Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.06.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-06-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960608021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896060802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896060802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-06
- Tag1896-06-08
- Monat1896-06
- Jahr1896
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Di« Mvrgen-Au-gab« erscheint um '/,? Uhr. di« Abend-Lu-gaö« Wochentags um b Uhr. Nrdacttou und Lrpeditiou: Johanne-gasse 8. DleExpeditton ist Wochentag» ununterbrochen geSffuet von früh 8 bi» Abend« 7 Uhr. Filialen: ktt* Klemm'S Lortim. (Alfred Hahn). UviversitätSstraße 3 (Paulinum), Louis Lösche, Katharmrnstr. 14, Part, und Königtvlatz 7. BezugS'PrerS Wh« -»n»terpedition oder den im Stadt» »«in «,d den Vororten errichteten Au«- aabestellen abgeholt: vierteljährlich^»«.^ bei zweimaliger täglicher Zustellung ins ^auS b.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierieliadrltch 6.—. Direkt« tägliche Krruzbaadlendung tw» Au»laud: «oualltch 7.S0. 287. Abend-Ausgabe. UeWiM.TagMatt Anzeiger. Amtsblatt -es Königlichen Land- nn- Amtsgerichtes Leipzig, -es Nathes un- Polizei-Amtes -er Ltaöt Leipzig. Montag den 8. Juni 1896. A«zeigr»-Prei- dir Ggtspalten« lprtit-etl, X) Pfg. AeclaMe» unter dem Redactiontstrich l4ge- spalten) bO^, vor den Familiennachrichten lkgrspaltrn) 40 Gtühere Tchristrn laut unserem Preis, verzetchnih. Tabellarischer und Ziffttnsaß nach höherem Tarif. Grtra»Beilagen (gefalzt), nur mit der Vloraen.Ausgabe, ohne Postdeiörderung ^» SV—, mit Postbesvrderung 70.—. ^nnahmeschlvß fiir Anzeige«: Abend-vuSgod«: Vormittag» 10 Uhr. Morg«»-Ausgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je «ine halbe Stunde früher. Anzeige» sind stet» an di« Expedition zu richten. Druck and Verlag von T. Polz in Leipzig 80. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 8. Juni. Bei der dritten Berathung des vörsengesctze» hat sich eine Episode abgespielt, die Beachtung verdient, obwohl ihre Bedeutung außerhalb des verhandelten Gegenstandes und auf einem andern Gebiete liegt. Herr v. Ploetz, der in Wort und Schrift die Börse als der Üebel größtes schildert, mußte zugestehen, daß er selbst an diesem SatanSaltar geopfert hat. Diese Thatsache ist wirklich ernst, so ernst, daß selbst die schwindelhafte Ausbeutung, die sie in der Börsenpresse findet, den dem Präsidenten des Bundes der Landwirthe ungünstigen Eindruck nicht zu verwischen vermag. Und das will viel sagen, denn das Treiben dieser Sorte von Zeitungen macht es dem gesunden Empfinden schwer, nicht die Partei des Herrn v. Ploetz zu nehmen. Nach ihnen ist nicht nur dieser Mann, sondern auch das Verbot des börsenmäßigen Getreidetermin- handel-und dieReichstagSmehrheit „gerichtet", weil Herr v.Ploetz speculirt hat. Von Logik kommt dabei ebensowenig zum Vor schein, wie von gutem Glauben. Die Mehrheit hat, vornehm lich gestützt auf die Gutachten von Sachverständigen, von Gctreidehändlern und Müllern, das Verbot beschlossen, weil Mißbräuche schlimmster Art mit der untersagten Gcschästsform verbunden sind. Nun kommen Gegner deS Herrn von Ploetz zu dem Denkergebniß, der Umstand, daß er