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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.05.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-05-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189605147
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18960514
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18960514
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-05
- Tag1896-05-14
- Monat1896-05
- Jahr1896
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.05.1896
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Größere Schriften laut unserem Preis verzetchniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen»Ausgabe, ohne Postbeförderung >1 öl).—, mit Postbrförderuug 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag» 10 Uhk Morgen-Ausgabe: Nachmittag- 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestelle« je eine halbe Stunde früher. Anzeige« siud stet- au die Expedition zu richte«. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig Donnerstag den 14. Mai 1896. 90. Jahrgang. Die Wahrung -er wirlhschastlichen Interessen. „Au» lauter Bäckermeistern tann der Bundes rath doch nicht bestehen", so sagte Herr von Berlepsch am 23. April im Reichstage, um den argen seine BLckerverord- nung dort erhobenen Vorwurf, sie sei einem hervorragenden Mangel an Sachkenntniß entsprungen, zurückzuweisen. Der „Ulk" hat inzwischen da- geflügelte Wort des Herrn v. Ber lepsch aumuthig illustrirt, aber die „Bäckermeister", aus denen er den BundeSrath componirte, trugen die alten, wohlbekannten Gesichter seiner gegenwärtigen Mitglieder. Herr v. Berlepsch hatte übrigens Recht: der BundeSrath kann nicht auS lauter Bäckermeistern bestehen, schon deshalb nicht, weil morgen die Ladeninhaber, oder wer sonst gerade durch neue Verordnungen oder Gesetzentwürfe bedroht wird, verlangen könnten, daß nunmehr sie als Sachverständigste im Bundesrath zu sitzen hätten. Jedenfalls bat Herr v. Berlepsch mit seinem scherzhaft vorgebrachten Einwande ein sehr ernsthaftes Thema an geschnitten, weil angesichts der im Reichstage obwaltenden Umstände eS mehr denn je nöthig wäre, daß der BundeSrath auS lauter Sachverständigen bestände oder doch solche Sach verständige nicht nur vor der Ausarbeitung von Vorlagen und Verordnungen, sondern auch während der Ausarbeitung und während der Verhandlungen des Reichstags zur Seite hätte. Kein anderes Gesetzgebungswerk veranschaulicht diese Nothwendigkeit besser, als das Margarinegesetz, resp. jene exorbitanten Beschlüsse, die der Reichstag in zweiter Lesung zu ihm gefaßt bat. Die Landwirthschast beschwert sich mit Recht darüber, daß im Kleinhandel durch Verkaufen von Margarine statt Butter, oder durch Mischen beider, um die Mischung als Butter zu verkaufen, der Butter eine illoyale Concurren; bereitet werde. Mit Reckt hat man daher außer anderen „kleinen Mitteln", mit denen die Regierung der Landwirth- schaft nach Möglichkeit zu helfen sich verpflichtet hat, auch ein Mittel zu schaffen gesucht, um diesem unlauteren Wett bewerb Schranken zu ziehen. Da» und nicht- weiter wollte die Vorlage der verbündeten Regierungen. Sie ging darin vielleicht etwas zu gründlich vor, aber sie ließ doch die Margarine-Industrie als solche ungefährdet, welche selbst weder die Schuld an, noch einen Vortheil von den unlauteren Geschäftspraktiken hat, die Andere mit ihrem Produkte betreiben. Damit ist aber der Mebrheit deS Reichstages nicht ge dient. Bei dieser geht die Margarinefeindschafl so weit, daß man nicht den etwaigen unlauteren Wettbewerb, sondern die