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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.05.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-05-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960515018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896051501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896051501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-05
- Tag1896-05-15
- Monat1896-05
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Reclamen unter dem Redactionsstrich (-ge spalten) 50-4, vor den Familiennachrichten (6 gespalten) 40-H. Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittags 4Uhk Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets au die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig SV. Jahrgang. Amtlicher Theil. Die städtische Sparcasse beleih* Wcrthpapicre unter günstigen Bedingungen. Leipzig, den 2. Januar 1896. Tie Spareasten-Tepntatton. Sparcasse Paunsdorfs Garantirt von der Gemeinde. Reservefonds 10 Procent der Einlagen. Geschäftszeit täglich von 9 bis 12 Uhr Vormittags im Gemeindeamt. Abfertigung auch schriftlich. Berzinsttiig der Einlagen mit 3^/,» Procent. Darlehne zu billigstem Zinsfuß gegen Hypothek, Bürgschaft oder Hinterlegung von Werthpapieren werden jederzeit abgegeben. Ter Sparcaffen-AnSschns;. Gemeindevorstand Ülllllux, Vorsitzender. Le2irIr8V6r6iiiI^6ip2i^-8tLllIt. vlenstnx, ävu Ist. Illui 1896, ^beud« 6 Ulir iiu 8uule der Drsten ItUixerselluIe. Duxesorduunx: I. LeratbunA der Vorig.-;eu 6es Imnclss-lIoclieiiml-OoIlkAnims kür äis VorsLmmIuuA des ^errtlieüeu Lroisvoreius- aussobusses. II. I?ortS6t2uuA cler LoratlmuK dos Ltatnteu-Lntcvurss. III. IVndl der ^bxoordneteu rum ^errtotnxo in >'üruborA und LosproobuiiA der Ta^esorämuie- tür denselben. Lanitätsratb Or. tleinre. Vie französische Colonie und die Italiener- Einwanderung. Die französische Colonie, deren Einwanderung für Leipzig und seinen Handel so bedeutungsvoll werden sollte, bildete sich hier im Jahre 1696, kann also in den wenigen ihrer Nachkommen das zweihundertjährige Jubiläum begehen. Damals hatten, nach Aufhebung des die Glaubensfreiheit gewährenden Edicts von Nantes, in Frankreich Verfolgungen der Protestanten begonnen, wodurch viele wohlhabende und intelligente Kaufleute zur Auswanderung gedrängt wurden. Eine Anzahl derselben wählte im Jahre 1696 als neue Hci- math die Handelsstadt Leipzig, wo sie jedoch, als der refor- mirten Kirche angehörig, die Geistlichkeit, welcher noch die Zeiten der kalvinistischen Streitigkeiten und Unruhen vor schweben mochte, mit Groll und Mißtrauen betrachtete. Aber tue Eingewanderten waren feingebildetcund reicheLeute, und diese Eigenschaften gaben ihnen nicht allein im gesellschaftlichen Leben Bedeutung, sondern sie verschafften ihnen auch Einfluß auf die regierenden Elemente. Anfänglich erlaubte man ihnen, ihren Gottesdienst in Pfaffendorf zu halten; dann durften sie einen Betsaal in der inneren Stadt, in Auerbach'S Hof, haben und endlich erhielten sie, nachdem sie auch kurze Zeit die Peterskirche innegehabt, Erlaubniß, sich als freie Neligions- gesellschaft zu betrachten und einen eigenen Prediger, der Monsieur Putini hieß, anzustcllen. Der Einfluß dieser fremd- ländischeu Einwanderer war insbesondere auf Leipzigs Handels verhältnisse von großer Tragweite. Fleißig, reich und er fahren, sowie im Genüsse wichtiger Handelsverbindungen, brachten