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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.05.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-05-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960519018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896051901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896051901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Bindung fehlerhaft: Seiten in falscher Reihenfolge
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-05
- Tag1896-05-19
- Monat1896-05
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Nröhere Schriften laut unserem Preis- verzeichnitz. Tabellarischer und Zlfsernsatz nach höherem Daris. Extra-Vellage« (gesalzt), nur mit »er Kstorgen - Ausgabe, ohne Postbesökderung SO.—, mit Postbeförderuug 7V.—. Ännahmeschlvß für Änzeizen: Abend-Ausgabe: Bormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halb» Stunde früher. Anzeigen sind stet» an die Erpedtttou zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig Dienstag den 19. Mai 1896. W. Jahrgang. 251. Die Erledigung der Reformgesetze. Nach dem gegenwärtigen Stande der Dinge darf mit ziemlicher Sicherheit erwartet werden, daß der Reichstag alle jene Gesetzentwürfe wirthschaftlicher Natur, die zu Gunsten der Landwirtbschaft und de» mittleren und kleinen Gewerbes in dieser Session ihm unterbreitet wurden, demnächst im positiven Sinne erledigt. Drei dieser Gesetze sind schon endgiltig beschlossen und liegen jetzt dem Bundeörathe zur Verabschiedung vor. Da« eine, da« Zuckersteuergesetz, sucht die doppelte Gefahr zu beseitigen, die dem deutschen Rübenbau und der heimischen Zuckermdustrie aus den hohen Zuckerprämien des Auslände«, sowie aus der Neigung zur Ueberproductiou drohen, va« andere weist die C o n su m v e r e i n r, Coosumanstalten, Beamten- und Officier-verrineu.s. w. in die Grenzen ihrer berechtigten Betriebsamkeit ; da« andere erschließt dem Richter wie den Gewerbetreibenden und Gewerbe verbänden die Thore zum entscheidenden Kampfe gegen den unlauteren Wettbewerb. Zwei weitere wichtige Gesetze sollen noch vor Pfingsten ebensoweit gefördert werden: das Börsengesetz und die Novelle zur Gewerbeordnung, deren Zweck e« namentlich ist, dem Gewerbebetrieb im Umherziehen (Hausirhandel) und dem Aufsuchen von Bestellungen bei Privatkundschaft (Detailreisen) engere Schranken zu ziehen. Die anderen Regierungsvorlagen, die hier in Betracht kommen, also die Gesetze über die Aufbewahrung fremder Werthpapiere (Depotgesetz) und über den Verkehr mit Butter, Schmalz, Käse und deren Ersatzmitteln (Margarine gesetz), bleiben der definitiven Erledigung nach Pfingsten Vorbehalten. Schon au« der Aufzählung dieser Gesetzesvorlagen ergiebt sich, wie mannigfaltig die Ziele sind, denen die staatliche Für sorge zustrebt, indem sie den bedrängten und nothleidenden Gliedern unserer nationalen ErwerbSwirthschaft helfen will. Dabei sind nur Vorlagen der Regierung an den Reichstag aufgezählt. Will man auch in Betracht nehmen, was aus der Mitte deS Reichstag« selbst beantragt ist (Beseitigung der gemischten Transitläger, Aufhebung de« Zollcredit« u- s. w.), und wa« die Einzellandtage und di« einzelstaatlicke Verwal tung angebt und zur Zeit beschäftigt (Kornspeicher, Erhöhung de« Capitals der Centralaenossenschaftscaffe in Preußen, Hypotbekencreditreform in Bayern u. s. w.), so verwirrt sich das Bild fast bis zur Unübersichtlichkeit. Nun beziehen sich alle diese Maßregeln unmittelbar auf Beschwerden, die aus dem Mittelstand heraus erhoben wurden, und zwar laut und zu wiederholten Malen. Wie die