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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.05.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-05-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960509026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896050902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896050902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-05
- Tag1896-05-09
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Da die Gerüchte über eine zur schleunigsten Entscheidung drängende Krisis als unbegründet sich berausgestellt haben, ein gewisses Publicum aber einerseits einen Popanz, vor dem es sich grault , und andererseits einen Menschen haben muß, vor dessen tiefem, alle Geheimnisse durchdringendem Blicke es in ehrfürchtiger Bewunderung erschauert, so giebt sich ein publicistischer Jemand iu Berlin den Anschein, als habe er mit Hilfe seiner Verbindungen herausgefunden, daß allerdings eine Krisis noch nicht oder nicht mehr besteht, aber am Ende der parlamentarischen Campagne sicher kommt. Fürst Hohenlohe, so erzählt der Wackere, hegt de» sehnlichen Wunsch, sich wegen seines hohen Alters ins Privatleben zurückzuziehen und den Rest seiner Tage in Ruhe — procul uoxotüs — zu genießen; er Hal den Kaiser hierüber nicht im Uutlaren gelassen, und dem Vernehmen nach Hal der Kaiser in voller Würdigung der Motive des Fürsten Hohenlohe diesem nur das Versprechen abgenommcn, noch bis zum Schluß der par lamentarischen Campagne auszuharren. Dieses Opfer wird der Reichskanzler auch bringen. Sind Reichstag und Landtag geschlossen, so steht einem Erholungsurlaub des höchsten Beamten im Reich und in Preußen nichts mehr im Wege, und später „wird sich schon Alles finden", u. A. auch die ferneren Ministerschicksale des Freiherrn v. Berlepsch. Möglich, daß seine Tage gezählt sind, möglich auch, daß sein Stern von Neuem aufgehen wird. Einstweilen heißt es: „Gesucht ein Reichskanzler und preußischer Minister präsident mit einem Programm." Wenn diese „Enthüllung" ihren Doppelzweck, den Leser in Schrecken vor der Zukunft und Bewunderung vor dem so tief in die geheimsten Geheimnisse unserer inneren Lage Eingeweihten zu versetzen, nicht erfüllt, so hat ihn noch nie eine erfüllt! Nicht nur ein Reichs kanzler und preußischer Ministerpräsident wird gesucht, sondern auch ein Programm! Bisher hieß es immer, das Pro gramm habe der Kaiser, der sein eigener Kanzler und Ministerpräsident sein Wolle, bas Programm selbst entwerfe und nur die Personen suche, die gewillt und im Stande seien, es auszuführen, und nun erfährt die erschütterte Welt, daß cs sogar an einem Programm fehlt, das sammt dem Träger gesucht werde! Schauvervoll, höchst schaudervoll! llnd dann hieß es weiter, das Programm des Fürsten Hohenlohe decke sich nicht mehr ganz mit dem des Kaisers, der infolge Les Einflusses unverantwortlicher Rathgeber nicht mehr völlig mit dem Fürsten Hohenlohe harmonire. Alles nicht wahr! Programme können gar nicht in Collision gerathen, weil gar leins existirt. Ferner nahm man an, Fürst Hohen lohe, der seit dem Falle der Grasen Caprivi und Eulenburg nicht wesentlich älter geworden ist, habe trotz seines Alters die Führung der Geschäfte im Reiche und in Preußen übernommen, um den von seinen Amtsvorgängern verfahrenen Karren wieder in die rechte Bahn zu bringen, und werde nicht vom Platze weichen, als bis sein Auftrag erfüllt