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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.06.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-06-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960602011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896060201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896060201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-06
- Tag1896-06-02
- Monat1896-06
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Bröhere Schriften laut unserem Preis« verzrichniß. Tabellarischer und Zifsrrnsatz nach höherem Tarif. Extra-Verlagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Poslbeförderung SO.—, mit Postbesörderong 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen- Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestelle» je ein« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets au dir Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. P olz in Leipzig Jahrgang. Dienstag den 2. Juni 1896. Freisinnige Eideshelfer der Socialdemokraten. ä. In wie leichtfertiger Weise die freisinnige Presse die Staatsautorität untergräbt, wenn es gilt, der befreundeten Socialdemokratie zu Hilfe zu kommen, beweisen wieder ein mal die „Freisinnige Zeitung" und gesinnungsverwandte Blätter. Der Erste Staatsanwalt in Magdeburg hatte in einem Hauptverfahren von dem Socialdemokraten Lankau gesagt, seine Handlungsweise zeuge von ehrloser Gesinnung. Eine Beschwerde des Lankau gegen den Staatsanwalt wurde von der Oberstaatsanwaltschaft in Naumburg zurückgewiesen. Die „Freisinnige Zeitung" zieht nun den bekannten Fall Hülle in Parallele und meint, daß der Gerichtshof in jenem Falle denn doch eine andere Auffassung gehabt habe, als der Ober staatsauwalt im Falle Lankau, denn das Gericht habe die Ansicht vertreten, einem Staatsanwalt stehe nicht das Recht zu, den Angeklagten zu beleidigen. Die „Freisinnige Zeitung" nennt beide Fälle ähnlich, ein anveres freisinniges Blatt nennt sie gar völlig gleichartig. Das ist nun entweder eine Gedankenlosigkeit oder eine Spekulation auf die Gedanken losigkeit der Leser. Denn die Fälle sind himmelweit ver schieden. Im Falle Hülle hatte der Staatsanwalt mitten in der Hauptverhandlung dem Angeklagten zugerufen: „Sie sind überhaupt ein Ehrabschneider." Es war nur gerecht, daß er für die unzulässige, überflüssige und verletzende Aeußerung bestraft wurde. Hier aber hat der Staatsanwalt in seinem Plaidoyer die Handlungsweise des Angeklagten einer Kritik unterzogen. Das Plaidoyer richtet sich nicht an den Angeklagten, sondern an den Gerichtshof. Sowohl der Staatsanwalt wie der Bertheidiger beabsichtigen mit dem Plaidoyer den Gerichtshof für die von ihnen vor getragenen Auffassungen zu gewinnen. Sie haben des halb zunächst vorzutragen, ob überhaupt eine straf bare Handlung vorliegt, sodann, ob ihrer Ansicht nach strafschärfende oder strafmildernde Gründe vorliegen. Wenn der Staatsanwalt die Handlungsweise eines Angeklagten für ehrlos hält, so ist es nicht nur sein Recht, sondern seine Pflicht, diesen strafschärfenden Grund im Plaidoyer hervorzuheben, um darauf das von ihm beantragte Straf maß zu stützen. Ob seine Auffassung die richtige ist oder nicht, kann um so weniger in Frage kommen, als darüber, ob eine Handlungsweise ehrlos ist oder nicht, ein objektives Urtheil nicht abgegeben, sondern nur die subjektive Auffassung vertreten werden kann. Beispielsweise haben ja die Social demokraten, sehr im Gegensätze zu allen bürgerlich denkenden Menschen, die Handlungsweise der „Genossen", die den Gnadenerlaß des Kaisers in der Mitkler'schen Druckerei stahlen, nicht für ehrlos gehalten. Nach der Logik der „Frei sinnigen