an der Börse gespielt hat, beweise, daß Mißstände nicht vorhanden und das Verbot ungerechtfertigt sei! DaS wäre Verrücktheit, wenn eS nicht überlegte Unredlichkeit wäre. Man will glauben machen, das TerminhandelSverbot sei die Verwirk lichung eines von einem Börsenspekulanten dem Reichs tag einzegebenen Gedankens, der wegen dieser Eigenschaft seines Urbebers verwerflich sein müsse. In Wahrbeit bat Herr v. Ploetz mit dem Verbot nicht mehr zu thun gehabt, als daß er in zweiter und dritter Lesung für dasselbe stimmte. Es war nicht von ihm und auch nicht einmal von seiner Partei angeregt worden. Daß er ihm zugestiniM hat, beweist gegen das Getreideterminhandelsverbot ge-' rade so viel, wie gegen das Arbeiterschutzgesetz durch den Umstand bewiesen wird, daß eS demselben Herrn Singer, in dessen Fabrik junge Arbeiterinnen auf Er gänzung ihres Lohnes durch da» Laster hingewiesen worden sind, noch nicht einmal weit genug ging. Anders steht es um Herrn v. Ploetz. Er hat in der Presse das Börsen termingeschäft in Getreide und, was noch mehr sagt, Die- jenigen, die dieses Geschäft betreiben, als aemein- schädlich gebrandmarkt. Wenn er im Reichstag 'eugnet, dies gethan zu haben, so bedient er sich üner erbarmungswürdigen Ausflucht. Man kann Neigungen fröhnen und Einrichtungen benutzen und sie gleichzeitig öffentlich als schädlich bekämpfen, ohne sich des wegen der Heuchelei und des Volksbetruges schuldig zu machen. Zum Beispiel darf ein Mann, der leidenschaftlich raucht oder seinen nächtlichen WirthshauSaufenthalt übermäßig aus dehnt, für Vertheuerung des Tabaks und frühzeitigeren Schluß der Schanklocale eintreten; denn sein Rauchen und sein Trunk schaden nur ihm. Beim Börsen spiel ist es nach der unzählige Male von Herrn von Ploetz und seiner Presse vorgetragenen Auffassung anders. Wer an der Börse kauft oder verkauft, betheiligt sich an der Preisbildung. Und das ist auch ohne Zweifr! der schlimmste Mißstand des BörsenSwesenS, daß Leute Termingeschäfte machen, die jeder wirthschaftlichen Unterlage entbehren, Roggen kaufen oder verkaufen, ohne das geringste wirthschaftliche Interesse an der Waare selbst, und bewirken heute, daß dem Landwirth der Erlös au» seinem mit sauerem Schweiße gewonnenen Erzeugnisse herabgedrückt, morgen, daß der armen Wittwe der Bisten Brod vertheuert wird; Beide- ledig lich, um einenGewinn zu erzielen, wieer an derSpielbank, mit dem Würfelbecher, durch eine reine Wette auch erlangt werden könnte. Herr v. Ploetz hat im Reichstag gesagt, kleine Geschäfte dieser Art dürfe man machen, die seien „legitim". Diese Verantwortung wirft rin noch schlimmeres Licht auf ihn, als di« nvthgedrungen eingestandene Handlung selbst. Er weiß ganz genau, daß die Summe jener kleinen Geschäfte von un geheuerem Einfluß auf den Markt ist, er bat sich bewußt an dem betheiligt, was er mit Recht eine Schädigung der Land- wirthschaft nannte und während er es so nannte — seine Getreidetermingeschäfte fallen bereits in die Zeit, wo er Präsident des Bundes der Landwirthe war. Wenn er umgekehrt wie Franz Moor als Milverungsgrund für sich anführt, er habe sich nur mit Kleinigkeiten abgegeben, so ist daS nicht imponirender, als die andere Versicherung, sein Spiel in Brodfrucht habe AuSbildundzwecken