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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.05.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-05-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960528015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896052801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896052801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-05
- Tag1896-05-28
- Monat1896-05
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Reclamen unter dem Redactionsstrich (4ge- spalten) LO^, vor den Familirnnachrtchtrn (6 gespalten) 40-4- Größere Schriften laut unserem Preis- Verzeichnis. Tabellarischer und Ziffernlaß nach höherem Tarif. Gxtra-Veilagcn (gefalzt), nur mit der Morgen - Ausgabe, ohne Postbrförderung SO.—, mit Postbejördrrung ^4 70.—» Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen find stets au die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig Donnerstag den 28. Mai 1896. so. Jahrgang. Der bayerische Particularismus und der Falt Ltern. Die „Münchener Neuesten Nachrichten" haben die eigen- thümlichen Regungen deS bayerischen Particularismus, die sich in der letzten Zeit gezeigt haben, in einer so entschiedenen Weise znrückgewiesen, daß es einer weiteren Auseinandersetzung über die Angelegenheit kaum bedürfte. Durch das bekannte diplomatische Nachspiel zu dem „Fall Stern" aber wird ein handgreiflicher Beweis für Vie Unsinnigkeit particularistischrr Bestrebungen in Bayern geliefert. Der Amerikaner Stern hat bekanntlich im vorigen Sommer einen bayerischen Badecommissar beleidigt und war dafür gebührendermaßen zu einigen Monaten Gefängniß vernrtheilt worden. Unbegreiflicherweise richtete der amerikanische StaatSsecretair des Aeußeren Olney eine an maßende Note an den deutschen Botschafter, in der er sich über daS willkürliche Verfahren, die ungerechte und grausame Verurtheiluug beschwerte. Der deutsche Botschafter fertigte ibn in scharfer und würdiger Weise ab, Herr Olney gab eine unpassende Antwort, erhielt wiederum eine gründliche Abfertigung und damit war die Sache erledigt. Damit war die Sache erledigt, können wir mit Be friedigung sagen. Sie war es, weil die Vereinigten Staaten sich natürlich dreimal bedenken werden, wegen des Herrn Stern in ein unfreundliche- Verhältniß zn Deutschland zu kommen. So blieb also der deutsche Gesandte Sieger, als er den Angriff auf einen bayerischen Gerichtshof zurückwieS. Denken wir uns aber um dreißig Jahre zurück, also in eine Zeit, in der der von den bayerischen Par- ticularisten so ersehnte Zustand noch bestand, in eine Zeit, in der Bayern eine größere „Selbständigkeit" besaß, als gegen wärtig. Gesetzt, der Fall wäre damals vorgekommen. Hatte der bayerische Gesandte dieselbe Sprache finden können, wie jetzt der deutsche? Und vor allen Dingen: hätte diese Sprache dieselbe Wirkung gehabt? Herr Olney deutete in seinem ersten Schreiben an den deutschen Gesandten, wenn auch in sehr verblümter Form, Repressalien an. Das war natürlich nur eine Phrase, eine leere Drohung. Wäre sie das aber vor 30 Jahren auch Bayern gegenüber gewesen? Die amerikanische Negierung hätte die nach Amerika ein wandernden Bayern — und deren Zahl ist nicht gering — nach Herzenslust chicaniren können; sie hätte den bayerischen Export in jeder Weise maltraitiren können, und Niemand hätte sie daran zu hindern vermocht. Das „Bayerische Vaterland" und wie immer die particularistischen Hetzblätter heißen, hätten denn wacker auf die Dankees geschimpft, aber damit