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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.05.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-05-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960521011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896052101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896052101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Bindung fehlerhaft: Seiten in falscher Reihenfolge
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-05
- Tag1896-05-21
- Monat1896-05
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Die Morgen-Ausgabe erscheint um '/,7 Uhr. dir Abend-AuSgabe Wochentags um 5 Uhr. Ledaction vnd Expedition: JohanneSgaffe 8. DieExpedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet vou früh 8 bis Abends 7 Uhr. Filiale«: Ltt» Klemm's Tortim. (Alsrcd Hahn). UuiversitätSslraße 3 (Paulinum), Louis Lösche, Kathartnenstr. 14, pari, und Königsplatz 7. Bezugs-Preis K» dir Hauptexpedition oder den im Stadt, bmkrk uud den Vororten errichteten Aus gabestellen abgeholt: vierteljährlich^ 4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung inS HauS 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertestäbrlich ^l 6.—. Direkte tägliche Ztreuzbandsendung t»S Ausland: monatlich 7.50. Morgen - Ausgabe. WpMrTaMM Anzeiger. Amtsblatt des Lömgkichen Land- imd Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes und Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Auzeigen-PreiS die 6 gespaltene Petitzeile rv Pfg. Reklamen unter dem RrdactionSstrich (4ge- spalten» 50/H, vor den Familiennachrichten (6 gespalten) 40^. Größer« Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Zifftrnsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen.Ausgabe, ohne Postbeförderung ^l SO.—, mit Postbeförderuug 70.—. Annahmschlnß fiir Anzeige«: Abend-AuSgabe: Vormittags 10 Uhr. Margen.AuSgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets au die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Pol» in Leipzig Donnerstag den 21. Mai 1896. 90. Jahrgang. Ein Vorschlag M Begründung eines Pensions fonds für Arbeiterwittwen und -waisen. Man schreibt nn»: Die Einrichtungen der deutschen LebensversicherungS- Gesellschaften gereichen gegenwärtig nur denjenigen Clafsen der Bevölkerung zum Vortheil, welche ein einiger maßen gesichertes, dauerndes und daS zum Leben unbedingt Nothwendige übersteigendes Einkommen haben; sie dürften jedoch in hervorragendem Maße dazu berufen sein, an der Wohlfahrt auch jener Kreise mitzuwirken, für welche sich seit der denkwürdigen Botschaft deS großen Kaisers Wilhelms I. im deutschen Vaterlande eine zielbewußte und ohne Zweifel segensreiche Wirksamkeit entfaltet hat. Die heutigen socialpolitischen Gesetze gewähren den ver sicherten Personen Kranken-, Invaliden- und Altersunter stützung in ausgedehntem Maße; Wittwen- und Waisen fürsorge jedoch nur in den relativ seltenen Fällen, in denen der Versorger durch einen Betriebsunfall im Sinne deS Unfallversicherungsgesetzes ums Leben gekommen ist. Rafft der Tod den Ernährer auS einer anderen Ursache hin, so verfällt die Arbeiterwittwe mit ihren Kindern in den aller meisten Fällen der öffentlichen Armenpflege, deren kärgliche Mittel und erniedrigende Anwendungsformen noch keinen Almosenempfänger fröhlich gestimmt haben. Auch