gedient. So jämmerlich sucht sich kein Schulfuchs herauszureden, der des Nachts angetrunken auf der verbotenen Kneipe ertappt wird, vor der er am Tage drei Kreuze schlägt! Die zweite Lesung des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der Commission gebt rasch genug vor sich, um das Plenum in den Stand zu setzen, seinerseits die zweite Berathung in dem vor dem Eintritt der Pfingstpause hierfür in Aussicht genommenen Zeitpunkte zu beginnen. Ist die große Angelegen heit dahin gelangt, so wird der Reichstag nicht die Verant wortung übernehmen, sie durch Beschlußunfähigkeit ober unsachliches Verfahren gewissermaßen angesichts des Hafens scheitern oder auch nur sestfahren zu lassen. Sie ist vollkommen reif für die letzte Entscheidung. Wenn in der Presse noch Stimmen gegen eine beschleunigte Erledigung sich vernehmen lassen, so vermißt man unter den ange führten Gründen den einzigen, der eine Verzögerung «chtiertigen würde, nämlich den Glauben an die Möglichkeit, durch Verlangsamung der Berathung eine Verbesserung des Inhalts deS Gesetzbuches hrrbeizusühren. In der That ver mag auch Niemand im Ernste zu sagen, daß er im Früh jahr 1897 besser über die Materie informirt zu sein hoffe, als er es in diesem Sommer ist. Alle Gesichtspunkte für die Entscheidung der aufgetauchten Fragen sind bekannt und in der Commission wie in der Presse erschöpfend erörtert worden. Wem sie jetzt noch fremd sind oder wer ihrGewickt jetzt noch nicht zu schätzen im Stande ist, der kann nicht da« Vertrauen bean spruchen, daß er in einem halben, in zwei oder drei Jahren den Gegenstand beherrschen werde. Ebensowenig wird Jemand Glauben macken wollen,daß mit der Länge der Berathungözeit die Zahl der Abänderungsanträge sich vermindern ober gar der Eifer der gesetzgeberischen Amateur- erkalten könnte. Im Gegentheil, die Lieblingsideen werden sich vermehren und die Beharrlichkeit, mit der sie festgehalten werden, wird wachsen. Darin liegt aber die ernste Gefahr der Hervorrusung und Vertiefung principieller Gegensätze, die schließlich einen Aus gleich unmöglich machen. Wir haben eS seiner Zeit verständlich gesunden, daß die angeregte eu bloc-An nahme nicht beliebt wurde, einmal weil die Autorität deS Reichstags eine materielle Betheiligung an dem Werke zu erfordern schien, sodann weil wir von der Publicität, die mit der parlamentarischen Behandlung eines Gegenstände- verbunden ist, die Berichtigung gewisser Vorurtheile gegen den Entwurf erhofften. Nach beiden Richtungen hat die CommissionSberathung Genüge gethan. Sie wirb bei Beginn der Plenarberalhung, die beiden Ferienpausen in Abzug gebracht, über ein Vierteljahr gedauert haben, so daß man verständiger Weis« ebensowenig von einer „Abdankung" des Reichstages als von einer „Durchpeitschung" des Gesetzes reden kann. Und was vie Popularität des Entwurfs angebt, so sind die Klagen über seine Sprache allmählich verstummt und wird der Vorwurf, daß er nicht social genug sei, auf bürgerlicher Seite kaum mehr erhoben. Dieser Erfolg der parlamentarischen Behandlung kann nicht mehr gesteigert werden, und wenn man darauf hinweist, daß die unleugbaren Verbesserungen, die die Commission in das Gesetzbuch gebracht hat, noch vermehrungsfähig, sind, so darf man nicht