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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.05.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-05-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960506027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896050602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896050602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-05
- Tag1896-05-06
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Größere Schriften laut unserem Preis« verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-VeNngcn (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbefürderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr> Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig o o o o c> o o r> ). c> o o 5 0 2 0 1 2 5 8 O Mittwoch den 6. Mai 1896. 9«. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 6. Mai. Der Reichstag hat gestern die zweite Lesung der sogen. Margarinevorlage unter nicht ungünstigen Auspicien be gonnen. Gleich bei tz 2 galt eS, zu zeigen, ob man in der Tbat nur den Betrug, der durch die Vermischung von Margarine mit Butter verübt wird und der dem Natur produkt eine zweifellos schwer empfundene unredliche Con- currenz bereitet, treffen, oder ob man den Verbrauch des gesunden, wohlschmeckenden und für weite Volkskreise geradezu unentbehrlichen Nahrungsmittels, das wir in der Margarine besitzen, durch die reichsgesetzliche Vorschrift der Verschlechterung einschränken will. Die Commission hatte nämlich beantragt, daß zur Herstellung der Margarine nur Magermilch verwendet werden dürfe. Dieser Antrag ist erfreulicher Weise, nachdem er aus dem Centrum, der national liberalen Partei und vom Landwirthschaftsminister v. Hammer stein bekämpft worden war, gegen die Stimmen der Con- servativen und der Antisemiten gefallen, so daß die Vollmilch wie bisher gestattet und die Herstellung einer guten Margarine möglich bleibt. Ebenso wurde ein besonders für Arbeiterkreise nachtheiliger Antrag des Antisemiten Binde wald auf Verbotdes Margarinekäses abgelehnt, nach dem Herr v. Hammerstein, der doch von seinem rein land- wirthschaftlichen Standpunkte aus diesem Erzeugnisse nicht hold sein kann, den Verkauf von Margarinekäse als keineswegs unter den Begriff des unlauteren Wettbewerbes fallend, bekämpft hatte. Gegenüber dem von der Commission eingefügten Ver bote des Färbens der Margarine (tz 2a) fand sich freilich die Mehrheit gegen die Verschärfung der Vorlage nicht mehr zusammen; das Verbot wurde, nachdem es namentlich von dem nationalliberalen Abgeordneten Clemm und dem Landwirthschaftsminister von Hammerstein bekämpft worden war, in namentlicher Abstimmung mit 138 gegen 07 Stimmen angenommen, für das gleichfalls von der Commission beschlossene Gebot, der Margarine Phenolphthalein zuzusetzen, erhoben sich dagegen nur die Conservaliven. Vielleicht besinnen sie sich bis zur dritten Lesung darauf, daß sie mit dem Verbote des Färbens der —-^"^Margarine eine lebhafte Agitation gegen das Färben der Butter entfesseln. - Zu dem interessanten Capitel „die Locialdemokratie als Arbeitgeberin" hat der „Weltverb rüderu ngsta g" wieder einen bemerkenswerthen Beitrag geliefert. In Halle a. S. streiken die Setzer des dortigen socialdemokratiscben „Volks blattes", weil die socialdemokratischen Besitzer des Blattes die Zahlung des Lohnes für