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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.05.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-05-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960507010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896050701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896050701
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- LDP: Zeitungen
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- Bindung fehlerhaft: Seiten in falscher Reihenfolge
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
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Rrclame» unter dem Redactionsstrich (4ge- spalten) 50/>z, vor den Familiennachrichten (6 gespalten) 40/^- Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Ziffern ja tz nach höherem Tarif. (hxtra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen. Ausgabe, ohne Postbesürderung » 60.—, mit Poslbeförderung »l 70.—. Ännahmeschlnk für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen. Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig 23V. Donnerstag den 7. Mai 1896. 80. Jahrgang. Die künftige Gestaltung des deutschen Nechtsstudiums. kr. Am 23. März dieses Jahres fand bekanntlich unter dem Vorsitz deS Geheimen Hofraths Professor vr. Fried berg aus Leipzig eine Conferenz deutscher PrivatrechtSlehrcr in Eisenach statt, welche auf Vorschlag der Iuristen-Farultäten Berlin, Leipzig und München über die durch die bevor stehende Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches für Deutsch land erforderliche Umgestaltung des juristischen Lehrplanes berathen sollte. Die von 65 ordentlichen Professoren besuchte Conferenz nahm nach eingehender Debatte folgende Reso lution an: 1) Das juristische Studium beginnt mit einer allgemeinen Rechtslehre, insbesondere Privatrechtslehre. 2) Den Vorlesungen über das geltende Privatrecht haben außer den Vorlesungen über römische und deutsche Rechts geschichte zwei propädeutische systematische Vorlesungen über dessen römischrechtliche und deutschrechtliche Grundlagen voraus zugehen. 3) Auf die Quellenexegese ist nach wie vor hervorragendes Gewicht zu legen. 4) Nach dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist das gesammte bürgerliche Recht Deutschlands, mit Aus nahme des Handels- und WechselsechtS, als systematische Einheit zu lehren. Von der Verbindung des Rechtes ves Bürgerlichen Gesetzbuches mit dem übrigen Reichs- und Landesprivatrecht sind nach örtlichem und zeitlichem Bedürfniß der einzelnen Universitäten Ausnahmen zulässig. 5) Nach Aufnahme des Bürgerlichen Gesetzbuches unter die Lehrgegenstände bedarf es eines mehr als dreijährigen Rechtsstudiums. Es war zu erwarten, daß zu den Beschlüssen der Eisenacher Conferenz auch eine Literatur entstehen würde, welche diese Beschlüsse näher erläutert und unter die kritische Lupe nimmt. Die von Laband, Stenglein und Staub herausgegebene „Deutsche Juristen-Zeitung" veröffentlicht in ihrer Nr. 8 das Referat des Professors vr. E. Strohal in Leipzig „über die zukünftige Gestaltung der Vorlesungen über das Bürgerliche Gesetzbuch". Strohal tritt zunächst der Anschauung entgegen, daß diese Vorlesungen einfach die Stelle einzunebmen hätten, welche bisher den Vorlesungen über partikulares Civil- recht, also über preußisches allgemeines Landrecht, sächsisches bürgerliches Recht, Locks civil rc., zukam. Der großen Pan dektenvorlesung würde demnach ihr Recht in vollem Umfange bleiben, desgleichen der Vorlesung über deutsches Privatrecht, und die Vorlesung über das Bürgerliche Gesetzbuch wäre das Stiefkind, das zuletzt an die Reihe kommt. „Wer sich die Dinge in solcher Weise zurechtlegen will", sagt Strohal, „scheint