Ab hilfe, ist also auch dieVeranlassuna drrBeschwerden eine außer ordentlich mannigfaltige; da« muß angesichts der bunten Folge von Gesetzen und GesctzeSnovellen heute selbst dem blödesten Auge erkennbar geworden sein, und weil es an dem ist, hat auch die Vorstellung von der Allheilkrast eine« einzigen, fei cS noch so „großen" Mittels nicht länger Bestand. Was die Wahl in Osnabrück bereit« zu Tag« gebracht hat, wird jetzt durch erfreuliche Nachrichten aus der Pfalz neu be stätigt. Der Antrag Kanitz hat feine Zugkraft eingebüßt. Noch mehr, in der Pfalz wird durch ein führende« Organ des Bun des der Landwirthe ein Kreis-Vorsitzender des Bundes gerade deshalb al« Gewinn für die Abgeordnetenkammer begrüßt, weil er um die Werke der Selbsthilfe,um daSGenossenschaftswesen, sich so große Verdienste erworben habe. DaS sind höchst erfreuliche Merkmale eine« LäuterungSprocesse«, der, je früher, desto besser von den Gliedern au« auch das Haupt, die centrale Leitung der Agrarbewegung, erfassen möge. Eine minder einseitige Haltung dieser Führer wäre namentlich gegenüber dem Mar garinegesetz zu wünschen. Einige Veränderungen, welche an diesem RegierungSenlwurf mit Hilfe deS Eentrums vor genommen Md — Verbot de« Färbens der Margarine und Verbot des Verkaufs von Margarine und Butter in dem nämlichen GeschäftSlocal — haben wir schon kürzlich als Ausfluß de« rücksichtslosen Eigennütze« gekennzeichnet. Dir Führer der Agrarbewegung waren besser berathen, wenn sie hier, wo es sich um sociale, wo nicht einfacher noch um humane Rücksichten handelt, au« freien Stücken die Pflöcke zurücksteckten. Dann wäre auch dem Abschluß der Reform arbeiten um so leichtere Bahn bereitet, und die Mehrheiten dafür würden um so größer werden. . Bi« auf diese beiden Punkte hat die national liberale Partei im Reichstag der Mehrheit für daS Reform werk sich angeschlosfen, vielfach sogar in ausschlaggebender Stellung den einzelnen Gesetzen die charakteristische Prägung gegeben. DaS hat nun wieder nach anderer Seite hin die Gemüther erregt. Schon erneuert sich das Wehklagen über Verrath am Liberalismus, oder es wird billiger Spott über das Rasseln der Ketten des Bundes der Landwirthe geübt. Günstigen Falle« zuckt man die Achseln über diese Art von „Gesetzesmacherei", „Paragraphenschmieden" u. s. w. Nun ist ja selbstverständlich eine solche Fülle gesetzgeberischer Abhilfe und Verbesserung nicht denkbar, ohne daß in eben solcher Fülle auch Interessen entgegenstehender Natur gefährdet werden. Zum Theil ist dies direct die Absicht der Gesetz gebung, weil eben die entgegenstehendcn Interessen als un berechtigt erkannt sind. Anderntheils ist aber auch sehr viel gegenstandslose Besorgniß mit im Spiel, als ob große und berechtigte Interessen um etlicher Mandate willen leichtfertig geopfert würden. Die wirklich Bedrohten und die furchtsam Gemachten sinken sich dann, von gewandten Partei-Auguren sanft am Faden gezogen, zusammen und organisiren sich als Schutzverband. Es folgen Aufrufe, Ansprachen, Zeitungsartikel aller Art, und wer sich betäuben läßt, mag thatsächlich des Glaubens leben, als gelte eS auf Jahre und Jahrzehnte hinaus, gegen „Uebergriffe" sich, ZU wehren. Dabei ist nicht mehr und nicht weniger übersehen als die Hauptsache. Wir befinden uns nicht am Anfang der gesetzgeberischen Action für die bedrängten Interessen des Mittelstandes in Stadt und Land, sondern mitten in der selben, und wir übersehen auck das ganze Arbeitsgebiet für den Abschluß der Hilfs- und Reform-Action. Die sicheren Mehrheiten sür den Abschluß sind vorhanden ; bi« Neuwahlen kommen, ja noch