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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.05.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-05-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960530022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896053002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896053002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-05
- Tag1896-05-30
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271 Die Morgen-AuSgabe erscheint um '/,7 Uhr, dir Lbeud-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr. Nedaction und Expedition: JohanneSgasse 8. DieExpeoition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis AbeqhS 7 Uhr. Filialen: vtt» Klemm's Sorrim. (Alfred Hahn). Universitätsstraße 3 (Paulinum), LoniS Lösche. Kathannenstr. 1s, Port. und Königsplad 7. Bezugs-Preiö tn der Hauptexpedition oder den im Stadt bezirk und den Bororten errichteten Aus gabestellen abgeholt: vierteljährlich ^t4.öO, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins Haus >l ü.üO. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertefiährlich X 6.—. Direkte tägliche Kreuzbandiendung ins Ausland: monatlich X 7.öO. Abend-Arssgttbe. UeiWMrTagMalt Anzeiger. Änttsölatt -es Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Natljes nn- Volizei-Nmtes -er Lta-t Leipzig. Sonnabend den 30. Mai 1896. Anzeigeu-Prr:" die 6 gespaltene PettlzeUe KO Psg. Reclameu unter dem Redactionsstrich (4ge- spalten) ÜO/H, vor den Familiennachrichtea (6 gespalten) 40-H. Größere Schriften laut unserem Preis- vrrzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit de, Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderuug ^tl 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Vormittags 10 Uhr. Morge «-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eia« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedtttnrr zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig SV. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 30. Mai. Der Reichstag, der am Dienstag seine Arbeiten wieder aufnimml, findet auf der Tagesordnung seiner ersten Sitzung nur erste Lesungen, die erfahrungsmäßig keinen besonderen An reiz zur Beschlußfähigkeit des Hauses bieten. Es steht aber zu er warten, daß die weiteren Sitzungen des Plenums in der nächsten Woche wichtige Verhandlungen herbeiführen, die nur bei guter Besetzung des Hauses ohne Unterbrechung zur Er ledigung gebracht werden können. Die erste Berathung des Handelsvertrags mit Japan wird schwerlich längere Debatten Hervorrufen, nachdem bis jetzt wenigstens die an der Ausfuhr nachJapan betheiligtenJndustriellen durch ihrSckweigen zu erkennen gegeben haben, daß der neue Vertragsentwurf mit Japan ihren Erwartungen entspricht. Lebhaft dürfte es bei der ersten Lesung des Nachtragsetats zugehen, der die Uebernabme von Neu-Guinea in Neichsverwaltung in Vorschlag bringt. Selbst in manchen colonialfreund lichen Kreisen fehlt eS nicht an Bedenken gegen diesen Vorschlag, die indessen auf die Beschluß fassung kaum Einfluß haben dürften, da das Eentrum im Interesse der in Neu-Guinea thätigen katholischen Missionare die Uebertragung der Landeshoheit von der Privatgesellschaft auf das Reich schon seit langen Jahren befürwortet hat. Für die Mittwochssitzung (Schwerins tag) ist in Anregung gebracht worden, den Commissions bericht über die Anträge, betr. daS Reichs»ereinS- und Verfammlungswesen, auf die Tagesordnung zu bringen. Bei dieser Gelegenheit wird sich vielleicht Herausstellen, ob die Neichsregierung