sei, — aber auch das war Unsinn. Der Fürst will das haben, was für die gewöhnlichen Sterblichen erste Bürgerpflicht ist, — Ruhe, und deshalb geht er und überläßt es dem Kaiser, nicht nur einen Nachfolger, sondern auch ein Programm zu suchen. Es fehlt nur noch die Mittheilung, daß nächstens eine Prvgramm-Concurrenz ausgeschrieben, ein Preis für das beste ausgesetzt und ein Preisrichter-Collegium eingesetzt werden solle, um die neueste Enthüllung in ihrer ganzen Glorie erscheinen zu lassen. Wir rathen aber den vielen Programmkünstlern, die etwa nach einem Preise lüstern sind, nicht zu sicher auf die Ausschreibung einer Concurrenz zu warten. Einige Männer, die doch vielleicht den Kaiser und die politische Situation noch besser zu beurtbeilen wissen, als der neueste Entbüller, versichern mit der größten Bestimmtheit, Kaiser Wilhelm II. sei wirklich nicht in Sorge und Verlegenheit um ein Programm, bei dem Fürsten Hohenlohe babe wirklich das natürliche Ruhebedürfniß noch nicht über die Schaffenslust gesiegt, über seine hier und da nicht völlig mit der des Kaisers übereinstimmenden An sichten babe dieser wirklich noch keine Entscheidung getroffen und wenn diese Entscheidung zu Ungunsten des Fürsten aus fallen sollte, so werde nicht ein neuerMann mit einem Pro gram ni, sondern ein Mann gesucht werden, der dem kaiserlichen Programm entspricht. Bei vem Festmahle, das am Mittwoch die EentrumS- fractionen des Reichstag- und des preußischen Abgeordnetenhauses zur Feier ihrer vor fünfundzwanzig Jahren erfolgten Gründung veranstaltet hatten, bat bekannt lich einer der Führer der Partei, Herr Or. Lieber, mit dankender Anerkennung der Welsen und der Polen gedacht, „der treuen Genossen, die unsere parlamentarischen Nöthen, Leiden und Freuden ehrlich getheilt haben". Es wäre in der Tbat höchst undankbar vom Centrum gewesen, wenn eS bei dem Rückblick aus seine fünfundzwanzigjährige Geschichte nicht dankbar jener Parteien gedacht hätte, die ihm getreulich — die Welfen sogar trotz ihre- protestantischen Charakters — geholfen haben, Preußen und mit ibm das Reich zu Capitu- lationen vor dem Uliramontanismus zu zwingen. Aber bas Centrum verdankt beiten Anhängseln noch mehr und Kostbareres, als die klrchenpolitischen Si.ge: eS verdankt ihnen auch die richtige Kennzeichnung seiner ganzen Politik al« einer antipreußischen und antideutschen So oft auch die Centrumsfraction LeS preußischen Abgeordnetenhauses, um bei der Negierung und Conservativen sich einzuschmeicheln, bie preußisch-conservative Maske vornabm: sie fiel, wenn die Welfen für ihre Unterstützung der kirchenpolitischen Be strebungen des Centrllms eine Unterstützung ihrer antipreußischen Forderungen verlangten. Und so sehr im Reichstage die Gefolgschaft Windthorst's und seiner Nachfolger mit dem Mantel des DenlschtbumS sich zu umhüllen suchte: der Mantel siel, so oft bei Reichstagswahlen oder im Hause die Polen Unterstützung ihrer deutschseinblichen Bestrebungen vom Centrum forderten. Das bat diesem einen unverwisch baren Stempel aufgedrückt. Es half nichts, daß es die Welsen in das Licht des christlichen ConservatismuS zu rücken suchte und in den Polen nur die „katholischen Brüder" zu lieben bebauptete. Troy all Lieser Versckmin- kungen blieb ibm der antipreußische und der antideutsche Zug in das Gesicht geschrieben. Und riese Züge sind der Hauptgrund, aus dem die verschiedenen Regierungen — so gern auch