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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.06.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-06-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189606078
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18960607
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18960607
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Bindung fehlerhaft: Seiten in falscher Reihenfolge
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-06
- Tag1896-06-07
- Monat1896-06
- Jahr1896
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.06.1896
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LKck 8nL Verloia von L Botz k öetvrkg Jahrgang Sonntag den 7. Ium 1896. Di« Morgen-AuSgabe erscheint «m '/,? Uhr. Li« Lbeud-An-gab« Wochentag» um 5 Uhr. A«z,ige«.PreiS die Sgespaltme Petitzeile 20 Psg. Reclamen unter dem Redactionsstrich (4ge- jpaltem 50^, vor den Familiennachrichteir <6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis- vrrzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. wenn erlaß Hütte, lieber kräftig geworden wäre, denn er hätte sich dann al» „unbestraft" bezeichnen können. Er ließ also dem von ihm veranlaßten Revisions verfahren freien Lauf, auch nach dem Erscheinen des Gnadenerlasse», und beantragte dann durch seinen Bertheidiger die Einstellung de» Brr- fahrrn». Der Reichsanwalt dagegen beantragte, in der Sache zu verhandeln und die Revision zu verwerfen, da daS Reichsgericht durch nicht» und Niemand gehindert werden könne, die einmal bei ihm anhängig gewordenen Processi ihrer Erledigung entgegenzuführrn. — Da» Reichsgericht, dritter Strafsenat, unter dem Borsitze des ReichSgerichtsraths Mittelstädt erkannte heute auf Verwerfung der Revision unter folgender Begründung: Wa» zunächst die Präjudizialfrage betrifft, ob da» Reichsgericht überhaupt in der Lage sei, gegenüber dem AbolitionSerlasse de» Herzog» von Anhalt vom 22. Mai d. I. in der Sache selbst zu erkennen, so hat da» Reichsgericht geglaubt, diese Frage bejahe» zu müssen und zwar au» folgenden Erwägungen: E» kann «nerörtert bleiben, ob und in welchen Grenzen verfaffungsmüßig innerhalb de« Herzogthum» Anhalt ein landesherrliche» Abolition-recht be steht und wie weit dasselbe durch die Reichsgesetze beschränkt oder aufgehoben ist. Selbst unter der Voraussetzung, daß das fragliche Recht in Anhalt besteht und auch heute noch fortbesteht, hat da» Reichsgericht geglaubt, davon ausgehrn zu müssen, daß hier Recht gesprochen wird nicht im Namen de»H,rzog» vonAnhalt, sondern im Namen de« Reich», daß da» Reich»gericht feine Gewalt herleitet vom Reichenndnicht von den einzelne» Bundesstaaten. Soweit der Herzog von «»halt befehle« kcm», in einer schwebenden Straf- fach« soll« da» Recht stillstehen, mnß dieser Befehl sein« natürlichen Schranken finde« t»»«rhalb der Grenzen de» Lande« Anhalt. Er kann nicht wirksamer werden gegeaüber dem Gerichte eine« anderen Bande«. staateSnad «och weniger gegenüber dem Reichsgerichte al so l ch e m. Da» Reichsgericht hat die strafrechtlichen »rrd procrssaalen Vorschriften anznwendea »nd sich »ach dem Gericht«verfaffung«gesetze zu richten. Weder da« «ine noch da« ander« dieser Gesetze kennt ein «bolitioa«recht. De« Kaiser al» solchem steht ei« Abolition«, recht in denjenigen Processen, in denen da« Reichsgericht in zweiter Instanz erkennt, nicht z», sonder, nur »in vegnadiguug-recht, und in Bezug ans