vergessen, daß bas auch von den Verschlechterungen, die eS dort erfahren, gilt. Die Letzteren bewegen sich dazu in einer Richtung, die nicht einen Schritt weiter verfolgt werden darf, wenn nicht derjenigen Partei, die den Gedanken der Rechtseinigung aus sich herauSgeboren und allen anderen Parteien voran bis zur Stunde gepflegt hat, eine ablehnende Haltung aufgenöthigt werden soll. Die Angelegenheit des Bürger lichen Gesetzbuchs befindet sich jetzt auf dem Höhepunkt, von nun ab können sich ihre Chancen nur verschlechtern. Daß dieser Augenblick versäumt worden sei, weil der Juli heran gekommen war, wird sich der Reichstag nicht in seine Annalen schreiben lassen. Die Vollendung der deutschen Rechtseinbeit soll die Krönung des Gebäudes werden, zu dem vor einem Vierteljahrhundert in glühendem Sonnenbrand, bei erstarren dem Frost und unter unsäglichen Strapazen der Grund gelegt worden ist. Wir möchten den Abgeordneten sehen, der noch vor den Veteranen jenes Krieges die Augen aufzuschlagen vermöchte, nachdem er in dieser großen vaterländischen Sache seine Pflicht vernachlässigt, weil es in Berlin heiß und an der See und im Gebirge angenehm kühl gewesen ist! Ueber den „Fall Stern", speciell über das taktlose, jedem diplomatischen Brauche Hohn sprechende Vorgeben deS ameri kanischen StaatssecretairS Olney in der vielbesprocbenen Affaire Stern liegen jetzt in großen amerikanischen Blättern dea l '- 'Berthe Nrtheibe vor, so in einem Artikel der New-Iorker „Evening-Post", der durch den satirischen Ton, den er gegen Mr. Olney anschlägt, eine besondere Schärfe gewinnt. Es heißt da u. A: „Herr Louis Stern von New-Aork begab sich mit seiner Familie vor etwa einem Jahre nach Kissingen, gerirth dort bekanntlich in Differenzen mit drn Behörden und wurde zur Sicherung seines Er scheinen« vor Gericht unter Bürgschaft gestellt. Er bezahlte diese, ging dann aber, ohne seinen Proceß abzuwarten, nach New-Hork zurück und ließ die Bürgschaft verfallen. Er beklagt sich jetzt über die Höhe der Bürgschaft. Uns will es dünken, daß sie nicht hoch genug war, da si« nicht vermochte, ihn in Kissingen sestzubalten und zum Antritt seiner Strafe zu nöthigen. Herr Stern beschwert sich ferner über die ihm zuerkannte Gefängniß- haft. Da er sie aber nicht abgesessen hat, so schadet ihm dos Er- kenntniß doch gar nicht. Freilich ist ihm nun der fernere Besuch KissingenS versperrt, das geht aber ollen so, die der Strafe aus- weichen. Ob er schließlich mit Kissingen Frieden schließen kann, ist eine nur ihn und die Bayern, Niemanden sonst angehende Sache. Ganz anders dachte unser feuriger Staatssecretair, Herr Olney. „Wie?" kreischte er, al« er von der Sache hörte, „eine« Amerikaners Bürgschaft verfallen? Ein Amerikaner in Bayern zu Gefängniß verurtheilt? Nimmermehr I Das ist keine Polizeisachr. Die natio nale Ehre st«ht aus dem Spiel!" So wurde die Angelegenheit schleunigst dem Frrihrrrn von Thirlmann, dem deutschen Botschafter in Washington, vorgrtragen." Nach einer Schilderung der bekannten diplomatischen Unterhandlungen fährt daS amerikanische Blatt fort: „Die Correjpondenz ist in hohem Grade belustigend; wir gestehen indessen, mehr für Deutsche al« für unS Amerikaner. Sticht weil die Deutschen bezüglich der Thatsachen im