die reich lichste Armenunterstützunz kann nur als ein unbefriedigendes Surrogat christlicher Nächstenliebe oder gesetzlicher Versorgungs ansprüche gelten. Ob die deutsche Arbeiterschutzgesetzgebung noch auf die Arbeiterwittwen und -Waisen ausgedehnt werden wird, ist zweifelhaft schon deshalb, weil es unwahrscheinlich ist, daß der Arbeiter auch noch die auf ihn entfallenden Beiträge zur Relictenversorgung zu erschwingen vermöchte. Und doch ist gerade der Wunsch des Arbeiters, die Familie nach seinem Tode nicht der größten Noth preisgegeben zu wissen, dringend und, wie jeder Menschenfreund zugeben wird, berechtigt. Hier dürfte sich nun für die planmäßig zu Werke gehende Privatwohlthätigkeit ein sehr ergiebiges Feld der Thätigkeit eröffnen und die deutschen Lebensversicherungs-Gesellschaften würden sich vermuthlich ein nicht geringes Verdienst um die „Mühseligen und Beladenen" erwerben, wenn sie geneigt wären, sich als Sammelorgane der Privatwohlthätigkeit zu constituiren und, entsprechend dem Princip des ZwangS- sparens, die von ihren Versicherten bekundete Absicht, Wohl zuthun, in feste, geordnete Bahnen zu lenken. Wenn Jemand bereit ist, eine Versicherung auf sein Leben zu Gunsten seiner Angehörigen abzuschließen, so steht er geistig so hoch, daß er bei geschickter Vermittelung gewiß dazu zu bewegen ist, in dem Versicherungsanträge Derer zu gedenken, die nicht im Stande sind, sür ihre Angehörigen etwas zurückzulegen. Wenn der Rechtsanwalt X. sein Leben mit 10 000 versichern will, so ist hundert gegen eins zu wetten, daß es nur der Anregung bedarf, um ihn zu der Erklärung zu veranlassen: „Zur Bildung eines Pensionfonds für Arbeiterwittwen und -Waisen soll die Versicherungsgesellschaft in befugt sein, beim Fälligwerden der Ver ¬ sicherungssumme 100 zurückzubehalten und an die in abzuliefern, welche Herrn Rechtsanwalt L. bezw. dem Empfänger der Versicherungs summe Quittung ertheilt." oder: „Zur Bildung eine« Pensionsfonds für Arbeiter- Wittwcn und -Waisen soll die Versicherungs-Gesellschaft in befugt sein, von dem all jährlich dem Herrn Rechtsanwalt -k. zufließenden Gewinnantheil 10 Proc. zurückzubehalten und an die in abzuliefern, welche Herrn Rechtsanwalt L fortlaufend Quittung ertheilt." Als besonders geeignet für diesen Zweck muß die „Volks versicherung" angesehen werden, welche einige Versicherungs- Gesellschaften — dem Beispiele Englands folgend — als Nebenzweig betreiben. Diese Art der Versicherung ermöglicht es den bester Gestellten ohne die lästige ärztliche Unter suchung, in kleinen wöchentlichen Beiträgen dem PensionS- fondS für Arbeiterwittwen und -Waisen mäßige Geldbeträge ruzuführen, und eS ist sehr zu wünschen, daß diejenigen Ver- sicherungS - Gesellschaften, welche sich mit der „Bolksver- sicherung" befassen, die Versicherungsnehmer nicht allein in den Kreisen der Arbeiter, kleinen Handwerker, Beamten, sondern auch in den Kreisen der Begüterten und Reichsten suchen. Daß das einmal erweckte Interesse der bester Gestellten für die Besitzlosen nicht wieder erlahme, dafür hat dann einzig und allein die Versicherungs-Gesellschaft zu sorgen, welche darüber wacht, daß der Vertrag in allen Theüen gehalten wird. Durch diesen „Zwang im Wohlthun" könnte in absehbarer Zeit Bedeutendes erreicht werden, ohne daß der Einzelne sich zu besonders hohen Leistungen