einige von ihnen sich völlig auf das Centrum ge- gestützt und ihm zum Danke dafür die weitestgehenden kirchen politischen Concessionen gemacht hätten — sich bisher nie zu einer engeren und dauernden Verbindung mit den; Centrum entschließen konnten und die Conservativen immer und immer wieder eine Schranke zwischen sich und der „Partei sür Wahr heit, Freiheit und Recht" aufzurichten sich gezwungen sahen. Für diesen Kennzeichnungs-und Wahrheitsbienst hat nun freilich Herr Or. Lieber den beiden befreundeten Gruppen am Mittwoch nicht gedankt. Aber es war auch nicht nöthig. Welfen und Polen wissen ganz genau, waS sie dem Centrum sind. Uno wäre es möglich, daß die Centrumsfractionen in Preußen und im Reiche sich jemals zu vaterländischen Fraktionen entwickeln könnten, so wären Welsen und Polen die Ersten, die Herrn Or. Lieber und seinen Getreuen den Scheidebries schrieben. Wenn dir gestrige Verhandlung im englischen Unter haus über bie Transvaal-Angelegenheit uno da- Ver brechen des ehemaligen Premierminister- der Capcolonie und Leiters, sowie ersten Activnairs der CbarteredCompanyCecil RhodeS nach Andeutungen Londoner Blätter hier und damit Spannung erwartet worden ist, so bat der Verlauf derselben alle Erwartungen enttäuscht. Die Sitzung ist, wenn wir den umfang reichen, uns vorliegenden Bericht kurz zusammeufasseu, genau so verlaufen, wie man eS auf Grund der Kenniniß englischen CbarakterS und englischer Gepflogenheiten voran-« berechnen konnte. Die liberale Opposition bat, eben als Opposition, durch ikren Wortführer, den Scbatzsecretair im Cabinet Gladstone-Rosebery, den schneidigen Parlamentsrrdner Harcourt, der Negierung ohne Schminke die nackle Wahrheit gesagt, indem sie erklären ließ, daß sie nicht Jameson, son dern Cecil NbodeS und dessen Geschäftsfreunde für die Ur heber der Transvaal-Invasion ansehe, daß sie in der Politik der Cbartered Company eine niedrige und empörende „Jobbrr- Reichspolitik" erblicke, welche da« Mißtrauen in die eng lische Ehrlichkeit schwer erschüttert und den Ruf LeS britischen Namens vor aller Welt bloßgestellt babe, daß sie an die Un zufriedenheit der UiiländerS in dem behaupteten Maße nicht glaube und wenn auch nicht die Beseitigung ter Cbartered Company, so doch die Ersetzung des Präsidiums durch ehrliche Männer erwarte, wenn anders eine friedliche Einigung mit Transvaal erzielt und nicht erwartet werden solle, daß Krüger in vernünftiger Wahrung ter Interessen seines Landes anderswo Hilfe suche. Genau so würde natürlich Chain berlain gesprochen haben, wenn die conservative Partei sich am Ruder befunden hätte. Der Staalssecretcur für die Colonien hielt es daher auch für höchst überflüssig, sich in eine Polemik gegen Harcourt einzulassen und sich über die Wahrheiten aufzuregen, welche dieser ihm ins Gesicht schleuderte. Chamberlains Erklärungen entsprechen genau der Stellung, welche die englische Regierung bis jetzt zu den Bestrebungen Cecil Rbode'S, ganz Südafrika zu einer eng lischen Provinz zu machen, consequent eingenommen hat. Um der Form und der diplomatischen Correctbeit zu genügen, ließ er sich zu dem Anerkenntniß herbei, daß alle Welt Cecil Nhode's „jüngsteAction" verurtheile nnd daß dieser „Unheil" (sür England nämlich) angestiftet habe. Im klebrigen aber warChamberlain's Rede eine Verherrlichung der Grvßthaten des „südafrikanischen Napoleon", den er als einen der „ersten Vermehrer britischen Besitze«" und