geraume Weile vor denselben, wird die Politik schon mit ganz anderen Aufgaben zu rechnen haben. Namentlich die gegenwärtig den Reichstag beschäftigenden Gesetze werden binnen Jahresfrist im Wesentlichen nur mch dem BolkSwirlh und dem praktischen Volksfreund zu schaffen machen, insofern nämlich, al« e« dann gilt, die erwerblichen Mittelklassen anzulriten, daß sie zweckmäßig nutzen, wa« ihnen in den neuen Gesetzen und in den Ausführungs bestimmungen dazu an Schutz und Förderung dargeboten sein wird. Für die Politik wird es sich dann lediglich darum handeln, diese Zukunft der ehrlichen Probe auf alle« Reformwerk unbehindert sich entwickeln zu lassen. Einer Abwehr von Uebergriffen so, wie sie jetzt orqanisirt ist, wird demgemäß da« Object fehlen. Denn wa« zu Gunsten de« Mittelstandes etwa noch zu thun übrig bleibt, liegt auf dem Gebiete de« LebrlingswesenS, der Fachschule, der gewerb lichen und kaufmännischen Ausbildung und der Selbsthilfe. Das kann weder materielle Interessen Dritter gefährden, noch wird c« grundsätzlichen Streit entfachen. Aber es gab eine Gefahr, mit deren Abwehr wir uns, wenn den nothleidenden Erwerbsständen jetzt aller Beistand verweigert worden wäre, ernsthaft hätten ve)chäftiaen müssen, nur daß dann wahrsch-mlich alle Mübe umsonst gewesen wäre: die Gefahr der wirthschaftspolitischen Reaktion gegen alle und jede Freiheit, die mit dem Deutschen Reiche für Handel und Wandel begründet worden. Wenn heute wieder einmal versucht wird, die Grenzen deS Liberalismus derart eng zu ziehen, daß innerhalb derselben für die Mitwirkung an wirthschaftspolitischer Reform kein Platz mehr bleiben soll, dann muß doch auf jene Perspective hingewiesen werden. Die Freiheit de« erwerbSwirthschaftlichen Lebens, deren wir un« erfreuen, ist demnächst drei Jahrzehnte alt. Die wenigen Schranken, die gegen Auswüchse dieser Er werbsfreiheit seither errichtet wurden, stellen sich dar in den Novellen zur Gewerbe-Ordnung, insbesondere über InnungS- wesen, im Nahrungsmittelgesetz, im Wuchergesetz von 1880, bezw. der Novelle zu diesem Gesetz von 1893, allen falls in dem Actiengesetz von 1884. Daß anderweit kein Mißbrauch mit so viel Freiheit erlebt worden wäre, will hoffentlich Niemand behaupten. So ganz ohne Grund war doch weder die Klage des Kaufmanns über den Reclame- schwindel, noch die deS Consumenten über betrügerische Manipulationen beim Verkauf von Waaren aller Art, ins besondere von Nahrungs- und Genußmitteln, noch die Klage des Producentcn über die Schädigung durch da« Disferenzspiel an den Börsen. Und dies Alles ist eben Mißbrauch der Erwerbsfreiheit. Nun kann man sich am Biertisch der Großstadt wohl darum streiten, ob man die eine oder andere Form des Börsengeschäfts, der Reclame u. s. w. nock gewähren lassen sollte oder schon unter drücken darf. Im Neichsparlament und für die Reichspvlitik war die Entscheidung ganz anders zu treffen. Nach der Zusammen setzung deS Reichstags, an der auch Neuwahlen nichts ändern würden, und nach der Stimmung landauf landab handelte es sich nur noch darum, ob die verletzten und bedrückten Interessen jetzt in verständigen, gangbaren Wegen zu ihrem Rechte kommen würden, ohne daß die Erwerbsfreiheit als solche dabei die Kosten zu bezahlen hätte, oder ob der zusammengeballte Unmuth geschädigter Interessen mit dem Mißbrauch der Freiheit auch diese selbst unter drücken würde. Die nationalliberale Partei hat niemals den Standpunkt vertreten, daß die Freiheit auch für Den, der sie nur mißbrauchen will, gegeben sein sollte; sie hat stets der Ueberzeugung gehuldigt, daß jede Freiheit dann am besten bebütet