zu ver pflichten nöthig hätte, und ohne daß die Versicherungs- Gesellschaft die Concurrenz anderer Gesellschaften zu fürchten hätte, die sich diesem LicbeSwerke unzugänglich er weisen sollten. Der taktvolle und intelligente Versicherungsbeamte wird mit Leichtigkeit herauSsinden, ob bei dem Abschluß einer Ver sicherung auf den Versicherungsnehmer mit Aussicht auf Erfolg m der besprochenen Weise einzuwirken sein möchte, oder nicht, und wird im ersteren Falle Alles aufbieten, um eine bezügliche Zusage zu erlangen, im letzteren Falle aber den Gegenstand sofort fallen lasten, wenn es sich zeigt, daß er bei dem Ver sicherungsnehmer Verstimmung erzeugt. Ich möchte aber hervorheben, daß der Moment, wo der Mensch daran denkt, über seinen Tod hinaus für die Seioigen zu sorgen, zur Bethätigung menschenfreundlicher Ideen überhaupt ganz besonders geeignet ist, und möchte eS al- eine Unterlassungssünde bezeichnen, wenn solche Momente nicht ausgenutzt werden zur Linderung der Noth unserer Mit menschen. Die zur Bildung eine» Pensionsfonds für Arbeiterwittwen und -Waisen zu sammelnden Beiträge der Versicherten würden zweckmäßig an die Versicherungs-Anstalten für Invaliditäts und Altersversicherung abzuführen sein, welch« gewiß mit praktischen Vorschlägen zur Vertheilung der Renten hervor- ireten werden, sobald die vorhandenen Mittel eine solche zu assen. Auch der Staat wird voraussichtlich mit seiner Hilfe auS besonderen Fonds nicht zurückstehen, wenn er wahrnimmt, daß der Gcmeinsinn der Bürger ein Werk der christlichen Nächstenliebe zu schaffen sich anschickt. Wenn eS wahr ist, daß ein großer Theil der ungeheuren ilrmenlasten der großen Städte auf die Fürsorge für die Arbeiterwittwen und -waisen entfällt, so sollte man sich doch die Frage vorlegen, ob es nicht vernünftiger und zweckmäßiger wäre, für diese unverschuldet in Noth Gerathenen, da sie unsere volle Sympathie besitzen, freiwillig zu sorgen, als ihnen einen verhaßten Brocken hinzuwerfen, der obendrein in der Form von Steuern von uns erhoben werden muß. Ich meine, eS sollte kein Mittel unversucht bleiben, um die besser Gestellten rum planmäßigen, andauernden Wohlthun zu Gunsterz dieser Bedrängten anzuregen. Den deutschen Lebens versicherungs-Gesellschaften würde es jedenfalls keinen Nach theil bringen, wenn sie geneigt wären, in r vorstehend an gedeuteten Weise an der Lösung der socialen Frage in fried licher Weise mitzuarbeiten. Die deutsche Arbeiterfrau hat unleugbar einen so hoben Einfluß auf daS Erwerbs- und Gemüthsleben ihres ManneS, daß die Rückwirkung unserer gemeinsamen Bestrebungen auf die Socialdemokratie nicht ausbleiben kann, wenn es der deutschen Arbeiterfrau erkennbar wird, daß ihr gerade aus jenen Reihen, die ibr Ehemann — sofern er Socialdemokrat ist — auf das Heftigste bekämpft, hilfreich die Hand geboten wird, um sie nicht in Noth und Elend verkommen zu lassen. Wenn die heutigen socialpolitischen Gesetze bis jetzt den social demokratischen Strom nicht einzndämmen vermochten, so ist vielleicht die Ursache darin zu suchen, daS wir eS bisher nicht genügend verstanden habe, die deutsche Arbeiterfrau nnS zur Bundesgenossin zu gewinnen. Werben wir also um die Gunst der deutschen Arbeiterfrau, indem wir ihre Leiden zu mildern suchen! Und wenn dies auf dem Wege der Gesetzgebung nicht möglich ist, so laßt