bereit ist, auf dem Wege der Reicks gesetzgebung das in Preußen und in einer Reihe von anderen Einzelstaaten bestehende Verbot der Verbindungen zwischen politischen Vereinen kurzer Hand aufzuheben. An einer starken Mehrheit des Reichstages würde eS für eine solche Maß regel nicht fehlen. Was die noch ausstehenden dritten Berathungen betrifft, so steht die Novelle zur Gewerbeordnung an der ersten Stelle, das Margarinegesetz an der zweiten und das Börsen gesetz an der dritten; ob aber diese Reihen folge innegehalten wird, ist noch eine offene Frage. Das Depotgesetz ist bekanntlich auch noch in zweiter Berathung zu erledigen. Das Börsenzesetz wird verhältnißmäßig am schnellsten zur Erledigung kommen, da bei der Gruppirung der Parteien so gut wie keine Aussicht vorhanden ist, frühere Beschlüsse rückgängig zu machen, was natürlich nicht ausschließt, daß Abänderungsanträge des Princips wegen eingebracht werden. Vor Allein dürfte der An trag Kanitz wegen Herbeiführung eines internationalen Verbots des Terminhandels in Getreide zu interessanten Debatten führen. Im Margarinegesetz wird sich der Kampf auf die Beschlüsse zweiter Lesung über das Färbe verbot und die Trennung der Verkaufsräume für Margarine und Butter concentriren; dagegen ist die An kündigung der „Deutsch. Tagesztg.", der Antrag auf latente Färbung der Margarine durch Zusatz von Phenolphthalein solle wiederholt werden, nicht ernsthaft zu nehmen. Die von dem Abg. v. Podbielski u. Gen. beantragte Resolution, wonack die aus dem Auslande eingehenden Sendungen von Butter, Käse, Margarine u. s. w. amtlich untersucht werden sollen, nicht nur in gesundheitspolizeilicher Hinsicht, sondern auch darauf hin, ob sie den Vorschriften dieses Gesetzes entsprechen, wird sich als unausführbar Herausstellen. Für die dritte Be rathung der Novelle zur Gewerbeordnung wird fast aus schließlich das Verbot des Detailreisens in Frage kommen, daS in der bisher beschlossenen Fassung keinem Theile zusagt, Feirilletsn. Die Tochter des Millionärs. 24s Roman aus dem Englischen von L. Bernfeld. (Nachdruck verboten.) Vom frühen Morgen bis in die späte Nacht hinein ließ er sie allein, er aß nicht einmal mit ihr zu Mittag, und selten kam er vor Mitternacht nach Hause. Manchmal suchte sie ihn in den Spielsälen auf, doch wenn Philipp sie dort erblickte, forderte er sie in rauhem Tone auf, wieder zu geben. Oft aber war er so ins Spiel vertieft, daß er ihre An wesenheit gar nicht bemerkte, und dann stand sie und beobachtete ihn von Weitem. Sie sandte täglich inbrünstige Gebete zum Himmel, daß Philipp gewinnen möchte, doch wenn dies wirklich einmal der Fall war, so verlor er in den nächsten Tagen Alles wieder. Eines TageS ging Jane in dem Casino-Garten auf und nieder, daS Orchester spielte einen Strauß'schen Walzer. An ihr vorüber zogen munter plaudernd fröhliche Menschen in elegantesten Toiletten. Die frischen Farben der Kleider und das fröhliche Lachen harmonirten auf daS Beste mit der lieblichen Scene — mit dem Sonnenschein, den Spring brunnen, dem blauen Spiegel des schlafenden Oceans, welcher sich am fernen Horizont zwischen den Klippen ausdehnte. Einen scharfen Contrast dazu bildete Jane in ihrem ab- getragenen Anzuge mit dem traurigen verzweifelten Ausdruck ihres Gesichts. Doch in Monte Carlo waren die Leute an dergleichen Gegensätze gewöhnt — an die höchste Vollkommenheit menschlichen Glückes und an die tiefsten Tiefen des mensch lichen Elends. Und so kümmerte sich Keiner um die einsame Frau, welche stuf der Gartenterrasse unter den Palmen