den 1. Mai verweigerten. Wenn der „Bourgeois" seinen Arbeitern am 1. Mai nicht freigiebt, so handelt er „roh" und „frech", und wenn die ungeachtet der verweigerten Erlaubniß der Arbeit am „Weltfeiertag" fern gebliebenen Arbeiter infolge dessen arbeitslos werden, so ladet der „Ausbeuter" die Verantwortung auf sich. Beides zn lesen / im „Vorwärts" vom 4. ftuj. Dafür ist der „Ausbeuter" eben - ein Bourgeois. Der „classenbewußte" Unternehmer hingegen, «2 der vor dem bürgerlichen auch noch daS voraus hat, daß er M von seiner politischen „Ueberzeugung" lebt und meistens s sehr auskömmlich lebt, der „Genosse" Arbeitgeber kann, darf und soll den Arbeiter zwingen, am 1. Mai zu / feiern, ohne ihn für den Lohnausfall zu entschädigen. Der plebejische Proletarier muß an dem „großen" Tage den Glanz der aristokratischen und plutokratischen Proletarier durch Nichtsthun erhöhen helfen, und er darf sich auch auf die Herrlich keit des Zukunftsstaatcs freuen, aber auf seine Kosten. WaS war das für ein Lärm in der socialdemokratischen Presse, als vor der letzten Sedanfeier Berliner Fabrikbesitzer, die man an den Fingern einer Hand aufzählen konnte, versäumt hatten, ihren Arbeitern die Vergütung des durch die Ruhe an dem nationalen Festtage verursachten LvbnaussalleS anzukündigen, und wie still ist es über den Höllischen Vorfall im „Vorwärts"! Neu ist das Arbeitsverbot ohne Entschädigung allerdings nicht. Den Setzern des „Bruderorgans" in F r a n k f u r t a.M. ist vor zwei Jahren dasselbe passirt, und die sächsischen Consumvereinslagerhalter, die auch sonst viel Liebes und Gutes von ihren socialdemokratischen Brodherren zu erzählen wissen, haben sich gleichfalls schon über ihre Behandlung am 1. Mai zu beklagen gehabt. Neu ist nur, daß die „Genossen" Arbeiter den „Genossen" Arbeitgebern die Ent schädigung durch einen Streik ertrotzen mußten. Und das Allerneueste wäre es gewesen, wenn der „Vorwärts" einen Aufruf der Höllischen Setzer mit dem Tenor „Zuzug ist fern zuhalten" veröffentlicht hätte. Die Nachgiebigkeit der „Ge nossen" Arbeitgeber in Halle hat den „Vorwärts" davor bewahrt, einen solchen Ausruf aufnehmen oder ablehnen zu müssen. Die Nachricht unseres Posener Correspondenten, daß der Bürgermeister Roll in Gnesen vom Amte suSpendirt worden ist, wird von allen richtig deutsch empfindenden Deutschen mit Genugthuung ausgenommen werden. Roll hat bekanntlich bei einer feierlichen Gelegenheit eine Militairmusik- capelle verhindert, nachAusbringung des KaiserhochsdieNational- hymne zu spielen, und er hat sich deswegen in der Presse in einer Weise verantwortet (s. * Berlin), die zeigt, daß er nicht das geringste Verständniß für die Aufgaben eines öffentlichen Beamten in den von dem Polenthum bedrängten Gebieis- theilen besitzt. Herr Roll ist noch nicht lange in Gnesen, aber er war schon in Ostrowo, gleichfalls einer Stadt mit national gemischter Bevölkerung, Bürgermeister. Unter der früheren Polenpolitik war es freilich opportun, so zu handeln, wie er es in Gnesen gethan. In Abessinien scheinen die ehernen Würfel bald wieder fallen zu sollen. Aus Massaua wurde vom Montag gemeldet, General Baldissera stehe dreiviertel Stunden von Adigrat, der Entsatz des Forts sei aber schwierig, da Ras Mangascha die dieUmgebung beherrschenden Positionen besetzt halte. Dagegen meldet das Reuter'sche Bureau aus Kairo vom Dienstag auf