Zeitung" hätte also auch in diesem Falle der Staats anwalt, wenn er die Handlungsweise des Angeklagten ehrlos nannte — und das hat er, wenn wir uns recht erinnern, gekhan und mit gutem Fug gethan — wegen Beleidigung bestraft werden müssen. Es ist nicht zu verkennen, daß solche ungerechtfertigte Hilfe, die den Socialdemokraten geleistet wird, geradezu staatsgefährlich wirken muß. Denn urtheilslose Leute müssen dadurch auf den Gedanken kommen, daß ein Theil der Organe der Justiz es darauf anlege, die Socialdemokraten in ihrer Ehre zu kränken und daß der andere Theil dieser Organe den „Genossen", die ihre Menschenwürde wahren wollen, das Recht versage. Damit wird in den Augen von Menschen, deren Logik durch regelmäßige Lektüre der „Freisinnigen Zeitung" verkümmert ist, der Socialdemokratie der Nimbus des Märtyrerthums gegeben, das sie, wie man Wohl weiß, nur zu gut zu benutzen versteht. Wunderbar ist es, daß die freisinnigen Blätter es nicht merken, wie sehr sie durch eine derartige Taktik nicht nur dem Staate schaden — darüber regen sich ja freisinnige Gemüther selten auf —, sondern ihrer eigenen Partei im Lichte stehen. Denn die gemäßigt gesinnten Elemente werden von dieser Liebedienerei gegen die Socialdemokratie an gewidert, die radicalen Elemente aber gehen in Hellen Haufen zu den „Märtyrern" über. Gerade dort, wo die „Freisinnige Zeitung" erscheint, und in den Kreisen, in denen das „schneidige" Richter'sche Organ zuerst mit Begeisterung gelesen wurde, in den Kreisen der jüngeren Berliner Kauf leute, hat sich ein Massenübertritt zu der Socialdemokratie vollzogen. Die ständige Abnahme der freisinnigen Stimmen im ersten Berliner Wahlkreise und die enorme Zunahme der socialdemokratischen Stimmen in diesem Kreise sind zum großen Theil auf den völligen Umschwung der Stimmung der jungen Kaufleute zurückzuführen. In anderen Kreisen ist es nicht anders. Die Freisinnigen handeln also unglaublich kurzsichtig, wenn sie die Socialdemokraten umbublen. Sie erlangen dadurch allerdings die Unterstützung der Socialdemokraten bei Wahlen — und warum die „Freisinnige Zeitung" gerade jetzt den Socialdemokraten um den Bart geht, ist angesichts der nahe bevorstehenden Stichwahl im Kreise Ruppin-Templin offen sichtlich —, aber sie verlieren dadurch an eigener werbender Kraft zu Gunsten der Socialdemokratie. DaS Mittel, dessen die Freisinnigen sich bedienen, ist also ein Gift, das sie lang sam aber sicher ebenso ruiniren muß, wie das Morphium den menschlichen Körper zu Grunde richtet. Den Untergang der Richterianer wird nun zwar das Vaterland mit Fassung zu ertragen wissen, aber daß sie gerade die Socialdemokraten zu Testamentsvollstreckern einsetzen, ist nicht nett. Deutsches Reich. «. Berlin, 1. Juni. Die Vorschläge zur Aenderung deS Invalidität«- und Altersversicherungs gesetze«, welche die Berliner Leitung deS Bundes der Landwirthe veröffentlicht hat, werden von der nickt bündle- rischen Presse, insoweit sie sie überhaupt bespricht, ak- undurchführbar bezeichnet. Damit wird vermuthlick den Urhebern de« „Entwurf«" nicht« Neue« gesagt. Es er scheint ganz ausgeschlossen, daß den Herren unbekannt war, daß nicht alle deutschen Staaten die allgemeine Einkommensteuer haben, daß sie in den Bundesländern, wo sie besteht, sehr verschwden gestaltet ist, daß also ein ReichSzuscklag für die Invalidenrente — was mit den Altersrenten werden soll, weiß man — ein Ding der Unmöglickkeit ist. Dieser Zuschlag bildet aber, wie wir schon ausgefübrt, die Grundlage der Vorschläge des Bundes. Wir haben also zu dem undurchführbaren Antrag Kanitz und der ohne das gänzlich abgeneigte England undurchführbaren Doppelwäh rung ein undurchführbares Project