wäre den wackeren Bayern in Amerika und den bayerischen Exporteuren wenig geholfen gewesen. Jetzt aber wagt keine ameritaniscbe Regierung ungerecht gegen die Bayern zu sein, weil sie eben nicht nur Bayern, sondern auch Deutsche sind, weil sie nicht nur von der blau-weißen, sondern von der schmarz-weiß-rothen Flagge geschützt werden und weil hinter dieser Flagge nicht nur die beiden bayerischen Armeecorps sieben, sondern die schlagfertigste Armee der Welt und eine nicht zu verachtende Flotte. Wir wollen an den Fall Stern ein anderes Beispiel an knüpfen, in dem Wahrheit und Dichtung sich mischen. In einem Gerstäcker'schen Romane, der in Südamerika spielt — und diese Romane haben darum einen kulturhistorischen Werth, weil der Verfasser die neue Welt oft durchstreift und aufmerksam beobachtet hat —, sucht ein bayerischer Kauf mann den preußischen Consul (der Roman spielt in den 40 er Jahren) in der Hauptstadt einer südamerikanischen Republik auf und erhebt Beschwerde, daß sein Bruder gewaltsam unter daS Militair gesteckt worden sei. Der Consul weigert sich, da er Bayern nicht vertrete. „Aber wir sind doch Deutsche." „Deutschland existirt nicht, lieber Mann", erwiderte der Consul, „im Uebrigen aber, selbst wenn ich Ihnen helfen wollte, lacht mich die venezuelanische Negierung einfach aus. Was kümmert die sich denn um Bayern? Meines Wissens stiebt eS keine bayerische Flotte, die Caracas bombardiren könnte." Und der arme Bayer muß ohne Hilfe abziehen. Wir wissen nicht, ob dieser Erzählung ein wirkliches Erlcbniß zu Grunde liegt. Darauf kommt es aber gar nicht an. Die Hauptsache ist, daß sie sich buchstäblich hätte er eignen können. Und der Fall Stern ist ein Factum und Niemand kann leugnen, daß er ganz anders, sehr viel weniger günstig für Bayern hätte verlaufen können, wenn nicht eben Deutschland hinter dem Urtheilsspruche des bayerischen Gerichtshofes gestanden hätte. Es liegt uns wahrlich ferne, Bayerns Ansehen und Kraft verkleinern zu wollen. Was die Bayern für die Einigung Deutschlands geleistet haben, soll ihnen unvergessen bleiben. Daß die Neutralität oder gar die Feindschaft Bayerns den Kampf gegen Frankreich unsäglich erschwert hätte, muß jeder objectiv Denkende ohne Weiteres zugeben. Aber die Bayern sollen nie vergessen, daß sie doch nur ein Glied in der Kelte der deutschen Stämme waren und daß das, was errungen worden ist, nicht nur mit von ihnen, sondern auch für sie errungen worden ist. Sobald sie sich aus dieser Kette los lösen, fallen sie in die politische Ohnmacht dem Auslande gegenüber zurück. Welche Schmach, welche wirthschaftlicben Gefahren eine solche Ohnmacht bedeutet, das haben wir gerade an dem Falle Stern dargethan. Es sei den Particularistcn zugegeben, daß die Zugehörig keit zum deutschen Reiche, die Aufrechterhaltung und Stärkung der deutschen Wehrmacht Opfer erheischt. Da möchten wir sie aber an den mexikanischen Kaiser Montezuma erinnern, der gleichzeitig mit einem seiner Großen von den Spaniern der Folter unterworfen ward und, als der Große ihm zurief: „Oh, Kaiser, waS muß ich erdulden I" ihm erwiderte: „Glaubst Du, daß ich ein warmes Bad nehme?" Alle deutschen Staaten müssen Opfer zur Erhaltung der Macht des Reiches bringen, aber der Gedanke daran, daß die Opfer sehr viel größer würden und der Erfolg trotzdem sehr viel unsicherer wäre, wenn das Reich nicht bestünde, schützt sie vor parti cularistischen Narreteien. Deutsches Reich. ä.. Berlin, 27. Mai. Die Bemühungen, den sogenannten Assessorenparagraphen in der einen oder