i>t, wenn man sich auch bereit finden läßt, offenbare Mißbräuche zu unterdrücken. Die nationalliberale Fraktion des Reichstaas hat in diesem Geiste an den wirtbschaftS- politischen Reform»orlagen der Session 1895/96 mit gearbeitet und damit auf absehbare Zeit hinaus der Gefahr einer radikal durchgreifenden wirthschaftspolitischen Reaktion vorgebeugt. Deutsches Reich. Berlin, 18. Mai. Das zwischen der Reichsregierung und der Neuguinea-Compagnie getroffene Abkommen bezüglich der Uebernahme der Landeshoheit über daS Schutz gebiet der genannten Gesellschaft durch das Reich beseitigt die letzte Spur der Anomalie in der Verwaltung der deutschen Colonien. Die Neu-Guinea-Compagnie ist bekanntlich die einzige deutsche Colonial - Gesellschaft, welche bis jetzt noch neben ihren wirthschaftlichen Aufgaben mit der Ausübung von Hobeitsrechten betraut war, nachdem zuerst die südwestafrikanische Gesellschaft und dann auch die ostasrikanische Gesellschaft alle HoheitSrechte ausgegeben hatten. Die Denkschrift, welche der in dem jetzt dem Reichs- tage vorliegenden Nachtragsetat enthaltenen Forderung von 273 000 für die Uebernahme der Landeshoheit durch daS Reich beigegeben ist, bestätigt die bereits in der vorigen Session von der Colonialverwaltung wie von verschiedenen Mit gliedern Les Reichstages hervoraehobenen Unzuträzlichkeiten, die sich auS der andauernden Ausübung staatlicher Hoheitsrechte durch eine private Erwerbsgesellschaft ergeben müssen. In der Reichstagssitzung vom 28. März vorigen Jahres führte der Centrumsabgeordncte Bachem Klage über die Behandlung der katholischen Missionare durch die Leitung der Neu- Guinea-Compagnie, und der Abg. vr. Hammacher sprach im Verlaufe der Erörterungen die Ueberzeugung aus, daß es an der Zeit sei, den bei der Ueberlassung der HoheitS- rechte an die Gesellschaft vor 10 Jahren begangenen Irr- thum gutzumachen. Ministerialdirektor Kayser sicherte damals zu, den Versuch zu machen, mit der Neu-Guinea-Compaguie betreffs der Uebernahme der Hoheitsrechte durch das Reich in Unterhandlungen zu treten. Das Ergebnis dieser Unter handlungen ist bas jetzt vorliegende Uebereinkommen, welches den am 17. Mai 1885 der Gesellschaft ausgestellten „Schutz brief" in den auf die Ausübung der Landeshoheit be züglichen Bestimmungen abändert. Das Abkommen ist ein definitives und unterscheidet sich dadurch schon sehr zu seinem Vortheil von dem am 23. Mai 1889 zwischen dem Auswärtigen Amt und der Neu-Guinea-Compagnie abgeschlossenen, durch welches die Ausübung der landeshoheitlichen Rechte ein schließlich der Gerichtsbarkeit „auf Kündigung" auf das Reich übertragen wurde. Die Gesellschaft machte schon nach 3 Jahren von dem Rechte der Kündigung Gebrauch, so daß seit dem September 1892 wieder da« alte Verhältniß in Kraft war. DaS neue Abkommen trifft außer über die Landeshoheit auch Bestimmungen über die Eigentbumsrechte der Neu- Guinea-Compagnie. Es sichert dem Reiche daß Recht zu, gegen eine gewisse Geldleistung die der Gesellschaft noch be laßenen Rechte und Befugnisse bi« zum 1. April 1905 ab zulösen. Die Ablösungssumme ist, falls die Ablösung bi« zum 1. April 1900 slattfindet, aus 4 Millionen Mark bemessen, sie steigert sich dann jedes Jahr um 120 000 würde sich also im äußersten Falle auf 4,6 Millionen Mark belaufen. Angesichts der Tbatsache, daß die Neu-Guinea-Compagnie für die wissenschaftliche Erforschung des Schutzgebietes, für Anlegung von Stationen und sür die Verwaltung bereits eine Summe von 10 Millionen Mark aufgebracht hat,wird mandieseAblösungSsumme schwerlich als zu hoch gegriffen bezeichnen können. Von