all« übrige» Procrfl« «uthält weder da» eine »och da« ander« RrichSgesetz Andeutungen, di« d«m R«ich»gerichte di« Pflicht auferlrgten, aus Befehl de» Kaiser» oder eine« Lande«. Herr«« mit dem Recht-gang« still,» flehe». Deshalb «aßt« in der Sach« selbst «rkannt werden, »nd da di« gegen da« Urtheil d«S Landgerichts Dessau erhob«»«» Einwendung«» sich nicht al» stich- haltig erwies«», so war di« Revision zu verwerfe». Reichsgericht und Äbolitionsrecht der Lundesfürsten. I«. Leipzig, 8. Juni. DaS AbolitionSrecht d«S Herzog» von Anhalt ist wirkungslos bei Processen vor dem Reichsgericht«. Diese sehr interessant« Entscheidung fällte heut« der dritte Strafsenat des Reichsgericht» in der Strafsache gegen den Zimmermann Lhristiaa Höhne, der vom Landgerichte Dessau am 10. März wegen Unterschlagung und strafbaren Eigennütze» zu sech» Wochen Gefäaguiß verurtheilt worden ist. Die von ihm eingelegte Revision wurde al» unbegründet verworfen. Am 22. Mai hatte der Herzog von Anhalt au» Anlaß seine- 25 jährigen RegierungSjubiläumS nicht nur umfassende Be gnadigungen von Strafen ausgesprochen, sondern auch angeordnrt, daß in Processen auS bestimmten namhaft gemachten Strafgesetz. Paragraphen jede» anhängige Verfahren einzustellen sei, möge nun bereit» eia Urtheil ergangen sein oder nicht. Der Herzog machte damit von dem in den deutschen Bundesstaaten nur »och vereinzelt bestehenden, ihm aber nicht bestrittene» Rechte der Niederschlagung (Abolition) Gebrauch. Beiläufig sei hier bemerkt, daß weder in Preußen noch in den süddeutschen Staaten ein Recht deS Herrscher», in den Gang eine- Straf- proceffe» nach Beliebe» «inzugreifen, besteht, daß aber audererseits u. A. der König von Sachsen da» Recht hat, die Erhebung einer Anklage zu verhindern. Tie bedeutendsten StrafrechtSlrhrrr halten da» Bestehen eine» solchen AbolitionSrechte» für bedenklich und befürworten seine Abschaffung. Die» kann aber nur durch ein BerfassungSgesetz geschehen. Wa» nun dem erwähnten Gnadenerlasse deS Herzog» von Anhalt eine weit über die Grenzen von Anhalt hiuauSgehende Bedeutung giebt, ist der Umstand, daß hier rin von keiner Seite bestrittene» Hoheitsrecht eine» soovrrainen Fürsten wirkungslos wird durch daS einheitliche RechtSband, welche- die Verfassung und die Justizgesetze de- deutschen Reiche» um all« schlingt. Um auf die erwähnte Strafsache näher s» sei hier bemerkt, daß der Angeklagte Höhne, er rechtskräftig verurtheilt gewesen wäre, al» der Gnaden eintrat, auf den Erlaß seiner Strafe Anspruch gehabt Man kan» e» ihm aber nicht verdenken, daß er eS gesehen hätte, wenn gar kein Urtheil gegen ihn recht»- Annahmeschluß fir AMyttN Abend-AuSgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen.Ausgabe: Nachmittag» 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet» a» die Expedition zu richten. Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbefördrrung ^l SO.—, mit Postbeförderung 70.—. KipMerIasMü Anzeiger. Ämlsvlcktt des Königlichen Land- und ÄtAMWes Leipzig, des Mathes - und V-lizei-Ämtes der Stadt Leipzig. BezugS-PreiS kn der Hauptexpeditton ob« den im Stadt, bezirk und den Vororten errichteten AuS- gabestellen ab geholt: vierteljährlich ^>4.50, vei zweimaliger täglicher Zustellung in» Hau« 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteliäbrlich S.