anveren Form im preußischen Landtage zur Annahme zu bringen, werden von der preußischen Regierung, den conservativen Parteien des Landtages und hochgestellten Juristen mit ungemindertem Eifer fortgesetzt. Die Argumentation, daß die gesellschaft lichen Allüren deS Richterslandes gehoben werden müßten, hat etwas Bestechendes für sich, sie verschiebt aber vollkommen die Basis, auf der der Nichterstand, wenn anders er seiner Aufgabe im höchsten Sinne gerecht werden will, stehen muß. Die Motive, die von den Anhängern des Paragraphen ins Ge fecht geführt werden, würden dann stichhaltig sein, wenn es sich nur um die Strafjustiz handelte; hier ist allerdings daS äußere Ansehen, das der Richter sich zu geben versteht, von einer nicht zu unterschätzenden Wichtigkeit. Nun nimmt aber die Strafjustiz nur einen gewissen Bruchtheil der juristischen Thätigkeit ein; die Hauptsache bildet die civi listische Thätigkeit des Richters. Hier aber kommt eS neben den Kenntnissen auf das Vertrauen an, das der Richter in seinem Sprengel genießt. Wer die Verhältnisse an kleineren und mittleren Amtsgerichten kennt, weiß, daß dort die besten Zustände und die größte Zufriedenheit herrschen, wo die Richter eS verstehen, in einem gewissen patriarchalischen, fast der Stellung des Geistlichen ähnlichen Verhältniß zu den Bürgern und Bauern zu stehen. Wie oft haben wir es an Amtsrichtern bewundert, wenn sie bei Leib gedingeverträgen mit den alten Bauern, die ihren Kindern zu harte Bedingungen bei Uebernahme des Gutes stellen wollten, förmlich rangen und die alten Bauern auch dahin brachten, mildere Saiten aufzuziehen; sie verhüteten durch diese ibuen durchaus nicht ofsiciell obliegende Thätigkeit ungezählte Processe und unnatürlichen Hader zwischen Eltern und Kindern. Richter, die eine solche segensreiche Thätigkeit auSüben wollen, müssen es aber verstehen, mit dem Volke nach deS Volkes Art zu sprechen, und daS gelingt einem Richter von schlichtem Wesen am besten. Auch die Argumentation, daß sogenannte gute Herkunft und gesicherte Lage eine be sondere Bürgschaft für unabhängige Haltung seien, hält vor den praktischen Erfahrungen nicht Stich. Wir erinnern uns eines Falles, wo ein junger Referendar von all den Quali täten^ die von der preußischen Regierung jetzt so sehr für daS juristische Personal ersehnt werden, mit unS zusammen dem Vorbereitungsdienste oblag. Der junge Mann war guter deutscher Herkunft und, wir hoffen eS wenigstens, auch deutscher Gesinnung. Aber da er einen polnischen Amtsrichter zum Vorgesetzten hatte, so steckte er die deutsche Gesinnung zeitweilig in die Tasche, schmeichelte dem Herrn Amtsrichter auf jede denkbare Weise und sang allabendlich dem Vorgesetzten das Lied aus dem „Bettclstudenten", in dem die Schönheit der polnischen Frau verherrlicht wird, mit edler Begeisterung vor. Er erhielt dann wohl auch ein gutes Abgangsattest, als er die Station verließ. Man würde also hinsichtlich des „UnabbängigkeitSsinnes" der künftigen Richter nicht immer gut fahren, wenn man sich, wie die preußische Regierung es will, so sehr auf die Atteste der Vorgesetzten verließe. Gerade in den östlichen preußischen Provinzen brauchen wir Richter von kernhafter, knorriger Art, um dem glatten Polentbum widerstehen zu können, Männer, die nicht Werth darauf legen, dem dummen, hilflosen polnischen Bauern zu imponiren, sondern die mit dem polnischen Edelmann und dem polnischen Geistlichen fertig zu werden wissen. Dazu gehört vor allen Dingen eine unbeugsame deutsche Gesinnung, sür die die Abstammung „von Familie" noch keine sichere Garantie ist. So vermögen wir uns denn für die Absichten der preußischen Regierung in keiner Weise zu erwärmen und hoffen, daß jeder erneute Versuch, die Unabhängigkeit deS preußischen Richterstandes durch Bethätigung anderer Principien bei der Anstellung der Richter auf eine andere Basis zu stellen, ebenso scheitern wird, wie der erste Ansturm. 