unS freiwillige Opfer bringen. Die freiwillige Zuwendung hat überdies vor den gesetzlichen Leistungen den Vorzug, daß sie zur Dankbarkeit verpflichtet, während gesetzliche Leistungen al» etwas Selbstverständliche« hingenommeu zu werden pflegen. Deutsches Reich. * Berlin, 20. Mai. Professor Med em in Greifswald schreibt in der „N. Pr. Ztg.": „ZurReform de« Parteieides, nämlich zur Ersetzung desselben durch die Vernehmung der Parteien als Zeugen, bringt AmtsgerichtSrath Iastrow - Berlin in der „Deutschen Iuristen- Zeitung", 1896, Nr. 10, einen Gesetzentwurf, welcher höchst beachtenswerth ist. ES muß endlich gebrochen werden mit der erkenntniß-theoretisch ungeheuerlichen Idee von der „Vergleichsnatur" des Parteieneides, einer Idee, die für den Nichtjuristen völlig unverständlich ist und für den Juristen auch nur rechtsgeschichtlich (s. meine Abhandlung in Gruchot's Beiträgen XlV, S. 482: „Der deferirte Eid als Vertrag und Beweismittel"). Es muß endlich an die Stelle deS lediglich formellen Satzes nemo tostm in re 8ua der umgekehrte treten, wie er der Wirklichkeit entspricht, wie er in Z 259 Civ.-Pr.O. („DaS Gericht hat unter Berücksichtigung der gesammten Verhandlungen und deS Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Ueberzeugung zu entscheiven, ob eine thatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei") inhaltlich fchon ent halten ist und wie er im Strafproceß sogar auch formell verwirklicht wird, wenn der Nebenkläger zeugeneidlich ver nommen wird. Dann werden Fälle wie der folgende nicht mehr vorkommen können. Einer Partei war vom Gericht ein Eid auferlegt, „daß sie nicht u. s. w." In der Eidesabschrift, welche dem um die EideS- abnahme ersuchten Gerichte mitgetheilt wurde, war durch einen Schreibfehler daS „nicht" fortgelassen. Gedankenlos leistete die Partei den Eid so, beschwor also geradezu das Gegentheil von Dem, was sie behauptete. Als dann der Schreibfehler entdeckt und die Partei darüber aufgeklärt wurde, leistete sie nun auch den richtigen Eid. Die Möglich keit solcher Vorkommnisse zeigt, wie große Schwierigkeiten daS Problem des ParteieideS in sich birgt. Der Iastrow'sche Gesetzentwurf zeigt aber andererseits, daß dieselben nicht unüberwindlich sind. In einem Puuct jedoch — von anderen abgesehen, bezüglich deren ich hier auf meine Ab handlung „Beiträge zur Revision der Lehre vom Eide" in der „Evangelischen Kirchen-Zeituna", Bd. 118, S. 135, ver weise — bedarf er nothwendiger Weise der Ergänzung. Der Zeugen-Nacheid lautet gegenwärtig dabin, daß der Zeuge nichts hinzugesetzt und nichts verschwiegen habe. In dieser Fassung macht der Eid die reservatio mentalis noth- wendig: „nichts von Dem, wonach ich befragt worden bin", oder „nichts von Dem, waS ich als zur Sache gehörig erachtet habe". Diese reservatio msutalis dringt den gewissen haften Zeugen in Gewissensnoth, die oft recht unbequem zum Ausdruck kommt, wenn ein Zeuge, den man nur über ein zelne Puncte vernehmen will, das Wort sich nicht abschneiden läßt, weil er geschworen, Alle» zu erzählen, — ohne übrigen« zu merken, daß er dahin doch nie gelangt. Dem gewissenlosen Zeugen aber ist die reservatio mentalis ganz recht. Denn er ersieht auS ihrer Nothwendigkeit, daß selbst daS Gericht eS mit den Eidesworten nicht so genau ge nommen wissen will, und darum ist er seinerseits gern be