speciell als den „größten Wohltbäter der Cap colonie" pries, der auch in Zukunft nirgends ander- besser am Platze sei, als in Südafrika. Wer also geglaubt bat, die englische Regierung werde Cecil Rhodes fallen lassen, sieht sich jetzt gewaltig enttäuscht. Allerdings soll Vorsorge ge troffen werden, daß in Zukunft „obne Zustimmung der Ofsiciere des Reichsheeres" die Grenze Transvaals von einer bewaffneten Truppe nicht mehr überschritten werden kann, allein eine solche Zusicherung ist der reine Hobn für die Leiter der südafrikanischen Republik, wenn Cecil Rhodes in Südafrika bleibt, wenn er — Beide« hält Cham berlain für möglich — der Cbartered Company als Director oder bloßer Actionair weiter angehört, und wenn er zugleich als Oberst des 700 Mann starken Reichstrupven- contingentS in Mafeking fungirt, anstatt als gefährlicher Verschwörer vor den berufenen Richter gestellt und obne Gnade abgeurtheilt zu werden! Was kann eS unter solchen Um ständen heißen, wenn Chamberlain als Ziel der weiteren englischen Politik in Afrika die Herstellung eine- freundschaft lichen Berbältnifses zu den Boeren bezeichnet? Ein solches ist nach Chamberlain'- eigener Erklärung nur möglich, wenn die britischen Untertbanen in Transvaal „billig und gleich" behandelt werden, d. h., wen« ihnen daS volle Bürger recht gewährt wird, ohne daß sie aus dem englischen Unler- Ihanenverbande ausscheiben. Chamberlain weiß so gut wie Jedermann, daß darauf die Transvaalregierung nie eingeben kann und dazu auf dem Wege friedlicher Verhandlungen nie gebracht werden wird. Deshalb kann der „Actionsplan für die Zukunft", den Chamberlain mit Robinson in London verab reden will, nichts Andere« bedeuten, als den weiteren, natürlich vergeblichen Versuch, mit freundschaftlichen Vorstellungen und Rathscblägen — das Recht dazu maßt man sich nach wie vor an — zum Ziele zu gelangen, um dann zu einem „Druck auf die öffentliche Meinung in Südafrika" uberzugehen und mit einem „Ultimatum an Transvaal" und dessen be waffneter Occupatio« zu schließen. Diesen letzten Schritt würde Chamberlain schon jetzt gethan haben, wenn er nicht einen „lang andauernden, kostspieligen Krieg", dem England nicht gewachsen war, befürchtet halte. Transvaal, resp. dem Bunde ter beiden Echwefterrepubliken gewachsen zu sein für diesen Kampf, ist jetzt das einzige Streben Eng lands am Cap, und dies zu Ende zu führen, ist nur Cecil RhodeS der Mann, der gewiß Nackten wird, „wieder gut zu machen", was er in der letzten Zeit verkehrt gemacht hat. „Die Politik der Zukunft, sagte Chamberlain, er fordert Geduld, wir brauchen Zeit zum At hem holen." Die Jameson-Proceßcomövie wird in dem „parlamen tarischen Ausschuß", der über Rhodes befinden soll, in ab geschwächter Form wieder aufleben — dies Feigenblatt ist man der Oeffentlickkeit doch schuldig —, der „Angeklagte" RbodeS wird glänzend gerechtfertigt aus den Verhandlungen der Commission bervorgehen, und so wird in Südafrika Alles in den Gleisen weiter gehen, die Rbodes gelegt hat und die ins Herz der südafrikanischen Republik führen. Cbamberlain vergißt nur Eins: daß die Boeren sehr gute Schützen sind und daß auch noch andere Leute ein Interesse an der Er haltung des «latus guo in Südafrika haben. Wenn wir es al- ausgemacht bezeichneten, daß die italienische Regierung in Afrika, selbst nach dem glück lichen und vollständigen Entsatz Adiarats, die wider Er warten neu gewonnenen