Margarineindustrie selbst vernickten will, Beschlüsse faßt und Reden hält, die dieses Ziel ganz ungenirt proclamiren. Das Alles geschieht, obwohl die Herren vom Regierungstische sich fortgesetzt bemühen, den allzu großen Eiser zu dämpfen, und ob wohl man recht gut weiß, daß der Herr Reichskanzler ebenso wie der Minister von Boetticher in privaten Unterredungen keinen Zweifel darüber gelassen haben, daß sie weder vaS Färbe verbot, noch die Vorschrift geitheißeu könnten, nach welcher Butter und Margarine künftig nur noch in getrennten Räumen sollen verkauft werden dürfen. Die Reichslagsmebrheit giebt eben nickt viel auf die „Theoretiker" im Bundesrathe. Thatsäcklich hat die Margarineindustrie — ihr Verband hat eS neuerdings wieder durch eine in Berlin abgehaltene. Versammlung einstimmig erklärt — nichts gegen eine scharfe behördliche Beaufsichtigung ihres Betriebes einzuwenden. Die Industriellen sagen sich, daß sie die gegen sie und ihr Fabrikat erhobenen ungerechtfertigten Angriffe am besten widerlegt sehen werden, wenn das Publicum weiß, baß Margarine nur unter scharfer obrigkeitlicher Controle der- gestellt werden darf. Aber kann man eS den Margarine fabrikanten verdenken, wenn sie verlangen, die ihnen er wünschte Controle solle von sachverständigen, technisch vorgebildeten Beamten und nicht vom Schutzmann und Gendarm auSgeübt werden? Nachdem die ganze Industrie mit der Polizeiaufsicht und ihrer Handhabung schon mehrjährige Erfahrungen gemacht hat, sollte man meinen, eS wäre eine Sache, die die ganze Industrie anginge, daß nickt der Schutzmann neue Vollmacht erhält, sondern eine sachkundige Aufsicht gesckaffen wird, die der Reichstag zwar in einer Resolution gefordert, aber leider in das Gesetz nicht hineingesckricben hat, so daß hier immer nur von Polizei, in der Praxis also vom Schutzmann und Gendarm, die Rede ist. WaS ferner die Margarineinvustrie mit Recht fordern darf, ist, daß ihr Product nicht in den Augen der Consumenten stigmatisirt wird, d. h. der Klein handel mit Margarine nicht weiteren Controlen unterworfen wird, al- sie im Nahrungsmittelgesetz generell und dem Margarinegesetz von 1887 speciell vorgeschrieben sind. Was aber ebenfalls die ganze Industrie, ja sogar daS ganze Erwerbsleben angebt, das ist daS Färbeverbot und die vorgeschriebene räumliche Trennung der Verkaufsräume für Butter und Margarine. Ohne Färbung hat Margarine eine schmutzig graue unangenehme Farbe; sie wird mit „Butter farbe" gefärbt, einem Präparat, das, auf allen landwirth- fchaftlicken Ausstellungen prämiirt, seit Jahrhunderten zum Bultersärben dient und in keiner Weise gesundheitsschädlich ist. Künftig soll, so hat es der Reichstag beschlossen, nur Butter, wie bisher, aber nicht mehr Margarine gefärbt werden dürfen. Bisher hat niemals der Gesetzgeber irgend eines Landes daran gedacht, irgend einen Producenten hindern zu wollen, seine Fabrikate dem Publicum in der letz terem angenehmsten Färbung vorzulegen, vorbehaltlich des Umstandes, daß die Färbemittel nicht gesundheitsschädlich sein dürfen. Falls erst einmal ein Präcedenzfall geschaffen wäre, könnte man morgen verbieten wollen, daß Baumwolle so weiß wie Leinen gebleicht würde, um den heimischen Flachs bau zu fördern, oder daß im Interesse des deutschen Volkes ausländisches Holz weder polirt, noch angestrichen werden dürfte. Bei dem Färbeverbot wird also eine sehr weittragende Principienfrage berührt, und wir meinen, das gesammte Erwerbsleben hätte dafür einzutreten, daß die „Bäckermeister" im BundeSrath die erforderliche Sachkunde sich verschaffen, um diese» Färbeverbot