Grund einer amtlichen Drahtmeldung, daß die italienischen Truppen wohlbehalten in Adigrat eingerückt seien und die Garnison entsetzt hätten. Auch in der italienischen Depu- tirtenkqmmer cursirte gestern beharrlich das Gerücht von der Befreiung Adigrat'S, und sonst kompetente Personen be stätigten cö. Amtliche Nachrichten tagen indessen in Nom weder gestern vor, noch waren bis heute morgen solche eingetroffen, vielmehr wußten die amtlichen Ver lautbarungen bis gestern Nachmittag nur von der An kunft Baldissera's vor Adigrat und dessen persönlicher Begegnung mit dem Vertheidiger des Forts, Oberst Prestinari, zu berichten. Man kann also heute noch nicht mit Gewißheit von dem Entsatz Adigrats reden. Viel mehr wird es erst nöthig sein, die Feinde aus den umliegenden Höhen zu vertreiben, ehe an die Räumung des Forts zu denken ist. Immerhin scheint jetzt ein ganz anderer Zug in der italienischen Kriegführung zu sein. Die Concenlratwn der Greville Plötzlich hinter sich knirschende Fußtritte, und eine Stimme, in welcher sie zu ihrem größten Schrecken diejenige Mr. Hopley's erkannte, rief: „Beatrix! Trixie, wo bist Du? Der Graf wartet mit dem Kaffee! Wo bist Du, Trixie?" Es gab keinen anderen Ausweg als den, die Liebenden zu warnen, ehe der erzürnte Vater sie entdecken konnte. Sie standen noch auf derselben Stelle, wo sie sich getroffen, voll ständig unbewußt der Gefahr, welche mit jedem Augenblick näher rückte. Schnell wie der Gedanke eilte Helene auf das Paar zu, so leise, daß kein Laut ihrer flüchtigen Fußtritte das Ohr Mr. Hopley's erreichen konnte. Im nächsten Augen blick stand sie athemloS vor den Beiden. „Beatrix, Dein Vater ruft Dich, er ist dicht hinter mir. Wenn Du nicht sofort mit mir kommst, wird er Dich hier finden." Helene prallte erschrocken zurück und ein leiser Schrei entfuhr ihren Lippen. Das nächtliche Dunkel hatte ihr bisher die Wahrheit verborgen, — jetzt wurde ihr Alles klar — sie hatte den Gefährten Beatrix' erkannt. Ehe sie sich noch zu fassen wußte, fühlte sie eine feste Hand auf ihrem Arm, und Capitain Seudamore zog sie gewaltsam näher, während er zu gleicher Zeit Beatrix veranlaßte, ihrem immer näher kommenden Vater entgegenzueilen. „Gehen Sie, Beatrix, und sagen Sie Ihrem Vater, Sie hätten auf Miß Greville gewartet, und veranlassen Sie ihn, so schnell wie irgend möglich zur Gesellschaft zurückzukehren. Miß Greville wird Ihnen gleich folgen." Beatrir, welche keine Ahnung hatte, in welche unan genehme Lage sie unwissentlich ihre unglückliche Freundin hineinzwang, beeilte sich, diesem Befehl nachzukommen und lief ihrem Vater entgegen, der kaum noch fünfzig Schritte von ihnen entfernt war, zu gleicher Zeit denkend, wie klug doch „ihr Philipp" sei, der so schnell einen Ausweg gefunden, und wie gutherzig Helene, daß sie ihr einen so großen Dienst leiste. „Bist Du eS Trixie?" „Ja — Papa —", sie legte ihren Arm in denjenigen ihres Vaters. „Hast Du mich gesucht?" „Ja, Du hättest nicht so weit fortgehen sollen, wo ist Miß Greville?" „Sie hat Jemand getroffen, mit dem sie einen Augenblick sprechen will. Ich warte auf sie. Sie wird gleich kommen, wir wollen immer vorangeben!" „Aha, wohl ein Liebhaber", sagte der alte Herr leise lachend. „Ich weiß eS nicht, Papa!" erwiderte befangen Beatrix. FreerHetoie. Die Tochter -es Millionärs. 