mir vor Allem zu verkennen, daß die hisherige Gestaltung unseres civilistischen Unterrichts wesent lich dadurch bedingt war, daß es uns an einem einheitlichen Civilrechte fehlte. Ungeachtet der particularistischen Zer splitterung des geltenden Rechtes konnten Forschung und Lehre doch eines Rechtssystems nicht entbehren, auf dessen Boden sich die wissenschaftliche Arbeit vereinigte und welches dadurch zugleich geeignet war, nicht allein die Elemente juristischer Bildung zu vermitteln, sondern auch den Hauptgegenstand des civilistischen Unterrichts zu bilde». Dieses Rechtssystem konnte aber wieder kein anderes sein, als das deS gemeinen Rechts. Mit dem Wirksamwerden deS Bürgerlichen Gesetzbuches wird jedoch eine völlig neue Sachlage geschaffen werden. Die parti- cularenCodificationen konnten nicht imMittelpunct desjuristischen Interesses stehen, beim Bürgerlichen Gesetzbuch wird und muß dies sofort der Fall sein, und in noch viel höherem Maße, als das bisher bezüglich des gemeinen Rechts geschehen ist, wird sich die civilistisch-dogmatische Arbeit nunmehr auf das Bürger liche Gesetzbuch concentriren. Aus allen diesen Gründen darf und kann man daher der Vorlesung über unser Bürgerliche- Gesetzbuch nicht jene bescheidene Rolle zuweisen, mit welcher sich bisher die Vorlesung über particulareS Privatrecht be gnügen mußte. Das Mindeste, was gefordert werden muß, scheint mir somit, daß der Vorlesung über da« deutsche Bürgerliche Gesetzbuch bei unS derselbe Umfang gegeben werde, welchen in Oesterreich die Vorlesung über das österreichische Bürgerliche Gesetzbuch schon längst hat. Man gelangt damit zur Vertheilung deS Stoffes auf zwei Semester, für welche zusammen etwa 16 wöchentliche Stunden in Anspruch ge nommen werden müßten." Dieses Maß würde nach Strohal's Ansicht jedoch nur genügen, wenn die Vorlesung sich nicht mit auf das sonstige ReichScivilrecht, auf das unberührt bleibende partikulare Civilrecht, auf die Bestimmungen deS Einführungsgesetzes über zeitliche und örtliche Collision der Statuten erstreckt, und wenn für eine wirklich tüchtige histo rische und dogmatische Vorbildung derjenigen gesorgt ist, welche die Vorlesung über das Bürgerliche Gesetzbuch hören sollen. Dazu gehört auch die Kenntniß deS Pandekten rechts. „DaS moderne Civilrecht", sagt Strohal, „beruht auf der Entwickelung von mehr al« zwei Jahrtausenden, deren Hauptträger zuerst die Römer, dann aber die Germanen gewesen sind. Der Gang unserer Entwickelung muß dem Studirenden, welcher die Vorlesung über daS Bürgerliche Ge setzbuch hört, nicht bloß oberflächlich, sondern in allen Haupt punkten vertraut sein. Mit der Einführung eines neuen Gesetzbuches sind große Gefahren ohnehin untrennbar ver bunden: der Mangel jeder Tradition, die Papierschreren- Literatur, der Motiven- und Materialien-Cultus, die tal mudistische Paragraphenklllgelei und dergleichen mehr." Daß der Stoff unter Romanisten und Germanisten ver teilt werden soll, verwirft Strohal mit Recht. Diese Zersplitterung könnte sehr verhängnißvoll werden. „Die Beziehungen der Romanisten und Germanisten", sagt Strohal am Schluß seines Vortrag«, „zum neuen Bürgerlichen Gesetz buch dürfen nicht nach den Gesichtspunkten mechanischer Theilung geordnet werden, wir dürfen kein Verhältniß deS Geschoßeigenthum« anstreben; wir wollen aber auch nicht ein Miteigentum nach Bruchteilen mit dem sich darau« er gebenden unbedingten VerbirtuogSrecht de« einen Miteigen tümer« gegenüber dem anderen; wa« un« allein frommt, ist em Verhältniß der gesammten Hand!" — , - Der Vorsitzende der Eisenacher Conferenz, Professor vr. Emil Friedberg, bat seine Ansichten in der Schrift: „Die künftige Gestaltung des deutschen Rechtsstudiums nach den