umhcrwandelte. Jane hoffte, daß Philipp zu ihr berauskommen würde, er hatte ibr gesagt, daß er Briefe von England erwarte, und Jane, welche dieselben in Empfang genommen hatte, wollte sie ihm möglichst bald einhändigen; obgleich sie nicht wußte, welche Nachrichten er erwartete, denn seitdem er auS der Armee ausgetreten war, hatte er keine Briefe mehr auS England erhalten, außer vielleicht von einigen Gläubigern, und vor diesen war er sorgfältig bemüht, seine Adresse zu verheimlich«». wie die zu diesem Paragraphen eingegangenen Abänderungs anträge beweisen. — Gleichzeitig mit dem Plenum nimmt auch die Commission für das Bürgerliche Gesetzbuch ihre Arbeiten mit der zweiten Lesung wieder auf. Für diese sind bereits so viele Abänderungsauträge eingebracht, daß man kaum begreift, wie die Commission die zweite Lesung zeitig genug beenden kann, um dem Plenum die Erledigung des großen Werkes vor dem Herbste zu ermöglichen. Die Moskauer KrönungSfeierlichkeitcii sind in Deutsch land nicht ohne Theilnahme verfolgt worden, und selbst auf den Gesindetisch, der aus gleichem Anlaß au der Seine ge deckt war, ist von hier aus kein unfreundlicher Blick gefallen. Eine Ausnahme — in ersterer Hinsicht — macht nur die Demokratie, deren Hauptorgan, der Stutt garter „Beobachter", dem Trinkspruch des deutschen Kaisers auf das Zarenpaar die vor fünfzig Jahren von Freiligrath auf das Verhältniß zwischen Deutsch land und Rußland gedichteten Verse: „Die Völker werden Feinde sein — Die Völker werden Feinde bleiben" entgegensetzen zu sollen geglaubt hat. In Rußland wird man diese Stimme einer winzigen Gruppe unbeachtet lassen, und auch in Deutsch land verdient sie nur insoweit Beachtung, als dieselbe Demokratie, die gegen einen Nachbarstaat unver söhnliche Feindschaft bekundet, sich jederzeit als eine ebenso unerbittliche Gegnerin einer aus reichenden deutschen Wehrmacht gezeigt hat. Den neuen Beweis von »ltramontancr Redlichkeit, auf den wir gestern aufmerksam machten, bringen auch die „Hamb. Nachr." zur Kenntniß ihres Leserkreises. Bekannt lich hatte dieses Blatt in einer sichtlich auS FriedrichSruh stammenden Notiz der von Domenico Margiotta aufgestellten Behauptung, der erste geheime Agent Mazzini'S, Lemmi, habe seiner Zeit mit dem Grafen Bismarck verhandelt, was zu einem Schreiben des Letzteren geführt hätte, die Erklärung entgegengesetzt: „Die Geschichte von Ver handlungen und Correspondrnzen zwischen dem Grafen Bismarck und Mazzini ist vollkommen er funden und erlogen", die „Germania" aber hatte sich nicht gescheut, diese Erklärung als lückenhaft und zwei deutig hinzustellen, weil sie nur von Verhandlungen und Correspvndcnzen, nicht aber von dem „Aktenstücke" (dem eben erwähnten Schreiben) rede, daS ja Margiotta in wörtlicher Uebersetzung mittheile. Gleich uns weisen nun die „Hamb. Nachr." darauf hin, daß Protokolle über Verhandlungen, die nicht stattgefunden haben, unmöglich existiren können. Um aber der „Germania" jedes Schlupfloch zu nehmen, fügen die „Hamb. Nachr." hinzu: „Wir wollen noch ein Uebriges thun und der „Germania" ausdrücklich erklären, daß auch das „Aktenstück" erfunden und erlogen ist. Die Sicherheit, daß dem so ist, steigt auch für Jemanden, der die Vorgänge nicht kennt, durch die Zweifel, welche die „Germania" daran ausspricht. Dergleichen Fälschungen in der französischen oder in der Centrumspresse zu finden, hat für Niemanden etwas Ueberraschendes." Der letzte Satz läßt übrigens erkennen, daß Fürst Bismarck trotz seiner bündigen Erklärung vollständig darauf gefaßt ist, nach einiger Zeit