colvnial- feinLlicher Seite ist schon im vorigen Jahre der Versuch unter nommen worden, gegen die Uebernahme der Verwaltung des Schutzgebietes auf das Reich mit der Behauptung Stimmung zu machen, daß jede Möglichkeit, wirthschaftlichen Nutzen aus der Colonie zu ziehen, ausgeschlossen sei. Dieser Behauptung sieben indessen die Untersuchungen vr. Hollrung'S, Hugo Zöller'S und anderer Kenner des Landes, sowie da« Urtheil des früheren Landeshauptmanns Schmiele gegenüber, der die Fruchtbarkeit von Kaiser-Wilhelms-Land weit über die von Sumatra und Ceylon, ja über die Javas stellt. Die Vor bedingung einer ausgiebigen Nutzbarmachung des Landes ist indessen eine festgeordnete Verwaltung. Das einzige Opfer, welches daS Reich bisher für das Colonialgebiet der Neu-Guinea-Compagnie gebracht bat, besteht in der seit ein paar Jahren eingefuhrten subventionirten Dampferlinie, die sich von der ostasrikanischen Linie abzweigt und einen Zuschuß von 218 000 erfordert. Wir sind der Meinung, daß die aussichtsreiche Entwickelung jener Colonialgebiete, um deren Behauptung Fürst Bismarck einst einen energischen diplo matischen Feldzug mit England führte, wohl das jetzt geforderte Opfer einer Viertelmillion Werth ist. * Berlin, 18. Mai. Der „Vorwärts" berichtet: „Das „Vater unser" ist nicht als Gebrauch oder Einrichtung der christlichen Kirche anzuseben, wie vorgestern die erste Strafkammer am Landgericht II Berlin in einer einschlägigen Sacke entschied. Unser Parteigenosse, Stadtverordneter Töpfermeister Friedrich August Wilhelm Schroer aus Spandau war wegen Beschimpfung von Einrich tungen und Gebräuchen der christlichen Kirche angeklagt. In einer Communalwäbler-Versammlung, die vom Arbeiter-Bezirksverein einberufen, am 14. Tecember vorigen Jahres in Spandau stattsand, hat der Angeklagte alS Antwort aus eine Anfrage den Religionsunterricht in den Schulen kritisirt. Insbesondere hat er getadelt, daß den Kindern im Religionsunterricht lange Sätze ohne ausreichende Erklärung eingcpaukt werden, welche dieselben nicht verstehen und deshalb allerlei Allotria damit treiben, was die wahre Religiosität schädige. Er hat dabei auf seinen eigenen Sohn exemplisicirt, von dem er einen Spruch gehört haben will, der mit den Worten „Vater unser" begann, aber in trivialer Weise endete. Der Angeklagte bat diesen Spruch in der Versammlung recitirt und damit stürmische Heiterkeit erweckt. Daran nahmen jedock die über- wackenden Polizeibeamten Anstoß und auf deren Anzeige hin wurde Anklage erhoben. Tie Verhandlung sand unter Aus schluß der Oesfentlichkeit statt; nach wiederbergeslellter Oeffent lichkeit verkündete der Gerichtshof, daß die Annahme, das „Vater unser" sei eine „Einrichtung" oder ein „Gebrauch" der christlichen Kirche, nicht als zutreffend erachtet werden könne. Als Gebrauch oder Einrichtung der christlichen Kirche sei daS Beten im Allgemeinen anzusehen, wer aber ein einzelnes Gebet angreift, wendet sich deshalb noch nicht gegen den Gebrauch des Beten« überhaupt. Von der Beschimpfung müsse daher der Angeklagte freigesprochrn werden. Aber auch Pfingftreijen. Frühling ist gekommen Brün bergauf, bergab, Froh zur Hand genommen D'rum den Wanderslab! Von allen Orten ergeht Einladung zum Besuch während der Reisezeit, insbesondere für die Psingstfeiertage oder dir Ferienzeit. Durch die Eisenbahnen und deren billige Preise wird Mancher, besonders mancher Großstädter verleitet, weit entlegene Gegenden aufzusuchen, große Städte, hohe Gebirge, prächtige Seen und Meere. Oft genug wird dadurch da liebe, schön« Heimatbland übersehen und der Besuch der herrlichen