in seiner wahren Bedeutung zu er kennen und fallen zu machen, zumal da eS den Ruin der Mar garineindustrie herbeisühren müßte. Was aber die Vorschrift angeht, welche den Handel zwingen will, Margarine und Butter nur noch in getrennten Räumen feilzubieten, so besteht allerdings schon eine Art von Analogie, indem Apothekern, Droguisten rc. vorgeschrieben ist. Gifte von anderen Waareu räumlich getrennt aufzubewahren. Aber der Handelsstano möge eS sich klar machen, waS es für ihn bedeutet, wenn nach diesem Präcedenzfalle die verschiedensten Interessengruppen kämen und verlangten, daß gesetzlich vor geschrieben würde, ihre Waare nicht in demselben Raume mit der ihrer Concurrenten seilzuhalten. Gerade der Kleinhandel führt die größte Zahl von Artikeln in einem Geschäft, und es könnte wahrlich sehr nett werden, falls vom Kleinkrämer gesetzlich verlangt würde, zehn bis zwölf verschiedene Verkaufsräumlich keiten zu haben, WaS man doch ebensogut thun könnte, wie ihm vorschreiben, daß er für Butter und Margarine deren zwei haben soll. Wie aber bei diesem Gesetz, so liegt es bei vielen anderen auch, so daß man trotz Herrn von Berlepsch wünsche» muß, recht viele „Bäckermeister", d.h. recht große Sachkunde im BundeSrath vereint oder ihm zu jeder Zeit zur Seite zu sehen. Denn Verständniß und Schutz für die wirthschaftlichen Interessen ist heutzutage nur von den Regierungen, aber nicht von diesem Reichstage zu erwarten. Deutsches Reich. D Berlin, 13. Mai. Die 5. Conferenz der Central stelle für Arbeiter-Wohlfabrtseinrichtungen be handelte in ihrer zweiten und letzten Sitzung das Thema: „Weibliche Hilfskräfte in der Wohlfahrtspflege", a. in Fabriken, b. in Gemeinden. Der für den ersten Tbeil bestimmte Referent, Fabrikdirector Heintze in Döhren, war verhindert, hatte aber ein gedrucktes Referat erstattet. An seine Stelle trat Geh. Reg-Rath vr. Post. vr. Mü«ster be rg-Hamburg, der gleichfalls ein umfangreiches schriftliches Referat erstattet hatte, berichtete an der Hand des letzteren zunächst über den zweiten Theil des Themas, weibliche Hilfs kräfte für Wohlfahrtspflege in Gemeinden. Er führte aus: Bei der Erörterung der Frauenthätigkeit auf diesem Gebiete sei die Frage nicht abzuweisen, inwieweit dadurch neben der Hilfe für die Nothlerdenden den darin thätigen weiblichen Personen zugleich ein Beruf gegeben werde. Man müsse prüfen, inwieweit die genannte Thäligkeit der be ruflichen Ausübung bedarf und in welcher Weise die unerläß lichen Voraussetzungen jeden Berufs, die berufsmäßige Schulung und Vorbildung, zu schaffen sein würden. An der Hand der Berichte der Diakonissenmutterbäuser, des Vater ländischen Frauenvereins rc. zeigte der Referent, daß keine Thäligkeit in der Wohlfahrtspflege gedacht werden kann, in welcher Frauenarbeit ganz mangelte. Gleichwohl sei das Maß der Betheiligung auf den einzelnen Gebieten sehr ver schieden; reichlich, wenn auch durchaus nicht ausreichend in der Krankenpflege, fast ganz fehlend in Maßregeln des Arbeiterinnenschutzes, verschwindend gering auf dem Wege der Geburtshilfe und der ärztlichen Thäligkeit. Sehr un bedeutend sei auch die Pflege an Gebrechlichen und Krüppeln im Gegensatz zu den Siechen, ebenso die Pflege an Ge fangenen. Referent gab dann eine Uebersicht über Art und Umfang der gegenwärtig geübten berufsmäßigen weib lichen Thäligkeit. Der Beruf der helfenden Frauen, der weltliche Helferinnenberuf, zu besten Begründung bezw. Weiterentwickelung energisch aufgerufen werden müsse, werde in seiner Bedeutung keine Einbuße erleiden, wenn er zugleich als Broderwerb diene. Für