reit, der einen nothwendigen reservatio willkürlich andere hinzuzufügen. Daher ist e» nothwendig, daß in den Eid die Worte eingefügt werden: „worüber ich ver nommen worden bin", die früher in dem Eide standen und deren Fortlaffung auf einer ganz falschen Speculation beruht." * Berlin, 20. Mai. Der Verein zur Förderung deS DeutschthumS in den Ostmarken hat an die Hinter bliebenen Heinrich von Treitschke'» folgendes, in den „Bert. N. N." abgedruckteS Beileidschreiben gerichtet: „Gestatten Sie unS, den zahlreichen Kundgebungen der Trauer und de» Beileide», die Sie in diesen Tagen von Nah uud Feru erhalten, den aufrichtigen Ausdruck tiefgefühlter Theilnahme hinzu- zusügen. Den unersetzlichen Verlust, den das deutsche Volk durch den Heimgang Heinrich von Treitschke's erlitt, empfinden wir um so chmerzlicher, als der Verewigte an der Gründung unseres VereinS jebbaften Antheil genommen und dem Ausschuss« als eins seiner hervorragendsten Mitglieder angehört hatte. Die vaterländische Ge- innnng, aus welcher der Verein zur Förderung des DeutschthumS n den Ostmarken hervorging, das geistige Band, das ihn zu- ammenhält, sind zum guten Theile eine Frucht der reichen und keimkräftigen Saat, die Heinrich von Treitschke im Dienste seines Volkes mit vollen Händen ausgestreut hat. Keiner von allen Publlcisten Deutschlands hat so unerschrocken und so wirksam wie er die politischen Erbfehler unseres Volksthums, den Trieb zu Parti« cularistischer Absonderung und die Lauheit nationalen Empfinden bekämpft, keiner so eindringlich wie er den Unverstand und den Aberwitz gebrandmarkt, der in dem harten Ringen der Deutschen des Ostens die zielbewußten Gegner als vermeintliche Freiheitshelden umschmeichelte und als ersehnte Bundesgenossen im politischen Partei kampf umwarb. Immerdar wird uns Richtschnur unseres Wirkens bleiben, was der große Historiker, der sprachgewaltigste Beschicht- chreiber deutscher Zunge, uns im Spiegel unserer Vergangenheit mit der ganzen Gluth seiner Vaterlandsliebe gelehrt bat, die Erkenntniß der Gefahren, die der Trägheit und der Zuchtlosigkeit politischen Denkens entsprießen, und die Verheißung des Segens, den die all« eitige Bethätigung nationalen Pflichtgefühls auf die Dauer verbürgt." Das neueste Heft der „Preußischen Jahrbücher" veröffent licht die Ansprache, die Herr Professor Lenz bei der Treitschke- Gedächtnißfeier am Sonntag an die Berliner Studenten schaft gerichtet hat. ?. Berlin, 20. Mai. (Telegramm.) Der Kaiser unternahm sowohl gestern früh als auch gestern Abend in Prökelwitz einen Pürschgang und erlegte auf der Frühpürsche einen Rehbock, auf der Abendpürsche zwei Rehböcke. Die Rückkehr des Kaisers nach dem Neuen Palais erfolgt voraus- lchtlich am Sonnabend, den 23. d. M., Abends. — Der 'önigl. Hof legt für den verstorbenen Erzherzog Karl Ludwig von Oesterreich die Trauer auf vierzehn Tage an. L. Berlin, 20. Mai. (Privattelegramm.) In unter richteten Kreisen gilt, wie der „Berl. Börs.