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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.05.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-05-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960521023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896052102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896052102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-05
- Tag1896-05-21
- Monat1896-05
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Er führte dies an, um die Er klärung des Reichskanzlers bez. der Reform der Militairstraf- gerichtsordnung abzuschwächen. Unter solchen Umständen ist es vielleicht von allgemeiner Bedeutung, jedenfalls aber lehr reich, zuverlässig festzustellen, wie jenes Gerücht lhatsächlich entstanden ist und Verbreitung gesunden hat. Ein Bericht erstatter unterhielt sich vor einigen Tagen in der Wandel balle des Reichstags mit einem antisemitischen Abgeordneten über die parlamentarische Lage und erwähnte im Laufe des Gesprächs als persönliche Vermuthung, daß der angeblich amtsmüde Reichskanzler die zu Ende gebende „Aera Hohen lohe" vielleicht mit dem deutschen Bürgerlichen Gesetz buch gekrönt zu sehen wünsche. Was er als eine reine Ver- muthung hingestellt hatte, theilte bald darauf der betreffende Abgeordnete dem Vertreter eines sächsischen Blattes als eine wichtige „Information" mit, die dieser natürlich mit ent sprechenden Glossen verarbeitete und verbreitete. Von da ge langte dann das Gerücht in den Reichstag zurück und wurde vom Abgeordneten Haußmann zum heiteren Erstaunen des Reichskanzlers öffentlich vorgetragen. So wird mitunter die Tagesgeschichte gemacht! Fürst Hohenlohe soll darauf hin Gelegenheit genommen haben, verschiedenen Abgeordneten privatim zu versichern, was für jeden Einsichtigen ohnehin klar ist, daß es lediglich sachliche Beweggründe sind, die ibn veranlaßt haben, seinen ganzen Einfluß für die sofortige Er ledigung des Bürgerlichen Gesetzbuches geltend zu machen." Nach unseren Informationen ist diese erheiternde Darstellung vollständig richtig. Es wird uns zur Ergänzung derselben noch mitgetheilt, daß Fürst Hohenlohe privatim erklärt habe, diebaldige Durcbberathung des Bürgerlichen Gesetzbuches sei ein besonderer Wunsch des Staatssecretairs im Reichsjustizamt, weil gleichzeitig mit diesem Gesetzbuch die Novellen zum Gerichtsverfassungsgesetz, zur Civilproceßordnung und ConcurS- ordnung, das Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung, die Grundbuchordnung und das Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in Kraft treten sollen und weil alle diese Gesetze nicht erledigt werden können, so lange die grundlegende Voraussetzung, das Bürger liche Gesetzbuch, in der Schwebe bleibt. Uebrigens hätte schon die Erklärung, die Fürst Hohenlohe über die Reform der Mi- litairstrafproceßordnung abgab, den sensations lüsternen Herrn, der die Fabel von dem amtsmüden Reichs kanzler uno seiner Sehnsucht nach einem effectvollen Abgänge nach der Durchberathung des Bürgerlichen Gesetzbuchs in die Welt schickte, von der Lächerlichkeit dieser Fabel überzeugen können. Denn wenn der Reichskanzler den dringenden Wunsch bat, dem Bundesrathe und dem Reichstage un Herbste die Militairstrafproceßordnung vorlegen zu können, so kann er auch nicht