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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.05.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-05-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960515027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896051502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896051502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-05
- Tag1896-05-15
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Reklamen unter dem Aedactionsstrich (4 ge spalten) LO^L, vor den Familiennachrichten (6 gespalten) 40 Grök"e Schriften laut unserem Preis» verzetchniß. Tabellarischer und Ziffern^- nach höherem Tarif. Ultra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen»Ausgabe, ohne Postbeförderung SV.—, mit Posldesörderung ^l 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Ab end «Aufgabe: vormittags 10 Uhr. Morgen-Au-gabe: Nachmittags 4 Uhr. Bet den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anzeige« find stets an di, GgprVttion zu richt«». Druck und Verlag von E. Pol» in Leipzig 80. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 15. Mai. Zu den Mitteln, mit denen der jetzige Reichstag sich die Achtung der Wähler und der verbündeten Regierungen Hu erwerben suckt, gehört augenscheinlich auch das, daß er über die geschäftliche Behandlung der wichtigsten Vorlage der laufenden Tagung, des Bürgerlichen Gesetzbuches, wie ein Rohr im Sturme schwankt. Kaum schien der Senioren convent einig darüber zu sein, daß die Durchberathung dieser Vorlage bis zum Herbst vertagt werden müsse, so kam die Meldung, es solle der Versuch gemacht werden, die Berathung der Vorlage noch vor der Vertagung des Hauses zu Ende zu bringen. Und kaum hat diese Meldung die Runde durch -die Presse gemacht, so wird auS Berlin berichtet, der Seniorenconvent habe am Mittwoch eine Sitzung abgebalten, um einen definitiven Beschluß über diese geschäftliche Frage zu fassen, sei aber zu keinem Resultate ge kommen, da die Ansichten zu weit auseinander gegangen seien. Freilich braucht der Reichstag wegen dieses Schwankens vor der Presse sich nicht zu schämen, die den Neichsboten mit schwankendem Beispiele vorausgeht. Selbst solche Blätter, die früher mit wahrem Feuereifer dafür eintraten, daß der Reichstag das große nationale Werk schleunigst unter Dach und Fach bringen und die Vorlage unter Verzicht auf jeden Abänderungsversuch eu bloo annehmen möge, protestiren jetzt, da die verbündeten Regierungen die Durchberathung der Vorlage noch vor der Vertagung wünschen, mit Entrüstung gegen eine solche „Durchpeilschung". Auf die „öffentliche Meinung" kann sich also der Seniorenconvent bei seinen De- rathungen über diese geschäftliche Frage nicht stützen. Er muß seine Gründe auS der Sachlage schöpfen. Und diese ist ein fach genug. Wird der Versuch einer Durchberathung vor der Vertagung nicht unternommen, so liegt die Gefahr nahe, daß der Reichstag auch die Durchberathung anderer Vor lagen verschiebt und im Herbste — der überdies noch gar manche Ueberraschung bringen kann — ein kaum zu be wältigendes Material vor sich sieht; wird dagegen der Ver such gemacht, noch vor der Vertagung das Bürger liche Gesetzbuch durchzuberathen, so ist baS Schlimmste, was passircn kann, ein Mißglücken dieses Versuches. Immer hin wird der Herbstygung vorgearbeitet. Eine „Durch- peitschung" ist schon deshalb nickt zu befürchten, weil die Commissionsmitglieder, die so fruchtbar an Anträgen gewesen sind, dafür sorgen werden, daß ihre Anträge im Plenum nicht kurzweg abgetban werden. Am Montag (18. d.) wird voraussichtlich die erste Lesung der