Beschlüssen der Eisenacher Conferenz" (Leipzig, Verlag von Veit L Co.) niedergelegt. Friedberg kommt in geistvoller Weise auf die internationale Bedeutung der Jurisprudenz zu sprechen, die gegründet ist auf das Werk der Romanisten. Eine systematische Vorlesung des römischen Rechts soll bei dessen unvergleichlich pädagogischer Bedeutung beibehalten werden. „Das Bürgerliche Gesetzbuch", sagt Friedberg bei Besprechung der oben erwähnten zweiten Resolution, „ist keine geschichtslose Erscheinung. Es ist der Abschluß auch der Geschichte der römischen Rechtsentwickelung. Darum setzt sein Verständniß eine Kenntniß des römischen Rechtsstoffes voraus." Die Vorlesung über römisches Recht,soll indessen nur propädeutischen Charakter haben, während-„in Zukunft das Bürgerliche Gesetzbuch als das Centrum der privatrechtlichenStudien angesehenwerdensoll". „Ganz gleichmäßig verhält es sich", führt der Verfasser weiter aus, „mit der Gestaltung der Vorlesungen über deutsche RechtSgeschichte und deutsches Privatrecht. Auch für die germanischen Elemente des Bürgerlichen Gesetzbuches kann eine Vorbildung nicht entbehrt werden. Der zukünftige deutsche Student darf nicht darüber in Unkenntniß g-halten werden, daß das geltende Recht nicht blos auf dem römische», sondern auch auf dem nationalen aufgebaut sei, und .er muß mit dessen Geiste um so mehr bekannt gemacht! werden,, als ja die Fortbildung des Gesetzbuchsrechtes nur auf dieser Basis erfolgen kann und wird." Was die Ausdehnung des Rechtsstudiums auf mehr als drei Jahre, die that sächlich in den meisten Fällen schon jetzt vorhanden ist, anlangt, so äußert sich Friedberg folgender maßen darüber: „Wenn auch die Ersetzung der Pandekten und des bisherigen deutschen Privatrechtö durch die neuen systematischen römisch - und deutschrechtlichen Vorlesungen eine Verminderung des bisherigen Unterrichtsstoffes und da mit eine Verkürzung der bisherigen Unterrichtszeit bedingen, so wächst doch andererseits die Schwierigkeit des juristischen Studiums in bedeutendem Maße. Denn das Gesetzbuch ist nicht so leicht zu verstehen, wie die bisherigen Particulargesetzbücher!" Besonders eingehend behandelt die ganze Materie Prof, vr. Otto Fischer in Breslau in seiner Schrift: „Der Rechtsunterricht und das Bürgerliche Gesetz buch". (Jena, Verlag von Gustav Fischer.) Fischer ist mit Strohal und Friedberg darüber einig, daß das Studium des römischen Rechtes und die Quellenexeaese nicht beseitigt werden dürfen. Aber das neue bürgerliche Recht muß in den Mittelpunkt des Studiums treten, damit nicht auch in Zukunft der junge Jurist von dem längst alles wissenschaftlichen Ballastes entledigten Amtsrichter mit den Worten begrüßt wird: „Zunächst vergessen Sie einmal schleunigst Alles, was sie auf der Universität gelernt haben!" „Die deutsche Praxis", sagt Fischer, „wird künftig in der Hauptsache dasselbe Privalrecht anwenden. Wie könnte die deutsche Theorie eS wagen, für den künftigen Praktiker ein anderes Recht in den Mittelpunkt zu stellen, als eben dieses lebende und durch Theorie und Praxis in gegenseitiger Be fruchtung weiter zu entwickelnde Recht? Etwas anderes ist nicht möglich, ohne nicht nur die Rechtspflege, sondern auch die Rechtswissenschaft und ihren gemeinsamen Gegenstand, das vaterländische Recht, auf das Schwerste zu schäbigen." Eine Scheidung von Romanisten und Germanisten wünscht auch Fischer nicht. Nur für die geschichtlicheForschung darf diese Scheidung noch bestehen. Was den Umfang der Vor lesungen anlangt, so befürwortet er Vertheilung auf zwei Semester und 18 Wochenstunden. Nach Fischer stellt sich der Studienplan in veränderter Form so: „In Wegfall kommen die Vorlesungen über Institutionen und Pandekten, deutsches