in der ultramontanen Presse seinen angeb lichen Brief an Lemmi als ein „historisches Aktenstück" be handelt und vcrwerthet zu sehen. Zu dem viel bemerkten Artikel des „TempS" über französische Friedensliebe, in welchem bekanntlich von einem thätigen „Frieden der Wiederherstellung" (paix reparatrice) und der Während Jane dort in der Hoffnung, Philipp einige Augenblicke zu sehen, auf und nieder ging, sah sie einen Herrn auf sich zukommen, bei dessen Anblick sie peinlich über rascht zusammenzuckte. Er seinerseits schien nicht weniger erstaunt zu sein, als sie selber, und beeilte sich, zu ihr zu gelangen. „Miß Harnaß, das ist aber eine Ueberraschung! Wer hätte geglaubt, daß ich Sie hier liessen würde?" — und Victor Greville — denn er war eS — stand vor ihr und blickte verwundert in ihr schmales hageres Gesicht und auf ihre fast dürftige Toilette. „Sind Sie krank gewesen? Sie sehen sehr verändert aus", fuhr Victor fort. „Ja, ich habe mich sehr verändert, ich — ich bin nicht sehr Wohl", erwiderte sie ausweichend; und obgleich er sie mit ihrem Mädchennamen angcredet batte, schien sie eS nicht der Mühe Werth zu halten, ihn eines Besseren zu belehren. „Doch sprechen wir nicht von mir", sagte sie hastig, „er zählen Sie mir lieber etwas von sich selbst. WaS führt Sie nach Monte Carlo? Sind Sie nur zum Vergnügen hierher gekommen, oder wollen Sie, wie die meisten Leute dies hier thun, das Glück an den Spieltischen versuchen?" „Ich? du gütiger Himmel! Ich bin nur ein armer Mensch, ich kann mir den Luxus des Spielens nicht ge statten." Jane seufzte tief. „Ich wünschte, daß alle Männer so dächten wie Sie", sagte sie fast unwillkürlich; und fügte gleich darauf hinzu: „Ist Ihre Schwester auch hier?" „Nein, Helene ist in London, sie wird sich in kürzester Zeit mit Ralph Vyner verheirathen." „Ich habe die Verlobungsanzeige in den Zeitungen ge lesen. Erlauben Sie, daß ich Ihnen meine Glückwünsche ausspreche." „Ick bin nur auf einige Tage hier. Miß Harnaß, um einen Mann zu suchen, dessen Spuren ick von Paris auS bis hierher verfolgt habe — den Eavitain Seudamore. Und da Sie denselben kennen und ssch, wie ich annebme, schon längere Zeit hier aufhalten, können Sie mir vielleicht Auskunft darüber geben, ob der Capitain sich noch hier in Monte Carlo befindet." „Seudamore!" wiederholte Jane erbleichend. „Ja, ich habe erfahren, daß er hier gewesen ist, er hat im ,Grand Holest gewohnt — aber, wie ich höre, hat er dasselbe schon vor längerer Zeit verlassen, man vermuthete jedoch, daß er sich noch hier aufhält. Ich habe in allen „Entschädigung" („Lohn" der Zukunft) die Rede ist, bemerken die „Hamb. Nachr.": „Wir sind stets der Ansicht gewesen, daß die bloße Herausgabe von Elsaß-Lothringen an Frankreich keineswegs genügen würde, um die Bedrohung Deutschlands durch die sranzösische Revanche aufzu heben, sondern Laß dies mir durch Wiederbcrstellung des früheren militairisch-politischen Prestiges Frankreichs, durch einen siegreichen Krieg gegen Deutschland geschehen könnte, der uns nicht nur Elsaß- Lothringen, sondern auch die Rh ein grenze und ungezählte Milliarden kosten würde. Zum Schluß wird das Mißverhältniß zwischen Wollen und Können aus sranzösischer Seite immer größer und wenn die deutsche Politik ihr Geschäft auch nur einigermaßen versteht, wird sie immer in der Lage sein, zu verhindern, daß Frank reich die militairische Beihilfe Rußlands zu einem Kriege gegen Deutschland findet, ohne die es zur Ohnmacht verurtheilt ist. Auf russischer Seite ist kein einziges Interesse vorhanden, welches die Politik