlin stattfinden sollte, ist, wie eine Erklärung deS polnischen Parteivorstandes besagt, in Folge der Verwirrung, welche die Schließung der socialdemkratischen Wahlvereiue im Lager der deutschen Genoffen verursacht hat, vertagt worden. 6. U. Berlin, 2. Mai. (Privattelegramm.) Zu der Beerdigung Heinrich'- von Trettfchke hatte die national liberale Fraktion des Reichstags die Abg. von Marquardsen, von Cuny und Weber mit Kränzen abgeordnet; die Reichs partei vertrat von Kardorff. Die philosophische Facultät der Universität Leipzig hatte einen Kranz geschickt. (Wiederh.) — Die cvnstituirende Versammlung der Abtheilung Berlin-Charlottenburg der Deutschen Colonial- Gesellschaft fand vorgestern Abend im Hotel Saxonia statt. Von etwas über 200 Herren, die sich zum Beitritt bereits gemeldet haben, waren 133 erschienen. — Die kürzlich zur Berathung der „Grundzüge zur Regelung deS Apothekenwesens" nach Berlin berufenen pharmaceutischen Sachverständigen haben in einer Vorbesprechung sich auch mit derAuSbildu ng der Apotheker beschäftigt und erklärt, daß die deutsche Pharmacie den an sie zu stellenden Anforderungen in der gegenwärtigen Ver fassung nicht mehr genügen kann, daß vielmehr eine erhöhte Vorbildung und eine vertiefte Ausbildung ihrer Angehörigen wird eingesührt werden müssen. Zur Erreichung dieses Zieles haben sie eine Eingabe an daS Reichsamt deS Innern ge richtet, in welcher folgende Grundbedingungen aufgestellt werden: „1. Zum Eintritt tu di« Pharmacir berechtigt nur das Maturum eines Gymnasiums bezw. eines Realgymnasiums. 2. Die Lehrzeit dauert zwei Jahre und findet ihren Abschluß durch das Bestehen einer praktischen und wissenschaftlichen Prüfung. 3. Eine der Lehr- zeit folgende einjährige Gehilfenzeit erscheint erforderlich, um die jungen Fachgenossen an ein selbstverantwortliches Arbeiten zu ge- wöhnen. 4. Das Universitätsstudium umfaßt sechs Semester. Diese den neuzeitlichen Anforderungen entsprechend erweiterte wissenschaft liche Ausbildung findet ihren Abschluß durch da» Bestehen der Prüfung als „Apotheker". 5. Zur selbstständigen Führung einer Apotheke siud nur diejenigen „Apotheker" berechtigt, welche den Nachweis erbringen, daß sie noch fernere drei Jahre im pharma- ceutischen Berufe thätig gewesen sind." — Reichsgerichtsrath Stenglein veröffentlicht in der „Deutschen Juristen-Ztg." einen Aussatz über die preußische Strafrechtspflege. Er bezeichnet darin die Verwendung der Assessoren als Strafrichter als einen Mißstand und führt auS: „Der statistische Nachweis ist schwer zu liefern; dennoch dürfte e» nicht zu viel behauptet sein, daß die erkenuenden Strafkammern in der Mehrzahl der Fülle mit mindestens zwei Assessoren, häufig in der Mehrheit mit Amtsrichtern und Assessoren besetzt sind. Daß durch die Berufung nicht anfechtbare Urtheile nur von gewiegten und erfahrenen Richtern gesällt werden sollten, ist außer Zweifel. Statt dessen sollen .... minderwerthige Richter mit Vorliebe den Strafkammern zugetheilt werden. Das Assessorenthum spielt aber auch in der Staatsanwaltschaft eine, seiner Jugend nicht zu- kommende Rolle. Die älteren Staatsanwälte sind mit Justiz verwaltungsgeschäften überbürdet; die Geschäfte der Strafrechts pflege bleibt» den jüngeren, zur Hilfe zugetheilten Kräften. Wollte man behaupten, daß sich hieraus manche übereilte Anklage, mancher Fehlgriff bei der Verfolgung und Hauptverhandlung, manches un- nüthig ergriffene