sie in die noch vom Zopfgeiste beherrschten Geschäfte fördernde Leichtigkeit, und, obgleich sie mit Zurückhaltung im gesellschaftlichen Leben fast nur unter sich verkehrten, in die Kaufmannswelt freieren Umgang. In der Mitte deS vorigen Jahrhunderts stand diese fran zösische Colonie, wie man die eingcwanderten reformirten Kaufmannsfamilien nannte, in höchster Blüthe. Die Familien hießen: Charles Annant, Philipp Benelle, Ludwig Boscher, Johann Bouzanquet, Jacob Crayen, Johann Dubose, Gebrüder Dufour, David Dumont, Gebrüder Duvigneau, Johann Felix, Gebrüder Feronce, Gebrüder Fizeaux, Gervinus, Nikol Hofmann, Gaillac, Jansen, Claude Clausid, Johann Jaquet, Matthias Klein, Franz Leclerc, Hieronymus König, Johann Lacarriöre, Peter Malcontent, Jakob Manry, Johann Müller, Matthäus Münch, Johann Paret, Andreas Sechehaye, Samuel Stehelin, Tbiriot und Bartholo mäus Ballery. Noch zu Ende vorigen Jahrhunderts spielten sie eine besondere Nolle, denn von einem Zeitgenossen wird von ihnen geschrieben, „daß sie komische Copien französischer Stutzer abgäben und Mancher sich so närrisch kleidete, daß man ihn nickt ansehen könne, ohne zu lächeln". Sie suchten Alles ihren Landsleuten, den Franzosen, nachzumachen, aber man merkte gar bald, wie viel sie von ihrem Nationalcharakter verloren hätten. Alles schlössen sie von ihren Assembleen und Bällen aus, und wer nicht zur Colonie gehörte, wäre ihnen nicht ebenbürtig. Sie würden deshalb als die Madatores von Leipzig angesehen. Aber auch viel Rühmliches war von ihnen zu berichten, darunter, daß in Leipzig nicht wenig gute Anstalten von ihnen herrührten unddie Armuth eine große Stütze an ihnen hätte. Der Einbruch der Franzosen in Deutschland scheint der französischen Colonie in Leipzig ein Ende gemacht zu haben. Nach 1806, wo die Franzosen nach der Schlacht bei Jena und Auerstädt hier eingerückt waren, mußten die Urenkel der von König Ludwig XIV. aus Frankreich vertriebenen französischen Einwanderer durch Kaiser Napoleon dieselben Lasten und Bedrückungen erdulden wie der übrige Handels stand. Seit dieser Zeit findet sich die französische Colonie nicht mehr vor, da sie in der übrigen Kaufmannschaft auf gegangen war. Bon den Familien, die zur französischen Colonie in Leipzig gehörten, sind im Mannesstamme fast alle erloschen, der Tradition entsprechend, nach welcher von den angesehenen Leipziger KaufmannS-Familien nur selten eine in ihren Söhnen die vierte Generation über dauert hat. So weit mir bekannt, sind von den französischen Einwanderern nur noch die Crayen und die Felix in ihren Nachkommen vertreten. Bald nach Gründung der französischen Colonie hatte sich — nach dem 1697 erfolgten Uebertrittc des Kurfürsten August des Starken zum Katbolicismus — auch eine Anzahl italienischer Handelsleute in Leipzig niedergelassen. Sie waren Hieronymus Agudio, Jakob Bressi, Jakob Carovc, Anton Maria Chiappone, Franz Curione, Peter Anton Dallera, Anton Buzzi, Peter Rasko," Johann Giulino, Jakob Rossi, Joseph Jadoul, Baptista Mainour, Andreas Malinverno, Gebrüder Petrelli, Baptista Ravina, Joseph Turpia nnd der Commerzienrath Franz Benins. Sie betrieben Handel mit Wein, italienischen Früchten und Delicatesscn, und ihre Ge schäftsräume, zugleich öffentliche Weinstuben, befanden sich meistens in Kellern mit Straßeneingang. Im Jahre 1812 werden nur noch Dallera, Mainour und Rossi in ihren Nach kommen und Geschäften genannt