—. Dirrct« tägliche Kreuzbandsrndung tu» Ausland: monatlich 7.50. Ansiedler eine katholische Kirche zerstören sollten. Wir erinnern un» au» der Geschichte wohl an Vorkommnrffe, wie die Bartholomäusnacht, oder die Zerstörung Magdeburg», oder die Dragonaden unter Ludwig XIV., oder, um bei unserem Jahrhundert zu bleiben, an das Blutbad, da- päpst- che Truppen anrichteten, als Bewohner deS Kirchenstaate» ch erhoben hatten — wofür Papst Pio Nono dem Kom mandanten der Söldner den päpstlichen Segen ertheilte —, aber in all diesen Fällen waren die Fanatiker katholischen Glaubens. Im Uebrigen würden auch wir rS für erwünscht alten, wenn der Fall im Reichstage besprochen würde. !)ie Gilbert-Inseln sind zwar nicht deutsche», sondern eng lisches Schutzgebiet, aber immerhin könnte der Fall zu der Erwägung Anlaß geben, ob nicht in den deutschen Schutzgebieten die Tätigkeit der Missionare beider Confessionen in plan mäßigerer Weise und unter der Aufsicht der Regierung vor ich gehen soll. Wir glauben, der Fall beweise, daß es ich nicht empfiehlt, wenn in derselben Gegend Missionare »eider Confessionen thätig sind. Wir leiden in Deutschland zur Genüge unter dem Zwiespalt der Confessionen, um nicht zu wünschen, daß den Wilden mit dem Frieden und der Cultnr, die ihnen mit dem Christenthum gebracht werden sollen, nicht al« unerwünschte Beigabe der religiöse Hader mitgebracht werde. Es ist schon vorgekommen, daß zwischen christlichen und heidnischen Eingeborenen heftige Kämpfe entstanden sind, wie viel größer ist die Gefahr von Reibungen, wenn ein BolkSstamm in Heiden, evangelische und katholische Christen erfüllt. ES wirb sich deshalb vielleicht empfehlen, für die Zwecke der MissionSthätigkeit innerlich abgeschlossene Gebiete u organisiren und in dem einen Gebiete nur evangelische, n dem anderen nur katholische Missionare zuzulassen. Selbstverständlich würde dabei da» starke Ueberwiegen deS evangelischen Elementes in Deutschland zu berück sichtigen sein. ES mag eine solche Eintheilung etwas chematisch erscheinen, aber daS ist immer noch besser, als wenn unter den Eingeborenen der Glauben-Hader sich breit macht und alle Cultur, die ihnen daS Christenthum bringt, vernichtet. Will man auS den Eingeborenen in Afrika oder Polynesien wirkliche Christen, nicht nnr NäukeSchtiftek machen, so haben die Missionare beider Confessionen eine so gewaltige Thätigkeit zu entwickeln, daß sie froh sein sollten, wenn sie in räumlicher Hinsicht etwas eingeschränkt würden. Die Handlungsweise der evangelischen Wilden auf den Gilbert- Inseln war sicherlich nur eine Coosequenz fortwährender Händel zwischen den beiden Parteien. Vor derartigen Händeln unsere Colonien zu bewahren, sollte allerdings der Regierung als beachtenSwerthe Aufgabe erscheinen. * Berlin, 6. Juni. Ueber „einen empörenden Vor fall, der das Capitel englischer Anmaßung grell be leuchtet", erzählen mehrere Blätter Folgende-: „Der hiesige Eorrespondent deS Londoner „Daily Tele graph", Mr. I. L. Bashford, einer jener Söhne Albions, die ihren Natioaalstolz durch anmaßendes und ungezogenes Benehmen bekunden, hat sich erlaubt, einen tüchtigen und zuverlässigen Beamten in der unerhörtesten Weise zu beleidigen und zu beschimpfen. Mr. Bashford erschien eine- Abend- auf dem Haupttelegraphenamt und gab am Schalter 1 bei dem Beamten Kaiser rin längeres Tele- gramm auf, auf dem er die Wortzahl bereit» vermerkt hatte. Sodann ging er zu einem der Schreibpulte, um ein zweites Tele« gramm zu schreiben. Währenddessen sagte der am zweiten Schalter sitzende Beamte Schott zum ersteren: „Es ist besser, Sie zählen die Worte nach, der Herr