zur Beseitigung der „Kleberei" bekommen. Vom Standpunkt des Agitators betrachtet, ist die Forderung ebenso brauchbar wie der Antrag Kanitz. Lehnt sich dieser an den die Landwirtbschaft schwer schädigenden Tiefstand der Getreidepreise an, so berührt jene eine gleich falls in vielen Theilen des Reiches als drückend und be lästigend empfundene Einrichtung. Das Verlangen nach Abschaffung der Beiträge der Arbeitgeber und Arbeiter zur Jnvaliditätsvcrsicherung hat vor dem Antrag Kanitz sogar noch etwas voraus. Der niedrige Preis der Körnerfrüchte wird außer von dem betroffenen Gewerbe in seiner ganzen Bedeutung nur von Denjenigen gewürdigt, die das volle Verständniß für die nationale Interessen solidarität besitzen, aber die „Kleberei" berührt, auch die nichtlandwirthsckaftlichen Kreise dircct. Der Wunsch, es möge eine andere Form der Jnvaliditätsvcrsicherung gefunden werden, ist nahezu allgemein und beseelt auch die Regierung. Das Ziel der neuesten Forderung des Bundes ist also mit Recht populär, ebenso wie das des Antrags Kanitz. Freilich ist der Umstand, daß der Bund dort nicht, wie hier, etwas Neues verlangt, dem agitatorischen Ge schäft abträglich. Der Schaden wird aber aufgehoben durch den Umstand, daß auch dieses Mittel untauglich ist. Die Regierung und die anderen Parteien müssen dazu nein sagen, und der Bund hat wiederum die Gelegenheit, den Landwirtben zu sagen: „Die Regierung kann helfen, aber sie will nicht!" Mit dem Antrag Kanitz ist nicht mehr viel zu machen, aber hier ist ein theilweiser Ersatz gefunden, der sich als Ergänzung des Toppelwäb- rungsbethörung Wohl gebrauchen lassen wird. Das Project des Bundes läuft zwar auf eine kolossale Erhöhung der direkten Steuern hinaus und trifft gerade den kleinsten Bauer und Handwerker, der keine Hilfskräfte beschäftigt, aber das liegt für den einfachen Mann nickt so klar zu Tage, daß man die Agitatorenexistenz nicht eine Weile mit dem jüngsten „großen Mittel" fristen könnte. Berlin, 1. Juni. In den Pfingsttagen bat zu Inowrazlaw die diesjährige Hauptversammlung deS katholischen Lehrervereins der Provinz Posen getagt. Der lange Bericht, den die „Germania" über die Verhandlungen veröffentlicht, enthält einige recht lehrreiche Momente. Zunächst sei auf die bewegte Klage hingewiesen, welche von Seilen des Vorstandes des Vereins darüber ge führt wird, daß die Mitgliederzabl noch immer „sehr klein im Vergleich zu der großen Anzahl katholischer Lehrer in ver Provinz" sei. In Verbindung mit der weiter vom Vorstände mit großem Bedauern sestgestellten Tbaksachc, daß „namentlich in dem letzten Jahre so manche Hoffnung getäuscht, .... daß manches dem Vorstände wcrlbe Vereinsmitglied dem Verein den Rücken gekehrt habe und jetzt seine Wege wandele", läßt diese Klage darauf schließen, daß die nationalen GcsichtSpuncte auch bei den deutschen Lehrern katholischer Consessivn in den polnischen Landestbeilen Tank den offensichtlichen antideutschen Bestrebungen gewisser Kreise, namentlich des Klerus, mehr und mehr hervortreten. Der Vorstand des katholischen Lehrervereins führt den Austritt von Vereinsmitgliedern freilich auf andere Ursachen zurück, indem er die Abtrünnigen als „durch trügerische Hoffnungen, eitle Versprechungen, oder durch allzu große Rücksichtnahme auf materiellen Gewinn verblendet" charakterisirt und sich in versteckten Anklagen gegen das angebliche Uebelwollcn der Behörden ergeht; indessen betont er selbst, daß er an eine Beeinflussung der katholischen Lehrer durch die Behörden „nicht glauben könne". Wenn man die Vorgänge im Kreise Iaroschin in Betracht ziebt, wo ein katholischer Propst einen Lehrer vor den Schulkindern maßregelte, weil er sie das Vaterunser