und als Hinzugekommene Franz Bossy, Aloys Grassi, Carl Lampugnani, Joseph Sala, Franz Stvppani, Maximilian Bcronelli und Baptist Alippi als Compagnon von Lampugnani. Von diesen „Italiener kellern", wie sie genannt wurden, unc> Weinstuben eristirt keine einzige mehr. Die Letzten waren Malinverno und Rossi. AuS der Blüthezeit dieser Jtalienerkeller, der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, sind Ueberlieferungen vor handen, die manches eigenartige Schlaglicht auf sie werfen. So wird erzählt: „Will man seinem Freunde oder seiner Freundin eine Ehre anthun, so führt man sie in einen Jtalienerkeller, und was wird da vorgenommen? Antwort: Austern, Bricken oder Sardellensalat gegessen und Punsch oder Wein getrunken. Man vergißt hier auch nicht, holländischen Käse mit aufzutragen, damit man den schlechten Wein nicht so leicht schmecken möge. In einigen wird man allerdings trefflich bewirthet, muß aber auch tüchtig dafür bezahlen. So kostet bei Buzzi am Markte eine Abendmahlzeit für 2 Personen 6—8 Tbaler, und dafür bekommt man achtzig Stück Austern, Sardellcnsalat und zwei Flaschen Burgunder. Bei Rasko ist es immer sehr voll, weil dort stets „hübsche Damen" zu finden sind. Es giebt aber auch schlechte Jtalienerkeller, wo es ärger als in einer Tabagie nach Berliner Muster zugeht. Da findet man geheime Cabinetchen mit grünen Vorhängen, wo kein Mensch durchgucken kann, in denen geschwefelter Kretzer oder nach Wunsch auch feinerer Wein und Essen zu baden ist und man thun und lassen kann, was man will, aber freilich auch tüchtig bezahlen muß. Einer von diesen Jtalienerkellern, und zwar der von „Pompeluschen" (wahr scheinlich ein Spitzname), hat, um die Sinne noch mehr zu reizen, etwas Neues eingeführt. Es wird nämlich daselbst Musik gehalten, wodurch mehr Besuch herbeigelockt wird und Pompelusch seine Nahrung verbessert. Otto Moser. Entscheidungen des Reichsgerichts. (Nachdruck verboten.) T. Leipzig, 13. Mai. Mauerpfeiler bei Umfassungs- mauern sind keine Bauwerke im Sinne deS 8 305 Straf- Gesetzbuchs. Der Knecht August Linde und eine ganze Anzahl Genossen wurden am 22. Februar 1896 vom Landgericht Berlin II wegen gemeinschaftlicher Sachbeschädigung nach § 305 Str.-G.-B. (Wer vorsätzlich und rechtswidrig ein Gebäude ... oder ein anderes Bauwerk, welche fremdes Tigenthum sind, ganz oder theilweise zer- stört rc.) zu Gesängnißstrafen verurtheilt. Die Angeklagten hatten in zwei aufeinanderfolgenden Nächten in Grünfeld von den Mauer- Pfeilern der Umfassungsmauern mehrerer Grundstücke die obersten Kuppen heruntergerissen. In ihrer Revision gegen das Urtheil behaupteten die Angeklagten, sie hätten nur wegen einfacher Sach- bejchädigung nach 8 303 Str.-G.-B. bestraft werden dürfen, denn einmal seien die Mauerpfeiler keine selbstständigen Bauwerke und zweitens könne auch von einer theilweisen Zerstörung keine Rede sein. Das Reichsgericht hielt die getroffenen Feststellungen gleich, falls nicht für ausreichend, um eine Verurtheilung nach 8 305 Str.-G.-B. zu rechtfertigen; aus die Revision der Angeklagten wurde daher das Urtheil aufgehoben und die Sache zur nochmaligen Lerhandlung an die Borinstanz zurückverwiesen. MM. * Leipzig. 