Vorlage, betreffend die vierte« Bataillone, beginnen. Einige unglücklich gewählte Ausdrücke haben es verschuldet, daß nationalliberale Blätter in den Verdacht aeriethen, die Frage der vierten Bataillone nicht völlig unter sachlichen Gesichtspunkten behandelt sehen zu wollen, und daß die »Boss. Ztg." schon das Recht zu haben glaubte, die National liberalen als Ihresgleichen anzusprechen. Der Spuk ist rasch verflogen. Jene Zeitungen wollten nicht mehr, als daß bei Gelegenheit der Berathung deS neuen Heercsgesetzes der volle Ernst, mit dem insbesondere die nationalliberale Partei die Frage der Reform des Strafverfahrens im Heere verfolgt, der Militärverwaltung nochmals eindringlich erkennbar gemacht werde. Das kann geschehen, obwohl die Berliner Stellen, auf die es ankommt, sich hierüber ohnehin keinen Illusionen bingeben. An die Pression „keine neue Militairstrafproceßordnung, keine Beseitigung der Halb bataillone" hat natürlich im Kreise der nationallibcralen Partei kein Mensch gedacht. Es wäre ja auch ein Rückfall in die gröbste Tborheit der ConflictSperiove gewesen, wenn man erklärt hätte: ..Wir wollen auf die Reform der vierten Bataillone, obwohl sie auch uns nothwendig erscheint und obwohl sie die Nation so gut wie gar nicht belastet, ver zichten, wenn wir nicht eine neue Strafproceßordnung dazu bekommen." Von solchen atavistischen Anwandlungen ist die nationalliberale Partei frei. In einer Politik, die diesen Namen verdient, entscheidet die Nothwendigkeit des Augen blicks, am allermeisten in der HeereSpolitik, wo ein Versäum- niß oder auch nur eine Verzögerung sich furchtbar rächen kann. Diejenigen conservativen Organe, die eine gewisse Schaden freude über das Fehlschlägen des Versuchs mit den Halb bataillonen nicht unterdrücken können, sollten doch erwägen, daß auch ihre Partei nach diesem Grundsätze gehandelt hat; sie bat die Formation bewilligt, so gut wie die National liberalen, die über die Zweckmäßigkeit der Neueinrichtung gleichfalls nicht ohne starken Zweifel waren. Um was es sich im Jahre 1893 handelte, das wardieHeereöverstärkuna. Ueber deren Unerläßlickkeit herrschte zwischen den nationalen Parteien und der Regierung Uebereinstimmung. Daß die letztere den Zweck nur durch die Halbbataillone erreichen zu können glaubte, war ein Jrrtbum, für den Graf Caprivi die Verantwortung trägt. Aber ohne Zweifel war die HeereSverstärkung m i t den Halbbataillonen der Belassung der damaligen Präsenzziffer ohne Halbbataillone vorzuziehen. Frankreich, tro^ feiner viel geringeren Bevölkerungszahl, batte eine weit größere Armee als Deutschland, es war uns für sich allein an Truppenzahl überlegen. Ob die auswärtige Politik in den letzten zwei Jahren den Gang genommen hätte,den wir sie haben nehmen sehen, wenn jenerZustand erhalten geblieben wäre, ist eine Frage, die wir nicht bestimmt verneinend beantworten wollen, die aber auch Niemand ehrlicher Weise bejahen kann. Hat man nun damals eine starke Mehrbelastung an Geld und Recruten mit den fragwürdigen Halbbataillonen bewilligt, so wird und kann man jetzt, wo die Unbrauchbarkeit dieser Formation dargethan ist, mit gutem Gewissen ihre Beseitigung nicht verweichern, da sie ohne Mehreinstellung von jungen Leuten und ohne nennenswerthe Kosten erfolgen kann. Der Umstand, daß eS sich um eine unbestrittene Verbesserung deS Heerwesens handelt, verbietet eS, die Genehmigung an Bedingungen zu knüpfen und die Verantwortung auf sich zu laden, daS Eine verhindert und daS Andere nicht erlangt zu haben. Daß Herr Stöcker durch daS kaiserliche Telegramm an den Gekeimrath Hintzpeter sich von seiner agitatorischen Tbätigkeit