des Landes bestimmen könnte, den Franzosen die Kastanien aus dem deutschen Feuer zu holen; im Gegeutheil: alle realen russischen Interessen weisen auf ein gutes Einvernehmen mit Deutschland und Frankreich hin. Der Zar wird die französischen Ergebenheitsbezeigungen, um keinen stärkeren Aus druck zu gebrauchen, stets huldreich entgegenuehmen und mit plato nischen Gegenversicherungen antworten, aber die russische Politik — eine der klügsten, weitsichtigsten und zähesten, die wir haben — wird nicht entfernt daran denken, eine Situation herauf zubeschwören, in der Rußland genöthigt wäre, seine eigenen, mit Aufwand und unendlich viel Mühe, Geduld, Geschick und Geld verfolgten Pläne in Asien und sonst wo unter dem größten Risico aufzugeben, nur nm Frankreich zu Liebe sich an einem europäischen Coalilionskriege, Lessen Ausgang Niemand vorausberechnen kann, zu betheiligen." Immerhin bleibt eS bemerkenSwerth, daß, wie wir schon bcrvorhoben, die obigen Auslassungen sich im „TempS" be finden, also in einem Organe, das nicht blos als das Blatt der gemäßigten Republikaner gilt, sondern auch dem jetzigen Ministerpräsidenten Möline und dem Minister des Aus wärtigen Hanotaux nahe steht. Nur muß man sich erinnern, daß der „TempS" mit — elsässischem Capital betrieben wird. DaS erklärt Manches. Nach den bis gestern Abend eingetroffenen Nachrichten auS Kreta hat sich die Lage nicht verschlimmert, schwerlich aber kann man mit dem italienischen Minister deS Aeußern, Herzog di Sermoncta, welcher sich gestern in der Deputirtenkammer über die kretensische Revolution äußerte, annehmen, daß die selbe sich gebessert hahp. Dem stehen die folgenden, nicht auS englischer Sensationsquelle stammenden Meldungen ent gegen: * Rom, 29. Mai. Die „Agenzia Stefan!" meldet aus Canea: Die Lage in der Stadt ist unverändert. In der Umgebung von Canea plündern mohamedanische Banden. Kleinere Aus schreitungen lassen die Lage auch in Rethymo ernst erscheinen. Der österreichische Kreuzer „Kaiserin und Königin Maria Theresia' ist in Canea angekommen. * Konstantinopel, 29. Mai. Die Meldungen der Consuln auf Kreta besagen, wenn die Garnison von Vamos von einer Katastrophe betroffen werden sollte, werde ein Ausbruch wilder Leidenschaften zu befischten sein. Die Consuln beantragen über einstimmend eine Vermittelung bei derEpitropie (dem kretensische« ReformcomitS. D. Red.); denn sie hoffen, wenn die von den Türken umzingelten Aufständischen in Kalo es C/4 Stunden von Vamos entfernt) freigegeben würden, die Aufständischen zur Aus gabe der Umzingelung von BamoS zu bewegen. Einige Mitglieder der Epitropie versprachen, sich eventuell in diesem Sinne bemühen zu wollen. Die Botschafter traten zu Berathungen zusammen und wiesen das ConsularcorpS an, Verhandlungen zum Zwecke der anderen Hotels in der Stadt nachgefragt, doch eS war ver geblich. Vielleicht können Sie mir etwas Näheres darüber mittheilen, Miß Harnaß?" Sie blickte ihn mit so sonderbarem Ausdruck an, daß Victor ganz bestürzt wurde, und als sie ihm nach einer kurzen Pause in einem kalten gleichgiltigen Tone antwortete: „Ich habe den Capitain hier nicht gesehen, Sir Victor, derselbe ist, so viel ich weiß, nach Rom gegangen!" — war Victor fest davon überzeugt, daß sie mehr von Seudamore wüßte, als sie sagen wollte. Während er noch vor ihr stand und überlegte, ob er ver suchen solle, sie zu weiteren Aussagen zu veranlassen, oder ob eS passender sei, davon Abstand zu nehmen, sah er plötzlich, daß ihr bleiches Antlitz von einer tiefen Rötbe übergossen wurde, und als er der Richtung