14. Mai. „Der Tag der Pfingsten", Ora torium für Chor, Solo, Trompeten, Posaunen, Pauken und Orgel, kommt nächsten Sonnabend, den 16. Mai, Abends 8 Uhr in der Universitätskirche zu St. Pauli durch den Kirchenchor zu St. Johannis unter Leitung von B. Röthig rur Aufführung. Der Eintritt ist frei. Programme mit Texten sind an den Eingängen der Kirche zu haben. * Leipzig, 14. Mai. Zu Ehren der 20. Jahresfeier der ersten Ausführung des Ringes des Nibelungen und zur Vorbereitung auf die zweite, heurige, Aufführung in Bayreuth wird Herr Moritz Wirth im Akademisch-Pshiloso- phischen Verein in einer Reihe von sechs Borträgen eine ästhetisch-philosophische Erklärung deS Dramas geben. 1) Allgemeine Einleitung. DaS Nbeingold. 2) Wotan als Verbrecher. Die Geschwisterehe. 3) Der Wanderer. 4) Siegfried und der VergesscnheilStrank. 5) Wagner'S philosophischer Grundgedanke deS Dramas. 6) Der Ring des Nibelungen im Lichte der modernen Geschichtsphilosophie. Die Vorträge werden in Zwischenräumen von 14 Tagen auf einander folgen und am 15. Mai beginnen. Hierzu, sowie insbesondere zu der auf jeden Vortrag folgenden allgemeinen Aussprache sind Anhänger und Gegner Wagner'S freundlichst eingeladen. Unterzeichnet ist die Anzeige: Der Akademisch- Philosophische Verein. Max Arrer, oand. xkilos., Vorsitzender. Sitzungszimmer: Stadt Nürnberg, Bayerische Straße 8. r. Leipzig, 13. Mai. Fräulein Valeria von JasinSka hielt gestern Abend im Saale des „Eldorado" einen Musikabend ab, der den Schülerinnen und Schülern derselben Gelegenheit bot, von ihrem Können öffentlich Zeugniß abzulegen. Ueber die vorgeführten Hebungen herrschte bet den Zuhörern nur eine Stimme der Aner- kennung und de- Lobes, da jede Nummer deS Programms von der leichteste« bis zur schwersten erkennen ließ, daß Fräulein von JasinSka mit feinem Verständniß und großer Hingabe ihre Schüler unter richtet. Besonders fiel der exacte Anschlag, die leichte Behandlung deS Instruments und di» ungezwungene Körperhaltung der Vortragenden angenehm auf. Dabei fiel jede oberflächliche mechanische Fertigkeit, die soostClaviervorträge verleiden, weg, an ihre Stelle trat verständniß. volles Spiel. Vorgetrigen wurden die vierhändigen Stücke: Ouvertüre aus „Ftgaro's Hochzeit" (Geschwister Rost), Ungarisches Lied und Tanz von Behr und Rondo von Diabelli (Franz Stephan und Waclau Heinke), „Aufforderung zum Tanz" von Weber (Gretchen Minkwitz und Fräulein Lieschen Erselius), Ouvertüre „Dichter und Bauer" (Fräulein Clara Axthelm und Fräulein Martin Linke) und zwei Stücke von Walch (Geschwister Erselius). Zwei händig wurden vorqetragen von Fräul. Lieschen ErseliuS „Stradclla- Fantäsie" von Flotow-Osten, von Martha Rost „Faustmarsch" von Krug, vvn Franz Stephan „Sonatine" von Tussek, von Gretchen Minkwitz „Fantasie über ein deutsches Thema" vonLeybach, von Fräul. Anna Rc !. „Ter Vöglein Lobgesang" von Micheuz und von Fräul. Clara Ax> Helm „Ungarische Rhapsodie Nr. 2" von Liszt. Fräulein v. Jasinoka selbst erfreute die Anwesenden durch den Gesang der Arie au:- „Semiramis" (Lei Kabrio) von Rossini und der Lieder-Mazurka von Großmann auS „Der Geist des Wojwoden", „Mädchen mit dem rothen Mündchen" von Goll, beide Lieder in polnischer Sprache, und „Heideröschen" von Schubert. Die überaus innige und warme Vortragsweise der Sängerin trugen ihr reichen Beifall ein, wie auch die einzelnen Leistungen der Schülerinnen die wohlverdiente Anerkennung fanden. * Die „Altenburger Zeitung" schreibt: Tas Leipziger Soloquartett für Kirchengesang, das an so vielen Orten unseres deutschen Vaterlandes so warme und beifällige Aufnahme gefunden, hat nunmehr auch