verzählt sich oft." Herr Kaiser befolgte diese Mahnung und begann die Wortzahl des Telegramms festzustellen. Mr. Bashford, der das Gespräch wohl gehört haben mochte, kehrte »um Schalter zurück, sah Kaiser eine Weile auf die Finger und sagte dann zu ihm in herausforderndem Tone: „Sie, wa» machen Sie da?" Dieser ließ sich nicht stören, zählte ruhig weiter und antwortete, als die Frage in drohendem Tone wiederholt wurde: „Ich zähle die Worte." Hierauf rief Mr. Bashford mit verstärkter Stimme, indem er mit feinem Stock beständig umherfuchtelte: „Machen Sie gleich, daß Sie fortkommen. Sie unverschämter Mensch, Sie langsamer Mensch Sie, Sie verstehen da» ja nicht, scheerrn Sie sich fort!" Der Beamte ließ sich nicht stören und zählte ruhig weiter. Da ergriff Bashford ein Bündel Deprschrnformulare und schlug dem Beamten damit ans die Hände, indem er ihm gleichzeitig die ärgsten Schimpfworte zurief. Nun mehr mischte sich der Beamte vom Nebenschalter dazwischen und er suchte Bashford, sich ruhig zu verhalten und vor Allem Beamten- beleidigungen zu unterlassen: er möge nicht vergessen, daß er sich in Deutschland befinde. Bashford erwiderte: „Was wollen Sie? Kümmern Sie sich doch um Ihre Geschäfte! Wenn das in Eng- land wäre, würde ich de» Beamten nicht bloS mit den Depeschen formularen, sondern mit dem Stock auf die Hände ge schlagen haben." Nunmehr legte sich ein Beamter des AuS- wärttgen Amts, der zufällig auch zur Aufgabe einer Depesche auf dem Haupttelegraphenamt erschienen war, in» Mittel und sagte: „DaS geht doch nicht, daß man hier di« Beamten in so unerhörter Weise beschimpft und thätlich angreift." Jetzt wandte sich der tobend« Engländer mit seiner ganzen Wut- gegen diesen und rief: »Sind Sie hier fertig, dann machen Sie, daß Sie hinauSkommen, Sie gewöhnlicher Mensch Sie, Sie haben hier gar nicht» zu sagen." E» wurde »in Aussichtsbeamter gerufen, aber auch dieser konnte mit dem Engländer nicht» ouSrichten. Erst einem höheren Beamten, der ihn «ach dem Eonferenzzimmer rufen ließ, gelang e», Herrn Bashford zur Vernunft zu bringen. Dieser wurde nun kleinlaut und erklärt« sich bereit, 500 zu wohlthätigen Zwecken zu zahlen. Der beleidigte Beamte ließ sich darauf jedoch nicht ein und lehnte jede außergerichtliche Beilegung der Sache ab. Wie wir hören, hat die Oberpostdireetton nunmehr bei der Staatsanwaltschaft den Straf antrag gegen Mr. Bashford gestellt." Dieser Darstellung fügt die „StaatSb.-Ztg." noch die Behauptung hin»», der StaatSsecretair vr. von Stephan hab« die Zurücknahme de» Strafantrage- angeordnet. „Bashford hatte sich zweimal au ihn gewendet. Beim ersten Mal« wurde er kurzer Hand abgewiesen; al» er seinen versuch einige Tag« später, nachdem er iuzwtschen noch an andere Thüren angeklopst hatte, wiederholte, wurde er liebenswürdig empfangen, «nd »« wurd« ei» Ueberriakommen dahin getroffe«, daß er 100 a» di« Poft-Uutersiützuag-coffe zahlt, wogegen Herr v. Stephan sich verpflichtet, di» Ober-Poftdtrectton zur Zarücknahm« de» Straf- antrage» anzuweisen." Die Rolle, die hier Herrn vr. v. Stephan zugetbeill wird, macht die ganze Erzählung etwa» verdächtig. Das „Verl. Tagebl." bringt denn auch ein« ganz andere Lesart. Ihm wird „auf Erkundigung" mitgetheilt: „An dem fraglichen Abend hab« der englisch« Eorrespondent, wie er die» seit Jahren zu thun pflegte, mehrere größere und eilige Telegramme aufzuliefrrn gehabt. Die Wortzahl der Telegramme ! wird in solchen Fälle« von dem Zeitungseornspondenten selbst ge- Aus -er Woche. 