nicht werde abhalten lassen, baden wir voraus gesagt. Herr Stöcker übertrifft aber unsere Erwartungen dadurch, daß er gar nicht nach Ausflüchten sucht, sondern rundweg erklärt, er werde fortarbeiten wie bisher. Er schließt nämlich eine Auslassung in der „Deutsch-Evangel. Kirchenztg." folgendermaßen: „Die Ehrerbietung hindert un-, mit Seiner Majestät über die geäußerten Worte zu Liscutiren. Wir möchten ihnen gegenüber nur Folgendes als tatsächlich seststellen: Die Reichsvolitik hat andert halb Jahrzehnte hindurch das christlich-sociale Programm verwirk licht. In den Motiven eine- Gesetzentwurfes zu Kaiser Wilhelm's l. und Fürst Bismarck'- Zeit ist da- sociattslische Element desselben als eine Weiterentwickrlung der ans der christlichen Gesittung er wachsenen modernen Staat-idee rühmend erwähnt. Der gegen- wärlig regierende Monarch selbst hat al« Prinz Wilhelm die christlich - sociale Thätigkett alS da« Mittel zur Urber- windung der Socialdemokratie bezeichnet. — Der selige Wichern hat den christlichen SocialiSmus al« da- Gegenmittel gegen den umstürzenden SocialiSmus empfohlen. In England und im deutschen Katholicismus ist christlich, social eine fegens» reiche Strömung, in Oesterreich eine rüstige Partei. Die christlich-sociale Bewegung in Berlin hat den Anstoß dazu gegeben und treulich mitgewirkt, daß die Hauptstadt kirchlich erobert und von starken, monarchisch gesinnten Bevölkerungsschichten durchzogen ist. Seitdem der christlich-sociale Gedanke vervehmt ist, beherrscht der Umsturz politisch die Hauptstadt. Dielen Thatsachen gegenüber wird es doch schwer sein, das Wort: „Christlich-socsal ist Unsinn" auf recht zu erhalten. Wir glauben, daß die, welche es veröffentlichten, dem Vaterlande und der Monarchie keinen guten Dienst geleistet und eine große Verantwortung auf sich geladen haben. Im Uebrigen habe ich bis jetzt geendet, wie ich angefangen habe. Ich bin derselbe geblieben, und werde in alter Weise weiter arbeiten. Das Ende überlasse ich Gott." Die Folgen dieser Provocation muß man abwarten. Jeden falls kommt Herrn Stöcker der Umstand zu Gute, daß das kaiserliche Telegramm unmöglich ganz so gemeint sein kann, wie es lautet. Die „Nationallib. Corr." führt heute mit Recht das Folgende auS: „In der Erörterung des kaiserlichen Telegramms an Herrn Hintzpeter ist sofort die Frage aufgetancht, ob der Aus- spruch, die Politik gehe di« Pastoren nicht- an, sich auch aus die katholischen Geistlichen erstrecke. Sie ist mit Grund ver- neint worden, denn die katholischen Priester nehmen Vorschriften über ihr Verhalten nur von ihren kirchlichen Vorgesetzten entgegen und diese gestatten nicht nur, sondern fordern vom Kleru- die poli tische Agitation. Wenn in vereinzelten Fällen Geistliche wegen ihres politischen Auftretens von Bischöfen gerügt worden sind, so lag dem nicht die Auffassung, daß die Kleriker sich über- Haupt nicht mit Politik zu befassen hätten, sondern Unzufriedenheit mit einer bestimmten Stellungnahme deS Getadelten zu Grunde. Wie wenig man in der katholischen Kirche daran denkt, die Geist lichen der Agitation fern zu halten, geht daraus hervor, daß Priester, die sich mit der officiellen klerikalen Politik in Widerspruch setzen, von Amtsgenossen in öffentlichen Versammlungen bekämpft werden. Zur Zeit sehen wir diese Erscheinung in dem Streit zwischen dem Centrum und dem bayerischen Bauernbund. Wenn es noch eines der jüngsten Vergangenheit entnommenen Beweises dafür bedürste, daß die römische Kirche die parteipolitische Agitation von ihren Dienern fordert, so wäre er in dem Bescheid geliefert, den ein badischer Pfarrer auf seine Bitte um