-Ztg." gemeldet wird, die Zurücknahme der Bäckerei Berordnung für ausgeschlossen. Von fast sämmtlichen Bundesstaaten sind die Au^führungSbestimmungen bereits erlassen. Die Verord nung soll bestimmt mit dem 1. Juli in Kraft treten. — Dem Reichstage ist ein von Mitgliedern deS Centrums eingebrachter Antrag zur zweiten Berathung des Gesetzent wurfs, betreffend Aenderungen und Ergänzungen des GerichtS- verfaffungSaesetzes und der Strafproceßordnung, zugegangen, der eine Ausdehnung der Zuziehung des Laien elements zur Strafrechtspflege beabsichtigt. Es wird eine Abänderung der Ztz. 77 und 124 des GerichtSver- fastungSgesetzeS dahin angestrebt, daß in den Straf kammern der Landgerichte bei allen Entscheidungen drei Richter und zwei Schöffen und in den Straf senaten der Oberlandesgerichte fünf Richter und vier Schöffen Mitwirken sollen. DaS Amt der LandgerichtS- und OberlandeSgerichtsschöffen soll ein Ehrenamt sein und nur von einem Deutschen versehen werden können. Ueber die Auswahl der Schöffen werden Bestimmungen vor geschlagen, die den für die amtsgerichtlichen Schöffen be stehenden im Allgemeinen entsprechen. Die Reihenfolge der Theilnahme der Schöffen an den einzelnen Sitzungen soll durch Ausloosung bestimmt werden, nachdem die SitzungStage für das ganze Jahr im Voraus festgestellt sind. Bei der Abstimmung sollen die Schöffen vor den richterlichen Mit gliedern, dem Lebensalter nach vom jüngsten beginnend, ihre Stimmen abgeben. Ist ein Berichterstatter ernannt, so stimmt dieser zuerst ab. — Die „Mil.-Pol.-Corr." batte gemeldet, daß von den Briesen an den Frhrn. von Hammerstein verschiedene an die Briefsteller zurückgegeben worden seien. Sie ergänzt diese Meldung jetzt dahin, daß Briefe, die Frhr. von Hammer stein im Laufe der letzten Jahre vom Grafen Waldersee und vom Reichstags-Abgeordneten Grafen Mirbach empfing, auf deren Wunsch von der Gemahlin des Frhrn. von Hammer stein ausgeliefert worden sind. Ein hiesiges Blatt theilt ferner mit, daß daS Comitö der „Kreuzztg." ein Gesuch der vollständig mittellos gewordenen Freifrau von Hammerstein um eine kleine Unterstützung abschlägig beschicken habe. Die „Mil.-Pol.-Corr." will dagegen wissen, das Comits der „Kreuzztg." habe sich s. Z. verpflichtet, für die Freifrau von Hammerstein zu sorgen, falls Frhr. v. Hammerstein in dem gegen ihn anhängig gemachten Proceß nach Möglichkeit Dis kretion übe. — Im „Socialist" droht, wie wir der „Post" ent nehmen, der Herausgeber Wilhelm Spohr den anarchistischen Genossen, die nicht einmal das Porto, noch viel weniger das Blatt selbst bezahlen, ja, anstatt Geld, eine Menge Grob heiten übermitteln, daß er ihnen das Parteiblatt nicht mehr schicken, vielmehr die Namen der faulen Zahler veröffent lichen werde. Ein „Genosse" erläßt folgenden Nothschrei an die Genossen: „Ihr macht den armen Menschen, den ihr so schmählich im Stich lasset, noch verrückt! Und unser Blatt, den „Socialist", richtet ihr zu Grunde. Also, zum Donner wetter noch mal, zahlt eure Schulden, ihr faulen Zahler! Sonst holt euch der Teufel — und den „Socialist" dazu." * Stettin, 19. Mai. (N. Stett. Ztg.) Gerechtfertigtes Aufsehen wird die am Sonntag Morgen vorgenommene Verhaftung des Pastors Rauh in Kladow bei Greifen hagen Hervorrufen, der in letzter Zeit eine führende Stellung in der Bewegung der christlich-socialen PastorenPommerns einnahm und in Wort und Schrift eine eifrige Thätigkeit entwickelte. Pastor Rauh hat da» ihm anvertraute Kirchen vermögen um 35 000 die er sür sich verwandte, ge schädigt, wie er in einem Briefe an den Superintendenten Gehrke in Greifenhagen am Freitag Abend bekannte. Eine für Sonntag und Montag angesagte Visitation der Kirche und der Cassen zwang ihn zu