Privatrecht und partikulares (preußisches, französisches, sächsisches) Privatrecht. Neu hinzu kommen die verlängerte Encyclopädie oder der Ueberblick des geltenden Privatrechts, die Grundlagen deS römischen Privatrechts, die Grundlagen des deutschen Privatrechts und als Haupt- und Schlußvorlesung: daS gesammte geltende Reichs- und Landesprivatrecht. Dagegen bleiben römische Rechtsgeschichte (auch römischer Civilproceß), deutsche RechtSgeschichte, Handels-, See- und Wechselrecht im Wesentlichen in ihrer bisherigen Gestalt bestehen. Auch die Vorlesungen über sämmtliche Zweige des öffentlichen Rechts und die Vorlesungen über Staatswissenschaften werden in ihrer äusseren Gestalt durch die Umwälzung nicht betroffen." Das Tnennium hält auch Fischer unter solcher veränderter Sachlage zur Ausbildung des Juristen nicht mehr für aus reichend. Dagegen befürwortet er eine Reform desExamens, wie sie in Sachsen bereits durchgeführt ist: Abschaffung der großen „wissenschaftlichen" Arbeit und Einführung kurzer, in bestimmter Frist, bez. unter Clausur zu fertigender Aufgaben. Zum Schluß seiner Ausführungen macht Fischer noch den Vorschlag zur Einführung eines „Zwischenexamens", wie es z. B. bei den Medicinern das „Physikum" ist. Schon im Jahre 1878 hat der verstorbene OberlandeSgerichtSpräsident Kühne auf dem Juristentage in Jena diese Zwischenprüfung in Vorschlag gebracht. In Oesterreich besteht schon lange die sogenannte historische Zwischenprüfung. Desgleichen in Ungarn eine solche, mit welcher noch die Prüfung in der Nationalökonomie verbunden ist. Fischer befürwortet eine Zwischenprüfung, welche sich auf römisches Recht, deutsches Recht und ihre Geschichte, sowie die ebenfalls mit reicher geschichtlicher Entwickelung ausgestattete DiSciplin des KirchenrechtS erstreckt. „Aber auch Strafrecht oder Staat-recht könnten, wenn darauf von den Vertretern dieser Fächer Gewicht gelegt werden sollte, entweder schlecht hin oder wahlweise statt des KirchenrechtS vor die Zwischen prüfung gestellt werben. Nicht minder wird eS bei der bis herigen Gepflogenheit verbleiben müssen, da« Studium der Volkswirthschaft schon in diesen ersten Semestern zu betreiben." Au« allen Kundgebungen, welche wir hier erwähnten, geht, wenn sie auch im Einzelnen von einander gelegentlich abweichen mögen, die erfreuliche Thatsache hervor, daß Die jenigen im Jrrtbum sind, welch« prophezeiht haben, daß auch nach dem Inkrafttreten de« neuen Bürgerlichen Gesetzbuches die akademischen Lehrer starr an der Lehre deS römischen Rechte« festhalten und diese weiter im Mittelpunkt« de« juristischen Studium« stehen lassen würden Wir haben diese Befürchtung nicht getheilt, denn zu mächtig ist in unserem Professorenthum der vaterländische Geist, die echt deutsche Gesinnung! Deutsches Reich. Berlin, 6. Mai. Die vom Reichskanzler unter dem 22. April erlassene (kürzlich von uns wiedergegebene. Red.) Verfügung, betreffend die Ausübung der Gerichts barkeit und der Disciplin a r gewalt aegen- über den Eingeborenen in den deutschen Schutz gebieten von Ostasrika, Kamerun und Togo, stellt sich als ein bedeutsamer Sckritt in der Richtung der vom Reichstag beschlossenen Resolution dar, welche die Hintan haltung einer Wiederholung der skandalösen Vorgänge forderte, die das Ansehen unserer Colonialpolitik in Gefahr brachten. Die Verfügung schließt sich an die allerhöchste Verordnung vom 25. Februar d. I. an, welche im Allgemeinen Verdachts strafen und die Anwendung anderer als der gesetzlich zulässigen Mittel zur Erforschung der Wahrheit in den Schutzgebieten untersagte, und ist die Ausführung der weiteren Bestimmung dieser Verordnung, welche die Regelung der Gerichtsbarkeit dem Reichskanzler überließ. Daß die