6.U. Berlin, 27. Mai. Die über ganz Deutschland sich erstreckenden und in der letzten Zeit recht erstarkten Haus besitzer-Vereine werden bekanntlich ihren diesjährigen Ver bandstag vom 9. bis 12. August in Görlitz abhalten. Bonden Berathungsgegenständen dürfte der zweit« der Tagesordnung: „Der Bauschwindel und seine Bekämpfung" weit aus das meiste Ji teresse erregen. Gerade in den Groß städten, speciell in Berlin, treibt der Bausckwindel die giftigsten Blütben; Hunderte von braven und auch vor sichtige Handwerker werden durch die Bauschwindler, die in einzelnen Localen förmliche Börsen abhalten, jährlich an den Bettelstab gebracht und alle Versuche, diesen Schwindlern beizukommen, sind vergeblich gewesen. Hochersreulich ist es daher, daß auch die Hausbesitzer-Vereine, die im Großen und Ganzen doch den soliden Grundbesitz repräsentiren, sich auf ihrem Verbandstage in Görlitz mit dem Bauschwindel und seiner Bekämpfung beschäftigen werden. Es hat eine Zeit gegeben, in der die Grundbesitzer- Vereine von den Miethern mit Mißtrauen beobachtet wurden, weil erstere politischen Einfluß zu gewinnen suchten, um Sonderinteressen verfolgen zu können. Bei diesem ihrem Bestreben sind die Grundbesitzer-Vereine jedoch auf so viel Widerstand gestoßen, daß sie sich schließlich vom politischen Gebiete ganz zurückgezogen haben. V. Berlin, 27. Mai. (Telegramm.) Nach der gestrigen größeren Frühstückstafel im Elisabethsaale des königlichen ScklosseS begab sich der Kaiser um 4 Uhr 30 Minuten mittels Sonderzuges nach Briesen und von dort nach Madlitz, wo er auf der Abendpürsche 9 Rebböcke erlegte. DaS Diner nahm der Kaiser im Schlosse Madlitz beim Grafen Finck von Finckenstein ein und kehrte Abends nach dem Neuen Palais zurück. Heute Vormittag fuhr der Kaiser gegen 9»/« Uhr nach der Matrosenstation in Kl.-Glienicke, schiffte sich auf der „Alexandra" ein und begab sich auf derselben nach Treptow zum Besuche der Berliner Gewerbe-Ausstellung, wohin die Kaiserin bereits mit den beiden ältesten Prinzen um 9 Uhr von der Wildparkstation aus vorauf gefahren war. Auf der Fahrt von Glienicke nach Treptow nahm der Kaiser den Vortrag des Chefs des Geheimen Civil-CabinetS entgegen. Das Frühstück wurde von den Majestäten auf dem Festschiff des Bremer Lloyd eingenommen. Die kaiserliche Familie beabsichtigt, am Nachmittag in der Ausstellung zu verbleiben, wohin von Wildpark aus auch die drei jüngeren Prinzen, Adalbert, August Wilhelm und Oskar, mit dem fahrplanmäßigen Zuge um l Uhr 3 Minuten mit ibrer Begleitung nachgejahren sind. Die Rückkehr nach dem Neuen Palais erfolgt heute Abend. Berlin, 27. Mai. (Telegram m.) Wie die „Nordd. Allgem. Zlg." meldet, hat sich der Reichskanzler Fürst Hohen lohe gestern Abend auf einige Tage auf sein Gut Grabowo in der Provinz Posen begeben. ---- Berlin, 27. Mai. (Telegramm.) Der „Nordd. Allgem. Ztg." zufolge ist an zuständiger Stelle nichts davon bekannt, daß unter den für den Landtag vorbereiteten Vor lagen auch eine die Vermehrung der Amtsgerichte betreffende sich befinde. L. Berlin, 27. Mai. (Privattelegramm.) Die „Berl. Börs.