bei uns seinen Einzug gehalten zur Freude des musikliebenden Publicums. Die geistliche Musikaus- führung, welche in der St. Bartholomäikirche stattsand, hatte sich eines ziemlich guten Besuches zu erfreuen, ein Beweis dafür, das; man daS Auftreten sympathisch begrüßte. Und wohl keiner der zahlreichen Zuhörer dürste den Bestich deS Concrrtes bereut haben; denn es war ein Kunstgenuß von so seltener und eigener Art, wie er uns bisher noch nicht geboten worden ist. Schon die Zu sammenstellung des Programms — die christlichen Festzeilen Weihnachten, Ostern, Pfingsten und Trinitatis verkörpernd — war so eigenartig gediegen, so ernst-inhaltvoll, daß schon dadurch eine andächtige Stimmung erzeugt ward. Noch mehr aber geschah dies durch den wundervollen Vortrag, der allenthalben Feinheit und Sorgfalt in der technischen Ausarbeitung, reinste Intonation, präciic Textaussprache und äußerst sorgfältige Nüancirung erkennen ließ. Was aber dem Vortrage die Krone aufsetzte, das war die Ver innerlichung der Wiedergabe, die tiefe, warme und seelenvolle Empfindung, die aus jedem Klange athmete und Geist und Herz der Zuhörer entzückte. Bei solch großartigen Leistungen muß wahr lich jegliche Kritik verstummen und an ihre Stelle Staunen und Bewunderung trete«! Wie wir hören, haben diese herrlichen Aus führungen des Leipziger Sängerqnartetts für Kirchengejaug auck noch eine schöne praktstche Seite, indem die Sänger die Erträgnisse ihrer Concertr den edlen Zwecken der inneren Mission widmen. Turnverein zu Leipzig-Neustadt. „Dornreichenbach — aussteigen!" Der Eisenbahnschassner ries es, die Wagenthüren wurden geöffnet, und im Nu war der bis dah n leere Bahnsteig von gegen 60 Turnern vom Turnverein zu Leipzig- Neustadt bevölkert, die auf fröhlicher Turnfahrt nach WermSdors und dem Co Imberge begriffen waren. „Angetreten I" commandirte der Turnwart. Die Reihen ordneten sich, ein flottes Turnerlied wurde angestimmt, und hinein ging co am maienfrischen Morgen in den mit frischem Grün sich schmücken den Wald von Wermsdorf. Nack etwa anderthalbstündigsm Marsche brachte sich wohl bei Jedem der bis zu dieser Frist ganz außer Acht gelassene Morgen aufs Nachdrücklichst- in Erinnerung, und so wurde denn in einem, im Hubertusburge: Walde gelegenen Steinbruche Frühstücksrast gehalten. Daß dabei d e mitgebrachten Mundvorräthe die ihnen gebührende Würdigung fanden, bewies der Eifer, mit dem man sich der angenehmen Beschäftigung des Frühstückes hingab. Nach Ausnahme eines photographischen. Gruppenbildes seitens eines Turngenossen wurde wieder aufgebrochcn und Wermsdorf nach gutem Marsche gerade zur Mittagszeit erreich! Daselbst besichtigten die Turner abtheilungSweise zunächst das königi. Jagdschloß!, nm sich alsdann zu gemeinsamem Mittagsessen im Gasthof zum Hirsch, woselbst die Verpflegung eine in jeder Hinsicht empfehlenswerthe war, znsammenzufindeu. Programmmäßig, alst> punct ',,2 Uhr, wurde Wermsdorf verlassen. Glühend brannte die Sonne hernieder, aber stramm zogen die Turner dahin, dem Collmbcr ; zu, der endlich in Sicht kam und nach kurzer Zeit erstiegen war. Hier waren bereits die Oschatzer Turngenossen in stattlicher Zahl anwesend, durch deren Vorsitzenden die ankommenden Leipziger in turnbruderliche? Weise begrüßt wurden. Nachdem der Vorsitzende de» letzteren für das gebotene Willkommen in gleicher Weise gedankt hatte, gönnte man sich erst eine kurze Erholungspause, nach welcher dann eine Anzahl Turner beider Vereine zum Turnen am Spannreck antraten und fürwahr, eS wurde beiderseits wacker geturnt, trotz Sonnengluth und langer Wanderung. Besteigung des Aussichtsthurmes, Frei übungen und Gesang der Sängerabtheilung vom L.