Versetzung auf eine bessere Stelle erhalten hat: er wurde mit der Begründung ab gewiesen, daß seine Thätigkeit bei den Wahlen den Ev- wartungrn nicht entsprochen habe. DaS geschah ungefähr um dieselbe Zeit, als dem Pfarrer Wacker, dem leidenschaftlich opposi tionellen Oberhaupte der badischen Agitation, mit dem aus drücklichen Bemerken, daß er die Auszeichnung seiner politischen Thätigkeit zu verdanken habe, dir Würde eines geistlichen Rath- ver liehen wurde. Die durch diese Vorfälle gekennzeichnete Auffassung der katholischen Kirche von dem politischen Beruf der Geistlichen ist dem Kaiser selbstverständlich nicht unbekannt gewesen und deshalb muß es zutreffend sein, wenn man von dem Ausspruch des Monarchen über die politische Wirksamkeit der Geistlichen ge- sagt hat, er sei nicht wörtlich so gemeint. Der Inhalt der politischen Thätigkeit deS katholischen Klerus bildet zum großen Theil die Befehdung des Protestantismus, sowie die der Staaten, deren Oberhäupter den Papst nicht als übergeordnete Macht an erkennen. Das Haupt der evangelischen Kirche seines Landes, der König von Preußen und deutsche Kaiser, kann unmöglich etue starke Gruppe seiner natürlichen Vertheidiger gegen diese Angriffe mund- todt gemacht wissen wollen. Ein Satz in einer im Telegrammstil gehaltenen Kundgebung vermag diese Gewißheit nicht zu erschüttern." Da es nun aber ganz zweifellos der Hauptzweck des kaiserlichen Telegramms war, Herrn Slöcker das agitato rische Handwerk zu legen, so ist eine Erläuterung des Tele gramms, die diesen Zweck klar hervortreten läßt und jede falsche, Herrn Stöcker zu Gute kommende Deutung auSschließt, unerläßlich. Wenn den ohnehin getbeilten deutschen Sympathien für die ungarische MillenniumSfeier nicht erheblicher Abtrag gethan werden soll, müssen solche unverantwortliche Provo- cationen, wie die Herausgabe eines „Festliederbuches" von Erödi Ernö unterbleiben, resp. schleunigst rrdressirt werden. In dieser Sammlung ungarischer patriotischer Gesänge ist ein Lied enthalten: „Die dreifarbige Fahne", in dem eS heißt: „Die zweite Farbe ist schneeweiß, sie will besagen: daß der Magyare rin gutes Herz hat, nicht rin schwarzes, wie die Ge sinnung deS Deutschen, der nicht weiß, wo die Ehre Wächst". Pflicht der ungarischen Regierung ist es, gegen derartige Privatleistungen ungarischen „Nationalgefühls" einzuschreiten und den Vertrieb der Liedersammlung, welche besonders auf den Eingang in die Schulen reflectirt, zu verbieten. Sie muß sich darauf besinnen, daß die Magyaren wohl die herrschende Nation in Ungarn sind, daß eS dort aber auch noch einige andere Leute giebt, deren nationale- Empfinden wenigstens nicht mit Füßen getreten werden darf, sie muß sich daran erinnern, daß die 7»/« Millionen Magyaren noch nicht ein mal die Hälfte der tranSleithanischen Bevölkerung (17>/r Millionen) ausmachen. Die Ungarn leiden, wie die Norweger, Irländer und einige andere abgelegene Völker, an einem Ueberschuß von Nationalgefühl, der sie gegen ihre wirkliche Bedeutung im europäischen Völker- concerl blind macht. In welcher Weise Ungarn in der ethnographischen Wagschale wiegt, erhellt schon daraus, daß Niemand außerhalb ihrer Grenzen ihre Sprache versteht oder auch nur um ihrer felbst willen zu erlernen das Bedürfniß empfindet. Daran können alle noch so rigorosen Sprach verordnungen, alles Umtaufen von OrtS-, Straßen- und Personennamen, alles Eifern gegen die deutsche Commando- sprache im Heere nicht- ändern, am allerwenigsten aber un- qualificirbare Beschimpfungen deS deutschen NamenS, wie die deS Herrn Erödi Ernö. Wir zur Eompetidor-Krage gemeldet wurde, bat die spanische