5s Roman aus dem Englischen von L. Bernfeld. (Nachdruck vrrvoten.) Helene dacht« sofort einen vollständigen kleinen Roman aus — ein armer Liebhaber, ohne Zweifel irgend ein Jugend gefährte Beatrix' aus Manchester, welcher dieselbe schon in den Tagen ihrer Kindheit verehrt batte, und den ihr Vater durchaus nicht als geeignete Partie für seine Erbin betrachtete. Aber die brave, kleine Beatrix war ihrer Jugendliebe treu geblieben, und das junge Paar würde sich schließlich heirathen und glücklich sein. Helene hatte auch nicht einen Augenblick den geringsten Argwohn; sie wußte nicht, daß Beatrix den Capitain wiedergesehen hatte, und ließ sich nicht träumen, daß er seit dem Tage in Ascot ihr täglicher Gefährte gewesen war. Helene drückte zärtlich der Freundin kleine Hand und ver sichernd, daß sie ihr helfen wolle, fragte sie dieselbe, WaS ge schehen solle. „Ich wollte Dich bitten, hier auf mich zu warten", er klärte Beatrix, stehend bleibend, da sie fast am Wasser an gelangt waren. „Ich möchte allein gehen, ich will nur wenige Augenblicke mit ihm sprechen, dann kehre ich zurück, die Anderen werden glauben, wir hätten nur einen kleinen Spaziergang mit einander gemacht, und unsere Abwesenheit wird auf diese Weise kein Aufsehen erregen. In fünf Minuten bin ich zurück." Helene that, wie ihr geheißen wurde. Aber aus den fünf Minuten wurden zehn, dann fünf zehn; Helene konnte in einiger Entfernung die Umriffe zweier Figuren unterscheiden, welche dicht nebeneinander unter dem Schutze eine- überhängenden Baumes standen. Die Diskretion würde geboten haben, daß Helene ihre Blicke nach einer anderen Richtung lenkte, doch weibliche Neugier, gemischt mit natürlichem Interesse, zogen ihre Augen unwiderstehlich zu den beiden Liebenden. Unwillkürlich näherte sie sich dem Paar, und eS schien ihr, als ob Beide in inniger Umarmung standen. „Die Armen, sie nehmen Abschied von einander", dachte sie, „ich will nur wünschen, daß sie sich beeilen, denn wir sind nun lange genug fort gewesen und eS wird sicher Auf sehen erregen, wenn wir nicht bald zu den Anderen zurück- teyen." Unruhig hin und h«r schreitend, vernahm Miß Truppen vor Adrigat, die breite Rückendeckung derselben, die rasche und glückliche Ucberwältigung der riesigen Marsch schwierigkeiten in dem zerklüfteten Terrain nördlich von Adigrat bis Adicaje lassen auf eine kundige, zielbewußte und energische Hand schließen. Auch der Umstand, daß es Major Prestinari möglich war, unter dem Feuer der Abessinier aus dem Fort in das Lager Baldissera's zu gelangen, läßt darauf schließen, daß die Operationen der Entsatz truppen vorzüglich geleitet werden. Nach Allem aber steht Italien noch einmal vor einer folgenschweren Entscheidung. Von ihrem Ausfall wird es abhängen, ob die mit 100 000 Unterschriften bedeckte, von Imbriani der Kammer überreichte Petition für gänzliche Aufhebung der afrikanischen Colonie Er folg hat oder nicht. Erleidet Italien nochmals eine schimpfliche Niederlage, dann dürfte die Zahl der Petenten ins Ungemessene wachsen und die Aufgabe aller afrikanischen Unternehmungen nur noch eine Frage der Zeit sein. Glückt es Baldissera dagegen, einen vernichtenden Schlag gegen das Heer des Neguö zu führen und ihn wieder über die Grenzen Tigres zurückzulreiben, dann darf man mit Sicherheit darauf rechnen, daß das leicht in patriotische Begeisterung aufflammende Naturell des Italieners jeden Gedanken an eine Aufgabe des mit