Recht sind. Nein, uns ist nur unangenehm und verblüffend, wir uns« schlauer Stoats- I secretair in die Falle ging nnd die Sache so behandelte, daß man über seinen Kops hinweg in einem Tone zu un» spricht, der, w e nsn Olney nicht total im Unrecht wär«, nicht zu ertragen sein würde. Es ist nicht der Ton eine» Prahler?, wie Herr Olney ihn bet Verzapfung der Monroe-Doctrin anstimmte. Es ist jener To», der Deutschen und besonders Preußen eigen ist, der Ton des Gentleman« dem Prahler gegenüber, der Ton de« überlegenen Manne» von Erziehung, der den ihm nicht gewachsenen Ignoranten zurechtsetzt, derTon de-Gebtldeten gegen- über dem Bauer!" Herr Olney scheint die letzten 25 Jahre der Weltgeschichte rein verduselt zu haben, Venn sonst müßte ihm doch zum Be wußtsein gekommen sein, daß Deutschland sich nicht mehr, wie ehemals, ungestraft als yusutitö uSZIigeubls betrachten und behandeln läßt. Die türkische Regierung hat so viel Truppen nach Kreta entsandt, daß die Unterdrückung deS Aufstandes, selbst wenn er sich über die ganze Insel verbreiten sollte, gesichert erscheint. Daß die „Pacisicirung" der Insel nach armenischem Muster unter Strömen Blute« und barbarischer Verwüstung der christlichen Ortschaften sich vollziehen wird, ist nach dem bisher Vorgefallenen gewiß, es müßte denn sein, daß die Lage durch den Neberfall und die Verwundung des russischen Consuls durch Benghar-Milizen auf dem Weg von Haleppa nach Canea ein anderes Bild erhält und ernste, nachdrückliche Vorstellungen der Mächte dem zügellosen blut- und beutelüsternen mohamedaniscken Fanatismus, vor dem nicht einmal die Repräsentanten fremder Staaten in ihrer Eigenschaft als Christen mehr sicher sind, endlich Schranken ziehen werden. Da bereits kürzlich Benghar« Kawafsen deS russischen und griechischen Consuls ermordet haben, das neuerliche Attentat also einen bedenklichen Fortschritt in der Unsicherheit der Ver treter der Mächte bedeutet, ist eS höchste Zeit zu einem die bewaffnete Intervention Europas androhenden Schritt. Viel leicht wird dadurch da« offenbar geplante allgemeine Massacre verhütet. Jedenfalls wird e« in Hildiz-Kiosk höchst peinlich be rühren, daß gerade der russisch eConsul es ist, gegen welchen sich der Exceß der türkischen Soldateska gerichtet bat, da die russische Regierung diejenige war, bei welcher die Pforte während der türkischen Wirren den meisten Rückhalt gefunden hat, und man darf daraus die Hoffnung schöpfen, daß auch dem dringenden Rath Rußlands und Frankreichs, nach der Wieder herstellung der Ordnung den Vertrag von Haleppa, welcher der Insel die Autonomie und eine Reihe sonstiger Reformen gewährleistete, wieder in Kraft treten zu lassen, Folge geleistet wird. Auch die Haltung Griechenlands, dessen Regierung, wie die Bewilligung von 20 000 Drachmen für kretensische Flüchtlinge wieder zeigt, aus ihrer Sympatbie mit den Auf ständischen nicht daS geringste Hehl macht, dürfte dazu beitragen, daß der Verlauf der Revolution einen weniger blutigen Charakter zeigt und daß die Zauderer am Goldnen Horn sich mit der Einführung von Reformen etwas mehr beeilen werden. Allerdings, und darüber braucht man sich kaum einem Zweifel hinzugeben, werden auch die kreten- sischen Reformen, genau so wie die makedonischen und