Regierung die Vollziehung der vom Kriegs gerichte in Havana über die auf der amerikanischen Goülette „Competidor" gefangenen Amerikaner verhängte Todesstrafe ausgeschoben. E- bestehen nämlich rin spanisch-amerikanischer Vertrag vom Jahre l795 und ein Protokoll von l877, denen zufolge amerikanische Unterthanen nicht unter die Jurisdiction spanischer Kriegsgerichte gestellt werden können. Tie An wendung dieser Vertragsbestimmungen auf den vorliegenden Fall soll nun einer diplomatischen Prüfung unterzogen werden. WaS die 1877er spanisch-amerikanische Con vention anbelangt, so ist dieselbe vom 12. Januar genannten JahreS datirt und bestimmt ausdrücklich: Kein in Spanien, auf dessen Inseln ober überseeischen Be sitzungen ansässiger Bürger der Vereinigten Staaten, welcher des Aufruhrs, des Hochverrathes oder der Verschwörung gegen die Staatseinrichtungen, die öffentliche Sicherheit, die Integrität des Staatsgebiets, die oberste Staatsgewalt oder sonst irgend welchen Verbrechens angeklaat ist, wird durch irgend ein Ausnahinsgericht, sondern ausschließlich durch die gewöhnlichen Gerichte abgrurtheilt werden können, ausgenommen, derselbe ist mit den Waffen in der Hand ergriffen worden. Im vorliegenden Falle ist eS bekanntlich strittig, ob diese Ausnahme vorliegt. Die Spanier behaupten eS, während die Amerikaner die Behauptung aufrechterhalten, daß die Ge fangenen lediglich für Einführung von KriegScontrebande bestraft werden können. Angenommen aber, die rerurtheilten Amerikaner wären wirklich mit den „Waffen in der Hand" ergriffen worden, so stipulirt der 1877er Vertrag für diesen Fall ganz besonder-, daß den anaeklaaten amerikanischen Bürgern das Recht der formellen Verlheidigung, der Be sprechung mit ihrem Anwälte und der freien Herdeischaffuug des Entlastungsmaterials zustehen und ihnen schließlich gestattet sein soll, ihre Verlheidigung in öffentlicher Verhandlung, münd- Feurlletsn. Die Tochter des Millionärs. 12s Roman auS dem Englischen von L. Bernfeld. (Nachdruck verboten.) „Glauben Sie? Dort sehe ich unseren Freund Mr. Ralph Vyner kommen, der, wie Jedermann weiß, die schöne Helene Greville auf daS Tiefste verehrt. Er hält sie für eine Heilige, für ein Weib so rein und gut, daß die Engel selber kaum mit ihr verglichen werden können. Es läßt sich dagegen gewiß nichts einwenden, aber was würde dieser Mann mit seinen mehr als strengen Ansichten und Gefüblen wohl sagen, wenn er erführe, daß seine Heilige schon einmal die Verlobte eines Anderen gewesen ist?" „Philipp, Sie können nicht so grausam und ungroßmüthig sein!" rief Helene angstvoll. „Wenn Sie mich dazu treiben, meine Tbeure, so werde ich es thun, verlassen Sie sich darauf. Sie möchten also lieber, daß Mr. Vyner von dieser Verlobung nichts erfährt, nicht wahr?" „Lieber will ich sterben!" rief sie ungestüm. „Ich schätze seine gute Meinung mehr als Alles auf der Welt!" „Und er möchte Sie natürlich beiratben!" „Ich liebe ihn", antwortete sie frei und unumwunden, „ich scheue mich nickt, dies zuzugesteben. Ich babe ibn lieben gelernt, weil er so treu und ehrlich ist, so ganz anders als Sie!" „Vielen Dank, meine Tbeure!" Seudamore stieß ein ärger liches Lachen aus. „Ich muß gestehen, Sie sind sehr böslich, aber das soll mich wenig kümmern. Da Sie diesen Ritter ohne Furckt und Tadel lieben, werden Sie auch, wie ich an- nehme, bedacht sein, ihm unser früheres Vrrhältniß zu ver schweigen. Helene, hören Sie meine Worte! Wenn Sie irgend Jemandem verrathen, daß Sie mich beute dort oben in dem Corridor gesehen haben, so würden Si« eS bereuen!" „Miß Greville! Diesen Tanz batten Sie mir zugesagt", tönte jetzt