Verfügung sich auf Deutsch-Ostafrika, Kamerun und Togo beschränkt, hat ohne Zweifel seinen Grund darin, daß die Bevölkerungsverhält nisse in diesen drei Colonien ziemlich gleichartig und daß bezüglich der übrigen Colonien bereits anderweitige Be stimmungen über die Gerichtsbarkeit in Geltung sind. Auch für Deutsch-Ostafrika war bisher schon eine Regelung der Gerichtsbarkeit in Kraft, die im Wesentlichen als Grundlage für die jetzige Verfügung gedient hat und durch die letztere nur in gewissen Einzelheiten genauer gefaßt ist. Der Umstand, daß die körperliche Züchtigung (Prügelstrafe, Ruthenstrafe) als gerichtliches Strafmittel und Disciplinar- strafmittel in der Verfügung anerkannt wird, mag das Humanitätsgefühl gewisser Gegner unserer Colonialpolitik beleidigen; indessen wird man Wohl besser thun, sich statt an die theoretisirende Meinung der letzteren an das Urtheil der Kenner der wirklichen Verhältnisse in den Colonien zu halten, nach welchem die körperliche Züchtigung gegenüber den Ein geborenen nicht zu entbehren ist. Die Anwendung dieser Strafe ist überdies mit derartigen Cautelen umgeben, daß ein Mißbrauch, wenn nicht unmöglich gemacht, so doch sehr erschwert ist. Freilich bleibt die Gerichtsbarkeit, wie die Disciplinarbefugniß unserer Colonialbeamten, nach wie vor eine arbiträre, namentlich mit Bezug auf die Verhängung der Strafe der körperlichen Züchtigung, die dem Reichsstrafgesetzbuch fremd ist. Auf keinen Fall wird durch die Verfügung die festumgrenzte Regelung des Gerichts verfahrens in den Colonien überflüssig gemacht; diese ist allein geeignet, einem Mißbrauch der Amtsgewalt der Be amten durch die Ermöglichung eines Strafverfahrens vor den heimischen Gerichten wirksam entgegenzuarbeiten. Die bis herigen Schritte sind nur ein Nothbehelf, der keineswegs für alle Fälle ausreicht. Trotz der zu überwindenden Schwierig keiten darf man wohl an der Erwartung festhalten, daß es der Colonialverwaltung gelingen wird, eine völlige und ein wandfreie Regelung der Angelegenheit baldigst in die Wege zu leiten. * Berlin, 6. Mai. Der „Pfälzische Courier" sagt in einer an die bekannten Artikel der „Kölnischen Zeitung" an knüpfenden Betrachtung: „Die „Politik der Flügeladjutanten" steht in ihrer öffentilchen Bewerthung nicht höher als eine Politik der Hof damen." Die „Berl. N. N." entgegnen hieraus: „Wir vermögen diesem Urtheil nicht beizutreten und glaube», daß „die Politik der Flügeladjutanten" noch nicht die schlimmste ist. Die Flügeladjutanten sind doch in der Regel ältere, patriotisch gesinnte, pflichttreue Officiere, die durch ihre militairische Erziehung und durch ihre mit vielen Verantwortlichkeiten verknüpfte Stellung bei der Person des Monarchen ein ge wisses Augenmerk für öffentliche Dinge erhalten, auch bleibt jede Einflußnahme ihrerseits doch immer den Schranken unterworfen, die ihnen das militairisch dienstliche Ver- hältniß zu ihrem Kriegsherrn auferlegt. Eine „Politik der Hofdamen" dürfte in ihren Wirkungen ungleich bedenklicher werden, da hiermit eine ganze Reihe von Familieninteressen verknüpft zu sein pflegt, die dabei auf Staatskosten zur Geltung kommen wollen. Auf alle Fälle aber ist die „Politik der Flügeladjutanten" bei Weitem nicht so schlimm wie der Einfluß anderer privater Rathgeber, denen jedes Gefühl der Verantwortlichkeit und jede pstichtmäßige Auffassung ihrer Rathschläge völlig abgeht, Privatleute, strebsame Beamte, die sich über die Köpfe ihrer Vorgesetzten hinweg an die Krone drängen, und dergleichen mehr. Der Flügeladjutanteneinstuß wird für die verant wortlichen Träger der Regierung immer im Wesentlichen bekannt nnd übersehbar sein, völlig unübersehbar und daher auch in ihren Wirkungen nicht abzuschätzen