amtsmüde und nur noch das Bürgerliche Gesetz buch unter Dach und Fach zu bringen beflissen sein. Das schon besprochene Urtheil in dem Berliner Toetaliftenprocefse, da« in voller Uebereinstimmung mit der Rechtsprechung des Reichsgerichts dem Begriffe „Verein" «ine Auslegung giebl, welche die unentbehrliche einheitliche Organi sation jeder politischen Partei bedroht, wird voraussichtlich dem Reichstage Veranlassung geben, nach den Ferien auf die Anträge zurückzukommen, die schon beim Beginn der Session in Bezug auf das Vereins- und Ver- sammlunzsrecht eingegangen waren und theils den Erlaß umfassender Bestimmungen, theils den eines „Nothgesetzes" verlangten, welches in der Hauptsache nur die Verbindung politischer Vereine unter einander ermöglichen sollte. Die Commission, der diese Anträge überwiesen wurden, bat sich für die Ausarbeitung eines vollständigen Vereinsgesetzes entschieden; ein solches liegt^ mit einem Be richt des Abg. Bassermann, seit mehreren Wochen vor. Wie in diesem Bericht erwähnt wird, hat eine Betheiligung von Commissarien des Bundesraths an den Verhandlungen nicht stattgefunden. Die von der Commission schließlich — wohl bei un vollständiger Besetzung — mit allen gegen eine Stimme an- genommenenVorschläge umfassen nur diejenigen Vereins- und ver- fammlungsrechtlichen Bestimmungen, über deren Nothwendig- keit von der äußersten Rechten bis zur äußersten Linken ziemliche Uebereinstimmung herrscht, aber es wird über alle controversen Fragen hinweggegangen. In Bezug auf die Auflösung von Versammlungen beispiels weise enthält der Entwurf nur die Bestimmung, daß die Auflösung nur erfolgen kann, wenn in einer Versamm lung „die Erörterung von Anträgen oder Vorschlägen durch den Vorsitzenden rugelassen wird, welche eine Aufforderung zu strafbaren Handlungen enthalten, oder wenn in der Versammlung Bewaffnete erscheinen, die zu entfernen nicht gelingt, oder wenn die Zulassung der amtlichen Ab geordneten der Polizeibehörde verweigert wird." Daß die verbündeten Regierungen einer solchen Vorschrift zustimmen sollten, halten wir mit der „Nat.-Ztg." für völlig aus geschlossen. Sckon die Erinnerung an die Erörterungen, die zur Zeit der Verhandlungen über die sogenannte Umsturz vorlage auch über die Nothwendigkeit einer Verschärfung der in den meisten Einzelstaaten geltenden Bestimmungen des Vereins- und Versammlungsrechtes statlfanden, ge nügen, um die Vermuthung auszuschließen, daß die verbündeten Regierungen den vorliegenden Entwurf annehmen würden. Er würde, etwa von Mecklenburg abgesehen, nirgends die Vollmachten der Behörden zur Verhinderung eines Miß brauchs des ^Vereins- und Versamnilungsrechts verstärken, dieselben aber im Vergleich mit manchen bestehenden deutschen Vereinsgesetzen vermindern. Die Parteien des Reichstages, die ein besonderes Interesse daran haben, bei ihrer Vereins- thätigkeit nicht mit den Gerichten in Conflict zu kommen — den Socialdemokraten ist es ja nur Wasser auf die Mühle, wenn ihre Bereinsleiter den „unerhörten" Be stimmungen der geltenden Vereinsgesetze zum Opfer fallen — werden daher klug bandeln, wenn sie den Commissionsentwurf ablehnen und sich damit begnügen, den Erlaß eines „Nothgesetzes" zu fordern, das lediglich die Ver bindung politischer Vereine unter einander ermöglicht. Es ist ja nicht