so viel römischem Blut gedüngten Tigre als eine nationale Beleidigung weil von sich weisen wird. Dann aber wird vas Cabinet Rudini sich entscheiden müssen, ob cs — was es zum Theil schon gethan hat — in Afrika die Politik Crispi's fortsühren, oder sich in Widerspruch mit der öffentlichen Meinung des Landes setzen will. Cecil Rhodes, der ungekrönte König von Südafrika, muß sich selber schwer getroffen und unheilbar compromittirt fühlen durch die Veröffentlichung des verräterischen Depeschen wechsels, ja er muß seine Sache so gut wie verloren geben, sonst wäre folgende Meldung nicht verständlich: * London, 6. Mai. (Telegramm.) Mehrere Morgenblätter bestätigen die Nachricht, daß Rhodes und Beit aus der Ehartercd Company ausgetreten sind. — Der „Standard" meldet, Rhodes habe sich rückhaltslos in die Hände CHamberlain's ge geben; er habe sich erboten, auf seinen Sitz im Geheimen Raihe zu verzichten, wenn Chamberlain bas für angemessen halte, und auf Wunsch nach England zurückzukehren. Dort mag er sich allerdings sicherer fühlen, als in der Nähe der Grenzen der Südafrikanischen Republik. Geräth er in die Hande der Boeren, so dürfte es ihm schwerlich besser ergehen, als den zum Tode verurtheilten Verbrechern in Johannesburg, zumal da es mehr als wahr scheinlich ist, daß er noch mehr auf dem Gewissen hat, als vis jetzt bekannt geworden ist und noch mehr bekannt werden wird, als man im Auswärtigen Amt in London selbst glaubt. Wir erhalten folgende Meldung: * London, 6. Mai. (Telegramm.) Aus Pretoria wird den „Times" unter dem 4. d. M. berichtet, daß nur ein Theil der im Besitze der Regierung von Transvaal befindlichen Tele gramme und Schriftstücke veröffentlicht worden sei, weitere Schriftstücke würden wahrscheinlich während der Tagung des Volks- raads veröffentlicht werden. Auf nächsten Freitag ist die Verhandlung über die Inter pellation Sir William Harcourt in Sachen Transvaals im englischen Unterhause angesetzt, obgleich cs der Regierung an genehm gewesen wäre, sie bis zum Dienstag hinauszuschieben. Man wird ja also am Freitag erleben, ob Herr Chamberlain „Nun, mein kleines Mädchen hat keinen Liebhaber — wenigstens bis jetzt nicht. Aber es ist Jemand da, der in diesem Augenblick sehr ungeduldig auf sie wartet. — Jemand, der sich offenbar beim ersten Anblick in meine Trixie ver liebt hat. Wir dürfen ihn nicht länger warten lassen. Nicht wahr?" Die Stimmen verhallten in der Ferne. Unter den dunklen Bäumen standen sich schweigend zwei Menschen gegenüber. Das junge Mädchen stand bewegungslos, denn ihre Hände waren von denen Les Mannes fest umschlossen, erst, als man den Lant von Mr. Hopley's Stimme nicht mehr vernahm, gab er sie frei. „Es scheint Bestimmung zu sein, daß wir uns stets im abendlichen Dunkel treffen müssen, nicht wahr, Hell?" „Herr Capitain Seudamore", sagte Helene langsam, „Sie sind ein Schurke!" „Meine theure Helene, welch' grausame Worte!" „Ich werde Mr. Hopley unverzüglich von Ihren heim lichen Zusammenkünften mit seiner Tochter in Kenntniß setzen!" „Aber liebes Kind, weshalb? Sind Sie eifersüchtig?" Sie zuckte bei seinem grausamen Spott ein wenig zu sammen, doch sie antwortete ruhig: „Ich will nicht, daß meine Freundin einem gewissenlosen Menschen zum Opfer fallen sollte!" Er trat drohend vor sie hin und sagte: „Wenn Sie wagen, sich auch nur im Geringsten in Beatrix' und meine