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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.05.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-05-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960518021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896051802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896051802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-05
- Tag1896-05-18
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Kirchen zeitung", es werde dem Kaiser den „Thayachrn gegenüber" schwer werden, sein „Wort aufrecht zu erhalten". Die „Post" erklärt, die Veröffentlichung des Telegramms sei vom Kaiser anbefohlen, Herr Stöcker schreibt, die Veröffentliche! hätten „dem Baterlande und der Monarchie keinen guten Dienst erwiesen". Solche Dinge sind bi- jetzt in Preußen nicht erhört gewesen. Es bedarf keiner Auseinandersetzung, daß eine derartige Polemik zwischen Kaiser und Unterthan, und wenn der Kaiser auch tausend Mal Nicht hätte, immer der Autorität des Kaisers abträglich ist. Fürst Bismarck hat wiederholt verföchte», daß ein Monarch offen mit seiner Ansicht hervortreteo solle, damit er nicht erscheine als „über den Wolken schwebend", sondern als eine concrete Persönlichkeit mit energischem Wollen. Wie Figura zeigt, hat auch diese Sache ihre zwei Seiten. Wohin soll es sichren, wenn bald von dieser, bald von jener Seite gegen den Kaiser öffentlich polemisirt wird? Es kommt nur daraus an, daß der Gegner geschickt seine Worte wählt und jede unmittelbare Beleidigung der Majestät vermeidet, so wird er a» den kaiserlichen Kundgebungen die bitterste Kritik üben können. So wird bald von der einen, bald von der andern Seite an der monarchischen Autorität gebröckelt, und wer der lachende Dritte ist, möge man in der Redaction des „Vorwärts" erfrage». Diese Erwägungen werden dazu beitragen, die Logik des „Alt reichskanzlers" als nicht „zweifelsohne" erscheinen zu lassen. Fürst Bismarck hat oft genug Kaiser Wilhelm I. vorgeschickt, um sich selbst zu decken; dieser aber, dessen Neigungen da- doch nicht ganz zu entsprechen schien, sprach sich dabei immer sehr zurückhaltend aus. Sein kaiserlicher Enkel sagt offen, was er denkt, und so sehr da menschlich auch zu schützen ist, so wird Jedermann doch das schwere Bedenken fühlen, wenn er sich Antworten geben lassen muß, wie jetzt von Stöcker. Man täusche sich nicht über die Wirkungen solcher Polemik. In der Seele des gemeinen Mannes sinkt dadurch der Respekt vor der kaiserlichen Machtfülle ganz bedeutend. Der Nach ahmungstrieb ist zu mächtig, man gewinnt dadurch den Muth, in Fällen der Nichtübereinstimmung mit dem Kaiser seiner Mei- nung ebenso rückhaltlos Ausdruck zu geben. Eine solche Polemik gegen den Monarchen ist unmöglich, wenn der Kaiser Tas, was er denkt, durch einen Minister sagen läßt- Die Replik muß sich dann gegen den Minister kehren, der es besser vertragen kann. Die Minister haben auch die Ausgabe, für den Kaiser in die Bresche zu treten und für ihn gewissermaßen als „Kugelfang" zu dienen. Es liegt unS fern, dem Kaiser unsere Rathschläge ausdrängrn zu wollen. Er weiß selber, was er zu thun hat, und sein Recht zur freien Meinungsäußerung, das der geringste seiner Unterthanen be sitzt, ist unbestreitbar. Als monarchisch und patriotisch fühlende Deutsche drängt es unS aber, auf Erscheinungen aufmerksam zu machen, die nur für die Revolution und ihre Jünger