-Neustädter Turn vereine wechselten mit einander ab und, «S sei nicht verschwiegen, Frnelleton. Ein Hochzeitsgedicht einer Leipzigerin aus dem Jahre 1640. Unter den Männern, die unsere Nicolaischule mit Stolz zu den Ihrigen zählt, nimmt nächst Leibniz, ihrem größten Schüler, und ReiSke, ihrem größten Rector, die hervor ragendste Stelle ein Adam OleariuS, der Verfasser der berühmten „Muscowitischen und Persischen Reise" und der erste deutsche Uebersetzer von Saadi's Gulistan. Er war Conrector der Nicolaischule von 1630 bis 1633. Geboren 1599 in Aschersleben als Sohn eines Schneiders, hatte er in Leipzig studirt und war 1627 Magister und 1630 Conrector an der Nicolaischule geworden. Im Jahre 1633 bewarb er sich um eine Verwendung bei der GesandtschastSreise, die derHerzog Friedrich von Holstem-Gottorp zu dem Zaren Michael und dem Schah Sefi von Persien unternehmen lassen wollte. Er wurde als herzoglicher Rath und GcsandtschaftSsecretär an genommen und machte dann in den Jabren 1633 bis 1639 die beiden großen Gesandtschaftsreisen nach Moskau und Persien mit, an denen bekanntlich auch Paul Fleming und von Männern aus der Nähe Leipzigs Herr vvn Uechtritz auf Lützschena theilnahmen. Nach der Rückkehr blieb er in Gottorp im Dienste des Herzogs al« HosmathematikuS, später auch als Bibliothekar und Vorsteher der herzoglichen Sammlungen bis »u seinem Tode (22. Februar 1671). In diesen drei Jahrzehnten entfaltete er eine reiche und vielseitige schriftstellerische Thätigkeit, deren Haupterzeug nisse die beiden schon genannten Werke waren, seine große Reisebeschreibung, die zuerst 1647 erschien, viele Auflagen erlebte und auch inS Holländische, Französische, Englische «ob Italienische übersetzt wurdr, und seine Uebersetzung deS Gulistan, die zuerst 1654 herauskam jund von Orientalisten noch heute geschätzt wird. Im Jahre 1640 verheirathete sich Olearius mit einer Revalerin, Katharina Müller, der hinterlassenen Tochter eines Revaler Rathsherrn. Zu seiner Hochzeit (15. Oc tober 1640) widmeten ihm Leipziger Freunde nach der Sitte der Zeit ein gedrucktes Heftchen mit Hochzeitsgedichten, von dem sich ein Exemplar erhalten hat*). Es enthält drei zehn Gedichte, darunter zwölf lateinische (!). Den Reigen der Glückwünschenden eröffnet der damalige Rector der Leipziger Universität, dem sich dann eine Reihe anderer Ge lehrten anschließen, unter ihnen auch Leibniz, der Vater des großen Philosophen, mit einem Gedicht, worin namentlich mit Umstellung der Buchstaben des Namens OI^LXRIVS ge spielt wird. Den Schluß des Heftes aber bildet folgendes hübsche deutsche Gedicht, das eine Leipziger Frau beigesteuert hatte (ich gebe eS, um die Aufmerksamkeit nicht durch Aeußer- lichkeiten abzulenken, in der heutigen Orthographie wieder): Nein sagt mir, wo kommt es doch her, Daß uns, was fremd ist, mehr beliebet Und uns ergehet noch so sehr, Als was das Vaterland uns giebet? Die fremde Tugend allezeit Der unfern weit wird vorgezogen, Die ferne Lieb' und Lieblichkeit Wird mehr als unsre hier erwogen ? Ich meint', es wär' ein bloßer Wahn, Ein Gift, der sich pflegt einzuschleichen, Der mit verfälschter Süße kann Die sichern