Sächsischen Schweiz wird abgethan durch Be nutzung einer Sonntags^Extrafahrt, die schönen, waldigen Gebiete und die aussichtsreichen Berge de« Vogtlande«, der Lausitz oder de« Erzgebirge« werden nickt mehr aus gesucht, da e» zeitgemäß ist, über Besteigung hober Alpen kegel, Besuch de« Nordcap« oder der egyptischen Pyramiden zu berichten. Anschauungen und Ansprüche haben sich selbstredend ändern müssen, seitdem die neuen Verkehrsmittel so große Erleichterung bieten, immerhin ist aber da« Reisen nach weiten Gegenden mehr eine Anstrengung al« eine Erholung, und doch erfordert da« Hasten und Jagen in unserer Zeit von Manchem kate gorisch, daß er zeitweise ausspannt, auSruht und neue Kräfte sammelt. In unserem Heimathland ist wobl keine Gegend hierzu geeigneter als daS Erzgebirge mit seinen duftreichen großen Nabelholzwaldungen, mit seinen langen wasserreichen Thälern und seinen vielen Höhenpuncten, welche zum Theil herrliche Aussicht bieten weit hinab in den niederen Theil des Landes. Schon seit längeren Jahren unterstützt die Verwaltung unserer StaatSeisenbahnen hervorragend den Besuch deS Erz gebirges durch Ausgabe billiger Fahrkarten dahin, und sind es 2 Serien, welche benutzt werden können; theils solche, welche nur auf sächsischen Bahnen bis zu den Höhen hinauf die Reise vermitteln, theils solche, welcke über daS Gebirge hinweg auch den Besuch Nordböhmens mit seinen Weltbadern ermöglichen. Bon der ersteren Sorte gelangt in Leipzig eine Zahl auch in der Auskunftsstelle deS hiesigen ErzgebirgS- ZweigvereinS (Cigarrenbandluna G. Kietz, Petcrsstraße) zur Ausgabe; auck ist daselbst ein Verzeichniß der Rundreise karten nach dem Erzgebirge erhältlich. Nun also, ausgerüstet mit einer Fahrkarte, welche bei Aufstellung eines Reiseplanes besten Anhalt bietet, beginnen wir an den bevorstehenden Pfingsttagen unsere mehrtägigen Ausflüge. So interessant auch Freiberg und der Nest seines früher so ertrag-reichen Bergbaues, so lieblich auck da- Thal der Freiberger Mulde mit dem beliebten Sommerfrischenort Mulda, so lohnend auch der Besuch der hochgelegenen Städte Sayda und Frauenstein, welche endlich nun auck bald Lurch Eisenbahn direkt zu erreichen sein werden, so mag dock dieser östlich« Tbeil de« Erzgebirge«, nach welchen di« Fahr karte Nr. 15 bestimmt ist, diesmal unberücksichtigt blriben, denn di« etwa» writer« Tour dahin lohnt erst dann, wenn man üb«r Bienenmühle hinauf nach dem königl. Jagdschloß Rehrfeld und writer nach Mückenthurm und dann hinab nach Eichwald und Teplitz wandert. Der mittlere Tbeil de« Erzgebirge« wird von uns au« besucht über die Metropole der sächsischen Industrie, das schornsteinreiche Ehemnitz, von welchem au« im Flöbathal, Zsckopauthal und Chemnitztbal Eisenbahnlinien nach den Höben des Erzgebirge« binausführen. Die ansliegenden Fabr- karten gestatten in dankenswerther Weise wahlweise Be nutzung nach Olbernhau, Reitzenbain, Jöhstadt oder Anna- berg und fast erscheint es schwierig, zu einer Linie besonders anzuratben. Die beiden ziemlich parallel laufenden, von Flöha abzweigrnden Thäler der Flöha und der Zschopau bieten beide großartige industrielle Etablissements und an den Walbgehängen interessante Spaziergänge oder FelS- partien mit Aussichtspunkten. Zwischen beiden liegt die mächtige Augustusburg, daS letzte Werk unseres alt berühmten Leipziger Baumeisters und Bürgermeisters während 7 Jahre, Hieronymus Lotter; zwischen diesen Thälern erstrecken sich lange Dörfer, in welchen seit langen Zeiten die sächsische Holz- und besonders die Spielwaaren- erzeugung gepflegt wird, zwischen diesen Thälern und beider