sicher, daß die verbündeten Regierungen auf diese Forderung eingehen, jedenfalls aber würven sie gegen ein derartiges Nothgesetz weniger einwenden können, als gegen ein allgemeines Vereinsgesetz nach dem Commissionsentwurs. Obgleich die Königin der Niederlande am 3 k. August erst ihr 16. Lebensjahr vollendet, ist die Presse des künftig von ihr zu regierenden Volkes bereits mit Projekten zu ihrer Vermählung beschäftigt. Bis vor Kurzem wurde als künftiger Prinzgemahl in den Niederlanden der Prinz Karl von Dänemark bezeichnet, der durch seine Mutter ein Urenkel des Prinzen Friedrich der Niederlande ist; seine plötzliche Verlobung mit seiner Cousine, Prinzessin Maud von Wales, bat diese Combination ausgebeu lassen. Jetzt wird, wie gemeldet, in der niederländischen Presse als künftiger Prinzgemahl in den Niederlanden der am l8. April 1878 geborene PrinzBernhard Heinrich vonSachsen- Weimar, zweiter Sohn des vor einiger Zeit verstorbenen ErbgroßherzogS genannt; die Großherzogin Sophie von Sachsen-Weimar ist eine Schwester weiland des König« Wilhelm III. der Niederlande. Zwischen Weimar und dem Haag bestehen von Atters her auch noch andere Beziehungen; durch seine Mutter ist, woran die„Post" erinnert.Prinz Bernhard Heinrich einUrenkel jenesHerzogSBernhard vonSachsen-Weimar, der, ein jüngerer Sohn des Großberzogs Karl August, sich in niederländischen Kriegsdiensten rühmlich bervorthat und von dessen Töchtern die eine mit dem Bruder des nieder ländischen Königs Wilhelm III. und Statthalter deS Groß- herzogthums Luxemburg, Prinzen Heinrich der Niederlande, vermählt war. Ob die jetzige Combination der nieder ländischen Presse lhatsächlich begründet ist, wirb sich Wohl in Bälde zeigen. Mit Spannung erwartet man in Rußland die Gnaden- acte, die anläßlich der bevorstehenden Krönung ein kaiser liches Krönungs-Manifest bringen soll. Es wird, wie sich die „N. Fr. Pr." aus Petersburg melden läßt, sür alle nach Sibirien und der Insel Sachalin zur Zwangsarbeit oder zur Ansiedlung verschickten Personen weitgehende Strafmilderungen enthalten. Die zu lebenslänglicher Zwangsarbeit Verurteilten erhalten zeitweise Zwangs arbeit, den zu solcher Verurtheilten wird sie um ein Drittel verkürzt. Von den zur zwangsweisen Ansiedlung verurtheilten Personen erhält der größte Thei! die Erlaubniß, sich wieder frei den Aufenthaltsort im europäischen Rußland wählen zu können, ausgenommen die beiden Residenzstädte; dem Rest wird die Zeit der zwangsweisen Ansiedelung erheblich abgekürzt. Auch den zu Gefängnißhaft verschie denen Grade« im europäischen Rußland verurtheilten Personen wird ein Drittel der Strafe erlassen; in verschiedenen leich teren Fällen tritt sogar gänzlicke Begnadigung ein. Was die wegen politischer Vergehen aus Rußland geflüchteten Personen anbetrifft, so wird diesen straflose Rückkehr nach Rußland zugesichert, falls sie hier den Treu-Eid leisten. Nach An deutungen russischer unterrichteter Kreise wird das Krönungs manifest auch bedeutende Steuererleichterungen sür die ländliche Bevölkerung bringen. Außer dem Erlaß von verschiedenen Rückständen soll die Grundsteuer im Laufe der nächsten zehn Jahre auf die Hälfte de« jetzigen Betrages herabgesetzt werden, d. h. von zehn auf fünf Kopeken für die Deßjatine. Außerdem ist noch in Aussicht genommen, daß der Finanzminister