günstig wirken. Haben wir solche Bedenken im Interesse der Dynastie vorgebracht, so haben wir unserer Pflicht genügt. Wer aber, wenn er Uebles kommen sieht, kaltblütig schweigt, kann kein „ge treuer Eckart" sein." Die ultramontane Presse in der Rolle deS „getreuen Eckart" zu sehen, ist allerdings neu. Die „Köln. VolkSztg." verleugnet aber auch in dieser Rolle ihren alten Charakter nicht, der sie von jeher angetrieben hat, den Fürsten Bi-marck für Alles verantwortlich zu machen, was ihr mißfällt. So wird ihm auch diesmal untergeschoben, es sei im Grunde sein Werk, daß Herr Stöcker in die Lage gekommen ist, gegen ein Kaiserwort zu polemisiren. Der Zweck dieser Unterstellung braucht wohl nicht klargelegt zu werden. Wohl aber ist e« am Platze, daran zu erinnern, daß weder Kaiser Wilhelm I. der Monarch war, der sich von irgend einem Menschen „vorschicken" ließ, um ihn zu decken, noch daß Fürst Bismarck jemals den Kaiser zu seiner Deckung zu be nutzen versucht bat. Wenn er eine Kundgebung des Kaisers prvvocirte, so geschah dies lediglich, um einem großen Gedanken, der iu Acte der Gesetzgebung umgesetzt werden sollte, mehr Gewicht beim deutschen Bolle zu geben. Handelte e- sich dann um die Ausführung, so trat er als verant wortlicher Leiter der Politik hervor und sorgte dafür, daß die gegen diese Ausführung zielenden polemischen Pfeile auf seine eigene Brust sich richteten. Lediglich dem Abgeben von dieser BiSmarck'schen Praxis ist eS znzuschreiben, daß der Kaiser sich genötbigt sah, sich Uber die Tbätigkeit de- Herrn Stöcker zu äußern. Fürst Bismarck würde, wenn er noch im Amte wäre, längst mit dem Kaiser Uber die Nothwendigkeit, jener Thätigkeit eine Schranke zu setzen, sich verständigt und — wenn er überhaupt eine Kundgebung deS Monarchen für nöthig erachtet hätte — dafür gesorgt haben, daß das kaiserliche Telegramm Anlaß zu polemischen Auseinandersetzungen nicht hätte geben können und diese lediglich auf die Schritte gelenkt worden wären, die da« preußische Ministerium an die kaiserliche Kundgebung zu knüpfen sich veranlaßt gesehen hätte. Wenn also die „Köln. VolkSztg." wirklich den „getreuen Eckart" des Kaiser- spielen will, so entsage sie der Gepflogenheit, den Fürsten Bismarck zu verdächtigen, und empfehle statt dessen den jetzigen Rathgebern des Kaisers, dem Beispiele des Fürsten zu folgen. Am Sonnabend Abend veröffentlichte der „Reichs- und preußische Staatsanzeiger" mehrere ältere Schreiben de« Preu ßischen DomainenministerS an den Handelsminister, aus denen nach der Ansicht des Handelsministers hervorgehen soll, daß die Dvmainenverwaltung die Firma Stantien L Becker, die Pächterin des Bernstciuregals in Ostpreußen, nicht begünstigt und die inländische Bernsteinindustrie nicht geschädigt, Wohl aber die Staatsintereffen auf daS Strengste gewahrt habe. Das Letztere ist zweifellos richtig, und wa- die beiden ersten Feststellungen angeht, so ist anzuerkennen, daß die Begünstigung der Firma und die Schädigung der Bernsteinindustrie erst später als Folgen des mit Stantien L Becker abgeschlossenen Ver trags sich herausgestellt haben, aber weder das Eine, noch das Andere beim Vertragsabschlüsse vorausgesehen werven mußte, geschweige denn beabsichtigt war. Im „Reichs-Anzeiger" wird auch bestritten, daß die Regierung der Firma ein förm liches „Monopol" eingrräumt habe. DaS ist auch richtig, will aber gar nicht« besagen, denn der preußische Domainen- minister