arme nischen, lediglich auf dem Papier concedirt, nicht aber that sächlich au-geführt werden. Wa- Armenien betrifft, so haben die Mächte trotz wiederholter Vorstellungen nicht einmal die Ernennung christlicher Kaimakams in Zeitun, die längst ver sprechen ist, durchsetzen können; nachdem alle Verzögerungs mittel erschöpft sind, werden neue Umtriebe der Bewohner Zeitun« vorgeschützt, um die Durchführung der Maßregel in absehbarer Zeit überhaupt für undurchführbar erscheinen zu lassen. Auf die Dauer wird die Pforte diese Taktik sicher nicht befolgen können, da sie nur zum AnSbruch neuer Ferrittetoir. Vie Tochter -es Millionäre. Slj Roman au« d«m Englischen von L. Bernfeld. (Nachdruck »erboten.) „Inmitten alr dieser Menschen! Da» ist ja wahrhaft entsetzlich!" „Ja, grauenvoll. Diejenigen, welche sich in seiner Nähe befanden, waren von dem Blute des Unglücklichen bespritzt worden. Mir schaudert, wenn ich daran zurllckdrnke. Aber e« kam noch schlimmer; denn kaum war da» Entsetzliche ge schehen, so hörte man einen durchdringengen Schrei, und da« arme bedauernSwerthe Weib deS Elenden brach sich mit Gewalt Bahn durch die aufgeregte Menge. Es scheint, daß sie ihren Mann von der Thur aus beobachtet und Alle» mit angesehen hatte. E- war herzzerreißend, wie die Unglückliche an der Seite de» Tobten niedersank und ihn umklammerte, ein Bewei- dafür, daß sie trotz seiner Schlechtigkeit mit allen Fasern ihre» Herzen« an ihm hing. Man mußte die Aermste schließlich mit Gewalt entfernen." In diesem Augenblick beugte sich der Graf von Sanfoine vor und wendete sich an den Sprechenden. „Entschuldigen Sie, mein Herr, ich habe mtt schmerzlichem Interesse dir Erzählung dieser traurigen Vorgänge mit an gehört, welche sich in der vergangenen Nacht in Monte Carlo abgespielt haben, und ich mochte Sie bitten, mir zu sagen, ob ich recht gehört habe, daß der Name de» Manne«, der in so schrecklicher Weise au- dem Leben geschieden ist, Geu- damore war?" „Ja wohl — Geudamore, so ist mir gesagt worden!" „Eapitain Philipp Geudamore?" „Ja, ich glaube, so wurde er genannt. Doch ich hoffe, «ein Herr, daß der Unglückliche nicht Jemand ist, der Ihnen nahe steht, vielleicht ein Freund, ich habe Sie durch meine Erzählung hoffentlich nicht erschreckt?" „Nein, mein Herr, er war kein Freund von mir, aber ich habe ihn einst m besseren Verhältnissen gekannt, und wa- Sie von seinem schrecklichen Ende erzählen, hat mich sehr ergriffen." Al» der Zug Nizza erreicht hatte, und man sich von einander verabschiedet hatte, sagte der Graf zu Mayblow: „Mein lieber Doctor, ich muß Sie um eine Gefälligkeit ersuchen. Hier" — er legte bei diesen Worten «in beschriebene« Blatt Papier in seine Hände — „ist das Verzeichniß der Besorgungen, mit denen Mr». Hopley mich betraut bat. Haben Sie die Freundlichkeit, Einsicht davon zu nehmen und Alles nach besten Kräften zu erledigen. Ich muß unver züglich nach Mentone zurückkehren. Die furchtbaren Nach richten bezüglich diese» unseligen Menschen, welcher in Miß Hopley'S Leben einst eine so traurige Rolle gespielt bat, dürfen sie in ihrem gegenwärtigen Gesundheitszustand nicht unvorbereitet treffen. Ich will sie selbst auf da-, wa« ge- schrhen ist, vorbereiten. In zehn Minuten geht ein Zug von hier nach