Angelegenheiten zu mischen, so sollen Sie mich kennen lernen, ich werde mich zu rächen wissen! Weiter habe ich nichts zu sagen!" „Sic können mir nichts Schlimmeres antbun, als Sie be reits gethan haben", sagte Helene mit leiser Stimme. „Glauben Sie? Was würden Sie aber wohl sagen, wenn ich unsere famose Liebesgeschichte in einer der ge- lesensten Londoner Zeitungen veröffentlichte? Die Gesellschaft würde entzückt darüber sein!" „Mein Gott, mein Gott", rief Helene, die Hände ringend, quS. „Aber wie kann mich von einem Manne noch etwas überraschen, der es nicht verschmäht hat, ein armes Mädchen in der schändlichsten Weise zu hintergehen. Und Sie wollen sagen", fügte sie bebend hinzu, „daß Sie mich jemals ge- liebt hätten?" „Gewiß habe ich daS gethan! Ich war bis zum Wahn sinn verliebt in Sie!" lachte er. „Meine schone Helene, wenn Si« «in reiches Mädchen wären, — ich hab« Ihnen sein ganzes Verfahren in der südafrikanischen Angelegen heit in einem Lickte darzustellen vermag, daß er für seine Person gerechtfertigt erscheinen kann. Trotz der großen Mehrheit, über welche das Ministerium im Parlamente verfügt, ist das sehr zweifelhaft. Man spricht schon in Eng land offen von der Niederlage des Colonialministers, und daß er sick moralisch und diplomatisch nicht als auf der Höbe der Situation stehend gezeigt hat, wird sich so leicht nicht durch sophistische Gründe bestreiten lassen. Thatsächlich sind die Dinge in Südafrika so weit gediehen, daß die gesammte Action gegen Transvaal kläglich Schiffbruch gelitten hat, daß sie, weil man der südafrikanischen Politik Englands zu tief in die Karten gesehen hat und deshalb am Cap, wie in Pretoria, wie in Bloemfontain äußerst mißtrauisch geworden ist, in absehbarer Zeit nicht wieder ausgenommen werden kann, weshalb auch plötzlick der bestellte Matabele- ausstand wieder außer Scene gesetzt wird. Nimmt man diesen totalen Mißerfolg Chamberlain's, der die englische Politik vor aller Welt auf das Schlimmste bloßgestellt hat, zusammen mit den Mißerfolgen in der armenischen Frage, wie in der Weltpolitik Englands überhaupt, die ihm seit einem Jahre auch nicht den kleinsten Erfolg, wohl aber seine absolute Jsolirung eingetragen hat, so sollte man allerdings meinen, das Cabinet Salisbury hätte am längsten gelebt. Mit welcher Besorgniß in England der Gang der Tinge in Persien, der sich, wie wir vermuthct halten, nicht so glatt vollziehen zu wollen scheint, von der Regierung be trachtet, geht aus einem officiösen Londoner Brief der „Pol. Corr." hervor, in welchem cs u. A. heißt: „ES ist allgemein bekannt, Laß der russische Einfluß in den Nordprovinzen Persiens im letzten Jahrzehnt enorm zugenommen hat und daselbst sogar, inbegriffen die Hauptstadt Teheran, ausschlaggebend geworden ist. Die Landroute von den kaspiscken Häfen Rußlands bis Teheran beträgt kaum den vierten Theil der Landroute vom persischen Golf bis dahin, so daß die commerziellen Interessen Rußlands in Nord persien an Ausdehnung und Bedeutung immer wachsen, während die englischen daselbst meist stationär bleiben oder zurückgehen. Rußland könnte ferner mit Hilfe der transkaspischen Bahn, welche bereits bis ans hundert englische Meilen zur heiligen Stadt Mesched ausgebaut ist, ohne Schwierigkeit und ohne Widerstand seitens Persiens die nörd lichen Provinzen, in denen es so wichtige Interessen zu schützen hat, besetzen. Für