ihrer Blicke folgte, sah er Seudamore neben sich stehen. Einen Augenblick herrschte ein verlegenes Schweigen, während dessen Seudamore argwöhnisch von Einem zum Anderen blickte. Er sah verstimmt auS, und obgleich eS noch sehr frühzeitig war, bemerkte Victor sofort, daß er ge trunken hatte. „WaS thust Du hier?" sagte Philipp mürrisch zu seiner Frau. „Du weißt doch, daß ich es nicht liebe, wenn Du hierher kommst." „Ick habe nur Deine Briefe hergebracht, Du selbst hattest mich darum gebeten!" antwortete Jane furchtsam, indem sie ihm dieselben überreichte. „So, so, gieb her! Und nun kannst Du wieder gehen. Ich wünsche nicht, daß Du mit anderen Leuten über meine Angelegenheiten sprichst." Victor hatte der kleinen Unterredung ganz verwundert beigewohnt. „Herr Capitain", rief er setzt entrüstet, „WaS ist daS für ein Ton einer Dame gegenüber?" „Ich denke doch, daß ein Mann mit seiner Frau sprechen kann, wie eS ihm beliebt, mein Herr, die Einmischung eines Dritten ist dabei meiner Meinung nach ganz überflüssig." „Mit seiner Frau!?" wiederholte Victor verblüfft und trat einen Schritt zurück, während die unglückliche Jane sich mit gesenktem Kopfe leise entfernte. „Gott helfe der Aermsten, wenn dieselbe Ihre Gattin ist!" fügte er bewegt hinzu. „Ich bin Ihnen für Ihre schmeichelhafte Bemerkung sehr verbunden, Sir Victor Greville", sagte Seudamore wüthend, „und nun erlauben Sie mir wohl, daß ich mich Ihnen empfehle!" gedachten Vereinbarungen mit der Epitropie und den Localbehörden einzuleiten; diese Beschlüsse wurden der Pforte mitgetheilt. Die Pforte erklärte sich denselben gegenüber nicht abgeneigt, machte jedoch den Botschaftern die Mittheilung, daß militairische Maß nahmen zur Unterdrückung des Ausstandes getroffen seien. — Sechzehn Bataillone gehen noch Kreta ab und werde» in Reserve bereit gestellt. Rußland, England, Italien und Oesterreich- Ungarn haben je einen, Frankreich zwei Kreuzer zum Schutze der Rechte ihrer Unterthanen abgeschickt. Heute traten die Botschafter neuerdings zu Berathungen über die Lage auf Kreta zusammen. Wenn gemeldet wurde, das Vorgehen der Mächte auf Kreta geschehe im Einverständniß mit der Pforte, so ist das nach der obigen Konstantinopeler Information jedenfalls sehr cum gramo sulis zu verstehen. Die Pforte duldet eben, WaS sie nicht bindern kann, findet aber die Ver mittelungsversuche der Consuln höchst unbequem und bereitet ihrerseits Alles vor, um nach dem in Armenien bewährten Recept den Aufstand in Strömen Blutes zu ersticken, lieber die Haltung Griechenlands geben folgende Nach richten einigen weiteren Anhalt: * Athen, 29. Mai. Wie versichert wird, habe der griechische Gesandte in Konstantinopel neuerdings die Aufmerksamkeit des GroßvezierS auf die kreteusischen Angelegenheiten gelenkt. * London, 30. Mai. (Telegramm.) Nach einer Meldung der „Times" aus Athen hat die griechische Regierung gegen die Entsendung weiterer türkischer Truppen nach Kreta Einspruch erhoben. Man wird gut thun, die Bestätigung dieser Nachrichten abzuwarten, da sie aus griechischer und englischer Quelle stammen, aber noch immer scheint die Gefahr nicht aus geschlossen, daß Griechenland gesonderte Wege geht. Eine Widerlegung der englischen, echt jesuitischen Perfidie, mit welcher ein gewisser Fort, Privatsecrctair des früheren CapgouverneurS Loch und Vertrauensmann Cecil Rhodes', die Welt glauben machen will, es habe zwischen Transvaal und Deutschland eine geheime Verständi gung bestanden, und diese habe RhodeS veranlaßt, den Zug Jameson'S in Scene zu setzen, um Dentschland