die Frauen gelte es in erster Linie, sich von der Vorstellung zu entwöhnen, als wenn Wohl- tbätigkcit etwas wäre, WaS allein mit einer weichen Regung des Gemüthes sich ausführen läßt, und als ob Wohltbätigkeit, wenn sie nicht bewußt erkannte Wohlfahrtspflege ist, über haupt der Arbeit Werth wäre. In der gesammten helfenden Tbätigkeit sei die Verhütung der Hilfsbedürftigkeit immer die wichtigste Aufgabe. So erweitere sich die Frage der weib lichen Hilsstbätigkeit zur Frauenfrage: auS der Liebhaberei solle ein Berus werden und dereinst daS bedürftige Weib an seiner Geschlechtsgenossin die beste Helferin haben, lieber die Nothwendigkeit der Ausbildung und Heranziehung weib licher Hilfskräfte in der Fabrik-Wohlfahrts pflege berichtete daraus an der Hand des Heintze'scken Referats Geheimer Rath Post. Die Stellung der Helferinnen müsse möglichst unabhängig vom Arbeit geber sein und zwar auch da, wo die gesammten Kosten der Einrichtung von letzterem getragen werben. Ob sür Fabrikgemeinden die Anstellung von Diakonissen und Ordens schwestern oder von freien Gehilfinnen vorzuzieben sei, könne nicht generell beantwortet werden. Die Helferinnen in ge nügender Anzahl zu erhalten, sei die zunächst zu lösende Auf gabe. — An die Referate knüpfte sich wieder eine lebhafte Discussion. Beschlüsse wurden nicht gefaßt. Nach einem Schlußwort des Referenten Dr. Münsterberg wurde die Con serenz vom Wirkt Geh. Rath Staatsfecretair Herzog geschlossen. * Berlin, 13. Mai. Der „Verein für internatio nale Friedens-Propaganda" hatte zum 10. Mai eine Friedensfeier veranstaltet, von deren Erfolge nicht nur durch die „befreundete" Presse, nein sogar durch ein Berliner „Telegraphisches Bureau" Wunderdinge berichtet wurden. In welcher Weise aber diese „Friedensdemonstration" in Wahrheit verlaufen, darüber giebt folgender Bericht der „Post" Auskunft: „Eine Mastenkundgebung" wollte der „Deutsche Verein für internationale Friedens-Propaganda von 1874" veranstalten, und deshalb verschrieb er fick den bekannten Reciameredner und Stadtverordneten Arnold Perls als Referenten für die Gedenkfeier deS Frankfurter Friedens. Volle zwei Dutzend Personen hatten ich zu dieser Sonntags - Versammlung eingefunden, überwiegend deutsche Staatsbürger jüdischen Glaubens. Herr- Perls malte grau in grau die Folgen deS Krieges von 1870/71, als da sind riesige Ueberschätzung der äußeren Machtmittel auf deutscher Seite, das Anwachsen der Brutalität, besonders in den oberen Schichten, Aufkommen der agrarischen Strö mung, Colonialpolitik rc. „Die Institution des Militaris mus" wird in Deutschland, nach dem Referenten, nur aufrecht erhalten, um den in Rcgierungskreisen herrschenden Anschauungen zum Siege zu verhelfen; er hoffe, daß der corrumpirten Welt doch noch ein ewiger Frieden bescheert, und daß die wachsende Cultur die Lanbesgrenzen verwischen werbe. Die Discussion dieser Gesellschaft von „Friebensfreunden", wo jeder Einzelne ein patentirtes Mittel zur Herbeiführung des ewigen Friedens anpries, würbe recht kriegerisch durch daS Eingreifen eines Herrn LeSzinsky, der ein recht radicales Programm auf rollte. Im Gegensatz zu dem Redacteur Perls, der den letzten großen Feldzug als einen Volkskrieg bezeichnet hatte, wollte er denselben nur als Cab inelskrieg gelten lassen. Er betonte ferner, daß die Deutschen „die ritterliche Nation der Franzosen grausam behandelt" hätten, und machte schließ lich den Vorschlag, „eine Deputation angesehener Männer und Frauen nach Paris zu senden, um durch eine „glanzvolle Demonstration" die Völkerverbrüderung einzu leiten." Ein