in Uebereinstimmung mit dem Minister des Innern und dem Reicbscontrolor das Recht erhält, Bauerngemeinden, deren wirthschaftliche Lage sich als schwierig erweist, auf Antrag der Gouvernementsbehörden für die Tilgung der noch restirenden Loskaufsschulden neue Termine zu bewilligen. Die Tilgung der erwähnten, noch sehr beträchtlichen Schulden soll in Zeiträumen von 56, 41 und 28 Jahren erfolgen können, bei jährlicher Zahlung von 4Vr v. H. bezw. 5 und 6 v. H. der Restsumme. Selbst der jüdischen Bevölkerung soll in dem Krönungsmanifeste gedacht und unter Anderem sollen den jüdischen Ackerbaucolonien im Gouvernement IrkaterinoSlaw verschiedene Rückstände erlassen werden. 90. Jahrgang. Die Frage, in welcher Form die Untersuchung gegen die britische TüVasrikasefellschafl geführt werden soll, ist nach den vorgestrigen Erklärungen Chamberlain's im Unterhause einstweilen noch eine offene. Zwei Wege stehen zur Auswahl: der gerichtliche und der parlamentarische. Die Eröffnung des gerichtlichen Verfahrens würde nack der Theorie Chamberlain's Platz zu greifen haben, wenn die Unter suchung sich auf den Transvaal-Conflict beschränkt, die Ein- schlagung deS Weges der parlamentarischen Enquete indessen würde der ganzen Angelegenheit eine erweiterte Bedeutung insofern verleihen, als sie dadurch aus dem Rahmen eines örtlichen Zwischenfalles herausgehoben und zu einer politischen Haupt- und Staatsaction er weitert werden würde. Bis jetzt bat man eS in Eng land betreffs der südafrikanischen Dinge mit der Ver tuschungstaktik gehalten, und es kann keinem Zweisel unterliegen, daß Herr Chamberlain es am liebsten sähe, wenn der Fall der Chartered Company in der Versenkung eines gerichtlichen Scheinverfahrens verschwände, wie der Iameson- proceß bereits darin verschwunden ist. Die Opposition freilich nimmt den entgegengesetzten Standpunkt ein; sie bat im Unterhause für das Verfahren der Cbarlered Company Worte so scharfen und so treffenden Tadels gesunden, daß sie sich selbst untreu werden müßte, wollte sie sich einer gründlichen parlamentarischen Untersuchung des korrupten Gesammttreibens jener Gesellschaft entziehen. Ob die Beweggründe der Opposition hierbei wirklich nur der Ausfluß eines lebhaften, unbestechlichen NechtSgesübls sind, ist für den praktischen Effect ohne Belang. Jeden falls steht sie der ganzen Sache ferner und unbefangener gegenüber, als Herr Chamberlain, der für die In- stradirung der britischen Südafrikapolitik mindestens die formale, daneben aber auch ein gutes Tbeil intellektueller Verantwortlichkeit trägt, und deshalb wird sie sich auch nicht verhehlen, daß,-wenn Präsident Krüger mit der Veröffent lichung von Stichproben aus der Iameson-Rhodes'ichen Geheim-Correspondenz fortfahren sollte, die Position Englands bei der Beschränkung der Enquste auf eine untergeordnete gerichtliche Procedur nur noch mehr inS Gedränge aeratben dürfte, al« e« jetzt schon lhatsächlich der Fall ist. Mittler weile ist über die Begnadigung der TranSvaal- Verschwörer oder der .