von Heyden hat schon vor zwei Jahren im Ab geordnetenhause anerkannt, daß Stantien <L Becker ein that- sächliches Monopol besitzen. DaS der Veröffentlichung im „ReichS-Anz." auf dem Fuße folgende begründete Urtheil hat dieselbe Auffassung und stellt fest, daß Becker das Monopol in rücksichtslosester Weise ausgebeutet und dadurch die deutsche Bernsteinindustrie zum Theil vernichtet habe. Die preußische Regierung hat also, indem sie sich mit Becker einließ, Unheil angerichtet, ohne es zu wollen freilich, aber immerhin Unheil angerichtet. Da entsteht die Frage, ob sie die volkSwirthschaftlichen Nachtheile des Vertrages rechtzeitig gewürdigt hat —Anlaß dazu hatten ihr Abgeordnete aller Parteien geboten —, und die weitere Frage, ob sie Alles gethan hat, um den Schaden so weit wie möglich gut zu machen. Sie war durch Vertrag gebunden. Aber Stantien ck Becker haben zwar die besten Fundorte von Bernstein im Besitze, jedoch nicht alle. Man hätte ihr also Concurrenz bereiten lassen können. Der Land- wirthschaftSminister v. Lucius wollte daS nicht aus siscalischen Rücksichten, denn Stantien ck Becker brachten der StaatS- casse reiche Erträgnisse. DaS war kurzsichtig. Schlimmer aber war, daß, al« man doch dem Gedanken der Anlegung eines Bergwerks näher getreten war, Stantien L Becker dies laut einem Promemoria der Königsberger Negierung zu verhindern wußten. „Trotzdem", sagte der Vertheidiger im Stolper Proceß mit Grund, „hielt die Regierung ihre schützende Hand über da- Monopol der Firma." Der Vertheidiger hat da« Unerfreuliche der in diesem Proceß zu Tage tretenden Tbatsachen mit der Be merkung: „Ich war immer der Meinung, die Regierung habe nicht blos den Geldpunct, sondern auch die sittliche Seite der Ver träge zu prüfen", treffend bezeichnet. Die preußische Regierung hat des Geldes viel zu viel hingenommen von einer Persönlichkeit, die wohl auch sie erst aus dem Proceß kennen gelernt bat, von der sie aber schon vorher wissen mußte, daß sie sich wenig anständiger Mittel zur Vermehrung ihres Reichtbums, sowie zur Niederhaltung der Concurrenz bedient, anmaßend gegen Staatsbeamte ist und diese selbst nicht mit schweren Verleumdungen verschont bat. Es ist das Beste an der Stolper Verhandlung, daß die Beamten rein aus ihr hervor gegangen sind; Herr Becker hat mit einer Macht geprahlt, die er nicht besaß. Aber seine Aeußerungen sind so niedrig beschimpfend nicht nur gegen die Beamtenwelt, sondern auch gegen die deutschen Zustände überhaupt, daß man es sehr bedauern müßte, wenn sich keine Handhabe fände, um diesen ab gewiesenen Kläger auf die Anklagebank zu bringen. Seine frechste Aeußerung: „Ich habe mich überzeugt, daß die Ver hältnisse bei uns um kein Haar besser sind, als in Rußland, für Geld ist Alles bei uns zu haben", datirt aus dem Jahre 1884, ist also längst verjährt. Aber es wäre sehr Wünschens werth, wenn die preußische Regierung einen kleinen Theil des ungeheueren Eifers, den sie auf das Zusammenbringen des Materials für den Frankfurter Fahrkarlenproceß verwenden ließ, der Ermittelung der strasgerichtlich noch greifbaren Leistungen des Herrn Becker zuführte. Mit der Bestätigung des antisemitischen Wiener Bürgermeisters Strobach durch den Kaiser von Oester reich dürfte eine neue Epoche des Parteilebens nicht nur in Wien, sondern in ganz Cis-Leithanien beginnen. Die Frage ist, ob das Cabinet B«deni den Umschwung lange überleben wird. Jedenfalls