Herzen bald erweichen, Die man doch sonst ergeben findt Zur Neurung und zu solchen Sachen, Die ungeschchn und seltsam sind Und angenehm sich können machen. *) Vielleicht das einzige! Ich verdanke seine Kenntniß und eine vollständige Abschrift davon der Güte des Herr» Pastor omsr. G. Knüpsfer t» Reval. Doch nein, e« muß was anders sein, Das über unser Art sich schwinget Bei Fremden, das sich so hinein Mit Macht in aller Sinne dringet: Es muß ja die Natur und Glück Die Fremden haben hoch erhoben Hin über uns, und uns zurück In allein unserm Thun geschoben. Denn ich seh' jetzt, daß, der die Welt So weit und fern hat durchgereiset, In diesem selbst ein Urtheil füllt, DaS Fremde vor dem Seinen preiset; Der in so manchem Reich und Land Erforschet so viel tausend Seelen (Und der zwar sonst weiß mit Verstand Das Beste von dem Guten wählen), Indem das gute Vaterland Nicht seine Liebe kann vergnügen, Vielleicht weil dessen schlechter Stand Nicht gleichen Werth hat in Vermögen, Du fernes Reval bist allein, Da seine Liebe sich kann setzen, Dn und kein' andre mußt es sein, In der er sein Herz sollt' ergehen. Du hast den Preis, den billig wir Dir Fremden vor »ns gönnen müssen, Weil er hat »ls ein böh'rr Zier Dich vor uns zu erwählen wissen. Du machest wahr, daß fremder Schein Und fremde Schönheit, fremde Gabe» Den unfern überlegen sein Und gar weit übertroffen haben. Doch eifer' ich »icht. Ich seh wohl: WaS hat der Himmel beschlossen, WaS noch zusammrnkommen soll, Wenn Zeit und Stunde sind verflossen, Muß schicken sich: kein Vaterland, Nichts anders kann so stark sich nenne», DaS könnt' ein solche» liebe« Band, Wenn'» sein soll, von einander trennen, Ich gönn« Dir'S und alles Heil Und alles, was erfreut das Leben, Das Dir das Glücke giebt zum Theil, Was die Natur uns zwar gegeben. Ich, die ich griechisch sorgenfrei Hier lieg' in guten Schäferhütten, Ich halte, daß gut bleiben sei Bei unser Ziegen Leibessitten. Von Leipzig schicket'» ein« gute Freundin A. H. DaS ganze kleine Heft ist typisch für die Literaturzustände Deutschlands in jener trüben Zeit. Zwölf gelehrte Männer besingen ihren Freund zu seiner Hochzeit in lateinischen Versen, und eine Frau ist es, die die Ehre der deutschen Sprache retten muß! Und wie hat sie das gethan! Zwar bringt auck sie dem Zeitgeschmack ihren Tribut; sie spielt die Leipziger Schäferin oder vielmehr Ziegenhirtin, und ohne Wortspiel geht eS auch bei ihr nicht ab: in der letzten Zeile, so unglaublich eS Manchem scheinen wird, steckt eine Anspielung auf den Namen Leipzig! Aber in seiner ganzen Sprachbehandlung kann sich ihr Gedicht mit so manchem von Paul Fleming messen — an Härten und Unbeholfenheiten fehlt e» auch bei dem nicht — und wie merkwürdig, daß sie zum AuSgangspunct die Erbschwäche des Deutschen, seine Ausländerei, nimmt! Der Gedanke lag ja nahe, auch einige der gelehrten Herren heben es in ihren lateinischen Versen hervor, daß der Bräutigam so in die Ferne geschweift sei und keine Leipzigerin gewählt habe. Aber den Gedanken so zu wenden und so zu vertiefen, wie cS in dem deutschen Gedichte geschehen ist, daS ist doch keinem einge fallen. Wie wäre eS auch möglich gewesen — standen sie doch alle unter dem Banne deS Fremden! Schade, daß man die Dichterin nickt kennt. Den beiden Anfangsbuchstaben in der Unterschrift uachzugehen, wäre ver gebliche Mühe. E. W.
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