den Fall, daß es zu inneren Fehden in Persien kommen sollte, muß immerhin die Möglichkeit einer russischen Occupatlon der nörd lichen Provinzen des genannten Reiches ins Auge gefaßt werden. In informirten Londoner Kreisen ist man aller dings überzeugt, daß Rußland sich gewiß nicht leicht zu einer solchen Action entschließen werde. Man kann sich auch, wie hervorgehoben wird, in Petersburg darüber keiner Täuschung hingeben, daß eine Vorwärtsbewegung Rußlands durch persifchcs Gebiet gegen den indischen Ocean von England nicht mit Gleichgiltigkeit angesehen werden könnte. Wenn auch Rußland seinen Einfluß im Norden Persiens befestigt habe, so sei doch der englische Einfluß im Süden des Landes noch immer prädominirend, und so lange England sein indisches Reich behalte, könne es nie zngeben, daß der Süden Persiens oder irgend ein Zugang zum indischen Ocean in russische Hände falle. In dieser Richtung habe England alle nöthigen Vorkehrungen getroffen und würde, sobald es die Autorität des Schahs nicht mehr für hinreichend halten das schon mehrfach gesagt — so würde ich mich keinen Augenblick besinnen, Sie zu heirathen. Ich bin aber selbst nur ein armer Teufel und habe nicht Lust, mit Ihnen in Armuth und Elend unterzugehen." Sie verbarg ihr Gesicht in den Händen. „Seien Sie ein vernünftiges Mädchen, Helene! Sie können nichts Besseres thun, als einen Ihrer zahlreichen An beter zu heirathen. Ich bin nicht eifersüchtig, und wenn Sic sich nicht in meine und Beatrix' Angelegenheiten mischen, werde ich nichts von unserem früheren Verhältniß verrathen!" Er wartete noch einen Augenblick, doch, da sie nicht ant wartete, wandte er sich ab und, den Weg am Ufer entlang verfolgend, ließ er sie allein. V. „Beatrix, ich bitte Dich inständigst, mir Glauben zu schenken!" „Nein, Helene, ich will Dich gar nicht anhören. Wenn Du eine bestimmte Anklage gegen den Mann, den ich liebe, zu richten hättest, wäre dies etwas Anderes, aber Du sagst mir weiter nichts, als daß er ein schlechter Mensch sei, ebne mir Beweise dafür anzugeben. Wie kannst Du erwarten, daß ich Philipp auf eine so ungewisse Anschuldigung hin auf geben werde!" Helene saß neben ihrer Freundin Beatrix in deren reizen dem Wohnzimmer in Princeß Gate, als sie diesen ganz hoffnungslosen Versuch machte, ihre Freundin zu überreden, nickt mehr an den schönen Philipp Seudamore zu denken. Welche Gründe Helene auch anzuführcn sick bemühte, durch keinen derselben konnte die brave, kleine Beatrix in ihrer Treue erschüttert werden. Die arme Helene war in Ver zweiflung, sie konnte unmöglich ibre eigene Geschichte preis geben, jedes andere Opfer würde sie mit Freuden gebracht haben, wenn sie dadurch in den Stand gefetzt worden wäre, Beatrir die Augen über Philipps wahren Charakter zu öffnen. „Er ist ein Spieler, Beatrix, er bat ungeheure Schulden, und dabei ein gewissenloser Verschwender. Glaube mir, er will nichts weiter als Dein Geld", drang das junge Mädchen in ihre Freundin. „Er hat mir längst Alles, was seine Schulden betrifft, mit der größten Offenheit selbst erzählt, und zeigte sich in Bezug auf Geldangelegenheiten von der größten Feinheit des Gefühls. Philipp hat mir sein Wort gegeben, daß er die Karten nicht mehr anrühren wolle; nun, und was seine Armuth anbetrifft, darüber mache ich mir nicht den geringsten
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