ist seine Lage eine schwierige geworden. Nachdem Graf Badeni im vorigen Herbst so nachdrücklich gegen die Wiener antisemitische Demagogie und gegen eine Bürgermeisterschaft ihres Führers Lueger Stellung genommen hatte, glaubte die vereinigte deutsche Linke um so be stimmter auf eine konsequente Haltung der Regierung rechnen ru können, als das Cabinet in seiner Programmerklärung sich als eine Regierung der starken Hand eingeführt und die Führung des öffentlichen Geistes für sich in Anspruch genommen hatte. Diese Erwartung ist hinfällig geworden durch die Ehrung, die dem Führer der Wiener Demagogie mit der Audienz beim Monarchen zu Theil wurde, und durch die Thatsache, daß nun doch im Wiener Ge- meinderathe ein antisemitisches Regiment aufgethan wird. Diese Thatsachen stehen mit den vorjährigen Regierungs erklärungen in einem solchen Widerspruche, daß das Vertrauen der Ver. Linken in die Festigkeit und Consequenz deS Cabinets in die Brüche gehen mußte. DaS Ergebniß der Debatte im Club der Linken war denn auch eine in diesem Sinne gehaltene Erklärung, aber die Partei unterließ es, dar aus die vollen Consequenzeu zu ziehe». Mittlerweile batte nämlich die Regierung hinter den Coulifsen ihre Entschuldigung vorgebracht. Die Berufung Lueger'S zum Kaiser ist, wie so gleich vermuthet worden war, gegen die Absichten deS Cabinets auf Grund einer persönlichen Entschließung deS Monarchen er folgt. Ein namhafter Theil der Vereinigten Linken ist aber der Ansicht, daß der Hinweis auf den Befehl des Monarchen die Regierung in einem solchen Falle nicht decken könne, da sie durch ikr Programm verpflichtet war, eine derartige kaiserliche Entschließung hintanzuhallen. Einen Augenblick trat sogar die Gefahr einer Parteispaltung in den Gesichts kreis; eines der hervorragendsten Mitglieder der Linken, der Abg. Sueß, konnte nur mit Mühe von der Absicht, die Partei wegen ihrer schwächlichen Haltung gegen über der Regierung zu verlassen, abgebracht werden. Die Lage ist eine gespannte, zumal da m den deutsch liberalen Wäblerkreisen die Stimmung der Unzufriedenen im Club der Linken vielen Anklang findet. So haben die deutschen Vereine in Prag und Znaim Kundgebungen be schlossen, worin die Linke aufgesordert wird, keine Rücksichten auf die Negierung mehr zu nehmen, und in Wien hat der Wiener Bürgerclub an die Linke die Aufforderung gerichtet, von der Negierung Aufklärungen über ihre geänderte Haltung in der Wiener Bürgermeisterfrage zu verlangen. Wie mau sieht, bat die Lösung dieser Frage das freundliche Verhältniß der Vereinigten deutschen Linken zum Cabinet Badeni in das Gegentheil verkehrt. Dem letzteren dürften daraus ernste Schwierigkeiten erwachsen. In Frankreich bat die Nachricht von der beabsichtigten Entsendung englisch-indischer Truppen nack Suatini lebhafte Aufmerksamkeit hervorgerusen. Es herrscht dort die Ansicht vor, daß ein derartiges Vorgehen Englands, welches die Besitzergreifung eines Ortes, der nach dem Wort laute der internationalen Verträge nicht egyptisches, sondern türkisches Gebiet ist, bedeuten würde, einen ernsten Charakter an sich trüge. Ein solches Ereigniß müßte, wie man betont, bei jenen Regierungen, welche noch an dem Principe der Integrität der Türkei festhalten, Widerspruch Hervorrufen. Die öffentliche Meinung Frankreichs, welche die colonialen Bestrebungen der Republik im Sudan und am Congo mit leidenschaftlicherem Interesse verfolgt, wird