in deutscher Sprache beten ließ, so weiß man, auf welcher Seite die „Beeinflussung" zu suchen ist. Die auf dem vorjährigen polnischen Katholikentag in Bezug auf die Schule gefaßte Resolution, welche aus „pädagogischen, staatlichen und kirchlichen Rücksichten" ver langte, daß „allen polnischen Kindern unter preußischer Herrschaft ein planmäßiger Unterricht in der Muttersprache zu Theil werde", hat offenbar die Grundlage für die auf der diesjährigen Hauptversammlung des katholischen Lehrer vereins der Provinz Posen angenommenen „Leitsätze für den deutschen Sprachunterricht in utraquistischen Schulen" ab gegeben, welche die Anwendung der (polnischen) Mutter sprache nichtdeutscher Kinder als „beste Methode" für den deutschen Sprachunterricht empfehlen. Diese Leitsätze lassen erkennen, wie wenig wirkliche Förderung da« Deutsch- thum im Osten durch jenen katholischen Lehrerverein zu gewärtigen bat. Die Versicherung des Vorstandes deS Vereins, daß derselbe „sich in seinen Bestrebungen jeder Politik enthalte", erhielt eine treffliche Illustra tion durch die Propaganda, die der Vereinsschriftführer unter tendenziöser Ausdeutung des Scheiterns des Lehrer- besoldungSgesetzeS für das Centrum machte. Der Versuch, dem „Liberalismus" die Schuld an dem Scheitern diese« Gesetzes aufzubürden, mag den besonderen Interessen dr« polonisirenden Lehrcrvcreins in Posen entsprechen, die That- sachen bieten keine Grundlage dafür. Nicht« ist unberechtigter, als die Behauptung des Herrn Lange-Posen, dem Liberalismus „genüge eS, die Lehrerschaft mit schönen Reden abzuspeisen; gehe eS aber um die Bewilligung von Gelb, dann drücke er seine Hand fest auf den Geldbeutel". DaS „Drücken auf den Geldbeutel" ging beim LehrrrbesoldungSgesetze bekanntlich von ganz anderer als liberaler Seite au«. Eine Verdrehung der Tbaisachcn, wie sie im Posener katholischen Lehrer- verein versucht wurde, ist zweifellos eine Politik schlimmster Sorte. * Berlin, 1. Juni. Stöcker und Naumann sind bereits auf dem KriegSpfade gegen einander, ein Ereigniß, das alle urtheilSsähigen Beobachter längst schon erwartet haben und von dem nur noch nickt feststand, wann es ein treten werde. Pfarrer Naumann bat kürzlich in der Wochen schi ist „Die Zukunft" für seinen ehemaligen Kampfgenossen, der es nominell ja auch heute noch ist, für Herrn Stöcker also, ein paar feine Spitzen gehabt, die den Exbofprediger empfindlich getroffen zu baden scheinen. Auf diesen Artikel antwortet das „Volk" mit einigen plumpen und weniger plumpen Angriffen auf Naumann. Es wird da gesagt, daß eS nicht leicht sei, den geraden Sinn Nau- niannscher Worte zu erkennen, wo es sich um die Würdigung Stöcker's handle. Tbeilweise Lobspenvungen für Stöcker könnten nicht darüber täuschen, daß man den Mann verdrängen möchte, mit dem der christliche SocialiSmus in Deutschland unzertrennlich verknüpft sei. Naumann wird geradezu verdächtigt, für den christlichen SocialiSmuS und seinen neuen Führer die „allerhöchste Gunst" dadurch er langen zu wollen, daß „man" sich des in Ungnade gefallenen „alten Vorkämpfers" entledige. Gelänge daS, so wäre unter dem christlich-socialen Banner in der Tbat bequem und in Freuden zu leben. Naumann glaubt Stöcker am besten charakterisiren zu können, indem er schreibt, es sei „nicht leickt, die guten Seiten Stöcker's hervorzuheben, da alle Welt beinahe im Urtheil über ibn einig ist und auch seine besten Freunde große Schwierigkeiten im gemeinsamen Wirken ge funden haben." Wenn das ein Mann sagt, der, wie Pfarrer Naumann, der auf Stöcker früher gewiß große Stücke gehalten bat, so wird cs Wohl stimmen. In Stuttgart hat Pfarrer Naumann natürlich die Dankdepesche an Stöcker mit ver