anderer Redner, nach seiner Angabe „dreißig Jabre lang Berliner Geschäftsmann und hoffentlich mit Ehren", wollte die Berliner Geschäftsreisenden als Sendboten des VölkersriedenS ausbilden. Auf den Vorschlag eines vr. Ed. Löwenthal wurde eine Resolution gefaßt, in welcher an alle politischen Parteien die Aufforderung ge richtet wird, auf die Regierungen dahin einzuwirken, daß letztere ein völkerrechtliches Uebereinkommen abschließen, durch das sie sich zum Verzicht auf Selbsthilfe durch den Krieg und zur Unterwerfung unter die Urtheile einer zu errichtenden „internationalen Friedensjustiz" verpflichten, und damit war das Vaterland wieder einmal — gerettet. V. Berlin, 13. Mai. (Telegramm.) Der Kaiser und die Kaiserin begaben sich beute Vormittag 10 Uhr 17 Minuten in Begleitung der Herzogin Friedrich Ferdinand von Schleswig-Holstein nach Primkenau. — Die Kaiserin bat dem Herzog von Ujest, welcher im Kriegsjahre 1870/71 zum Stellvertreter des königlichen Commissars und Militair-Inspecteurs für die freiwillige Krankenpflege im Inlande berufen war, ein auf jene Tbätigkeit, sowie auf die Gedenkfeier vom 8. Mai bezügliches Erinnerungsblatt übersandt. — Das „Militair-Wochenbl." widmet Heinrich von Treitschke einen längeren Nachruf, der folgendermaßen schließt: „Einen unvergänglichen Kranz fortdauernder Dank barkeit legt auch die Armee bewegt am Grabe Treitschke's nieder, der unser Heer liebte und es verstand." — Wie der „Landwirth", das Organ der Landwirth- schaftskammer für die Provinz Schlesien, mittbeilt, sind in den letzten Tagen die Vorstände aller bereits bestehenden Landwirthschaftskammern Preußens in Berlin zu sammengetreten, um gemeinsam Schritte bei der preußischen Regierung zu thun, damit diese im BundeSrathe für die Annahme deS vom Reichstage beschlossenen Verbotes des Schiller's Vater. Eine Skizze seines Leben». Gezeichnet von Siegfried Moltke. Nachdruck virbvtea. IV. Leider stellten sich zum Schluffe deS Lebens Johann Caspar Schiller'« nur noch zu oft Tage deS herbsten Un glücks ein. Er selbst begann ab und zu die ersten Mahner zu fühlen, daß daS Alter seine Beschwerden haben werde, seine rege Thäligkeit, sein fortwährender Aufenthalt im Freien ließen ihn dieselben jedoch nicht allzu schwer empfinden. Desto härter trafen ihn die Leiden seines nun schon so bock berühmten Sohne«. In bängster Sorge um ihn beschäftigte, sich sein Geist fast immer mit allerlei Vorschlägen zur Stärkung' und Erhaltung der theuren Gesundheit. In rübrender Weise dankt er der Schwiegertochter sür die unermüdliche Pflege seines „liebsten besten Fritzen": „Theuerste Frau Tochter, ick wende mich jetzt an Sie und danke Ihnen mit dem wärmsten Gefühl eine« Vater« für alle Ihre Liebe und Sorgfalt, die Sie Ihrem lieben Gatten, unserm Sohn, erwiesen und die Sie auch für un« habe«. Gott segne Sie mit aller Fülle seine« Segens!" Ein großes Ereigniß bildete die Reise der wiederber gestellten Gattin und Nanetten« zu Friedrich nach Jena; da« Wiedersehen der beiden Alten soll ungemein rührend gewesen sein, und wocken-, ja monatelang zehrt« die Familie von eigenen Erlebnissen und von den Schilde rungen der „beneideten Glücklichen". De« Vater« Wunsch, den Sohn in seine Arme schließen zu dürfen, blieb lange Zeit rin frommer. Da endlich kommt die Nachricht, daß Schiller, der „große Professor", mit seinem Weibe kommen werbe. Wohl verbiete ihm sein Stolz, da« Land de« Herzogs zu betreten, dennoch wolle er der Seinen und seiner eigenen Sehnsucht folgend im naben Heilbronn Wohnung nehmen. Da» war ein Leben! Die Hoffnung, „Ibn" doch auf Solitude