naturgemäß von den England zugeschricbenen Plänen beunruhigt, da diese dahin zielen würden, die Quellen des Nil in den Besitz Großbritanniens zu bringen, die französischen Bestrebungen in Afrika zu unterbinden und die Fortdauer der gegenwärtigen Verhältnisse in Egypten zu bewirken. Wie groß nun auch die Beunruhigung gewisser französischer Kreise über die erwähnte Nachricht sein mag, so überwiegt doch die Ansicht, daß die französische Regierung eine isolirte Action zur eventuellen Verbinde- rung der angedeuteten Gefahren nicht einleiteu sollte. Man glaubt vielmehr, daß die Fragen, welche durch die anglo-egyptische Expedition nach dem Sudan aus geworfen wurden, nur durch em gemeinsames Vorgehen der Mächte einer befriedigenden Lösung zugeführt werden können. Die französische Regierung hat bisher mit Bezug auf diese Angelegenheit noch keine entscheidenden Beschlüsse gefaßt, dieselben werden aber, nach den in Betracht kommen den Interessen Frankreichs zu schließen, sich kaum auf einer anderen Basis als der angedeuteten bewegen. Feeeilleton. Die Tochter des Millionärs. 14s Roman aus dem Englischen von L. Vernfeld. Machdruck vrrbvten.) „Darf ich fragen, ob Sie mit einem Male vollständig den Verstand verloren baben, Helene Greville?" rief der Capitain Seudamore im Tone de- höchsten Erstaunen« aus. „Sagen Sie mir um Himmelswillen, worüber sind Sie so furchtbar aufgeregt? Auf welches Brillanthalsband spielen Sie an? Uad weshalb glauben Sie, daß ich ein solche- im Geheimen bei mir trage? Ich verstehe Sie nickt?" „Ich habe meinen Verstand nicht verloren," rief Helene leidenschaftlich, „obgleich ich mich nickt wundern würde, wenn dem so wäre. Ich bin die einzige Person in der Welt, welche Sie wirklich kennt, Philipp kennt, wie Sie sind, nicht, wie Sie zu sein scheinen! Und darum können Sie mich nicht täuschen! Ick sage Ihnen weiter nicht-, al- daß Beatrix Hopley'- Brillanthalsband heute Nacht au- ihrem Zimmer entwendet worden ist!" Er zuckte sorglos die Achsel. „Da- thut mir leid," sagte er leichthin, „aber wollen Sie mir nicht sage», wa- da- mit mir zu thun hat? Wa- geht die Sache mich an? „Alle- -- da Sie, wie ich vermuthe, mehr davon wissen, als irgend «in Anderer! Sie sind e- gewesen, der Beatrix veranlaßt hat, den Schmuck abzulegen I Und wa- hatten Sie beute Nacht in Beatrix Zimmer zu thun? Wie? Sie haben mir freilich «ine bunt« Geschichte von Miß Harnaß erzählt, aber ich glaube Ihnen nicht, daß Miß Jane mit Ihnen dort oben war! Und wie schrecklich haben Sie mich bedroht, um da- Versprechen von mir zu erlangen, nicht« von Ihrer An wesenheit dort oben zu verrathrn!" Philipp'- Gesicht überzog sich mit dunkler Röthe. „Es ist wirklich unglaublich, wie Sie e« wagen können, mich so berau-zufordern! Hören Sie, Helene Greville" — er ergriff sie ungestüm bei der Hand und zog sie nach dem nahen Abhang bin — „sehen Tie diesen Avgrund, an dem wir stehen? Blicken Sie hinab. — Es sind wohl hundert Fuß oder mehr bi- zu dem rauschenden strömenden Fluß dort unten! Wer will mich hindern, Sie iu dies« Untief» biaab „Da- kann gar nicht in Betracht kommen! Ich werde einfach meine Pflicht thun und der Wahrheit die Ebre geben. — Und nun kehren Sie nach Highmoor zurück. Dieser Fuß weg wird Sie, wenn Sie sich etwas links halten, in kürzester Zeit ans Ziel führen. — Und Helene — Eines will ich Ihnen noch sagen: Wenn Sie schweigen und Niemanden verrathen, daß Sie mich gestern dort oben