Rechtsmittel erklärt, so könnte kaum widersprochen werden." * Rostock, 1. Mai. Der Vorstand der birstgeu Kauf mannschaft hat eine Resolution der Corporation wegen Anschlüsse« derselben an den „Schutzverband gegen agrarische Uebergriffe" abgelehnt. * ArtedrtchSrvh, 1. Mai. Die bereit« erwähnte Rede de« Fürsten BiSmarck an dir Wiesbadener Denkmal- Deputation am vorigen Sonntag lautete nach dem„RH. Courier" wie folgt: ,Lch bin außerordentlich dankbar für den Ausdruck de« Wohl- wollen«, der mir durch Ihre Mittheilung voa Seiten der Nassauischen Bevölkerung zu Theil wird, und das bei mir einen vollständig entsprechenden Anklang findet in alten Erinnerungen, di« ich an da« Nassauisch« Land hab«. Es besticht ja jeden Nord deutschen durch sein« Freundlichkeit, Lieblichkeit und durch da« freundliche Entgegenkommen der Bewohner. Zuerst bin ich nach Nassau gekommen schon in der Zett, wo ich noch im Studentenalter lebte, auch »ach Wiesbaden auf touristischen Exkursionen. Damals war ich 21 Jahre alt und habe angenehme Erinnerungen daran, mit Ausnahme der durch eigenes Ver schulden, an die Spielbank, die da war (Heiterkeit), und da zahlte ich natürlich auch meinen Tribut und kam in Verlegenheit. Nach her bin ich vielfach dagewesen von Frankfurt aus. Es ist ja der selbe Schlag von Menschen in Frankfurt wie in Wiesbaden. Ich bin mit dem Bauern und dem kleinen Manne als Jäger und auch sonst dort viel in Berührung gekommen. Meine Erinnerungen an Nassau sind immer wohlwollender Art gewesen, auch die an die damalige Regierung. Der Herzog von Nassau ist mir stets ein sehr liebenswürdiger und wohlwollender Herr gewesen; ich habe ihn in Biebrich besucht und er hat mir große Gastfreundschaft erwiesen. Ich habe mich bemüht, ihm bei der Regulirung unserer gegenseitigen Beziehungen im Jahre 1866 behilflich zu sein — und habe ihm auch persönliche Dienste geleistet —, aber dies ward mir in zwei Richtungen erschwert: Einmal lag in meinem alten Herrn eine Abneigung gegen das herzogliche Haus aus Rheinbunds-Erinnerungen, die er von seinem Vater geerbt hatte. Das zweite Hinderniß aber war die dem Herzog ungünstige Stimmung der Be völkerung, die mit den Jagdeinrichlungen des Herzogs nicht ein- verstanden war. Die Leute beklagten sich „über dem Fürschte sei Jagdknecht" und wandten sich an den alten König mit der Bitte, sie nicht wieder unter deren Gewalt kommen zu lassen. Ich konnte daher dem Herzog nicht so gefällig sein, wie ich es wünschte, in angenehmer Erinnerung an den gastfreien Herrn, der mich ost mit Wohlwollen ausgenommen hatte. Es kam aber noch ein anderer Grund hinzu, der die Aufhebung der Selbstständigkeit Nassaus wünschenswertb machte. Von 1866 an konnten wir nicht wissen, ob wir nicht mit Oesterreich bald wieder zu kämpfen haben würden. Bei der großen Vorliebe, die der Herzog für österreichische Einrichtungen hatte, war eS sehr bedenklich, dicht unter den Kanonen von Coblenz eine österreichisch-freundliche Localbehörde zu haben. Mir that es leid, daß Nassau einverleibt wurde. Es ist eine ideale Existenz für ein kleines Fürstenthum, mit den Bädern guten Weinen, guter Jagd und schöner Gegend und hätte ebenso bestehen bleiben können, wie Braunschweig und die anderen kleinen deutschen Staaten. Nun, meine Herren, ich danke Ihnen von Herzen für Ihre Begrüßung; es ist die erste, die ich mir nach Zanger Zeit wieder erlaube zu empfangen. Nach 80 Jahren geht es mit den Kräften