2. Trotz der Lei uns schon bis zum Ungewöhnlichen ge steigerten Hitze politische Arbeit überall. Die Parlamente fast aller großen Staaten sind versammelt, und wir in Deutschland haben dazu noch Nachwahlen gehabt oder in nächster Aussicht, die nicht uninteressant sind. Die süd deutsche Demokratie hat um ihr Mandat für Ansbach- Schwabach in einer Stichwahl zu kämpfen, die dieser nur sehr geringe Chancen bietet. Ihr Stimmenverlust im ersten Wahlgang ist enorm und die», obwohl die Schweinezucht in dem Wahlkreise nicht unbeträchtlich und ihr Eandidat Cour ad unbestritten eme Autorität auf dem Gebiete der Pornographie ist. Selbst die Tabakspfeife, mit der er die Dorfwirthschaften besuchte, hatte den Bauern nicht imponirt; sie rochen auS seinem Kanaster das Pariser Boulevard-Parfüm heraus. Unterliegt er, waS mit ziemlicher Bestimmtheit vorherzusehen, so hat die „Volkspartei" ihr einziges bayerischeSMandat verloren und daS Opfer, ihr ganze- wirthschastlicheS und die größere . >älfte ihre- politischen Programm- verleugnet zu haben, um- onst gebracht. Herrn Quidde persönlich, den sie als Opfer- »riester entsandt haben, wird die Arbeit freilich leicht geworden ein. Er hat Worte, aber keine Ueberzeugung zu verleugnen. Während die Demokratie in einem Wahlkreise mit starker städtischer, sonst dem RadicaliSmuS nicht abgeneigter Be völkerung die schwersten Verluste zu verzeichnen hat, ist in dem überwiegend ostelbischen Templin-Rupp in ein bis zum Jahre 1893 im Besitze der Conservativen gewesener Reichstagsfitz vom Freisinn mit größerer Mehrheit, als er vor drei Jahren errungen wurde, behauptet worden. DaS PluS rührt von dereinst conservativen Wählern her, die zur Zeit der Herrschaft Hammersteins antisemitisch-demagogisch bearbeitet worden waren und nun den Beweis ihrer Ge lehrigkeit erbracht-chaben. Die eonservativ-agrarische Richtung, die in An-Lach-S Lach ohne nationalliberale Unterstützung, die ihr jedoch gegen die reich-feindliche Demokratie zu Theil werden wird, nicht obzusiegen vermag, hat hier eine ebenso schwere Niederlage zu verzeichnen, wie sie der Volkspartei in Franken bevorsteht. Und eine besonder- schmerzliche, wie das Organ des Bunde- der Landwirthe gar nicht verhehlt. Es sagt, der Sieg „gerade dieses" freisinnigen Abgeordneten sei besonders zu bedauern. Der gewählte Herr Lessing ist nämlich Landwirth, und die Berliner Bundesleitung haßt nichts mehr, als einen Land wirth, der nicht nur behauptet, daß der östliche Großgrund besitz auch ohne den Antrag Kanitz, die Doppelwährung und namentlich die Wirksamkeit der Herren v. Ploetz und SuchS- land nicht zu Grunde gehen muß, sondern die Nichtigkeit seiner Ansicht praktisch erwiesen hat. Die „Deutsche TageSztg." meint, der konservative Candidat sei unterlegen, weil er die Grundsätze deS Bundes nicht voll anerkannt hätte. Wenn aber die Bauern in Templin-Nuppin wirklich so orthodoxe „Bündler" wären, wie da- Blatt hier glauben machen möchte, so., hätten sie ganz gewiß nicht einem Parteigenossen de- Hkccn Eugen Richter zum Siege verholfen. Der „Reichsbote" wiederum macht hauptsächlich daS Berliner Centralbureau der Conservativen für die Niederlage verantwortlich, aber dieses Bureau ist an dem Tivoli-Programm, da- eineu be trächtlichen Theil der Conservativen zum Antisemitismus hinübergedrängt hat, ganz unschuldig. Der Freisinn hat diesen Erfolg ohne Zweifel nur den Fehlern seiner Gegner zu verdanken. Als