^Reformisten", wie sie in englischen Correfpondenzen euphemistisch genannt werden, folgende Nachricht eingetroffen: * London, 20. Mai. (Meldung des „Reuter'schen Bureaus".) Eine Depesche Robinson's, der heute mit Tecretair Bowq nach England abgereist ist, an Lhamberlain bestätigt die Straf. Umwandlung und fügt hinzu, daß eine 15jährige Gesöngniß» strafe nur eine Formalität bedeute, deren Vollstreckung wenig wahrscheinlich sei. Die übrigen 59 Angeklagten an» langend, so sind 9 gänzlich straffrei geblieben, während die Strafen der anderen auf 5 bezw. 3 Monate Elefängniß gemildert wurden. Die Verbannung ist aufgehoben, falls die Betreffenden ihr Ehrenwort geben, zukünftig sich nicht in die inneren Angelegenheiten Transvaals mischen zu wollen. Di« Geldstrafen werden aufrecht erhalten. Hiernach bestätigt sich die von uns als selbstverständlich angenommene Umwandlung der Todesstrafe in Gefängnißstrafe, nicht in Verbannung. Wenn Sir Robinson an eine weitere Ermäßigung glaubt, so darf man annchmen, daß er gut unterrichtet ist, doch ist kaum anzunehmen, daß eS sich um eine bloße „Formalität" handelt. Der Aufführung einer gerichtlichen Farce nach englischem Muster hallen wir den FeuNjletsn. Die Tochter des Millionärs. 17j Roman aus dem Englischen von L. Bcrnfeld. (Nachdruck verboten.) Miß Hopley war, wie Karoline versicherte, in keiner Weise eine verschwenderische Dame in Bezug auf ihre Stellung, dagegen wäre sie die Großmüthigkeit selbst gegen Andere — sie würde, um Anderen zu Helsen, Alles hergeben, was sie besitze. Karoline hatte mehr als einmal gesehen, wie ihre junge Herrin das Portemonnaie leerte, um den Inhalt des selben einem Bettler zu geben oder sonst einen Hilfsbedürf tigen damit zu unterstützen. Dann leitete Mr. Betlow die Unterhaltung vorsichtig in eine andere Richtung. Wurde Miß Hopley sehr verehrt? Hatte sie viele Anbeter? Karoline gestand zu, daß sie ihrem gnädigen Fräulein schon häufig Briefe überbracht habe, welche ihr von einem sehr schönen Herrn zur Besorgung übergeben worden seien, aber den Namen dieses Herrn könne sie Mr. Betlow nicht verrathen, das würde ein VertrauenSbruck sein. Sie wolle nur sagen, daß der Herr groß und schön und von sehr vornehmer Erscheinung sei und sich augenblicklich hier in der Näbe aufhalte. Da« war etwas für Mr. Betlow. Er fuhr fort, so gut er irgend konnte, Karoline den Hof zu machen; er liebäugelte mit ihr, er legte seinen Arm um ihre Taille und fragte sie, ob der vornehme Anbeter Miß Hopley'« sie — Karoline — schon einmal geküßt habe. „Mr. Betlow, wa« denken Sie von mir?" rief Karoline entrüstet. „Außerdem ist er meinem Fräulein so ergeben, daß er gar nicht nach mir fragen würde!" „Ach — und ich hatte dem Grafen von Sanfoine einen besseren Geschmack zugetraut. Wie ist e« möglich, daß er rin so hübsches Mädchen, wie Sie e« sind, meine Theuerfte nicht beachtet", sagte der verschmitzt, Polizist. ,,E« ist gar nicht der Graf von Sanfoine", erwiderte Karoline unbevacht. „Ich glaube, er hat ihr einen Antrag gemacht, aber Graf oder nicht Graf, sie will nicht« von ihm wissen!" „Ja, ja, ich dachte mir da«. Ich wollt« nur hören, wa« Sie sagen würden. Ich weiß ganz gut, daß Victor Greville der Erwählte Ihrer Dame ist." „Hm — Sie können Sir Victor doch nickt gerade groß und stattlich nennen; nein, nein, mein Fräulein hat einen besseren Geschmack I" „Nun, dann ist es ohne Frage der andere junge Mann, Mr. Vyner, der sich auch hier im Hause aufhält." „Habe ich etwa gesagt, daß er es sei? Lächerlich!" be merkte Karoline muthwillig. Mr. Betlow strafte ihren Muthwillen, indem er einen