anlaßt und mit unterschrieben. Aber solche Höflichkeiten be deuten nicht viel, wo die Natur der gegebenen Gegensätze so deutlich spricht. DaS Stöcker'sche „Volk" versetzt Herrn Naumann noch einen letzten Stoß durch die Ironisirung der „harmlosen Erörterungen manches neueren Christlichsocialen, deren glänzende Spreu man vergeblich nach einem Goldkorn wirklicher „Hilfe" durchstöbert." r Berlin, 1. Juni. (Telegramm.) Der Kaiser begab sich gestern Vormittag mit der Kaiserin in die Friedenskirche zu Potsdam und wohnte daselbst dem Gottes dienste und der Einführung des zweiten Diakonus Thiele in sein Amt bei. Nachmittags unternahm der Kaiser in Begleitung mehrerer höherer Marine-Osficiere eine Segel fahrt von der Matrosenstation bis Wannsee und kehrte gegen 7>/r Uhr Abends von derselben nach dem Neuen Palais zurück. Die Abendtafel fand um 8 Uhr statt. Zu derselben waren die Herren, welche den Kaiser auf der Segelfahrt begleitet batten, befohlen worden. Heute Vormittag fand im Lustgarten des Potsdamer Stadtschlosses die Frübjabrs- parade der in Potsdam garnisonirenden Gardetruppen vor dem Kaiser statt. Seine Majestät ritt zu derselben vom Neuen Palais nach Potsdam, während die Kaiserin sich mit den jüngsten königlichen Kindern zu Wagen nach dem Stadtschlosse begab. Die Parade commandirte der Comman- deur der 1. Garde-Infanterie-Division General-Lieutenant v. Klitzing. Die Generalität von Berlin und sämmtliche fremdherrlichcn Officiere waren anwesend. Die drei ältesten kaiserlichen Prinzen, sowie Prinz Friedrich Wilhelm von Preußen, Sohn des Prinzen und der Prinzessin Albrecht von Preußen, waren bei dem 1. Garde- Regiment z. F. eingetreten. Es fand zweimaliger Parade marsch statt: das erste Mal in Zügen, das zweite Mal in Compagnie- resp. EScadronsront statt. Der Kaiser führte bei beiden Vorbeimärschen der Kaiserin das Regiment der Gardes du CorpS vor. Der Parade wohnten ferner bei: Prinz und Prinzessin Albrecht, Prinz und Prinzessin Friedrich Leopold, Herzog Ernst Günther von Schleswig-Holstein, Herzog und Herzogin Johann Albrecht von Mecklenburg, Prinz Bernhard von Sachsen-Weimar, Erbprinz und Erbprinzessin von Hohen- zollern rc. Im Anschluß an die Parade fand im Marmor saal des Stadtschlosses eine Frühstückstafel von etwa 200 Ge decken statt, vor welcher der Kaiser noch den bayerischen Staatsminister vr. Freiherrn v. Crailsheim in Audienz em pfing. — Prinz Albrecht von Preußen gedenkt mit seiner Gemahlin und dem Prinzen Friedrich Wilhelm Abends I I Uhr 40 Min. die Reise nach Kamenz in Schlesien anzntreten. Berlin, l. Juni. (Telegramm.) DaS Ltaats- ministcrium trat heute Nachmittag im Dienstgebäude zu einer Sitzung unter dem Vorsitze des Fürsten Hohenlohe zusammen. (-) Berlin, 1. Juni. (Telegramm.) Die „Post" er fährt von wohlunterrichteter Seite, der Zustand deö Gou verneurs v. Wissmann sei keineswegs derart, daß ein Rücktritt auch nur erwogen werden könnte. Das Blatt hört, v. Wissmann beabsichtige, nach Beendigung seines nicht auf lange Zeit bemessenen Urlaubs wieder auf seinen Posten zurückzukehren; es dürfe als sicher angenommen werden, daß, wenn nicht außerordentliche, unvorhergesehene Ereignisse eintreten, v. Wissmann noch lange an der Spitze der Verwaltung des ostafrikanischen Schutzgebietes bleiben werde. Berlin, 1. Juni. (Telegramm.) Der Verein deutscher ZeitungSverlcgcr trat heute im Kaiserhof zu einer außerordentlichen Generalversammlung zusammen, um über die Frage des PostzeitungStarifS zu berathen. Die Ver sammlung kam zu dem Beschluß, vorzuschlagen, daß der neue Tarif aus den Sätzen 25 mal Erscheinungsziffer und 4 pro Kilo Papiergewicht, mit Ermäßigung des zweiten Satzes auf 2 innerhalb der