ein Symptom dafür, daß seinem rapiden Niedergange nunmehr ein Ziel ge setzt sei, wird er nach der von erstaunlicher Selbsterkenntniß zeugenden Bemerkung, die Herr Rickert diese- Jahr im Reichstag gemacht, den Wahlsieg selbst nicht ansehen wollen. Er rollt weiter in den Abgrund, weil er seine Sache auf eine Concurrenz mit dem politischen RadicaliSmuS der Social demokratie gesetzt hat und auf diesem Felde zurückbleibea muß. Herr Richter hat in der verflossenen Woche wieder ein mal durchaus al» der „Großpensionair der Socialdemokratie", als welchen ihn der „Vorwärts" einmal feierlichst installirt hat, gehandelt, indem er einen Sturm gegen da-imProceßSchöler gefällte Urtheil zu erregen suchte. Wenn Herr Richter wirklich ein bürgerlicher Demokrat oder auch „nur" ein ver ständiger Liberaler wäre, so würde er froh über den ge lieferten Beweis sein müssen, daß leichtfertige und gewissenlose Anschuldigungen gegen da- Heerwesen und gegen Militair- personen auch dann eine entsprechende Sühne finden, wenn gleichzeitig m,t ihrer Feststellung gewisse Uebelstande zu Tage treten. Denn die Befürchtung, daß die- nicht geschehen könne oder werde, daß vielmehr die öffentlichen Erörterungen über Vorkommnisse in der Armee, die doch nicht zu vermeiden sind, der gewissenlosen Presse die Handhabe zur Untergrabung der DiScivlin der Armee geben würde», diese Befürchtung ist der stärkste Stützpunkt der Gegner einer Reform des Militairstrafverfahreu». Die Angelegenheit der vierten Bataillone hat in der Budgetcommission de» Reichstag» die Entscheidung ge funden, die vernünftigerweise nicht auSbleiben konnte. Der Antrag Richter, die Gelegenheit beim Schopfe zu nehme» und die zweijährige Dienstzeit in die Verfassung zu schreibe», wurde mit allen gegen 6 Stimmen abgelehnt und die Regierungsvorlage mit großer Mehrheit angenommen. Die» Crgebviß, dem die ' spreche» wird, war, wie gesagt, vorau-zusehen. Nur Volk«- parteiliche Politiker vermögen zu jener Höbe der verkhrtheil emporzuklimmea, die die Zustimmung zu einer »othwendige» Verbesserung an eine schon formell unerfüllbare Bedingung knüpft und somit jene Verbesserung gefährdet, ohne diese Bedingung der Erfüllung naher zu bnngrn. Selbst d,e freisinnige Bereinigung wollte nicht mit " Parti« fern. Deutsche- Reich. die Regierungsvorlage mit großer Mehrheit angenommen.» .^.derltu, 6. 9uvi. Die -Germania" beautzt einen Die» Ergebniß, dem die Abstimmung de» Plenum» «t-sich auf den Gilbert-Inseln bn - - u. - Nur Volk«. I Neu-Gmnea zuaetragen hat, zu einem damischen Ausfall au VerkehrtheitIevangelische Bevölkerung. Die „Köln. Ztg." hatte Lerichtrt, daß die Evangelischen auf einer der Gilbert-Insel» di« Kirche der Katholiken iu Brand gesteckt hätten. Di« „Germania" commentirt diese Meldung mit Behagen und lar». Selbst die I Entrüstung, verschweigt aber nicht nur ihren Lesern, daß es bei dieser Bera-1 bei den Uebelthätern, wie bei den Betroffenen um — " I Wilde handel», sondern sucht den Anschein zu erwecke», al« ob an der Missrthat auch Europäer betheiligt gewesen wären, indem sie erklärt, man müsse die ReichSregieruog interprlliren, wa« fie gegen die Frevelthat von Colo nisten und Eingebo renen zu thun gedenke. Da wird der Fall denn dvcb erst ein. gehend untersucht werden müssen. Wir halten e» für völlig aus geschlossen, daß europäisch« oder gar deutsch« evangelische Re-action «nd Lrpe-ition: JohanneSgasse 8. DK Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bl« Abend« 7 Uhr. > r- - Filialen: Vit« Klemm'» Sortim. (Alfred Hahn). Untversitätsstraße S (Paulioum), LouiS Lösche, Kat-arknensir. 