in dem Corridor gesehen haben, so will ich versuchen, Ihnen den häßlichen und grausamen Verdacht, den Sie gegen mich hegten, zu vergeben! Sprechen Sie darüber — um so schlimmer für Sie!" Diese letzten Worte machten ihr Alles wieder klar. Wie konnte es nur möglich sein, daß sie sich in solcher unbegreif lichen Weise hätte täuschen lassen! Helene verfolgte den Weg heimwärts, mehr al« je überzeugt, daß ihre erste Ansicht die richtige gewesen war. XII. AIS Beatrix die Schublade ihres Toilettentisches öffnete, und daS Halsband, welches sie erst vor kurzer Zeit abgelegt hatte, nicht mehr darin vorfand, starrte sie einige Augenblicke sprachlos ans den leeren Platz. Sie hatte ihr Gesellschafts kleid bereits abgelegt und sich von Karoline daS Haar für die Nackt ordnen lasfen. Das Mädchen war im Zimmer anwesend und beschäftigt, einige Garderobestücke Beatrix' zu sammenzufalten. „Wünschen Sie noch etwas, gnädiges Fräulein?", fragte Karoline, im Begriff daS Zimmer zu verlassen. Beatrix wandte sich um, so daß der volle Schein der Lampe auf das Gesicht des Mädchens fiel. „Sind Sie heute Abend hier oben in meinem Zimmer gewesen^ Karoline — ich meine, seit dem Beginn des Tanzes?" „New, gnädiges Fräulein. Ich hätte eigentlich hinauf geben müssen, um ein wenig aufzuräumen, doch ich habe Alle- über dem Vergnügen de- ZusckauenS unten vergessen, ich hoffe, daß Sie mir darum nicht böse sind." „ES ist gut, Sie können jetzt gehen." DaS Mädchen verließ da- Zimmer. Nicht der leiseste Schimmer von Verwirrung oder Schuldbewußtsein war auf ihrem Antlitz zu lesen. Als Beatrix allein war, zog sie die Schublade vollständig au« dem Tische berau« und unterwarf dieselbe mit möglichster Ruhe und Selvstbeherrsckung einer sorgfältigen Prüfung. Der Kasten war mit Taschentüchern angesüllt und sie er innerte sich ganz genau eine« besonderen Taschentuch«- mit blauem Rand, auf welches sie da- Halsband gelegt hatte. Der Schmuck war fort. Beatrix blickt« hinter dir Schub zustürzen? Ihre geschwätzige Zunge würde dann für immer verstummen!" Schaudernd wandte sich Helene ab. „Sie wollen mich tödten, Philipp!" stammelte sie, an allen Gliedern zitternd und todtenbleich auf ihn hinstarrend. „Ha, wie Sie zittern! Wie feige Sie sind! Und doch wagen Sie, mir ins Gesicht zu sagen, ich sei ein Dieb?" Für einen Augenblick wurde sie wankend. Sein Aerger und seine Entrüstung — selbst seine Drohungen, so furchtbar dieselben auch waren, trugen den Anschein der Wahrheit. Vielleicht hatte sie ihm dennoch mit ihrem schrecklichen Arg wohn Unrecht gethan und er war unschuldig. „Thal ich Ihnen Unrecht, Philipp, so vergeben Sie mir. Alles deutete auf Sie hin. Ich wußte, daß Sie sich in Geld verlegenheit befanden, ich sah Sie oben auf dem Corridor au« Beatrix Zimmer kommen, und sollte glauben, daß die- «in bloßer Zufall gewesen wäre? Wer anders konnte denn das Halsband genommen haben, da, wie es scheint, nur Sie allein wußten, daß Beatrix dasselbe abgelegt und in ihrem Zimmer verwahrt hatte." „Ah — hat sie da- gesagt?" sagte er plötzlich nachdenk lich werdend, „hm, ich konnte eine andere Geschichte erzählen!" „So wissen Sie etwas über den Dieb?" rief Helene eifrig. „Ich weiß Folgende-: Ich sah daS Mädchen Miß Hopley'S, kurz bevor ich Sie traf, auS dem Zimmer ihrer Herrin kommen!" „Das nette junge Mädchen! Ach, sie ist ja schon seit Jahren bei der Familie Hopley, Beatrix schätzt sie sehr! Nein, ich glaube keinen