seits derselben finden sich auch eine Anzahl gern besuchter AuSsichtSpuncte. Es wird Niemand gereuen, in der herrlichen Pfingstzeit einen Ausflug in das Gebirge zu unternehmen und denselben auSzudehnen nach dem sich kräftig entwickelnden Olbernhau in weiter Thalebene, über das Oertchen Seiffen mit seiner interessanten Schacktelwaaren-Holzindustrie nach dem in WaldeSmitte gelegenen Bad Einsiedel, nach Zöblitz seit Jahr hunderten bekannt durch seine eigenartige Serpentinwaaren- Fabrikation oder nach Marienberg da- regelmäßig gebaute Städtchen mit seinem von Bäumen umrahmten Marktplatz. Seit langen Jahren bekannt ist da« Bad „zu unsrer lieben Frauen aus dem Sande", jetzt „Marienbad bei Wolken stein" benannt, und auf dem Wege von Marienberg dahin besucht man gern den Prinzeß-Marien-Thurm, von dem Erz gebirgsverein auf der Dreibrüderhöbe errichtet. Wenn man im Zschopauthal von Flöha hinausgelangt ist bis Wolken stein, vielleicht auf die in geologischer Hinsicht sebr bekannten und viel besuchten Greitensteine zwischen Tbum, Ehren friedersdorf und Geyer als Abstecher besucht hat, so gilt es nun, sich zu entscheiden, ob man die schmalspurige Bahn im Preßnitzthal nach Zöbstadt, oder die Hauptbahn nach Annaberg benutzen will. Wählt man da» Letztere, so gelangt man an Wiesenbad vorüber bald nach Annaberg, der Haupt stadt deS oberen Erzgebirges. Im September dieses Jahre« will man dort durch eine große Feier daran erinnern, daß reicher Bergsegen zur Gründung einer Stadt auf dem un- wirthlichen Fastenberge, damals im dichten Wald noch ge legen, vor 400 Jahren Veranlassung bot und wer beute die schmucke Stadt mit seiner weltbekannten Posamentenindnstrie besucht, wird gern ihr die besten Glückwünsche für ferneres Blühen und Gedeihen darbringen. Doch genug der einzelnen Aufzählungen, die Neisebücker von Berlet-Praße oder Jacobi u. A. geben genügend Aus kunft über solche Einzelheiten. Unsere Pfingstreisenden wollen aber gewiß sämmtlich sich nicht genügen lasten im engeren Heimathland und so werden von allen Puncten aus wohl Abstecher in daS leicht zu erreichende Böhmerland unter nommen. Sei es, weil der höchste Kamm des Erzgebirges auf böhmischer Seite liegt und herrliche Aussicht in die fruchtreiche böhmische Ebene und da- dahinter liegende kuppenreiche böhmische Mittelgebirge bietet oder Sehnsucht nach einem echten „Böhmischen" oder einem Ungarwein über die Grenze hinüber zieht. Die Mitte des Erzgebirge» enthält die von Annaberg leicht erreichbaren beiden höchsten Gipfel, den Keilberg in Böhmen und den Fichtelberg in Sachsen, beide mit Unter- kunftShäusern. Dabei die höchstgclegenen Städte GotteSgab und Oberwiesenthal, es enthält ferner die gewaltigen sarg ähnlich sich aufbauenden Basaltbrrge Pöblberg, Scheibenberg, Bärenstein sowie die spitzeren Berge Heßberg, Spitzberg rc., den als Aussichtspunkt ersten Range« bekannten Knpferhübl, es enthält die Mitte und nach dem Westen zu die sehenSwerthen Orte Platten, Schwarzenberg, Johanngeorgenstadt, Eibenstock, Schneeberg, Schönheide, di« vielbesuchten Berge al« Plattenberg, Spiegelwald,Morgenleitb«, AuerSberg, Peindl, Kubberg u. A., es enthält so viele schöne Spaziergänge, so prächtige Walder und Tbäler, wenig beleckt zwar von Eultur, aber geeignet zu Wanderungen, bei welchen Geist und Körper Erholung finden dürsten, daß ein Ausflug dahin mit vollstem Recht empsohlcn werden kann. Möchte zu allen Ausflügen recht günstige Witterung sich einstellen, damit die in prächtigem FrüblingS- schmuck sich zeigende Natur bi« erwünschte Erholung bietet!
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