14, pari, und Aönig»vla- 7. zählt, ohne daß eine sofortige Nachzählung feiten» der Beamten am Schalter erfolgt. Nachdem Herr Bashford nun das eine Telegramm aufgeliefert hatte, um das zweite Telegramm auszuzählen, bemerkte er, ganz entgegen den erwähnten Gepflogenheiten, daß der betreffende Beamte das erste Telegramm nicht nur langsam nachzählte, sondern daß er eS auch, nachdem er es gezählt hatte, längere Zeit liegen ließ und zwar so lange, bis Bashford jein zweites Telegramm auslieferte. Herr Bashford machte dem Beamten darüber Vorhaltungen, und als dieser ihn zurückwies, kam es zu einem kurzen, aber erregten Auftritt, der, wie auch Herr Bashford zugiebt, sehr leicht von beiden Seiten hätte vermieden werden können. Der Beamte erstattete bei seinen Vorgesetzten Anzeige und that gleich, zeitig Schritte, um eine Klage wegen Beamtenbcleidigung gegen Bashford rinzuleiten. Herr Bashford seinerseits unterließ nichts, um den Vorfall, den er lebhaft bedauerte, zu schlichten. Er brachte feine Entschuldigung nicht nur bei StaatSsecretair Stephan und Telegraphendirector Ehlers vor, sondern er entschuldigte sich auch bei dem betreffenden Beamten selbst. Unwahr ist cs, daß Herr Bashford eine Sühne von 500 Mark angeboten hat. Dagegen ist ihm nahcgelegt worden, eine Buße für den Pensions fonds der Postcasse zu erlegen und die Kosten der in der An gelegenheit stattgehabte» Vernehmungen re. zu tragen, was Herr Bashford auch sofort that, während der betreffende Beamte seinerseits sich bereit erklärte, von einem Strafantrage Abstand zu nehmen. Ganz entschieden stellt Herr Bashford in Abrede, den Beamten thätlich beleidigt zu haben, da er weder einen Stock, noch irgend ein Instrument, das er dem Beamten gegenüber drohend geschwungen haben könnte, bei sich getragen habe. Der Beamte ist inzwiichen von der Telcgraphenannahme in eine andere Abtheilniig des HaupttelegraphenamtS versetzt worden. Tas Verhalten Les englischen Berichterstatters erscheint danach keineswegs einwandfrei, wenngleich cs nach Spatzen init Kanonen schießen hieße, wollte man, wie dies mehrfach geschehen, aus diesem Anlaß gleich das große Register der nationalen Entrüstung ziehen. Herr Bashford wird sich die Sache sicherlich zur Warnung dienen lassen, und der betreffende Beamte wird kaum mehr in die Lage kommen, im Schalterdienst Unannehmlichkeiten zu erleben." Herr StaatSsecretair vr. v. Stephan wird Wolff nicht umbin können, eine amtliche Darstellung des Sachverhaltes zu geben, schon um zu verhüten, daß einerseits die „Times" und andere Londoner Blätter die Darstellung des „Bcrl. Tagebl." zu Angriffen aus daS deutsche Beamtenthum aus nutzen und daß andererseitS-die infolge der Sprache der „Times" schon genugsam gereizte öffentliche Meinung in Deutschland durch die andere Darstellung noch mehr gereizt werde. Jedenfalls beweist der Vorfall, mag nun der „erregte Aus tritt" nur von einer Seite oder von zwei Seiten verschuldet sein, daß die „Times" mit ihrer anmaßenden Sprache eine schwere Verantwortung auf sich laden. Verstimmung ist un ausbleiblich, und eS sollte uns nicht Wundern, wenn auS England über „erregte Auftritte" zwischen Deutschen und Engländern berichtet würde. Berlin, 6. Juni. (Telegramm.) Zur Frühstücks tafel im Neuen Palais waren gestern der Ervprin; und die Erbprinzessin Reuß j. L. geladen. Nach derselben verblieb der Kaiser im Arbeitszimmer. Die Abendtafel fand ini Neuen Palais um 8 Uhr statt. Zu ihr war der Ober präsidialrath vr. von Bethmann - Hollweg geladen. Heute früh machte der Kaiser von Uhr ab einen Spazierritt in die Umgegend von Potsdam und arbeitete nach dem selben längere Zeit mit dem Chef des Militair - Cabinets General von Hahnke. 