die Stimme Ralph Vyner'S neben ihr. Bleich und zitternd zwar, aber dennoch mit einem gewissen Gefühl der Erleichterung, daß diese qualvolle Unterredung ihr Ende erreicht babe, wendete sie sich zu dem jungen Manne um. Seudamore verbeugte sich schweigend und zog sich zurück. „Sie sind erregt, Helene", murmelte Ralph Vyner, als er sie in seinem Arm mit sich sortführte, „hat der Capitain Sie verletzt? WaS hat er Ihnen gesagt? Er ist trotz seine- bübschen Aeußern ein mir wenig zusagender Mensch." „Ach", erwiderte Helene, indem sie bemüht war, ihre Fassung wieder zu gewinnen, „wir streiten unS immer wegen Beatrix Hopley. Der Capitain bat daS Mädchen bezaubert. Wenn ich doch nur im Stande wäre, sie vor ihm zu retten." „Das wird Ihr Bruder vielleicht besser können als Sie, Helene!" sagte Mr. Vyner, bezeichnend auf ein Paar deutend, welches soeben an ihnen vorübertanzte. „Victor scheint ernste Absichten auf Miß Hopley zu haben!" „DaS glaube ich auch, aber Beatrix hat nur Augen für Seudamore, und er ist leider rin schlechter Mensch, rin Mensch ohne Grundsätze. Ich kenne ihn schon lange, und jedesmal, wenn ich mit ihm zusammenlreffe, bemerke ich neue schlimme Züge seine- Charakters!" Sie seufzte und fügte hinzu: „Ich bedauere nur die arme Beatrix; wie viel Kummer und Elend eS doch auf der Welt giebt!" Er sah sie mit tiefem und zärtlichem Interesse an. O, wenn er das schöne Mädchen doch für sich gewinnen könnte. Wie innia er sie liebte, und wie glücklich er sie macken wollte! Er füblte, daß er dem Ziel seiner Wünsche näher gerückt war, Hclene'S Verhalten gegen ihn war ein andere« geworden. „Seien Sie nicht traurig, meine theure Helene, Alle- wird sich noch zum Guten wenden, sehen Sie vertrauensvoll io di« Zukunft!" Der Blick, der sie auS seinen Augen traf, war so viel sagend, so voller Liebe und Zärtlichkeit, daß sie «rröthend, aber mit einem Gefühl des Glücke- zur Erve blickte; hätte sie nickt gewußt, daß Ralph Vyner sie liebte, dieser Blick würde es ibr vrrratben haben. Der heitere Abend nahte seinem Ende. Mr. Donald hatte bereits Befehl gegeben, den großen omnibu-ähnlichen Wagen, der die ganze Gesellschaft von Ardatb Vale auf- ncbmen konnte, bereit zu halten. Die jungen Leute baten aber noch um einen letzten Tanz. Noch einmal ließ Dunkan seine Dudelsäcke ertönen und die Paare wirbelten durch einander, frohes Lachen und daS lustige „do—ho—ho" er tönte durch die Halle. MrS. Larcombe, welch« mit ihrem Gatten tanzte, flüsterte demselben zu, daß Vieser Abend der erfolgrrickste und reitendste gewesen wäre, den sie jemals in ihrem Hause erlebt hatten. „Jedermann scheint glücklich und zufrieden zu sein", sagte die gutherzige Dame ein wenig außer Athem zu ihrem Gatten, als sie bemübt war, mit dem schnellen Tempo der Musik Schritt zu halten, WaS ibr bei ihrer stattlichen Fülle nicht gerade leicht wurde, „eS war für Alle ein genußreicher Abend!" Die Dame des Hauses ahnte nicht, daß unter den lächelnden und glücklichen Menschen mehr al- ein sorgenvolles und schwer bedrücktes Herz zu finden war, daß nur mit Mühe Mancher den Schein von Sorglosigkeit und Frobsinn aufrecht hielt, um den Augen der Welt nicht zu verrathen, was im Innern vorging. Der Graf von Sanfoine suchte die nagende Pein, die ihm die Zertrümmerung all seiner Hoffnungen bereitet batte, sorgfältig in sich zu verschließen, daS vollständige Scheitern all seiner Pläne hatte ihn schwer getroffen. Helene füblte sich bedrückt und seufzte unter der Last der Gedanken, welche ihren armen Kopf bestürmten. Auch Beatrix war unruhig und befangen, sie hatte mit Philipp getanzt; seine Stimmung war eine vollständig