und zu verhindern sind dagegen die Einflüsse jener privaten Rath geber, die sich durch Beziehungen verschiedenster Art Eingang zu verschaffen wissen und eine für die amtliche Politik völlig uncontrolirbare Wirkung auszuüben vermögen. Nach allen Erfahrungen ist diese Privatpolitik unverantwortlicher Rath geber die bei Weitem schlimmste und bedenklichste." Berlin, 6. Mai. (Telegramm.) Der Kaiser traf gestern Abend um 11 Uhr 5 Min. von Hohenstnow in Berlin wieder ein und übernachtete im hiesigen Schlosse. Heute früh hörte er den Vortrag deS Wirklichen Geheimen RatbS vr. von LucanuS, empfing kurz vor 8 Uhr den Ober präsidenten von Posen, Freiherr« von Wilamowitz- Möllendorff, und fuhr darauf zur Besichtigung des Königin- Augusta- und deS Königin Elisabeth - Garde - Grenadier- ReaimentS nach Haselhorst bei Spandau. Das Frühstück nahm er im Kreise deS OfficiercorpS de« Königin- Auausta - Garde - Grenadier - Regiments Nr. 4 ein. Gegen 3 Uhr Nachmittag kehrte er nach Berlin zurück, um von 4 Uhr ab der Generalprobe der Oper „Fra FranceSco" im Overnhause beizuwohnen. Nach derselben erfolgte die Rückkehr nach dem neuen Palai«. Die Kaiserin hat sich gestern Abend nach Ploen begeben, wo beute der Geburts tag des Kronprinzen gefeiert wird. Die Kaiserin wird heute Abend gegen 8 Uhr Ploen wieder verlassen. In Berlin hatten aus Anlaß des Geburtstages die öffentlichen Gebäude Flaggenschmuck angelegt. -L Berlin, 6. Mai. (Telegramm.) Wie die „Nordd. Allgem. Ztg." mittbeilt, hat der Kaiser am 3. d. Mts. dem Schah Mnsnsfer eö-din telegrapbisch sein Beileid wegen der Ermordung des Schahs Nassr ed-din und die besten Wünsche für die neue Negierung ausgedrückt. Der Schah hat tele graphisch erwidert und seinen lebhaften Dank ausgesprochen. L. Berlin, 6. Mai. (Privattclegramm.) Nachdem die Meldung, Herr von Berlepsch habe sein Ent - lassungsgesuch eingereicht, dementirt worden ist, wird nunmehr eine neue Lesart verbreitet. Hiernach ist das Gesuch eingereicht worden, aber nur bis zum Reichskanzler gelangt, der sofort eine Sitzung deS Staatsministeriums einberief, die am Sonntag Nach mittag von 2 — 6 Uhr stattfand und in der Freiherr von Berlepsch veranlaßt wurde, sein Gesuch zurückzunehmcn, um die Einhelligkeit des Gesammtministeriums, besonders bei den jetzigen Krisengerüchten, nach außen hin nicht zu ge fährden. Auch in dieser Form wird der „Nat.-Ztg." die Meldung von dem Temissionsgesuch des Herrn v. Berlepsch von zuverlässiger Seile als unbegründet bezeichnet. L. Berlin, 6. Mai. (Privattelegramm.) Staats- secretair vr. von Stephan ist vom Urlaub zurückgekehrt und hat die Geschäfte wieder übernommen. 6. H. Berlin, 6. Mai. (Privattelegramm.) Tie Vorlage wegen Umformung der vierten Bataillone wird nach der „Nationalzeitung" dem Reichstage im Laufe dieser Woche noch zugehen; morgen wird das Plenum des Bundes raths darüber Beschluß fassen, worauf umgehend dem Reichs tag die Vorlage zugestellt werden dürfte, so daß noch vor Pfingsten die Entscheidung darüber erfolgen kann. (Wieder!'.) Berlin, 6. Mai. (Privattelegramm.) Tie (Gedenkfeier Ser dcntschcn freiwilligen Krieaskrankenpsiege findet am Freitag, Vormittag 10 Uhr auf Allerhöchsten Befehl nicht in der Singakademie, sondern im Weißen Saal des königlichen Schlosses statt. ü) Berlin, 6. Mai. (Privat telegramm.) Auf dem (Sewerkfchafts-Eongretz wurde das Projekt eines Streik- Reservefonds berathen. — Abg. von Elm plaidirte da für, nichtorganisirte Arbeiter nicht mehr zu unterstützen und die Arbeiterflchaft nicht beständig zu schröpfen. Eine Anzahl Delcgirter hat sich bereits gegen das Projekt ausgesprochen, da die Gewerkschaften höhere Beiträge nicht aufbringen können und nach der Gründung des Streikfonds die Streik lust zunehmen würde. (Wiederholt.) L. Berlin, 6. Mai. (Privattelegram m.) Nach der „Berl. Börs.