zu sehen, schwand noch nickt. Man putzt und scheuert und richtet her. DaS Oberste wird zum Untersten gemacht und ein fröhliche«, heiteres Lachen hört nimmer auf. Aber auch die Sorge, ob daS hochgebildete Paar nicht die Einfachheit und Schlichtheit der Schwestern allzu sehr empfinden werde, regt fick, und Nanette muß nach Stutt gart, „um etwas Nähen und Putzmacherei zu erlernen, und daß sie in dem Umgang mit andern guten Menschen sich besser formiren möge ... Auch die gute Louise, die da« beste Herz hat, geschickt und geschäftig ist, bedarf in diesem Stück Nachsicht und Zurechtweisung, und ich ersuch' Ibn, bester Sohn! ihr beides angedeihen zu lasten." So schreibt er an Friedrich, indem er ihm die Schwester sendet, damit sie in Jena bei dem Bruder lerne, mit ihm zu verkehren. DaS edle Herz deS Dichters freilich bedurfte all besten nicht. Seine reicke Liebe für die Menschheit war ja ein Abglanz seiner grenzen losen Hingebung für die Seinen. Er übersah alle kleinen Fehler und Schwächen derselben und zeigte sich stets in rührendster Zärtlichkeit al« der, der er hier sein mußte: al« Sobn und Bruder. Der Erste, der nack Heilbronn pilgerte, die Geliebten zu empfangen, war der Vater. Ein solche« Wiedersehen muß erlebt, muß empfunden sein, eS läßt sich nickt beschreiben. Ang im Auge Vater und Sohn nach elfjähriger abschiedsloser Trennung! Hand in Hand, Brust an Brust! Der 70 jährige, von dem Friedrich seinem Freunde Körner meldet: „er sei in seinem 70. Jahre da« Bild eine« gesunden AlterS: und wer sein Alter nicht weiß, wird ihm nickt 60 Jahre geben", der Siebzigjährige blickte zum ersten Male dem einzigen Sohne wieder ins Antlitz und mit Stolz gewahrte er und hoher Vater freude, daß „auS dem Stürmer und Dränger, dem burschikosen Genie der RegimentSmedicuStaze eine konsequente Selbst entwickelung und Durchbildung den bedeutenden Mann ent faltet hatte, besten ganze Persönlichkeit da« Gepräge durch geistigter Vornehmheit trug." Ja, mit Vaterstolr! denn mit voller Berechtigung mockte er sich sagen: Ich habe meinen Fritz allezeit nach bestem Gewissen und Misten gemahnt und geleitet, daß er endlich die Wege gehen möge, die allein ihn zu innerer wie äußerer Größe führen konnten. Wer je einen abwesenden, fast verloren gewesenen Sohn nach langer Trennung wieder in seine Arme schloß, wer je einem innig und heißgeliebten greisen Vater nach jahrelangem Fernsein die geliebten Lippen küssen durfte, von denen er, wer weiß wie oft gefürchtet batte, daß sie sich schließen konnten für ewig, ehe er sie wieder „lieber Sohn" rufen hörte, der wird empfinden können, waS Schiller, Vater und Sohn, an jenem 8. August 1793 bewegte. Langes Zureden von Seiten des Vaters und der eigene beiße Herzenswunsch, den Geliebten auf der Solitude noch näher zu kommen — denn Heilbronn war nur in zehn Stunden zu erreichen —, d h. einen häufigeren Verkehr berbei- zusühren, bestimmten den Dichter endlich, nach Ludwigsburg überzusiedeln, immer weiter also in das Land zu dringen, das er, der flüchtige RegimentsmedicuS, ohne Erlaubnis seines „angestammten Fürsten" nicht hätte betreten dürfen. Hier in Ludwigsburg verlebte der alte Schiller die größte und wohl letzte Freude seines Lebensabends: er wurde Großvater! Der „herrliche kleine Karl" sollte einen großen Platz in seinem Herzen bis zu besten letztem Schlage einnehmen. „Der Alte konnte jetzt an Enkel und Sobn zugleich all das närrische Zeug erleben, WaS er, dazumal im Felddienst abwesend, an sich und seinem Friedrich nicht erlebt hatte." Freilich auch dieser Sonnenschein warf seine Schatten. Ihn