herzhaften Kuß auf ihre Lippen drückte. Entrüstet wandte sie sich von ihm ab. Da sie aber neben ihm auf der Fensterbank, wo die ganze Unterhaltung stattfanb sitzen blieb, ließ er sich dadurch nicht beirren, sondern fuhr lachend fort: „Wie es auch sei, Sie sollen von mir nicht sagen können, daß ich für so viele Reize blind gewesen wäre. Sie sind viel hübscher als Miß Hopley, Karoline, und wenn ich der Capitain Seudamore wäre, ich würde Ihnen da« längst ge sagt haben!" „Capitain Seudamore? Ich habe seinen Namen ja gar nicht erwähnt", rief Karoline mit einiger Bestürzung auS. „Der Capitain ist's I nicht wahr, ich habe Recht?" fuhr Betlow eindringlich fort. „Sie dürfen es mir dreist zu gestehen, ich werde «S ganz geheim halten!" „Da Sie es errathen haben, Mr. Betlow, kann ick es wobt sagen, daß es der Herr Capitain Seudamore ist. Aber Sie dürfen es keiner lebenden Seele mittheilen, denn ick babe meinem Fräulein geschworen, daß ich zu Niemand davon sprechen will. Mr. Hopley wünscht seine Tochter an den Grafen vyn Sanfoine zu verheirathen, und darum darf er nicht wissen, daß sie dem Capitain ihre Hand zugesagt hat!" „Sie bat ihm also ihre Hand zugesagt?" „Ja, Sie wissen ja, bei den vornehmen Leuten ist da« nicht anders, da ist gleich die Reve vom Heirathen; so eine kleine Liebelei, wie dies wohl manchmal —" „Zum Beispiel zwischen un« Beiden vorkommt, meine Theure!" „Ich möchte Wohl wissen, wie Sie sich erlauben können, so etwas auszusprechen, Mr. Betlow! Doch wa« ich von meinem Fräulein sagen wollte, sie liebt den Capitain so zärtlich, daß sie im Stande wäre, jede« Opfer für ihn zu bringen l" Mr. Betlow war befriedigt und erhob sich. Glücklicher weise wurde der Unterhaltung durch den Klang von Miß Hopley « Glocke «in schnelle« Ende gemacht. Der Beamte dachte über das Gehörte nach und zog seine Schlüffe daraus. Die Geldverlegenheit Seudamore's, seine Spielschulden, sein Verhältniß zu der reichen und freigebigen Erbin, welche ihn liebte und ein so außerordentlich kostbares Brillanthalsband besaß. Es lag ja ganz klar auf der Hand, daß die beiden Liebenden im vollsten Einverständniß gehandelt batten. Der )unge Mann batte augenscheinlich kein allzu zartes Gewissen, und die junge Danie war großmüthig und opferwillig. Mr. Betlow erinnerte sich der zwischen Beiden gewechselten Blicke, und der Entschiedenheit, mit der es Miß Hopley zu rückgewiesen hatte, Karoline in die Sacke mit hineinzuziehen. Es war ihm vollständig klar, daß sich die junge Dame durch ihre Liebe zu diesem gewissenlosen Menschen in eine gefähr liche und schwierige Lage gebracht hatte, und daß sie seinet wegen gezwungen war, Stillschweigen zu beobachten — sie befand sich vollständig in seiner Macht. Da nun die Angelegenheit zu Mr. Betlow's Befriedigung soweit gediehen war, blieb ihm nur noch eins zu entdecken übrig. Da nach seiner Ansicht Miß Hopley dem Capitain ihre Brillanten zur Deckung dringender Schulden gegeben hatte, so war anzunehmen, baß der Schmuck schon von ihm zu Gelbe gemacht worden wäre. Diese« letzte kleine Glied, welches Mr. Betlow in der Kette seiner Beweise noch fehlte, fand er auch bald. Mr. Betlow traf gleich nach seinem löte-L-töte mit Karoline Victor, als dieser von seiner Zusammenkunft mit Beatrix zurückkehrte. Der junge Mann war in Gedanken versunken und