diesem Bekenntnisse. Vom Consistorium ist Pastor Rauh bereit» s e i n e S A m t e S e n ts e tz t) * Posen, 19. Mai. Die königliche AnsiedelungS- commission hat bi» zum Schlüsse de« vergangenen Jahre» im Ganzen 1784 Witthschaften vergeben. Von den Ansiedlern gehören 1653 der evangelischen, 131 der katholischen Con session an Den Provinzen Westpreußen und Posen ent stammen 320, bez. 390 Ansiedler. Die Herkunft der übrigen vertheilt sich auf folgende Provinzen: Ostpreußen 18, Brandenburg 227, Pommern 151, Schlesien 131, Sachsen 46, Schleswig-Holstein 7, Hannover 10, Westfalen 197, Hessen- Nassau 24, Rheinprovinz 49, Württemberg 54, Bayern 1, Baten 8, Rußland 83, sonstige deutfche Reichsangehörige 68. (P. Tgbl.) * Elberfeld, 18. Mai. In einer Versammlung der Barmer Cbristlich-Socialen theilte gestern vr. Burckhardt bei Gelegenheit eines Vortrages über „DaS kaiserliche Telegramm und die Cristlich-Socialen" mit, daß die Partei zur Zeit, als der „Vorwärts" gegründet wurde, von derRegierung materiell unterstützt worden sei. Der Regirrungs- rräsident (?) habe damals erhebliche Mittel zur Verfügung gestellt. (Frkft. Ztg.) * Bonn, 18. Mai. Bei dem Begräbniß deS Geheimraths Finkelnburg am vorigen Freitag hat die akademische Jugend gefehlt, die sonst nack alter schöner Ueberlieferung in vollem studentischen Schmuck und mit umflorten Fahnen einem dahingeschiedenen Lehrer daS letzte Geleit zu geben und am offenen Grabe mit Schläger und Fahnen den letzten Gruß zu widmen pflegt. Das betrübende Vorkommniß hat einen Ursprung in einer von dem zeitigen Rector erlassenen Bestimmung und ist begründet in der Uneinigkeit, die durch dieAbzweigung der ultram on tanen Studentenverbindungen von dem GroS der gesammten Studentenschaft entstanden ist. Der Fall, der diesmal eine die ganze Hochschule be schämende Form angenommen bat, ist nicht mehr neu; er hat sich schon bei dem Begräbniß des Professors Dreisch und weiterhin bei dem des CuratorS Gandtner ereignet. Es handelt sich darum, daß nach altem, feststehendem Gebrauch die Studentenschaft, die trotz aller Verschiedenheiten der einzelnen Verbindungen in der Vertreterschaft sich zusammen gefunden hat, auch bei akademischen Begräbnissen Ehrenrechte besitzt. Nun sind seit einigen Jahren die ultramontanen Verbindungen aus dieser Vertreterschaft ausgeschieden, weil sie sich den allgemeinen Beschlüssen nicht fügen wollten, und zwar waren Ehrungen für den Fürsten Bismarck und die Theil nahme an dem Begräbniß eines altkatholischen Professors die Gründe des Austritts. Damit gehörten die katholifchen Verbindungen nach akademischer Rechtsanschauung nicht mehr zu der allgemeinen Studentenschaft, und daS wurde auch amtlich von Rector und Senar bestätigt, als die ultramon tanen Verbindungen bei dem Begräbniß des Professors Dreisch den Ehrenplatz und den andern an der Spitze deS Zuges beanspruchten. Damals ist ihnen wegen des Aergernisses, daS sie bei dieser Gelegenheit verursacht haben, ein Verweis von der akademischen Bcbörde ertheilt worden mit der Androhung der Auflösung. Bei dem Begräbniß des CuratorSGandtner ist unter Amtsführung des jetzigen RectorS der häßlicheZwist von Neuem entbrannt, als die ultramontanen Verbindungen wiederum die alten Ansprüche erhoben, womit sie diesmal mehr Erfolg hatten. Jetzt ist eS nun so weit gekommen, daß die