-Ztg." schreibt: „Die Candidatur des früheren Reichstagsabgeordneten Prof. l). von Hertling für das erledigte Mandat im Wahlkreise Illertissen bat eine ganz besondere Bedeutung. Das Centrum wünscht diese Wahl, um — kurz gesagt — besser geleitet zu werden, als bisher durch Herrn Lieber. Auch hofft man, Herr von Hert ling werde daS Centrum in erwünschterer Weise dem conservativen Programm nähern, als vieS unter der Leitung Lieber's der Fall ist. Im Allgemeinen ist das Centrum unS Anderen reaclionair genug, aber man hat gute Fühlung nach oben in jenem Lager; daher ist es gut, gewisse Dinge bei Zeilen in das entsprechende Licht zu rücken." — Das englische Blatt „Quardian Manchester" bringt eine hochwichtige politische Neuigkeit, die durch den Telegraph französischen Blättern übermittelt wird. Der deutsche Kaiser wird nämlich, so heißt es dort, den Afrikareisenden Eugen Wolf mit einer geheimen Mission nach Trans vaal entsenden. Auf Grund der von dem Vertrauensmanne des Kaisers zu bewerkstelligenden Erhebungen soll Letzterer alsdann die Leitung einer antienglischen Bewegung in Süd afrika in die Hand nehmen wollen. „Es soll uns" — be merken hierzu die „Berl. N. N." — „nicht wundern, wenn wir demnächst aus englischen Quellen auch erfahren, daß deutsche Generalstabsofficiere im Sudan den Derwischen ihren FeldzugSplan gegen England ausgearbeitet und die Matabele- krieger einexercirl hätten. Uebrigens haben wir nichts gegen die englische Auffassung einzuwenden, daß das deutsche Reich aufmerksam auf dem Posten steht, um jeden englischen Ueber- griff, welcher die deutsche Interessensphäre verletzt, zurück zuweisen." — Die „Berl. Börs.-Ztg." schreibt heute: „Wir sind nunmehr in der Lage, auf Grund bester Infor mationen mitzutheilen.daß den englischenSchisss-Ingenieuren, welche von Hamburg nach Berlin kommen, am 10. Juni im Kroll'jchen Etablissement seitens des Reichsamts des Innern ein Fest ge geben wird. Die Thatsache wird Befremden erregen, indessen ist zu empfehlen, die Angelegenheit mit Würde zu behandeln." Und der „Börsencour." äußert sich in derselben Angelegen heit folgendermaßen: „In die Reihe der Gerüchte, welche dringend der amtlichen Er klärung bedürfen, zählen wir auch die Meldung, die Reichsregierung (I) plane, den nach Berlin kommenden 170 englischen Schiffs ingenieuren in den Räumen der Berliner Gewerbe-Ausstellung ein großes Fest zu geben. Gewiß kommen die Herren auf kaiser liche Einladung nach Berlin —aber diese Einladung erfolgte zu einer IZcit, in der Englands Stellung zu Deutschland eine andere war als heute. Die Einladung konnte selbstverständlich nicht rück gängig gemacht werden: die Herren kommen aus Hamburg, wo sie emem Congreß beiwohnen, sie werden erfahren, daß wir zwar sehr gastfreundlich sind, daß aber in diesem besonderen Falle der internationalen Pflicht die allgemeine Sympathie nicht zur Seite sieht." — Die „Franks. Ztg." vermutbet, daß die Verleihung des Kronenordens 1. Classe an den Schatzsecretair Grafen Pofadowsky mit der glücklichen Erledigung des Zucker steuergesetz es, an dem der Kaiser großes Interesse ge nommen hat, in Zusammenhang stehe. — Nach dem Ausscheiden des bisherigen französischen Bot schafters Herbette ist der italienische Botschafter General Graf Lanza Doyen des hiesigen diplomatischen Lorps geworden: da er unvermühlt ist, so wird die Vorstellung der Damen de- diplomatischen CorpS bei Hose der österreichisch-ungarischen Botschafterin Frau v. Szögenyi-Marich Zufällen. * Pose», 26. Mai. Die Stellungnahme der polnischen Fraktion gegenüber