Augenblick, da- Karoline jenes Hals band genommen hat!" „Sie scheinen es leichter von mir zu glauben, aber ich bin überzeugt, daß Karoline die Diebin ist und werde heute Abend nach Highmoor hinüberkommen, um den Beamten mein Zeugniß in dieser Hinsicht zur Verfügung zu stellen." Helene schwankte noch immer. Seine Sicherheit war so groß, seine Kaltblütigkeit so erstaunlich, sein ganzes Auftreten so ruhig und selbstbewußt, daß sie nur «»nehmen konnte, sich getäuscht zu haben und zu voreilig in ihren Folgerungen gewefen zu sein. Sir versuchte, sich zu entschuldigen und bat ihn, ihr zu verzeihen. „Ick werde Ihnen dies niemals verzeihen", sagte er kühl, „eS aieot gewisse Dinge, für die keine Verzeihung möglich ist." „Da- thut mir sehr seid, noch mehr aber bedauere ich eS, daß der Verdacht sich gegen da« Mädchen richten soll; ich «eiß, daß Beatrix r« sehr schätzt", sagte Helene nachdenklich. lade, um zu sehen, ob da« Gesuchte vielleicht auf irend eine Weise dort hinausgefallen sei, sie öffnete da- Sammetetui, welches auf dem Ankleidetische stand — eS war leer. Nach sorgfältigem Suchen an allen nur erdenklichen Plätzen im Zimmer, wohin sie da- Halsband vielleicht zufällig selbst dätte hinleben können, kam sie zu dem Schluß, daß es wirk lich fort wäre und daß e- von irgend Jemandem entwendet sein mußt«. Zitternd setzte sie sich endlich nieder. Der Verlust des Halsbandes berührte sie weniger, als der peinliche Gedanke, daß Jemand während ihrer Abwesenheit das Zimmer be treten habe, um sie zu berauben, andererseits wußte sie aber auch, daß ihr Vater über den Verlust deS werthvollen Schmuckstücks sehr aufgebracht sein und sie wahrscheinlich ernstlich tadeln würde, daß sie so sorglos mit demselben um gegangen sei. Doch war dies der geringere Kummer, den sie empfand. Was sie schwer beunruhigte, war die nicht zu beantwortende Frage: Wer konnte den Schmuck genommen haben? Ihr besseres Gefühl verwarf augenblicklich den Gedanken an ihr Mädchen. Karoline war bereit« mehrere Jahre bei ihren Eltern, sie war ein gute«, brauchbares, wenn auch vielleicht etwas flüchtiges, junges Mädchen, aber ohne Frage von der größten Ehrlichkeit und ihrer jungen Herrin treu ergeben. Beatrix dachte an die verschiedenen männlichen An gestellten de« Hause-, an die Jäger und Arbeiter, welche bei den Vorbereitungen zu dem gestrigen Feste berangezogen worden waren, an die ältliche Schottin, welche zur Bedienung von Miß Harnaß da war; doch wie sie auch nachgrübeln mochte, e« schien sich nicht der geringste AuSwcg au« diesen Schwierigkeiten finden zu wollen. Einmal sogar durchzuckte sie die Erinnerung an die sonderbare Art und Weise, in welcher Philipp, als sie nach ihrem Zimmer ging, um die von ihm beanstandeten Brillanten abzulegen, hinter ihr die Treppe hinausgeeilt war, der Gedanke kam ihr mit über wältigender Macht und ein ihr sich aufdrängender Verdacht ließ fast da« Blut in ihren Adern erstarren. „O nein, nein, nein!" rief sie laut, erhob sich hastig und ging in höchster Erregung im Zimmer auf und nieder, be müht, diesen furchtbaren Gedanken zu verbannen." „ES ist das Werk von erfahrenen Dieben, La- ist gar kein Zweifel, ein Anderer kann den Raub nicht auSgesührt haben. ES ist beute Nacht hier «ingebrochen worden — und Gott im Himmel — sie haben vielleicht noch mehr gestohlen — da- Silbergeschirr — di« Räuber sind vielleicht gar nock
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