Mentone, ich muß Sie jetzt verlassen, lieber Doctor, um nach der anderen Seite de» Bahnsteige- hinüberzugehen." Sanfoine ging und der Doctor stand mit der Liste in der Hand verblüfft da und sah sich gezwungen, die darauf ver- zeichneten Gegenstände so gut oder so schlecht er konnte, zu besorgen. — Der Graf von Sanfoine bestieg den nächsten Zug und kehrte nach Mentone zurück. E« war nur eine kurze Streck« vom Bahnhof nach dem Hotel Beau Rivaae, wenn man durch den Garten des Hotels ging. Der Graf schlug einen schmalen Fußweg ein, der gerade über di« Gartenterraffe hinwegführt«; ohne im Geringsten daran zu denken, daß er Beatrix treffen könne, war er nur bestrebt, so schnell wie möglich vorwärts zu kommen. Er hegte die Absicht, sogleich Mr. Hopley auf zusuchen, um ihm von dem schrecklichen Vorfall in Monte Carlo Mitthrilung zu machen und mit ihm zu beratben, wie man der kranken Beatrix am schonendsten die Nachricht bei dringen könnte. — Plötzlich hemmte Sanfoine seine Schritte und blickt« erstaunt auf die Scene, welche sich seinen Augen darbot. Dicht vor rbm — w geringer Entfernung sah er Beatrix in ihrem Krankenstuhl sitzend. Sie war in ganz lebhafter Unterhaltung mit Victor Grrville begriffen, der neben ihr auf einem Gartenstuhl saß. Auf ihrem Schooße lag ein offener Brief. Ein zarter rosa Schimmer bedeckte Beatrix' sonst so blaffe- Gesicht und verlieb demselben für den Augen- vlick einen Theil seiner früheren Schönheit. Victor'« Augen ruhten mit innigem Ausdruck auf dem Antlitz der Leidenden, und ihre beiden schmalen, durchsichtigen Hände waren sanft von den seinigen umschlossen. Indem sick> Sanfoine bi» in- innerste Herz getroffen hinter dir schützenden Zweige eine nahen Znimergrünstrauche« zurückzog, drangen folgende Worte an sein Ohr: „Sie haben mich sehr glücklich gemacht, Sir Victor, dieser Brief verschafft mir meine Gemütb-ruhe wieder, ich fühle e«, er giebt mich dem Leben, der Gesundheit zurück. Die Ver gangenheit soll mich nun nicht mehr beunruhigen, bin ich doch jetzt sicher, daß Si« von meiner Unschuld überzeugt sind. — Arme Helene! Nach Allem, was ich nun weiß, kann ich sie nicht riumal tadeln, daß sie geschwiegen hat — sie thut mir von ganzem Herzen leid." „Wie gut und lieb Sie sind, Beatrix." „O, jeder Andere würde ebenso empfinden wie ich. Wir wollen der armen Jane Wunsch erfüllen und den Brief ver nichten, eS braucht außer un- Niemand denselben zu lesen. Wenn ich die Schlechtigkeit und Gewissenlosigkeit bedenke, deren dieser schändliche Mensch fähig gewesen ist, so kann ich dem Himmel nicht genug danken, daß er mich von dem Zauber erlöst hat, den derselbe auf mich auSgeübt hat. Welches traurige Schicksal hätte mich an seiner Seite erwartet." Victor beugte sich ein wenig vor und blickte ihr in die Augen. „Und ist da» Schicksal, welche» Sie sich jetzt erwählt haben, ein weniger trauriges, theuerste Beatrix? Können Die e« mit Ihrem Gewissen, mit Ihrem Herzen vereinigen, einen Mann zu hrirathen, den Sie nicht'lieben, obgleich Sie wissen, daß diese« Herz mir gehört?" Unendlich bekümmert blickte da« junge Mädchen Victor an, sie erröthete tief und hob wie abwehrend ihre schmalen, durchsichtigen Hände gegen ihn auf. „O bitte, sprechen Sie nicht so zu mir", sagte sie mit leise