8. Berlin, 6. Juni. (Privattelegramm.) Die „Nat - Ztg." berichtet: „Ueber 100V Buchdrucker Ware» am Freitag versammelt, um zu der Tarifangelegenheit Stellung zu nehmen. Auf Ersuchen der hiesigen Leitung des deutschen Buchdruckerverbandes war der Redakteur des Gehilfcnblattes „Eorrespondent", Gasch-Leipzig, erschienen, der seinen ab lehnenden Standpunct zu den von der Tariscommission be schlossenen Vereinbarungen erläuterte. Die gesammte Ge Hilfenschaft habe sich wiederholt gegen jede Tarifgemeinschafl mit den Principalen erklärt, trotzdem Kälten die Gehilfen Vertreter schließlich einer Festsetzung des Tarifs zugestimmt. (Pfui über solche Vertreter!) Der Vorstand des Verbandes habe in einem geheimen Circular die Vertreter angewiesen. Alles zu thun, um einen Bruch mit den Principalen zu vermeiden, weil die Organisation nicht stark genug sei, einen Kampf aufzunehmen. (Gelächter.) Er (Gascb) wollte im März, als auS der Haltung der Principalität zu ersehen war, daß sie auf die Forderungen der Gehilfen nickt eingehen würden, das Signal zum „Losschlagen" geben, wurde aber vom Vorstand hieran gehindert. (Großer Lärm und Beifall.) Die Gehilfenvertreter hätten sich in gleicher Weise von dem Vorstande und den Principalen dupircn lassen. (Verrath!) Durch die Tarifverhandlungen habe fick die Lage der Gehilfe» thatsächlich verschlechtert. Die geringen Verbesserungen wären durch Annahme der Lehrlingsskala der Principalität wieder aufgehoben. (Hört! Hört.) Der ge meinsame Arbeitsnachweis und das vorgcschlagenc Tarifamt charakterisirten sich als ein von den bürgerlichen Parteien und von der Negierung unterstützter Versuch, daS freie CoalitionSrecht illusorisch zu machen, die Buchdrucker ollten daS Versuchsobjekt bilden für den Plan, die Kampf fähigkeit aller Gewerkschaften durch gesetzliche Einführung der Tarifämter für alle Branchen zu zerstören. (Bewegung, Bei fall und heftiger Widerspruch.) Nachdem durch den Vorsitzenden Massini mit Mühe die Ruhe wieder einigermaßen hergestellt war, erhielt der BerbandSvorsitzende Döblin-Berlin das Wort. Er erklärte in einer öfter von Beifall und Lärm unterbrochenen Rede, daß durch das Verfahren des Redakteurs Gasch die Auflösung veS Verbandes vorbereitet werde. Er bestreitet, daß der Verband trotz der Million in den Streikkassen fähig sei. einen offenen Kampf siegreich durch zuführen. (Schlußruse.) Nach überaus stürmischer DiScussion, in der von beiden Seiten „Verrath von Arbeiterinteressen" dem Gegner zur Last gelegt wurde, beschloß die Versammlung um 2 Uhr Nacht- eine Resolution, in der Gasch „Dank und Anerkennung für sein Verhalten" ausgesprochen wird. — Damit haben auch die Berliner Buchdrucker die Tarif gemeinschaft verworfen. — Der Münchener „Allgem. Ztg." wird auS Berlin ge schrieben: „Verschiedene Blatter deS In- und Auslandes suchen den Anschein zu erwecken, al» wüßte man auf gut orientirten Redactivnen schon jetzt ganz genau, zu welchem Termin da» junge Zarenpaar ferne Besuchsreise in« Ausland Lntrrtrn und wann e» in den verschiedenen euro»
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