bergab." Ais später Regierungspräsident v. Tepper-Laski das Gespräch auf die Po len frage lenkte, äußerte der Fürst nach dem genannten Blatte, daß er sich die Ausführung und die Wirkungen des Ansiedelungsgesetzes ganz anders gedacht habe. Der Staat hätte seine Domänen vergrößern und die angekauften Güter in der Hand br- halten müssen. Er hätte die Güter im Ganzen oder auch parcellirt zunächst an zuverlässige Leute verpachten sollen. Er sei zwar auch für die Parcellirung von großen Gütern, aber nur zur ge- legenen Zeit. Erst nachdem sich die Pächter als zuverlässige Leute bewährt hätten und nur da, wo die localen Verhältnisse es ver- laugten, könne mit Parcellirungen und EigenthumSübertragungen vorgegangen werden. Dieselben müßten sich auS den gegebenen natürlichen Verhältnissen entwickeln, nicht aber in der Weise, daß vorher schon am grünen Tisch« Güter zerlegt und unbekannten Personen übergeben und von vornherein schon die Losten und Ab- gaben auf die einzelnen Grundstücke vertheilt würden. Es herrsche dabei viel zu sehr die Büreaokratie vor. — Im Auftrage des Prinzen Albrecht theilte Regierungspräsident v. Tepper-LaSki mit, daß der Prinz wünsche, zum Fürsten BiSmarck seiue Söhne zu entsenden. Fürst BiSmarck erklärte sich gerne zum Empfange derselben bereit. FrtcdrichSruh, 2. Mai. (Privattelegramm.) Um 12>/, Uhr trafen heute 13 Mitglieder des Wohl thätig- keitSclub« „Glocke" in Bremerhaven, dessen Ehren mitglied Fürst BiSmarck ist, hier ein. Der Fürst, obwohl sehr hart von Gesichtsschmerzen geplagt, empfing die Herren, deren Sprecher, Herr Trumpf, über die Bestrebungen und Erfolge deS Clubs berichtete, der 3450 Mitglieder in der ganzen Welt zerstreut besitzt. Der Fürst dankte für das bewiesene Wohlwollen und lud die Herren zum Frühstück ein, woran die eben eingetroffeneu Graf und Gräfin Herbert Theil nahmen, ferner Graf und Gräfin Rantzau und Baronin Merck. Fürst BiSmarck toastete auf die Hansestadt Bremen, dessen Senat und „allezeit mitgerechneteS" Bremerhaven. Schriftsteller Pajeken brachte ei» Hoch auf den Fürsten auS. Die Gesichtsschmerzen verloren sich im Laufe deS Frühstückes, und der Fürst plauderte sehr lebbaft mit den Herren. Um 2 Uhr reiste die Deputation nach Hamburg ab. * Dessau, 1. Mai. Folgender herzoglicher Erlaß wurde gestern veröffentlicht: „Nachdem ru Meiner Kenntniß gelangt ist, daß nicht nur in Meiner Residenzstadt Dessau, sondern überall im Lande Vorbereitungen zu einer Feier Meine« 25jäbrigen Regierung«antr itt« im Mai d. I. getroffen werden, bewillige Ich al« einen Beitrag zu dem in sammtlichen Stadt- und Landgemeinden am Nachmittag de« 25. Mai im Anschluß an eine Schulfeier geplanten Kinder fest auS Meiner Privatsckatull« die Summe von 40 000 welche unter Berücksichtigung der Einwohnerzahl auf dir ein zelnen Gemeinden de« Lande« zu vertheften ist. Ballenstedt, 29. April 1898. Friedrich." * Reich, 1. Mai. Die Lohnzahlung an Minder« jabriae ist hier von den Stadtverordneten durch Erlaß eines Ort«statut« geregelt worden. Die« bestimmt, daß auf schriftlichen Antrag der Eltern oder der Armenverwaltung die Auszahlung de« Lohnes von unverheirathetea, minder jährigen, im Gewerbebetrieb beschäftigten Arbeiter« und Arbeiterinnen nur an die Eltern oder Vormünder oder deren Stellvertreter geschehen darf. Um den Mißbrauch diese« Rechtes zu verhüten, wurde ferner bestimmt, daß der Bürger«
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