Studentenschaft unter diesen Bedingungen sich damit begnügt hat, einen Kranz mit dem Ausdruck ihrer Theilnahme zu übersenden. ES ist nicht recht abzu sehen, wohin diese plötzliche Aeuderung in der Anschauung der akademischen Behörde führen soll. DaS ganze Unrecht liegt auf Seiten der ultramontanen Verbindungen. Ihnen steht jederzeit der Eintritt in die studentische Vertretung offen, wofern sie sich nur den allgemeinen Beschlüssen fügen. Das wollen diese Verbindungen aber aus den bekannten politisch religiösen Gründen durchaus nicht. Da sie sich also freiwillig ihres Rechtes begeben, fo steht ihnen auch von den anderen akademischen Rechten der geschloffenen Studentenschaft keines zu, und diese ist nicht verpflichtet, sie in ihre Mitte aufzu nehmen. Warum es also die Studentenschaft entgelten lassen, wenn die Unverträglichkeit auf der anderen Seite liegt? (Köln. Ztg.) tü. Weimar, 20. Mai. (Privattelegramm.) Nach Erhebungen deS BezirksdirectorS kann keine einzige der aufgestellten Behauptungen über angebliche Unregelmäßig keiten bei der vom Reichstage beanstandeten Wahl Reich muth'S nachgewiesen werden. * Karlsruhe, 19. Mai. In der heutigen Sitzung^ der Ber« fassungscommission der zweiten Kammer gab Minister Eisenlohr folgende Erklärung ab: Die Regierung hält an der am 17. Mai 1894 abgegebenenILrklSrung fest und betrachtet sonach den Antrag Muser und Genossen über die Einführung des direkten allgemeinen Wahlrecht« und den Gesetzentwurf Wacker und Genossen über dieselbe Materie nicht für annehm bar. Der vom Abg. Fieser ringebrachte Antrag über die Wahl- reform nähere sich theilweise den Anschauungen der Regierung und würde Aussicht auf eine Verständigung über die von der zweiten Kammer erstrebte Aenderung des Wahlverfahrens eröffnen. * Stratzburg, 19. Mai. Durch kaiserliche Cabinetsordre sinv in Elsaß - Lothringen verschiedene neue militairische Schutzmaßregelu gegen die in letzter Zeit häufiger ver suchte Spionage eingesührt worden. So ist daS Betreten der Fort«, Befestigungswerke, isolirter VertheidigungSwcrke u. dergl. absolut jedem Civilisten untersagt, welcher Nationalität er auch sei. Das Betreten der Casernen ist nur jenen Civil- personen gestattet, welche mit den durch den Generalstab aus gestellten, jeder Zeit widerruflichen Erlaubnißscheinen versehen sind und unter Bürgschaft einer bekannten deutschen Persön lichkeit stehen. Ebenso ist den Unternehmern streng verboten, bei den Festungsarbeiten ausländische Arbeiter zu verwenden. Auch bezüglich der Unterhaltung über militairische Angelegen heiten im öffentlichen Leben sind den Militairangehörigen besondere Beschränkungen auferlegt worden. * München, 19. Mai. Zu den Eigenthümlichkeiten der bayerischen Abgeordnetenkammer gehört r» seit Jahren, eine Sitzung der Kunstkritik zu widmen. Selbstverständlich ist eS die Rechte, welche daS Bedürfniß und da« Berständniß in sich fühlt, einmal ein jeder Session einen Kunstareopag zu bilden und ein vernichtende» Verdick über die moderne Richtung auszusprechen. Und sie thut damit ein gute» Werk. Wer will e» in unfern ernsten und blastrten Zeiten nicht freudig begrüßen, daß ihm ein Genuß von überwältigender Heiterkeit bereitet wird? Den Reigen eröffnete Herr Pfarrer Kohl, der in seiner ländlichen oberpfälzischen Gemeinde al«
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