als nebenbuhlerische Macht zu hindern, eine überwiegende politische Stellung in Transvaal zu erwerben — eine Widerlegung der in dieser Enthüllung enthaltenen Anklage erübrigt sich so lange, als nicht documentarische Beweise für jene „ge heime Allianz" beigebracht werden. Jene Documenle bat Jameson, als er mit seiner Bande in Transvaal einfiel, den Händen Krüger'S entreißen wollen, man batte also daS Bedürfniß, sich von den schwarzen Plänen des Präsidenten erst zu überzeugen, und trotzdem behauptet Fort, Rhodes habe „gewußt", daß Krüger mit Deutschland ins Einvernehmen getreten sei. Nein, der thatsächlich in Süd afrika und namentlich in der Transvaal-Republik im Zu nehmen begriffene deutsche Einfluß hatte Rhodes, der das Werk seines Lebens bedroht sah, derart nervös gemacht, daß er Gespenster sah und das lediglich auf die den Boeren sympathischeren Vorzüge des deutschen Charakters vor den: englischen zurückzuführende vorzügliche Einvernehmen zwischen Holländerthum und Deutschthum nur aus geheimen Ab machungen der Diplomatie beider Länder zum Sturze der englischen Suprematie sich glaubte erklären zu können. Hätte RhodeS Beweise für solche „Conspirationen" gehabt — schon Präsident Krüger hat wiederholt auf das Be stimmteste jedwedes Einvernehmen mit Deutschland ofsiciell in Abrede gestellt —, Chamberlain würde keinen Doch Victor legte seine Hand fest auf den Arm deS CapitainS. „Nicht so eilig, mein Herr Capitain, wenn ich bitten darf. Nur Ihretwillen kam ich von Paris nach Monte Carlo; es ist dringend nothwendig, daß ich Sie einige Augenblicke spreche." „WaS haben Sie mir zu sagen? Bitte, beeilen Sie sich ein wenig damit. Ich habe keine Zeit zu verlieren!" „DaS sollen Sie auch nicht. Ich verlange nur Ihre Unterschrift unter ein Schriftstück, auS welchem hervorgeht, daß Sie die Umstände, unter welchen Miß Hopley'S Brillant halsband verschwunden ist, genan kennen und bezeugen, daß Miß Hopley von jeder Schuld daran frei ist!" Philipp Seudamore lachte laut auf; cs war ein böseS Lachen. „Schon wieder einmal dieses BrillanthalSband! Wollen Sie mir gefälligst sagen, was mich Miß Hopley'S Brillanten angeben?" „Sie gehen Sie sehr viel an, sollte ich meinen, ich weiß, daß Sie dieselben an dem Morgen, wo wir zusammen nach Jnverneß fuhren, bei sich trugen!" Einen Augenblick schien Seudamore bestürzt zu sein. Doch gleich darauf erwiderte er mit trotziger Miene leichthin: „Natürlich hatte ich die Brillanten bei mir, da Miß Hopley selbst mich beauftragt hatte, dieselben in Jnverneß zu Gelbe zu machen. Sie müssen daS ja auS dem Verhör wisse», da- in Jnverneß seiner Zeit stattgcfunden hat." „Ich bin überzeugt, daß sich die Sache doch anders ver hält", antwortete Victor ernst, „und baß Miß Hopley einer so unehrenhaften Handlung vollständig unfähig ist." Seudamore schwieg einen Augenblick und dann fragte er in einem Tone, in dem eine gewisse Besorgniß nicht zu ver kennen war: „Wie soll sich die Sache nach Ihrer Ansicht verhalten, Sir Greville?" „Ich bin überzeugt, daß Niemand Anderes als Sie die Brillanten aus Miß Hopley'S Zimmer entwendet hat!" ant wortete Victor furchtlos. „Ah — daS ist stark! Wie können Sie sich erlauben, mir so etwas in'S Gesicht zu sagen!?" rief Seudamore wüthend; doch gleich daraus fügte er in plötzlich ganz verändertem Tone hinzu: „Sie haben keinen, auch nicht den geringsten Beweis für eine solche Behauptung!" Victor Greville machte hierauf eine jener zufälligen Be merkungen, welche manchmal von unberechenbarer Tragweite
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