bekümmerte es tief, dem Sobn nickt hilfreich durch die Tbat sein zu können, denn diesem mangelte es nur zu oft an dem Nöthigsten. Und der Alte bezog im Jahre nicht mehr als 500 Gulden. Seine Redlichkeit ließ ibn die sich in seinem Berufe oft bietende Gelegenheit nicht ergreifen, „Extraeinnabmen" sich zu ver schaffen, ja die Vermuthung, daß selbst der Herzog vielleicht diesen Glauben hege, der zwei Gesuche um Erhöhung seines Gehaltes abschlug, brachte ihm viele unruhige Stunden. Da faßte er den — in dem hohen Alter gewiß großen — Ent schluß, die Lieblingsstätte seiner langjährigen Thätigkeit zu verlassen, seinem Vaterlande den Rücken zu kehren und im großen Vertrauen auf sein Können und seine immer noch schöne Rüstigkeit anderSwo einen würdiger lohnenden Posten zu suchen. DaS. Frühjahr 1793 brachte eine Wendung. Weitere 40 000 Stück Stämme der EgloSheimer Baumschule wurden der Solitude einverleibt, so daß dieselbe einen Stand von l 00 000 Stück anfwieS. Von jedem Tausend, da« er verkaufte, wurden ihm 100 Gulden nunmehr Tantieme zu gesichert, ein wichtiger Posten in seinen zukünftigen Einnahmen, denn auch die neue Pflanzung gedieh unter seiner meisterhaften Pflege, „daß sie jeder große Herr sehen darf, und daß sie ein rühmliches Denkmal von seinem Hiersein hleiben werde." Unermüdlich vom frühesten Morgen bis zum spätesten Abend in allem Wetter blieb er der treue Hüter und Pfleger seiner Lieblinge. Nichts, als die kurzen Aussprachen mit seinem Sohne, vermochte ihn, zu ruhen. Einen rührigeren Greis batte wohl sein Herzog in Diensten nicht gehabt. Dabei liebte er eine geregelte und strenge Lebensweise. „Ick genieße einer herrlichen Gesundheit und fühle mein Alter bloß darin, daß ich ebender müde werde als vorher. Aber nächst Gott habe ich viel mir selbst und auch viel meinem hiesigen Posten zu danken. Ich halte genaue Diät, mache mir immer viel Bewegung, wasche mich nach dem Aufstehen mit kaltem Wasser, und nach Tische trinke ick gleich nach der Suppe mein GlaS Wein oder Bier. Ich hab's immer sehr tauglich für die Nerven gefunden, wenn der Magen durch kaltes Getränk gleichsam geschreckt wird, und ebenso Gesicht, Hals und Hände mit kaltem Master. Niemals darf mir daS Bett gewärmt werden, und ich finde eine Behaglichkeit, mich in ein kalte« Bett zu legen." Aber noch während Friedrich'« Aufenthalt in Ludwigsburg mahnte ibn heftiges „Gliederreißen", daß doch die „herrliche Gesundheit" nicht mehr so ganz intact sei. Zwar war er nickt der Mann, den solche Anzeichen eine« beschwerlichen Alters und vielleicht deS naben Ende« muthlo« und verzagt machten, dennoch traf eS ihn hart an, als zu diesen Leiden die Botschaft vom Tode seines fürstlichen Gönner« ibn erreichte (24. Oct. 1793). Ludwig Eugen, der Thronfolger, schien seines Bruders Schöpfungen zum weitaus größten Theile dem Untergange zu weihen, auch die Solitude gehörte auf die Liste de« zu Fallenden. „WaS au« mir werden soll, das kann ich noch nicht errathen, aber fürchten will ich nichts, denn ich bin unter Gott, wie Philipp der Zweite, da ihm sein Admiral sagte, die ganze Armada sei zu Grunde gegangen." „Gan; launisch darüber", so berichtet er seinem Fritz, sei besten Mutter, und ihrem Drängen und Sorgen gab er gewiß allein nach, als er sich entschloß, die Vermittelung seines ehemaligen Kriegskameraden und Dutzbruder«, de- Präsidenten von Taubenheim in Anspruch zu nehmen. Ihm schildert er sein rastloses, uneigennütziges Schalten und Walten im Dienste de« Herzogs seit 41 Jahren, ,r sei noch nicht einmal in der
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