Vortheile nicht ausnutzen, sondern bei ihrem nach dem Schlag von Adua aufgestellten Pro gramm bleiben werde, so hat diese Auffassung ihre volle Bestätigung in der gestrigen Afrikadebatte der italienischen Deputirtenkammer gefunden, über die wir kurz be richteten. Auf das Bestimmteste hat der Kriegsminister erklärt: das Ministerium beabsichtigt zwar nicht, Erytbräa aufzugeben, weder jetzt noch in Zukunft, aber die Grenzbesetzung soll nur bis zu der Linie Mareb-Belesa reichen (also mit Ausschluß des eigentlichen Tigre) und sollte in Folge eines Angriffs die Ueberschreitung dieser Linie sick nöthig machen, so sollen die Truppen doch stets wieder über dieselbe zurückgezogen werden. Die Grenze Adigrat- Adua, welche noch einigermaßen annehmbar gewesen wäre, erklärte der Kriegsminister befremdlicher Weise für weniger stark und perhorreScirte auf daS Un- zweidentigile einen Vernichtungskrieg gegen Menelik, sowie eine allmählige Wiedereroberung Abessiniens, da jene zwei Jahre, 150 000 Mann und eine Milliarde, diese fünf Jahre und N/, Milliarden erfordern würde. Auch auf die Feuilleton. Oie Tochter des Millionärs. 8s Roman aus dem Englischen von L. Birnfeld. (Nachdruck verboten.) Als in dieser Weise vier Jahre vergangen waren, ereignete sich ganz etwas UeberraschendeS. Ein Bruder ihres ver storbenen Vaters, der in seiner Jugend nach Australien ge gangen war, und den Jane nie gesehen batte, war plötzlich in Melbourne gestorben und hatte ihr bedingungslos sein ganzes bedeutendes Vermögen hinterlassen. So fand sich Jane Harnaß mit .15 Jahren im Besitz großer Reickthümer und war mit einem Male eine Person von Wichtigkeit geworden. Ihre Freunde und Verwandten wurden plötzlich gewahr, daß sie Jane zärtlich liebten, der Bekanntschaftskreis der reichen Erbin verdoppelte und verdreifachte sich, man machte ihr den Hof, wohin sie auch kam. Mrs. Larcombe wqr nur zu entzückt gewesen, Jane Harnaß zu längerem Aufenthalt in ihrem Hause empfangen zu können. „Zwei Erbinnen zu gleicher Zeit!" sagte sie frohlockend zu ibrcm Gatten; „denke nur, welche Aussichten für unsere jungen Herren! Ich wünschte, die gute alte Jane würde Viktor Greville heirathen, dem Aermsten wäre ein wenig Reichtbum zu gönnen. Jedenfalls werde ich mir alle Mühe geben, um die Sache ein wenig zu fördern!" „Aber um Himmels willen, sie muß ja fast zehn Jabre älter sein als er", lachte Colonel Larcombe. „Warum willst Du den armen jungen Mann verurtheilen, eine Frau zu nehmen, die beinahe seine Mutter sein könnte! Ja, wenn er sich in die reizende kleine Freyndin seiner Schwester ver lieben würde, daS ließe ich mir eher gefallen!" „Das ist schon richtig", stimmte MrS. Larcombe bei, „aber mir ist zu Obren gekommen» daß sich Sanfoine um die kleine Hopley bewerben soll. Du mußt mir zugestehen, daß ein armer Graf mehr Chancen hat als «in armep Baron." . Der Colonel, der die Vorliebe seiner Frau, Heirathen zu vermitteln, kannte, läckelte nachsichtig, al- er bemerkte: „Welches Gewicht Ihr Frauen doch auf da« Geld legt!" „DaS müssen wir auch, Karl! Denke nur, WaS au- all diesen romantischen, unpraktischen jungen Herren und Damen werden sollte, wenn wir älteren Frauen unS nicht ein wenig darum kümmern würden!" „Meine Liebe, ich wünsche von Herzen, daß Deine kleinen Pläne zu einem guten Ende führen mögen. Im klebrigen, wie siebt es denn mit meinem Liebling, Helene? Weißt Du keinen Majoratsherrn für sie?" „Für