-Ztg." verlautet, daß die Vorstände des Preussi schen Lehrcrvereins dieser Tage zu einer außerordentlichen Berathung zusammentreten werden» um für den Cultus- minister vr. Bosse eine Dankbarkeits-Kundgebung in die Wege zu leiten. 88.Berlin, 6. Mai. (Privattelegramm.) In der Commission des Abgeordnetenhauses zur Berathung des An trages Wallbrecht, betr. die Einführung von Ortsstatuten zur Sicherstellung der Forderungen für Lieferungen und Arbeiten bei Bauten, wurden gestern Abend, nachdem in voriger Sitzung die Einführung von Bauschöffenämtern beschlossen worden war, die einzelnen Vorschläge des An trages genehmigt, doch wurden Amendements angenommen, welche die Einführung obligatorischer Sicke r- stellung bezwecken, wenn das Bauschöffenamt Bedenken gegen die Zuverlässigkeit des Unternehmers hat, und zu diesem Zwecke eine Cautions-Hypothek gewähren. Die Com mission beschloß, eine zweite Lesung vorzunebmen und die Berathungen so zu beschleunigen, baß die Erledigung des Antrags Wallbrecht noch in der gegenwärtigen Session des Landtags erfolgen kann. 88 Berlin, 6. Mai. (Privatt elegram m.) Die Landcskunftcommission tritt morgen Vormittag 10 Ubr im Cultusminifterium unter dem Vorsitz des Wirkt. Geh. Raths v. Keudell zusammen. Die Commission setzt ihre Be rathungen Freitag in der National-Galerie und Sonnabend in der Kunstausstellung fort. — An Gerichtsalsessoren waren nach einer amtlichen M: theilung Les Justizministeriums in Preußen am 1. Januar 1895 1749 vorhanden. Im Laufe des Jahres 1895 betrug der Abgang 502, der Zugang 500, so daß Bestand am 1. Januar 1896 blieb 1747. Ter Abgang setzte sich folgendermaßen zusammen: 234 dur.b erste ctatsmüßige Anstellung, 179 durch Zulassung zur Rechtsanwalt schaft, 70 durch Uebertritt in andere Dienstzweige, 19 aus sonstigen Gründen au-geschieden. Von den 1747 am 1. Januar 1896 vor- handenen Gerichtsassessoren waren beschäftigt gegen Diäten bei Justizbehörden 786, als Vertreter von Rechtsanwälten 16, beurlaubt 217, also zusammen beurlaubt oder gegen Entgelt beschäftigt 1019 oder 58,33 Procent; unentgeltlich bei Justizbehörden waren be schäftigt 728 oder 41,67 Procent. Die Wartezeit von dem Be- stehen der großen Staatsprüfung bis zur ersten Anstellung in einem Richteramt betrug in den letzten Jahren durchschnittlich in Preußen 5 Jahre 5 Monate, in Württemberg 5 Jabr», in Bayern, Sachsen, Hessen, Braunschweig 3—4 Jahre, in Lachien-Wcimar, Elsaß- Lothringen 3 Jahre, in Baden 8—4 Jahr», in Mecklenburg 1'/,—2 Jahre, in Hamburg 1—2 Jahre. — Dir Zahl der Gerichts referendare betrug am 1. Juli 1895 3306. Die Zahl der bei der juristischen Facultät der preußischen Universitäten immatriculirten preußischen Staatsangehörigen betrug 3126. Einschließlich der außer preußischen deutschen Universitäten ist anzunehmen, daß 4050 Preußen 1895 die Rechte studirt haben. — Bei der gestrigen Stadtverordneten - Ersatzwahl im 39. Gemeindewahlbezirk IQ. Abtheilung wurde der freisinnige Eandidat, Tirecwr 0r. Serstenberg, mit 648 Stimmen gewählt gegen den Eandidat,n der Antisemiten, Redacteur vr. Bachler, der 863 Stimmen erhielt. Die Socialdemokraten hatten sich der Wahl enthalten. * Tilsit, 5. Mai. Die hier zwei Mal wöchentlich erschei nende „Nauja lietuwiszka Leitung»" (Neue lithauische Zeitvna) schreibt, nachdem jetzt die lithauische Abordnung aus Berlin rnrückgekehrt ist: Au« der Unterredung mit einem Mitglieke der Berliner Abordnung haben wir Dinge erfahren, welche sehr wichtig sind, zur Zeit aber noch nicht veröffent- licht werken können. Biele Anzeichen weisen darauf hin,
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