der neuen Militairvorlage sucht der Posener Gewährsmann der Krakauer „Nowa Reform»" folgendermaßen vorher zu bestimmen: „Wenn auch das Verbot des Spielens polnischer Melodien auf gehoben würde, so kann uns dies keineswegs für die neue Militair vorlage günstig stimmen. Weiß man doch, daß jede Armee- Vermehrung am nachdrücklichsten in den polnischen Landes- theilen empfunden wird, wo beim Musterungsgejchäft di« meisten gesunden und tauglichen Militairpflichtigeu ausgehoben werden. Darum hoffen wir, daß unsere Vertreter im Reichstage zu obigein Werk nicht die Hand bieten, sondern sich gegen die Vorlage erklären werden. Sie haben sich vor 3 Jahren genug die Finger verbrannt, wo sie durch ihre Stimmen die Regierung aus einer üblen Lage befreiten. Dafür hat man uns mit langer Nase F-irillrtsn. Die Juden aus den Messen zu Leipzig in früherer Zeit. n. Da- Patent wurde an zwei Ecken de- Brühl-, an dcr Katharinenstrabe und Halleschen Straße, auf zwei Tafeln bekannt gemacht, doch hinderte diese augenfällige Bekanntmachung die Juden keineswegs, die Messe vor ter festgesetzten Zeit zu beginnen. Sre öffneten dir Ge wölbe, wie au« einem Schreiben der Kürschner an den Rath vom 26. April 1781 zu ersehen ist, sogar drei Wochen vor Einläutung der Messen. Die Beschwerden dagegen er folgten ohne Unterlaß, und 1788 erklärten die Kramer und Kaufleute, daß dieser Uebelstand mit dem Alter des Patent zusammenhängen möge, und ein Neudruck der Verordnung und Bekanntmachung derselben in den Zeitungen, sowie ihre Ver- tbcilung an die ankommenden fremvrnKaufleuteundFabrikanten durch vie Tborschreiber wünschen-wrrth sei. Der Rath er neuerte da« Patent am IS. September 1788, und zwar mit dem Zusage, daß binfüro dessen Nichtbeachtung mit SO Tbalern Strafe geahndet werden würde. Diese Verordnung scheint die Juden doch etwa» empfindlich berührt zu haben, da sie bereit- am 26. September dagegen beim Ralbe vorstellig wurden, mit Hinweis, daß ihre fest zusammengeschnürte, weitgesührtr und von der Sonne warm gewordene Waare, wenn man sie nicht gleich auSpacke, ausklopfe und sortire, dem Wurmfraß« und anderer Ungelegenheit ausgesetzt sein würde. Dürfe da- Auspacken erst nach Einläuten der Messe stattfinden, müßten sie die ganze erste Meßwoche damit ver bringen, während sie doch binnen dieser Zeit verkaufen möchten. Da der Rath den jüdischen Petenten kein Gehör schenkte, so ignorirten sie die Verordnung und trieben ihren Handel in derselben Weise wie bisher weiter. Wahrscheinlich vertrauten sie auch jetzt wieder auf die landesherrliche Gunst und Strafbefreiung, und sie mögen sich auck nicht getäuscht haben, denn Nachrichten über Bestrafungen finden sich nicht. Trotzdem die jüdischen Meßfieranten beim Rache wenig Entgegenkommen zu erhoffen hatten, hielten sie doch zähe an dem Bestreben fest, in Leipzig seßhaft zu werden. Ein neuer sprechender Beweis dafür ist die seit Ende de- 18. Jahr- Kunderts immer stärker werdende Zahl von Bittgesuchen nm Erlaubniß zur Niederlassung. Vielleicht gaben sich die Petenten der Hoffnung hin, daß ein rechtliche» Mittel eher zum Ziele führe als die Nichtachtung gesetzlicher Verord nungen. Der Rath fand indessen keinen genügenden Grund, den Petenten Gehör zu schenken, und beschick alle Gesuche abschlägig. Nichtsdestoweniger setzten sich von 1788 an ver schiedene jüdische Meßfieranten in Leipzig fest, und der Rath sah sich in Rücksicht auf den gegen die Juden günstig gesinnten LandeSfürsten außer Stande, deren Ausweisung zu bewirken. Sie wohnten von jetzt an