wollte mit einem kurzen Gruße an dem Polizisten vorübergeben; doch sollte ihm daS nicht gelingen, denn Betlow stellte sich ihm gerade in den Weg gnd redete ihn an. „Da« trifft sich ja herrlich, Sir Greville, ich war soeben im Begriff, Sie aufzusuchen. Darf ich Ihr« Zeit einige Augenblicke in Anspruch nehmen? Ich möchte nur wenige Worte mit Ihnen^rechen!" „Ein anderes Mal, Mr. Betlow, später; jetzt ist eS mir unmöglich —" und man sah es an seinem sorgenvollen Ge- sichtSauSdruck, daß er nicht in der Stimmung war, sich in ein Gespräch einzulassen. „Ein andere« Mal würde keinen Zweck haben!" erwiderte Mr. Betlow ernst. „Bitte, schenken sie mir einen Augenblick Ihre Aufmerksamkeit, ich werde Sie nicht lange aufhalten!" Obgleich Victor diese Zudringlichkeit verdroß, konnte er doch nicht umhin, dem Beamten seine Bitte ru gewähren. „Wenn ich recht verstanden hab«, Sir Victor, sind Sie gestern in Inverness gewesen und haben Ibre Flinte dort ausbessern lassen, bitte sagen Sie mir doch, ob Sie irgend einen Bekannten auf der Fahrt dorthin getroffen haben." „Ja, aber weshalb fragen sie darnach?" „Verzeihen Sie, das kann ich Ihnen vorläufig nickt sagen! Wollen Sie die Güte haben, mir zu sagen, wer es war?" „Gewiß, warum sollte ich nicht. ES war der Capitain Seudamore, wir fuhren Vormittags zusammen nach Inverneß und kehrten Nachmittags gemeinsam zurück." „Ab, ich dachte es mir. Hat Ihnen der Capitain gesagt, zu welckem Zweck er nach Inverneß führe". „Nein, ich habe auch gar nicht darnach gefragt." Mr. Betlow richtete jetzt eine zweite Frage an Sir Victor, welche diesen auf« Höchste überraschte. „Können Sie nur vielleicht zufällig sagen, Sir Greville, in welcher Beziehung der Capitain Seudamore zu Miß Hopley steht?" „Mr. Betlow", rief Victor entrüstet, „das ist eine sehr unzarte Frage. Ich sollte meinen, daß e« Sie durchaus nichts angehen kann, in welcher Beziehung der Herr und die Dame zu einander stehen!" „Ich bitte sehr um Entschuldigung, Sir Greville, es geht mich sogar sehr nahe an; die Angelegenheit, welche mich in diese« Haus geführt hat, steht im engsten Zusammenhang damit, und Ihre Antwort kann vielleicht sehr viel zur Aus klärung deS Diebstahls beitragen". „In diesem Falle werde ick Ihnen dieselbe natürlich nicht verweigern, obgleich ich gestehe, daß ick nicht begreife, in welcher Beziehung ihre Frage zu dem Diebstahl stehen kann — Miß Hopley ist mit dem Capitain Seudamore so gut wie verlobt!" Obgleich es ihm schwer wurde, diese Worte aus zusprechen, überwand er sich dennoch, da er e« für seine Pflicht hielt, dem Beamten zu antworten. „Sind Sie Ihrer Sack« sicher, Sir Greville?" „Ganz sicher!" Bei diesen Worten wandte Victor Mr. Betlow den Rücken und verließ ibn. Er fühlte, daß er fernere Fragen über den Gegenstand nicht ertragen könnte. Betlow ging, vergnügt vor sich hinpfeifrnd, hinaus und dachte an seine bequeme Iunggesellenwohnung in Evinburg. „Ich hoffe, daß ich morgen Abend daheim sein kann", sagte er wohlgefällig zu sich selbst. „ES handelt sich hier um eine rein« Familienangelegenheit. Mir sind solche Sachen verhaßt, eS schau» nicht« dabei heraus Glücklickerweise hat eS nicht lange gedauert, es hätte darüber aut und gerne eine Woche hingeben können, wenn mir die Umstände nicht zu
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