Helene babe ich Ralph Vyner inS Auge gefaßt. Er ist freilich kein MajoratSberr, aber ein Mann, der im Emporsteigen begriffen ist, und er verebrt Helene seit Jahren. Mutter Greville sagte mir im Vertrauen, daß sie beglückt wäre, wenn Helene seinen Wünschen geneigter sein würde." „Ist ihm Helene denn nicht geneigt?" „Ack, die arme Helene! Man kann sie eigentlich gar nicht verstehen. Sie hat Wohl einmal eine unglückliche Neigung zu Jemand gehabt; — ich weiß allerdings nichts Nähere«. Wie dem auch sein möge, ick hoffe, daß der tägliche Verkehr die jungen Leute näher bringen wird." Die gute Dame sagte dies Alles mit einem Ernste, der ihren Gemahl zu einem herzlichen Gelächter veranlaßte. Die Gesellschaft auf der Terrasse war an diesem Morgen in sehr froher Stimmung. Miß Jane Harnaß spielte mit ihrem kleinen Hündchen, MrS. Larcombe befestigte einen Zweig weißer Blürheu in dem Knopfloch de« Grafen Sanfoine, selbst Helene sah froh und zufrieden au-, al- sie den Worten de« neben ihr siebenden Ralph Vyner lauschte, und Viktor Greville meinte, daß er bis jetzt noch nickt gewußt habe, wie bezaubernd Beatrix Hopley sein könne. Zwei Tage de« ungebundensten Verkehrs in einem schottischen Landbause hatten den Eindruck nicht abgeschwächt, welchen Beatrix beim ersten Zusammensein auf ihn gemacht hatte. Die junge Dame im elegantesten Gesellschaftskleide war de- AnsebenS nicht weniger werth, als daS hübscke barfüßige Bauernmädchen in Mutter Cleo'S Hütte. Daß Beatrix eine Erbin sei, hatte Viktor bisher noch nicht erfahren. Er traf sie in einem Kreise von Bekannte« und Freunden, in welchem Beatrix mehr al-die Schulfreundin Helene'S, denn al- die einzige Tochter von „Sapavo" be trachtet wurde, und Niemand hatte bi-her zu Victor etwas von ihrem Reichtbum erwähnt. Wohl dachte Helene darqn, daß diese Tbatsacbe ihrem Bruder nickt bekannt sei, dock hütete sie sich wohl, irgend etwa- zu bemerken, waS darauf hinteuten könnte. Helene hatte mit Erstaunen gesehen, daß Victor — ohne Zweifel trug da« kleine Abenseuer, welche« sein erstes Zu- sammentreffen mit Beatrix begleitet hatte, die Schuld bqran — sich außerordentlich für ihre kleine Freundin interesstrte, und obgleich sie zu edeldenkend war, um zu wünschen, Victor möge em reiches Mädchen heirathen, war sie doch angenehm berührt von seiner Zuneigung für Beatrix. Wenn nur Beatrix seine Liebe erwidern und Philipp Seudamore ver gessen wollte; Helene würde dann von all' den Sorgen be freit sein, die sie um ihre Freundin hatte, und Beatrix wäre auf die einfachste Weise von der Welt aus Len Händen dieses schiechten Menschen gerettet worden. Doch einen so einfachen Verlaus, wie Helene wünsckte, sollten die Tinge nicht nehmen. Beatrix' Herz war wahr und treu, und nichts als ein offenkundiger Beweis von der Unwürdigkeit des Mannes, den sie liebte, bälte sie veran lassen können, ihn auS ihrem Herzen zu verbannen. Als Helene an diesem Morgen das frohe Lachen ihrer Freundin hörte und bemerkte, wie ihre Augen strahlten, als sie mit Victor plauderte, glqubte sie annehmen zu dürfen, daß Beatrix Philipp bereits vergessen und sich statt dessen Victor zugewandt hätte. Doch wie wenig kannte sie den Grund von Beatrix' Frohsinn! In Trixie's Tasche befand sich ein Brief, der ihr iu einer ganz eigenen Art und Weise zugegangen war. Ein kseiner Junge mit sonnenverbranntem Gesicht und in zerrissene»! Kittel war an diesem Morgen in aller Frühe