Zehnmeilenzone, basirt werde. — Auf dem Festmahl des Chirurgen-CongresseS im Kaiserhof brachte der CultuSminister vr. Bosse einen vielbemerkten Trinkspruck aus, in dem er unter lebhaftem Beifall der Versammlung erklärte, in den Krankenhäusern haheNiemand als derChirurg zu befehlen, weder der Geistliche noch die „Schwester" hätten dem ärzt lichen Leiter dreinzureden. Herr Bosse sagt mit diesen Worten nur Selbstverständliches, trotzdem aber ver dient er vollen Dank dafür. Ma» erinnert fick der Vor gänge in der Universitätsklinik zu Kiel, wo die Vor steherin deS weiblichen Pflegepersonals ein ObrraussichtSrecht geltend machen wollte, gegen welches die ärztlichen Leiter mit erfolgreicher Entschiedenbeit vrotestiren mußten. Vielleicht hat dem Minister auch die unerfreuliche Asfairr vorgeschwebt, die sich hier kürzlich im AugustahoSpital zugetragen. Ein General major von der Lippe wurde gegen Wissen und Willen deS dirigirenden Arztes, deS Prof. Ewald, von einem Dresdner Magnetiseur in der Anstalt selber behandelt und angeblich von seinem Rückenmarksleiden auch befreit. Nur der Nach giebigkeit des Professors Ewald war eS zu danken, daß die Sache nicht zu einem Conflict führte, der für einige hoch gestellte Personen nichts weniger als angenehm hätte auSgehcn müssen. — Die sich fast täglich mehrenden Abänderungsvorschläge, die bei der Commission für das Bürgerliche Gesetz buck für die zweite Lesung eingehen, lassen befürchten, daß diese Lesung sich sehr in die Länge ziehen werde. Der antijemitiscke Ab geordnete Viel hab en hat seinen Austritt aus der Commission damit motivirt, daß er nicht die Verantwortung für eine Ueberhastung dieses wichtigen Gesetzes tragen wolle. Das Centrum ist trotz der ihm gemachten Zugeständnisse noch nicht zufrieden; so meint die „Germania", es könne nickt von Zugeständnissen hinsichtlich der Ehegesetzgebung angesichts der Commissionsbeschlüsse die Rede sein, sondern nur von leidigen Culturkämpfereien und von Nörgeleien gegen die CommissionS- beschlüsse. Die „Germania" droht wiederum, allerdings in versteckter Weise, daß, wenn diese Beschlüsse nicht angenommen würden, das Centrum gegen das ganze Gesetz stimmen würde. — Nach der Zusammenstellung des königl. statistischen Bureaus betruq die Zahl der lm preußischen Staate während des Jahre- 1894 Geborenen 1182 833 (gegen 1893: 1195468: 1892: 1 144 068). Hiervon waren männlich: 608 811 (615106 ; 589 540-; weiblich: 574 022 (580 362; 554 528); lebendgeboren waren männ lich: 586 513, weiblich: 556 531; todtgeboren männlich: 22 298, weiblich: 17 491. Unter sämmtiicken Geburten waren unehelich männlich: 48 360, weiblich: 45 642. An Mehrgeburten kamen vor: 15124 Fälle, davon Zwillinge in 14 956 Fällen, Drillinge in 166 Fällen, sonstige Mehrgebuclen 2. Ehe schließungen sanden im Jahre 1894 : 250960 statt (gegen 1893: 248348; 1892: 245 447), darunter befanden sich 150 940 evangelische, 75 732 katholische und 2383 jüdische Paare. Heirathen zwischen Geschwisterkindern kamen in 1293, zwischen Oheim und Nichte in 100 und zwischen Neffen und Tante in 9 Fällen vor. Gestorben sind in Lein gleichen Zeitraum einschließlich der Todt- geborenen männlich: 376 185 (1893: 407 755; 1892: 392027-; weiblich: 343 397 (1893: 377 907; 1892: 360 1 Ml, also zusammen 719 582 Personen. Bon den im Jahre 1894 Gestorbenen haben 9 Männer und 25 Frauen ei» Alter von über IM Jahren erreicht. * Kiel, 3l. Mai. Der französische Dampfer „General Chanzy", von Kronstadt kommend, hat mit 200 Passagieren von der Krönungsfeicr den Kaiser-Wilhelm-Canal passirt. * Ttolp, 1. Juni. (Telegramm.) Der Staats- anwalt hat in dem Proccsse Westphal die Revision angcmeldet. V. Erfurt, 3l. Mai. Der gegen den