nicht nur in der inneren Stadt, sondern auch in den Vorstädten und hatten ibre Handels gewölbe am Ende de- 18. Jahrhundert« und in den ersten drei Jahrzehnten des IS. Jahrhunderts nicht allein im Brühl und in den unteren Tbeilen der Ritterstraße, Nicolaistraße und Neichsstraße, sondern, wo es ihnen eben beliebte. Wie sehr die Juden bemübt waren, in Leipzig festen Fuß zu fassen, bezeugt auch ihre im Jahre 1818 an den Landesherrn gerichtete Bitte, zünftigeHandwerke erlernen zu dürfen. Der Landesherr entsprach auch am 10. Juli 18l8 ihrem Wunsche, allein am 20. Octvber entzog er ibnen auf Drängen der christlichen Handwerkerinnungen diese Begünstigung wieder. Diese herbe Bloßstellung empfanden die Juden schwer, denn zehn Jahre schwanden, ehe sie den Muth besaßen, mit der Frage der Niederlassung und dem Bestreben, Handel und Gewerbe treiben zu dürfen, abermals hervorzutretrn. Erst nachdem Sachsen eine Verfassung erhalten batte, machten sie diese Forderung wieder geltend. Auf die in der Constitution aus gesprochene Gleichstellung aller Glieder des Staates sich berufend, unterbreiteten sie im Jahre 1833 der ersten con- ftitutionellen Ständeversammlung in Dresden eine Petition um bürgerliche Gleicbstellung mit den Christen. Anfangs fand diese Petition wenig Anklang. Obgleich der Professor Krug auS Leipzig in der Sitzung der ersten Kammer am 7. März sich der Juden warm annabm nnd hierauf die Bittschrift der dritten Deputation zur Be gutachtung überwiesen wurde, ging man doch nicht auf die Wünsche der Petenten ein, da man der Ansicht war, daß der Emancipatwn der Juden eine moralische Verbesserung vorausgehen müsse. Trotzdem wurde bi« Angelegenheit dadurch nicht abgethan, denn am 28. November 1834 erließ die königliche Lanvesdirection an den Rath «in Schreiben, worin die königliche Behörde den Wunsch aus sprach, zu erfahren, ob die israelitischen Kinder bisher Er laubniß zur Erlernung zunftmäßiger Gewerbe erhalten hätten, sowie ob die Bestimmung für die Leipziger Juden noch existire, welche ihnen verbot in den Vorstädten zu wohnen, und endlich, ob die Juden in Leipzig vom Betriebe der Speise- und Schankwirthscbaften auSgejchlossen wären?" Hierauf antwortete am 26. März 1835 der Rath durch den Stadtrath Friedrich Müller, zugleich mit dessen bei gefügtem Gutachten, „daß die Juden ihre Wohnungen und Handelsräume ganz nach Belieben wählen könnten, die Juden vom Betriebe zünftiger Gewerbe ausgeschlossen wären, und die in Leipzig wohnenden Juden außer der Messe nur Kleinhandel und die fremden Juden nur während einer Woche der Messe diesen betreiben dürften. Die Aus schließung der Juden vom zünftigen Gewerbe läge darin begründet, daß ein jüdischer Lebrling bei seiner Aufnahme in die Lehre eine« TaufreugnisseS oder eine- ausführlichen Geburtsbriefes bedürfe. Auch müßte man der bekannten Ur sachen gedenken, welche die Meister zur Aufnahme eines jüdischen Lehrling- abgeneigt machten. Am Betriebe un zünftiger Gewerbe wären die Juden nicht gehindert, doch hätten sie bisher keine besondere Neigung hierzu gezeigt. Vor Allem besäßen sie eine unüberwindliche Scheu vor Gewerben, welche körperliche Anstrengung erforderten. Einmal nur hätte sich ein Jude zur Fabrikation von Cigarren bequemt, jedoch nur, um unter dem Deckmantel eigener Fabrikation die Ge legenheit zum Handel zu erlangen. In Bezug auf die Gleich stellung der Juden mit den Christen sprach sich Referent gegen eine sofortige Bewilligung derselben aus. Zunächst
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