von Ardatb Dale her durch da- Gebirge gekommen und batte Caroline «in Briefchen übergeben, welches diese ihrer jungen Herrin mit dem Morgenthee in ihr Zimmer gebracht batte. „Der Bote wartet auf Antwort, Miß Hopley", sagte Caroline, da- Tbeegeschirr auf ein kleines Tischchen neben Beatrix' Bett stellend und da- Briefchen auf die Kissen legend. „Mein Himmel", rief Beatrix, sich im Bett aufrichtend, „wer kann mir denn hier jm Gebirge und zwar zu dieser Zeit Briefe senden und Antworten verlangen!" Als ihre Blicke auf die Handschrift fielen, übergoß ein rosiger Hauck ihr Antlitz und sie ,og sich mit ihrem kostbaren Sckatz hinter die Bettvorhänge zurück, damit derselbe vor Caroline'- neu gierigen Augen sicher wäre. „Meine Theure! Soeben traf ick in Ardath Vale ein und beeile mich. Ihnen davon Kenntniß zu geben, da ich Sie vor allen Dingen gern sehen und sprechen möchte. Wenn es Ihnen irgend möglich ist, sich frei zu machen, so möchte ich Sie bitten, mich um 11 Uhr zu erwart«n- Ich werde vop- geben, von der Reise zu ermüdet zu sein, uin so z«itig an der Jagdpaptie theilnehmen zu können Wenn Sie da- kleine Flüßchen, welche- in den See in Ihrem Thal mündet, eine gute Strecke aufwärts verfolgen, werden Sie nicht weit hinter der Stelle, wo oaS Wasser von den Bergen herniederstürzt, zu einer mächtigen Buche ge langen; dort will ick Sie erwarten; ich sehne mich darnach. Sie wiederzuseben. Bitte, senden Sw mir durch Ueberbringer einige Zeilen Antwort. Ihr ergebenster Philipp." Beatrix schrieb hastig einige zustimmende Zeilen und sandte Caroline mit denselben fort. Darauf drückte sie zärt- jich ihre Lippen auf den soeben erhaltenen Brief. Um ihret willen wollte er heute Morgen die Jagd aufgeben! Welche Entsagung! Dieser außerordentliche Beweis von Seelen größe, wie sie dieses kleine Opfer bezeicknete, machte sie so froh, daß sie in der Glückseligkeit ihres Herzens nickt umhin konnte, an Victor Greville, als sie mit demselben plauderet auf dex Terrasse stand, eine sehr eindringliche Frage zu richten: ,,Siyd Sie ein großer Freund der Hühnerjagd, Sir Victor?" „Ja, da« muß ick sogen! E» ist die herrlichste Jagd der Welt." „Gäbe eS wohl etwa» in der Welt, waS Sie veranlassen könnte, auf diese« Vergnügen ru verzichten? Nehmen wir z. D. an, Sie sxien Jemandem sehr zugethan — einer Dame; würden Sie eS nicht vorziehen, den Tag lieber in der Gesell schaft dieser Dame, als auf der Jagd zuzubringen?" „Ach, Miß Hopley, ick bin nicht in der Lage, vollständig zu begreifen, welchen Pflichten ein Mann, wie Sie ibn schildern, unterworfen ist, ich weiß nur, daß eS sehr zwingende Gründe sein müßten, die mich veranlassen könnten, meine Hühnerjagd aufzugehen." „DaS ist selbstsüchtig geurtheilt, Sir Victor!" sagte Beatrix scherzend. „Nichtsdestoweniger glaube ich, daß es Ausnahmen giebt, welche Ihre Theorie, daß ein Mann die Jagd mehr als irgend etwa» Andere« auf der Welt liebt, widerlegen." „O Miß Hopley, im Innersten ihre- Herzens denken sie Alle wie ich!" lachte Sir Victor. Beatrix schüttelte mißbilligend den Kopf und sagte sich im Geheimen, daß ihr Philipp doch eine Ausnahme von der Regel mache, und kein anderer Mann ihm gleichgestellt fp-rdnz rputzx. In diesem Augenblick erschienen die Leute mit Flinten und Jagdtaschen vor der Terrasse, mit fröhlichem Gebell von den Hunden gefolgt; di« 2äg«r vrrabschiedrtra sich pon d«n
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