ehemaligen Ncicks- tagsabgeordnctcn Gutsbesitzer Wisser aus Windischholzhansen schwebende Meineidsproceß zieht immer weitere Kreise. Neuerdings ist auch eine Magd gefänglich eingezogen worden, die eingcstanden haben soll, von dem Gutsbesitzer Wisser — nicht von seinem Sohne, wie verschiedenen Blättern von hier aus irrthümlich berichtet wurde — zum Meineide verleitet worden zu sein. Tas Mädchen sagte, wie versichert wird, ans, Wisser habe seine „Zeugen" vor der jedesmaligen Ge richtsverhandlung ermahnt: „Steht fest und versprecht Euch nicht! Ich werde dann die Sacke schon besorgen!" Aber nicht blos seine Dienstboten, auch seine Familienange hörigen zieht W. in sein Verhängniß. Gestern Abend wurde der Sohn Wissers, ein Reserve - Cavallerieossicier, unter dem Verdachte des willentlichen Meineids in Haft genommen. Weitere Verhaftungen stehen bevor. m. tÄotha, 30. Mai. Ter socialdemokratische Reichs- und Landtagöabgeorvnete Bock bat gestern mit seiner Frau die silberne Hochzeit gefeiert. Das im Verlag von Bock erschei nende „Volks blatt" widmet seinem Herrn und Meister einen Glückwunschartikel, dasselbe Blatt, das, wie die ge summte socialdemokratische Presse, nur Hohn und Spott für die bürgerliche Presse übrig hat, sobald diese derartige Feste verdienstvoller „Bourgeois" feiert. Das Interessanteste aber ist, daß in dem Artikel constatirt wird, der frühere Schuhmacher Bock habe sich als Colonialwaarenbändler ein „kleines Vermögen" erworben. Die „Genossen" erfahren dadurch, daß es trotz der jetzigen „erbärmlichen Wirthschafts ordnung" selbst für einen socialdemokratischen Führer mög lich ist, ein „kleines Vermögen" zu erwerben, wenn man nämlich, wie Herr Bock nach dem „Volksblatt" eS gethan hat, „umsichtig und sparsam wirthschafet". * Aus Baden, 30. Mai. Bei der letzten Prüfung der Rechtöcandidaten, zu der über 80 Theilnebmer an gemeldet waren, suchte die Prüsungsbehörde die zweifelhaften Candidatcn vor schwerem Schaden dadurch zu bewahren, daß sie den nach dem Ergebniß der schriftlichen Prüfung voraussichtlich nicht Bestehenden eine Zufertigung über mittelte, des Inhalts, sie würden nur, falls sie es auskrück lich verlangen, zur mündlichen Prüfung eingeladen werden. Ter Zurücklretende kann sodann schon in einem halben Jabre wieder in die nächste Prüfung eintreten. Vielleicht trägt riese Maßnahme in Verbindung mit den Prüfungsergebnissen dazu bei, das Universitätsstudium etwas anzufeuern; die Verhand lungen in den Kammern über die juristischen Prüfungen bieten dazu ebenfalls Anlaß. Auch jetzt wird wieder über den mangelhaften fprachlichen Ausdruck in den Arbeiten mancher Eandidaten geklagt und die Aufmerksamkeit der Schulleitung auf diesen Gegenstand hingelenkt. * An« Elsaff-Lothrtngcn, 29. Mai. Die reichsländische Geistlichkeit veranstaltet alljährlich Pilgerzüge nach Lourdes, die auch Paris berühren und sich meist einer zahl reichen Betbeiligung von Gesunden und Kranken zu erfreuen haben Die Pilger bringen große Gefäße von Wasser auS der Lourder Grotte mit zurück, das gegen alle möglichen Gebrechen bei Menschen und Thieren gebraucht wird. Leider wird darüber häufig versäumt, rechtzeitig die Hilfe des Arztes nachzusuchen. Nach längerer Unterbreckung sind, wie die klerikalen Blätter mit Genugtbuung zu berichten wissen, bei dem diesjährigen, am 14. d. M in Lourdes ein getroffenen Pilgerzug 2 wunderbare Krankenheilungen vor gekommen. Wie in allen ähnlichen Fällen, bandelt »S sich um ältliche Mädchen, die an Blutarmutb, nervösen und hysterischen Erscheinungen litten und die Grotte, in welche sie hinein getragen wurden, gehend verlassen konnten. Wie allen Aerzten
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