übermüthige geworven, Beatrix batte ihn nie so aufgeregt und lebbaft gesehen wie heute. Er sprach laut und erregt, er tanzte so au-gelassen und un ermüdlich wie kaum ein Anderer in dem ganzen Saale; da junge Mädchen fühlte, daß diese Lustigkeit eine erzwungene war und sah seinem Gebühren mit wachsendem Mißtrauen zu. Einmal kam ibr sogar der Gedanke, ob er nicht vielleicht ein wenig mehr getrunken habe, al- ihm aut sei. So er schreckend auch dieser Gedanke für sie war, so konnte sie ihn doch nicht zurückdrängen, e- war die einzig mögliche Er klärung für sein sonderbares Benebmen; sie wußte gar nicht mehr, wa« sie eigentlich von ihm denken sollte. Indessen war Miß Jane auf'- Höchste erzürnt. Sie batte bestimmt daraus gerechnet, daß der Capitain sie zu diesem letzten Tanz auffordern würde, und suchte, al- der Tanz sein Ende erreicht hatte, in die Nähe Philipp'- zu gelangen. „Ich muß gestehen", sagte sie, „daß ich ihr Benehmen zu mir etwas sonderbar finde. Sie haben mich schon bei Tisch um den letzten Tanz gebeten, unv nun vergessen Sie dies ganz einfach und tanzen mit dieser kleinen Hopley!" „Ich konnte es beim besten Willen nicht ändern", sagte er, nach einer Ausflucht suchend, „MrS. Larcombe wünschte, daß ich mit der jungen Dame tanzen sollte, e« war mir durchaus nicht angenebm!" „Sie schienen sich aber ausgezeichnet zu unterhalten!" „ES war nur ein Schein, nur erzwungene Lustigkeit, mein Herz und meine Gedanken weilten bei Ihnen, Miß Jane" fügte er, sie mit einem zärtlichen Blick anschaurnd, hinzu. „Ich bin nicht ganz sicher, ob ich Ibnen Glauben schenken darf", erwiderte die beleidigte Schöne halb besänftigt. „Miß Hopley ist hübsch und noch sehr jung, sie besitzt natürlich größere Anziehungskraft" — „O wa- frage ich nach Jugend und Schönheit» viel böber schätze ich Herz und Gemllth, Verstand und geistreiche Unter haltung, sowie die reifere Erfahrung einer Frau von Welt. Ein hübsches Aeußere allein kann niemals die Sehnsucht meines Herzens befriedigen!" Und während er diese Tugenden prir-, blickte er bedeutungsvoll auf Miß Jane, alS wolle er sagen: „Sie vereinigen dieselben sämmtlich in sich!" Miß Harnaß war befriedigt und besiegt, sie blickte be scheiden zur Erde und ein schwache- Erröthen zog über ihr Antlitz. „Ach", murmelte sie, „wir sehen uns vielleicht niemals wieder!" „O, sagen Sie das nicht", flüsterte Philipp ibr begeistert inS Obr, „wir müssen un- Wiedersehen! Wir treffen irgendwo im Walve zusammen, an einem schön und romantisch gelegenen Ort und zu einer reckt romantischen Stunde!" „O, was sagen Sie!" flüsterte sie und fügte verschämt hinzu: „Wann?" „Wir wollen den Sonntag wählen. Bestimmen Si« «ine Stunde, theuerfte Miß Jane!" „Es wird am besten gleich nach dem Frühstück gehen, Jedermann hier in Highmoor ist um diese Zeit mehr oder weniger sich selbst überlassen, und ich hoffe mich frei machen zu können. Wo wollen wir Zusammentreffen?" Tie Stunde war vielleicht keine romantische, aber jeden fall- praktisch gewählt. „Unter der alten Bucke, nickt weit von dem Flüßchen", flüsterte er hastig; e« fiel ihm im Augenblick kein anderer Platz rin. „Und nun leben Sie Wohl, meine Thenerste, wir müssen scheiden!" Miß Jane war hoch beglückt. Einen so wundervollen Abend batte sie noch niemals erlebt, in so offenkundiger Weise war sie bisher noch von keinem Manne umschwärmt worden. Der Wagen Mr. Donald'S war vorgefahrcn und die Damen, in Mäntel und Tücher gebüllt, bereits eingeftiegen. Mr. Donald trieb zur Eile an, denn die Nacht war finster, und man hatte einen ziemlich! beschwerlichen Weg zurückzu-
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