bebender Stimme. „Sie wissen nicht, wie edel und liebevoll der Graf von Sanfoine sich gegen mich benommen hat. Ich kann nicht so schlecht und undankbar sein und mich jetzt von ihm loSsagea — ich würde ihm da- Herz brechen." „Und doch bedenken Sir nicht, daß Sie das meine ver nichten, Beatrix. Denn Sie lieben mich — ja Theuerste — Sie lieben mich. Leugnen Sie eS, wenn Sie können, wenn Sie e« waaen, Trixie. Liebten Sie mich nicht schon damals, als wir zusammen in Schottland Warrn, wo ich Ihnen zuerst von meiner Liebe sprach? Und ist nicht da« Hinderniß, das sich damal« zwischen un« erhob, jetzt für immer sortge- räumt?" Sie weinte still und verbarg ihr Gesicht in drn Händen. Er griff leise nach den zarten Fingern und dieselben von ihren Augen fortziehend, führte er sie an seine Lippen. „Gestehen Sie mir wenigsten-, daß Sie mich lieben, Trixie!" bat er inständig. „Ja, ick liebe Sie, aber die Ihrige kann ich nickt werden. Bitte, dringen Sie nicht weiter in mich!" „Warum soll ich Sie aufgeben, theuerste Beatrix, wo Sie mir sagen, daß Sie mich lieben?" „Ich kann nicht — kann nicht so schlecht gegen Sanfoine bandeln, gegen ihn, der so gütig gegen mich gewesen ist", sagte sie schmerzlich bewegt. „Das Bewußtsein, von Ihnen geliebt zu sein, Victor, wird mich immer beglücken, so lange ich lebe. Vielleicht wird mein Leben nicht lange dauern. Ich kann Ihnen niemals mehr sein, als eine theure Freundin, denn ich darf den Mann nicht hintergehen, dem ich mein Wort gegeben habe. Wenn ich einer solchen Handlungsweise fähig wäre, so müßte der Graf von Sanfoine denken —" „Der Graf von Sanfoine wird Ihnen selbst sagen, was er denkt, Beatrix!" sagte eine Stimm« dicht neben ihnen. Victor erhob sich hastig, und Beatrix stieß einen leisen Schrei aus. Eine Secunde später stand Sanfoine vor den Beiden. XXVH. Einen Augenblick herrschte ein verlegene- Stillschweigen. Beatrix war in ihre Kissen zurückgesunken und Victors Antlitz von einer tödtlichen Blässe überzogen worden. Sanfoine stand zwischen ihnen, ein traurige- Lächeln um spielte seine Lippen. Victor machte eine hastige Bewegung, al- ob er gehen wolle; doch der Graf legte die Hand auf seinen Arm. „Bitte, gehen Sie nicht fort, Sir Grrville", sagte er höflich. „WaS ich zu sagen habe, betrifft auch Sie — eS betrifft uns Alle sehr nahe." „Sanfoine", rief Beatrix schmerzlich, „Sie haben mit angehört, was ich gesagt babe. Ich wollte Alle- darum geben, wenn die- nicht geschehen wäre. Ich bitte, vergessen Sie, was Sie gehört haben! Ich werde mein Wort, das ich Ihnen gegeben babe, nicht zurücknebmen." „Vergessen kann ich eS nicht, Beatrix, aber ich will Ihnen nicht zürnen. Seien Die unbesorgt! Es ist gut, daß e» so ge kommen ist, für un« Beide besser, liebe Beatrix!" Dann ließ er sich auf den Stuhl an Beatrix' Seite nieder und drückte ihre Hand sanft gegen seine Lippen. „Sie dürfen sich durchaus nicht beunruhigen, Beatrix; ick bin froh, daß ich Ihre Worte gehört habe, ich ahnte es immer, daß ich niemals im Stande sein würde, Ihre Liebe zu gewinnen. Sie sind stet- offen und ehrlich gegen mich gewesen und haben mich niemals getäuscht. Sir sagten mir ganz aufrichtig, daß Sie mich mcht lieben, und ost genug
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite