Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.06.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-06-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960610021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896061002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896061002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-06
- Tag1896-06-10
- Monat1896-06
- Jahr1896
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
4330 Da» anarchistische Etzren«bo»tett«ttentat in Barcelona aiebt Anlaß zu einem Blick aufdie Ges ammtlage Spaniens. Sie ist jedenfalls ernster, als in den officiösen Meldungen zuarstanden wird. Der kubanische Aufstand hat einen er heblichen Theil des Heeres wie der Flotte jenseits des OceanS festgelegt. Daheim entwickeln sich, wie der Streit veS Generals Borrero mit dem Marschall Martinez Campos bekundet, in der Armee Zustände, welche ein recht übles Licht auf den im OfficiercorpS herrschenden Geist werfen. Der Rückschluß auf die Verfassung des gemeinen Mannes erscheint nicht sehr ermuthigend. Man braucht sich sonach nicht zu Wundern, wenn den Schreckensmännern des gewalt samen Umsturzes aller bestehenden staatlichen und gesellschaft lichen Ordnung jetzt der Kamm schwillt und in ihnen das Verlangen entfesselt, dem Zerrüttungsproceß ihrerseits mittels Dynamitpatrone und Sprengbombe nachzuhelfen. Diese Ge sellschaft erbebt überall da das Haupt, wo sie bemerkt oder zu be merken meint, daß der Bertbeidigungszustand des Staates zu wünschen übrig läßt. Frei von allen GewissenSscrupeln, haben sie vor nichts Respect, als vor der überlegenen materiellen Macht. Ein Pactiren ist mit ihnen nicht möglich und die spanische Regierung hat zu scharfem, energischem Eingreifen desto triftigere Veranlassung, als eS gewissermaßen dabei um ihre eigene Existenz geht. Tenn eS lauern schon manche auf die Erbschaft des Herrn CanovaS, dessen Stellung, eingekeilt zwischen der Rebellion auf Cuba und der drohenden socialen Revolution im eigenen Lande, einer schweren Belastungsprobe unterworfen wird. Die aus wärtigen Sorgen haben, wie eS scheint, das Ministerium die Pflicht der Ueberwachung des inneren Friedens zeitweise mehr als statthaft war, aus den Augen setzen lassen. Ein lehrreicher und warnender Fingerzeig für Alle, welche geneigt sind, die sociale Gefahr, wo sie aus taktischen und Opportunitätsrücksichten auf Socken einhergeht, zu unter schätzen und wohl gar von einer „Versöhnung" mit Elementen zu träumen, die recht gern Pardon nehmen, aber noch nie und nirgends Pardon gegeben haben. Ein neuer Bewerber um den Besitz CnbaS hat sich soeben in Gestalt der Republik Mexiko zum Worte gemeldet. Zwar nicht amtlicher Weise, doch ist wohl kaum daran zu zweifeln, daß die officiellen Kreise um den Schritt, den die sogenannte Partida Cuba - Mexicana gethan hat, indem sie einen Aufruf zur Lösung Les cubanischen Problems in die Ocffentlichkeit brachte, wissen. Das treibende Motiv dieser Kundgebung scheint die Besorgniß ror einer gänzlichen der mexikanischen Interessensphäre durch die große Republik des Nordens zu iein, falls über kurz oder lang die spanische Flagge auf der großen Antille dem Sternenbanner weichen müßte. Aber selbst wenn den Spaniern diesmal noch die Niederwerfung deS Aufstandes glücken sollte, würden sie, nach Meinung der kubanisch - mexikanischen Partei gruppe, eine wirthschaftlich total ruinirte und mit einer riesigen Schuldenlast behaftete Colonie auf dem Halse haben. Weder der Anfall an die Vereinigten Staaten, noch aber auch der Ausblick auf eine unlösbare finanzielle Schwierigkeit nach Niederwerfung deS Aufstandes kann, so behaupten die Mexikaner, für Spanien viel Verlockendes haben. Äls bestes, die nationalen Empfindlichkeiten Spaniens schonendes Aus kunftsmittel wird von der Cuba-Mexikana-Partei daher die Veranstaltung eines PlebiscitS empfohlen, natürlich eines PlebiscitS, welches die Angliederung der Insel an die mexikanische Republik aussprechen soll. Das so zu be wirkende Arrangement soll den Spaniern durch weitestgehende Concessionen an die spanischen Handels- und VerkehrSinter- effen in Cuba sowohl, als im ganzen Bereich der mexikanischen Republik mundgerecht gemacht werden. Cuba selbst würde in mehrere Einzelstaaten, entsprechend der jetzigen Provinzen- eintheilung, gegliedert werden. Man hat eS hier, wie gesagt, nur mit einem Fühler zu thun, der in Spanien zweifelsohne ebenso entschiedener Abweisung begegnen dürfte, als die bis herigen unerbetenen Rathschläge der Washingtoner Politiker. Aber daß die Erbschaftsbewerber schon so offen sich hervor wagen können, ist kein gutes Zeichen für den politischen Credit, dessen sich die spanische Position auf Cuba noch rübmen darf. Deutsches Reich. k Berlin, 9. Juni. Wie schon kurz gemeldet worden ist, fand am 7. d. M. im Abgeordnetenbause aus Einladung des Eentral-AusschnsseS für Volks- und Iugendspiele in Deutsch land eine Besprechung mit Vertretern sportlicher Richtungen über die Frage der Nationaltago für deutsche Kampf- sp iel e statt. Bekanntlich hatte der Central-AuSschuß hierüber bereits vorher mit Vertretern der deutschen Turnerschaft Berathungen gepflogen, und eS ist in Aussicht genommen, daß dies Thema aus dem II. deutschen Congreß für Volks- und Iugendspiele in München am 12. Juli d. I. zur öffentlichen Verhandlung gestellt werde. Anwesend waren Vertreter der Ruderer, Schwimmer, Radfahrer, der Fußball- und Lawn- Tennisspieler, deS athletischen Sports und der Fechlkuust. Von jeder dieser Richtungen wurde durch Wahl ein Tele- girter zur Theilnahme an den weiteren Berathungen über den Plan der Nationaltage bestimmt. Die letzteren sollen selbstverständlich nicht einseitig sportliche oder turnerische Unternehmungen, sondern «in allgemeines deutsches Volksfest im rechten Sinne des Worte» bilden. Man stimmte einstimmig und mit Begeisterung dem Plane zu. Die Einzelheiten desselben stehen gegenwärtig natürlich noch nicht in Frage, vielmehr wird dies Sache der späteren Berathungen bleiben. Auch soll der Congreß in München zunächst nur die Gelegenheit geben, die öffentliche Meinung hierüber zu hören. Die endgiltige Entscheidung bleibt den einzelnen corporativen Organisationen für Turnen, Spiel und Sport Vorbehalten. Der Central-AuSschuß gebt hierbei, wie von den Vorsitzenden v. Schenckendorff und vr. Schmidt, sowie von dem Geschäftsführer Raydt ausgefübrt wurde, von der folgenden Grundauffassung aus: „Zur Förderung des Zieles, die Leibesübungen mehr ünd mehr zu einer VolkS- ilte zu machen, ist eS wünschenswert, daß in jedem Orte ich ein Volksfest in jährlicher Wiederkehr einbürgere; dies würde nicht nur zur steten Uebung der Kräfte, sondern auch jur Stärkung vaterländischer Gesinnung beitragen. Der Central - Ausschuß habe daher auch seine Arbeit auf das Ziel gerichtet, eine praktische Anleitung zur Einrich tung und Ausführung solcher Volksfeste zu geben. Er »alte es aber, um recht befruchtend auf diese örtlichen Feste einzuwirken, an der Zeit, auch der Frage näher zu treten, ob nicht in bestimmten Zwischenräumen an einem und demselben Orte zu veranstaltende National tage für deutsche Kampsspiele nach Art der olympischen Spiele im alten Griechenland ins Leben gerufen werden sollten. Der Central-Ausschuß lege einem solchen allgemeinen deutschen Tage nicht geringere nationale Bedeutung bei als den örtlichen Veranstaltungen." Man wird nur wünschen können, daß die hochwichtige, zugleich aber sehr schwierige Frage jetzt weiter gefördert werde. Möglich ist dies, wie der Vorsitzende hervorhob, nur dann, wenn die Vertreter der Turnkunst, des Spiels und des Sports Alles bei Seite lassen, was sie trennt, und lediglich das im Auge behalten, was sie in dem schönen Ziele eint. * Berlin, 9. Juni. Ueber den „Fall Bashford", soweit er das Ressort des Herrn vr. von Stepan angeht, wird dieser Aufschluß geben; aber er ist eS nicht allein, an den Fragen sich richten. Auch an das Präsidiuni des Reichs tags richtet sich eine solche. Der „Tägl. Rundschau" schreibt nämlich ein ehemaliger parlamentarischer Berichterstatter: „Wissen Sie, wer den besten Platz auf der Journalisten tribüne des Reichstages hat? Einen herrlichen Platz ganz vorn in derjenigen Ecke, von der aus man den Sitzungssaal am besten übersieht, die Redner am besten versteht, einen Platz, der mit Fug und Recht die Nummer 1 trägt? Sie werden natürlich meinen, daß dieser ideale Platz etwa einem Veteranen der Berichterstattung oder dem Vertreter einer großen deutschen Zeitung zuzewiesen sei. Weit gefehlt! Und es würde Ihnen auch nichls helfen, selbst einmal auf der Tribüne nach zusehen, wer der glückliche Besitzer ist; denn da trifft man ihn fast nie. Was hätte auch der Inhaber an gewöhn lichen Tagen auf der Tribüne zu thun! Er kommt höchstens zu einem der großen Rednerturniere, um dann allerdings seine Nachbarn durch einen Grad von Naivetät seiner Fragen zu überraschen und zu erheitern, den nur seine Eigenschaft als Ausländer rechtfertigt. „Wer ist der Herr?" fragt er, indem er auf irgend einen Parteiführer zeigt, dessen Kopf allwöchentlich in mindestens einem Witzblatt abge bildet und jedem Zeitungsleser bekannt ist. Auch daneben sitzen Vertreter großer deutscher Blätter zum Theil auf Plätzen, von denen ans man nichts sieht, nur halb hört, und sind wohl gar genöthigt, um unter günstigeren Umständen arbeiten zu können, die Gefälligkeit ausländischer College« in Anspruch zu nehmen! In anderen Parlamenten übt man unseres Wissens solche besondere Rücksichten gegen Fremde nicht; cs ist auch nicht nöthig denn der ausländische Corrcspondenk hat in den meisten Fällen nicht das Bedürfniß, selbst auf die Tribüne zu gehen; wird ihm doch ein für das Ausland völlig ausreichender Bericht unter allen Umständen von irgend einem Bureau geliefert. Und an den „großen Tagen" kann er, da er dock höchstens ein paar Notizen aufzuzeichnen braucht, sehr Wohl irgendwo stehen. Man könnte also den Sitzplatz für ibn sparen; die regel mäßigen Besucher der Journalistentribüne sind ohnehin schon beengt genug. — UebrigenS haben wir unS die Mühe nicht verdrießen lassen, festzustellen, wer der Herr ist, der jenen Ehrenplatz einnimmt. Und da haben wir zu unserer Ueberraschung erfahren, daß es ein zufällig in den letzten Tagen viel genannter Journalist ist: Herr I. L Bashford, der stets schlagfertige Correspondent des „Daily Telegraph". Das macht den Fall noch interessanter. Da jetzt im Reichs tage sein Abenteuer im Haupttelegraphenamt zur Sprache gebracht werden soll, findet sich vielleicht auch Gelegenheit, das Präsidium des Reichstages zu befragen, wie eS kommt, daß im deutschen Reichstag ein Ausländer eine so auffällige Bevorzugung vor den deutschen Journalisten genießt." — Der Kaiser hat der Stadt Tangermünde zur Wiederherstellung des herrlichen NeustLdter Thores ein Ge schenk bis zu 7500 zugewendet. — Auf Grund neuerdings gewachter Wahrnehmungen haben fick die königlichen Regierungen veranlaßt gesehen, in Gemäßheit der bestehenden Gesetze und Verordnungen über Zulassung und Beschäftigung ausländischer Ar beiter die Verfügungen zu erneuern, wonach u. A. aus ländische, d. h. nicht reichsangehörige Arbeiter weder in land-, noch sorstwirthschaftlichen, noch gewerblichen Betrieben be schäftigt werden dürfen, wenn sie nickt einen amtlich be glaubigten Ausweis ihrer Staatszugehörigkeit beibringen, aus welchem Vor- und Zuname, Ort und Zeit der Geburt des Arbeiters und seiner ihn begleitenden Angehörigen er sichtlich ist. — Die Mittheilung der „Freis. Ztg ", der Justizminister Schönstedt habe erklärt, er könne mit Rücksicht auf die jetzt herrschende Strömung Juden nur in der Zahl, welche dem Zahlenverhältniß der jüdischen zur christliche» Bevölkerung entspreche, als Richter anstellen, wird in der Presse mehr fach erörtert. Bei der erneuten Berathung des Assessoren- Paragraphen im Abgeordnetenhause wird sich vielleicht Heraus stellen, ob ihr Wortlaut und ihre Tragweite richtig wieder gegeben worden ist. Sie würde, wenn e» der Fall ist, aus der einen Seite darthun, daß Herr Schönstedt nicht gewillt ist, daS Verlangen nach Ausschließung der Juden vom Richteramte zu erfüllen; andererseits würde sie eine mechanische Regel aufstellen, die schwerlich durchgeführt werden könnte. Vorderhand steht dahin, wie der Minister sich wirklich geäußerr hat. — Die „Post" meldet: Der Verband deutscher Buch drucker Hal eine außerordentliche Generalversammlung zum 7. k. M. einberufen, die über Annahme oder Verwerfung Les neuen Tarifs zu entscheiden haben wird. In Berliner Buchdruckerkreisen wird angenommen, daß bei der Urab stimmung sich doch eine bedeutende Majorität für die Tarif gemeinschaft erklären wird. Begründet wird diese Ansicht Damit, daß von viertausend Mitgliedern nur ca. ein Drittel in der Versammlung anwesend war, welche dem Redacteur Gasch von dem Gehilfenblatt „Correspondent" am Freitag ein Vertrauensvotum ertheille. Morgen tritt in Berlin der Deutsche Buchdrucker-(Principal)-Verein zu einer Generalversammlung zwecks Berathung, bezw. Beschlußfassung über den neuen Tarif zusammen. Auch in den Kreisen der Principale sind die Ansichten über die Durchführbarkeit der Abmachungen der Tarifcommission getheilt. — Prinz Heinrich trifft auf seiner Rückreise von Moskau morgen früh 8 Uhr zum Frühstück auf dem Bahnhof in LandSberg a. W. ein. Es werden dort zu seinem Empfange große Vorbereitungen getroffen. — Am 14. d. trifit der chinesische Bicekönig LiHungTschang aus Moskau hier ein. Sein Aufenthalt ist den „Berl. N. Nachr." zufolge auf ca. 3 Wochen berechnet. Am 16., Vormittags, besucht er den Fürsten Bismarck in Friedrichsruh; am Nachmittag bezieht er sich nach Hamburg, wo der Senat ihm am 17. und 18. ds. rin Fest giebt. — Der preußische Gesandte in Dresden, Graf Dönhoff, ist von dort hier eingetroffen. — Der preußische Gesandte in Homburg, Graf von Wallwitz, ist vom Urlaub auf seinen Posten zurückgekehrt und hat die Geschäfte der Gesandtschaft wieder übernommen. — Ter neue französische Botschafter Marquis de NoailleS wird morgen hier rintreffen. * Potsdam, 9. Juni. Der Kaiser empfing, wie schon kurz gemeldet, heute Vormittag bei Besichtigung des I. und III. Garde-Ulanen-NegimentS auf dem Bornstedter Felde eine von dem Kaiser von Rußland abgesandte Deputation LeS Petersburger Grenadier - Regiments König Friedrich Wilhelm III., welche die Glückwünsche zur 25jährigen Wieder kehr deS TageS aussprach, an welchem dem Kaiser als Prinzen Wilhelm die Uniform dieses Regiments verliehen ward. Der Kaiser knüpfte bei der heutigen Abendtafel an diese Beglück wünschung an und brachte auf daS Wohl deS Kaisers von Rußland folgenden Toast aus: Mein verehrter Herr General! Es sind jetzt 2b Jahre, als an einem schönen warmen Junitage Se. Majestät der Aller- höchstselige Kaiser Alexander II. auf seiner Durchreise durch Berlin Meinen Herrn Vater, Meinen Bruder und Mich bei sich empfing. Das deutsche Reich war eben entstanden und die schweren Verluste, die der Tod in die Reihen so vieler bekannter Officiere der Garde gerissen hatte, hatten auch daS Herz Sr. Majestät des Kaisers Alexander II. ausS Tiefste erschüttert. In gnädigen Worten Meinen Herrn Vater anredend, verlieh er Mir die Uniform dieses Regiments mit folgenden Worten: „6omme sixne cke won allection pour mon ovcle vuillaume, pour Toi ei Da tamille ei eowwe preuve cke mon attackemenl et won amour innltsrabls pour Votre armse et pour la Oarcke". Diese Worte sind mir un auslöschlich in Meinem Herzen geblieben und Ich blicke mit Stolz und Dankbarkeit auf jene Zeit zurück. Se. Majestät der jetzt re gierende Kaiser haben die Gnade gehabt, bei seiner Thron- besteigung dieses Regiment nunmehr unter die Zahl der Leib- garderegimenter aufzunehmen und Mir am heutigen Tage ein außerordentlich gnädiges und freundliche» Telegramm zu schicken deS Inhalts, daß er seine Glückwünsche denen er Deputation des Regiments hinzufüge und daß er zu gleicher Mt besohl« habe, «An« ««ist« Sohn » I» «1t. te» WffMil» zu stellen. Indem Ich für diesr neue Auszeichnung danke »ad Ihnen Meine Freude anSsprrche, Die hier im Auftrage d«S Aar« bei Mir zu sehen, erhebe ich Mein GlaS auf daS Wohl Sr. Majestät deS Zaren und Meine» schönen Grrnadier-Regimrnt«. Sr. Majestät and da» Regiment: Hurrah! Hurrahl Hurrahl Die Tafel war in der JaSpiS-Galerie servirt und zählte 52 Gedecke. Die Majestäten saßen einander gegenüber, zur Rechten der Kaiserin der Kronprinz von Italien, zur Linken der Kronprinz von Dänemark; zur Rechten de» Kronprinzen von Italien hatte die Prinzessin Friedrich Leo pold von Preußen den Platz, neben ihr der PrinzMehemed Ali von Egypten. Der Kaiser hatte zur Rechten den italienischen Botschafter Grafen Lanza, zur Linken den türkischen Botschafter Ghalib Bey. Dem Grafen Lanza zur Rechten folgte der Reichskanzler, diesem der dänische Gesandte v. Bind, der Staatöminister Frhr. Marschall v. Bieberstein u. A. Neben dem türkischen Botschafter link» saß der russische Ge schäftsträger Baron v. Budberg, dann folgten der Chef des MilitaircabinetS General v. Hahnke, der russische General v. Foulon, Excrllenz vr. v. LucanuS u. s. w. Geladen waren außerdem die nächsten Umgebungen der Majestäten, die Ge folge der fremden Gäste, der zweite Officier der russischen Abordnung deS Petersburger Leid-Garde-RegimentS, Capitain Peteroff, sämmtliche dienstthuende Flllgeladjutanten, der Kammerherr Mumm von Schwarzenstein und Hauptmann v. Loeper I vom Alexander-Regiment. Die Tafelmusik stellt« daS MustkcorpS deS I. Garderegiments z. F. * Hamburg, 9. Juni. Am Schluffe der heutigen Ver sammlung der „luLtitutiou ot I^aval Xrcditeets^ begann die Rundfahrt der Theilnehmer durch daS Freihafen gebiet; daran schloß sich ein Frühstück im Fährhaus und lodann eine Fahrt durch die Stadt und um das Alsterbecken. Nach 6 Uhr Abends erfolgte aus dem Ballin'schen Dampfer „Prinzessin Heinrich" die Abfahrt der Gäste nach Blankenese, woselbst das Festmahl stattfand. Die Rückkehr von dort findet heute Abend 10 Uhr statt. Ueberall am Elbufer wurde Feuerwerk abgebrannt; die Elbe war mit Passagier booten bedeckt, die da» herrliche Schauspiel betrachteten. Morgen früh um 9 Uhr 45 Min. erfolgt die Abfahrt mittels Sonterzugrö nach Berlin, wo die fremden Gäste um 2 Uhr eintreffen werden. * Stettin, 7. Juni. Ueber die Unredlichkeiten de» Pastor» Rauh in Kladow kommen immer ärgere Thatsachen an daS Tageslicht. Wie die „Stett. Abend-Ztg." mittheilt, drohte er einem Kirchenällesten, dem die Sache mit der Kirchencaffe doch wohl nicht recht geheuer vorgekommen sein mochte, mit einer Klage beim Staatsanwalt. Die Unterschriften der Kirchenältesten, die zur Versilberung der Werthpapiere nöthig waren, sind flott gefälscht worden. Einige kostbare Alterthümer, ein Crncisix und ein AbendmahlSbrcher sollen gleichfalls in gangbare Münze durch Verkauf um gewandelt worden sein. Auch einige kleinere Cafsen, die der Pfarrer verwaltete, sind leer. Die Unterschlagungen des Pastor» sind nur dadurch an da» Tageslicht gekommen, daß der ihn» befreundete Chef eines Bankhauses, von dem der Pastor bei drohenden Cassenrevisionen derartige Summen stets für einige Tage entliehen hatte, kurz vor der letzten Cassenrevision starb. * Mainz, 8. Juni. Hier sind die Maurer in eine Lohnbewegung eingetreten. Sie begehren einen Stunden lohn von 40 für Maurer und 30 für Handlanger, zehn stündige Arbeitszeit und Unterlassung aller Ueberstunden, Noth- fälle ausgenommen. * AnSbach, 9. Juni. Es sind nunmehr alle OrtSresultate aus dem Wahlkreis Ansbach - Schwabach eingelaufen. vr. Conrad (V.-P.) erhielt danach 7722 Stimmen, Huf nagel (cons.) 7068. * An» -er Pfalz, 8. Juni. Nach der „AugSb. Abdztg." beabsichtigt der Abg. vr. Bürklin, sein ReichStagS-Mandat auS Gesundheitsrücksichten niederzulegea. * Ba-en-Va-en, 9. Juni. Der Grobherzog von Baden wird sich am Donnerstag früh nach Stuttgart zum Betuche der dortigen Ausstellung der deutschen LandwirthschaslS - Gesellschaft begeben. * Augsburg, S. Juni. Ueber die Aeußerungen de» Pri nze n Ludwig in Moskau ist die dem bayerischen Ministerium nahestehende „Augsb. Abendzeitung" im höchsten Grade ent zückt. Sie schreibt: Nicht nur in Bayern, sondern allent halben, wo man die verfassungsmäßigen bundesstaatlichen Grundlagen des Reiche» zu schützen und aufrecht zu erhalten gewillt ist, wird die energische, den Standpunkt de» Parti- cularstaateS wahrende und doch zugleich von warmem deutsch patriotischen Gefühl durchwehte Kundgebung deS Prinzen freudige Zustimmung finden. Dem Moskauer Präsi denten aber, der durch seine Tölpelhaftigkeit den Kaiser in nicht geringe Berlegenhenheit (?) gebracht haben mag, ist diese Lection über deutsche» VerfaflungSrecht wohl zu gönnen. hierher und nun muß ich den Herrn abrusen! Aber — Herr Doctor, eine Mutter, die sich ängstigt! Na, vielleicht ist es gar nicht so schlimm." Go sprechend, eilt sie neben ihm her und er fühlt, wie ihm da- heiße Getränk, welche» er genossen, in den Schläfen hämmert. Doch die eisige Winterluft kühlt allmählich da» erregte Blut. „Wann trat da» Fieber wieder ein, Frau?" „Na so um vier Uhr heut Nachmittag, ach, Sie glauben gar nicht." „Schon gut." Er folgt der Frau in ein Haus, an einer engen Straße gelegen. Eine erstickend heiße Luft schlägt ihm au» dem Kranken zimmer entgegen. Am Kopfende de» kleinen Kinderbette» kauert di» Schuhmachersfrau, deren Schnarchen sich mit dem Stöhnen aus einer kleinen Kinderkehle mischt. Zuerst er griff den jungen Arzt ein Schwindel in dieser überheizten, Dumpfigen Atmosphäre. „Fenster auf! Frau Christensen; ich habe schon gestern gesagt, Laß Sie für gute Lust sorgen müßten. Nicht hier, dort cm Nebenzimmer", rief er dir Fran an, welche geschäftig zum Fenster eilte. „Dort schlaft der Aelteste." „Einerlei, — legen Sie ihm noch eine Decke auf." Während die Mutter in da» andere Zimmer ging, nahm er die von der verschlafenen Schuhmachersfrau angezündete Lampe und hielt dieselbe über da» Bettchen. Firberglänzend starrten ihn zwei blaue, verwirrte Augen an. Er untersuchte den Pul», er hieß da» Kind den Mund öffnen und untersuchte dessen Schlund. „Eine heftige Mandelentzündung, weiter nichts. Haben Sie Papier? Ich will ein Recept schreiben. Von der Medicin geben Sie dem Kinde jede Stunde einen Eß löffel voll? Dann ließ er sich nieder an dem Tische und stützte einen Augenblick den Kopf in die Hand. E» war ihm etwa» be klommen zu Muthe, doch die durch die Thür herrinströmende Luft that ihm wohl. Ach wa», er war ja absolut nüchtern. Rasch setzte er da» Recept auf. Begütigend legte er seine Hand noch einmal dem Kinde auf dir feuchten Löckchen. ^Jch komme morgen wieder." Darm ging er Len kurzen Weg zurück, froh, wieder zu -«Fremden zu kommen. Mit rtw«S wüstem Kopfe erwacht» <r am andern Morgen. Nur unklar vermochte er die Begebenheiten der Nacht wieder aneinander zu reihen. In seinem Gedächtniß wachte das Bild jenes ärmlichen Stübchens wieder auf. Ein Unbehagen, ein frostiger Schauer ging ihm durch den Körper. Rasch, von innerer Unruhe getrieben, kleidete er sich an, um nach kurzer Zeit an jene Wohnung zu klopfen. Mit roth geweinten Augen öffnete ihm Frau Christensen. „Und dann — und dann —!" Harald Raßmuß schweigt eine Weile und fährt mit der Rechten über die Stirn. „Das Kind war todt. Nur mit Mübe gelang es dem jungen Arzt, den schon in Todesstarre geschlossenen Mund zu öffnen. Wie vom Schlag getroffen taumelt er zurück. Diphtherie!" „Das Recept, Frau Christensen". Richtig, das war ihm noch klar gewesen. Ein harmloses Mittel zur Linderung deS Fiebers. Still schlich er sich au» der Wohnung hinweg. Sich selbst anzeigen wegen fahrlässiger Tödtung — da war sein erster Gedanke. Aber die Eltern! Ein Grauen schüttelte ihn. Nein, nein, da» nicht. Sühnen, sühnen! Und er that eS. Wa« er besaß, gab er jener Wittwe und verschwand aus Berlin. Dort drüben in der neuen Welt hat er gearbeitet, wie nur ein obdachloser Bettler arbeiten kann, aber das Interesse für seinen Beruf, die Genugthuung, seine Kräfte den Leidenden zu widmen, zog ihn heraus au» dem Elend. Mit einem kranken Amerikaner kam er wieder nach Deutschland zurück. Der Mann erlag seinen Leiden, und sein Begleiter blieb in Deutschland, ungesehen, unerkannt im Menschenknäuel Berlins verschwindend. Seine Eltern waren gestorben. Die Mutter jenes KindeS nahm er zu sich mitsammt ihrem Söhnchen. Sie täglich zu sehen, täglich die Erinnerung an seinen Leichtsinn vor Augen zu haben, die Thränen zu beob achten, welche der Frau Christen in die Augen traten bei Erwähnung deS verlorenen Kinde», daS sollte seine Sühne sein. Still ist eS im Zimmer. Nachdenklich schaut der Doctor in den auS seinem Glase aufsteigenLen Wasserdamvf. „Und dieser Mann hieß Harald RaßmuS", sagt Kurt Hansen langsam und hält dem Freunde die Hand hin, „und wenn jenem Manne ein anderer ehrlicher Mann sagt: Du thatrst Recht, Du thatest mehr al» daS, vielleicht zu viel, wird ihm dann der Doctor RaßmuS glauben?" Dieser schüttelt den Kopf. „Nein, da» ist nicht wahr. Wer in einer menschlichen Genossenschaft lebt, hat nicht ein Recht, sich deren Satzungen zu entziehen. Hat er die Gesetze verletzt, so ist er der übrigen Menschheit die Genugthuung schuldig, welche daS Gesetz verlangt." „So, und ein ganzes sühnendes Leben, zehn Jahre Sühne, sind diese nicht im Stande, Alles zu sühnen, rein zu waschen, viel mehr als eine Genugthuung, welche man der öffentlichen Moral gewährt?" sagt Kurt und springt erregt auf. „Sophisterei!" antwortet der Andere, eine Lüge, welche man sich selbst vorlllgt. Erst der öffentlichen Moral Genug- thuuna und dann Sübne, daS ist das Nichtige. „Weshalb thatest Du e» nicht, wenn Du so dachtest?" „Weil ich feige war zuerst und dann daS Gefühl der Pflicht, jene Frau mit ihrem Knaben zu schützen, sie zu er halten, sie vor Sorgen zu bewahren, nachdem ich ihr mehr genommen, als Menschen ersetzen können." „Glaubst Du wirklich, daß die Frau den Verlust des KindeS nicht vergessen kann?" „DaS geht mich nichts an", sagte Harald raub. „Ahnt sie den Zusammenhang?" „Ich weiß nicht — erwähnt wurde eS nie. Sie selbst spricht nicht darüber. Wohl möglich, daß sie e» ahnt. Doch genug, «S ist zwei Uhr Morgens, ich glaube, wir könnten unS zur Ruhe begeben. Lebe wohl, Kurt Hansen, Dir wünsche ich Glück zum neuen Jahre!" Der junge Freund preßt des Doctor» Hand und geht schweigend hinaus und hinauf in das obere Stockwerk zu seiner Wohnung. Er konnte nicht einschlafen. War e» die Folge des genossenen Getränke» oder die Erzählung de» Freundes? Wabrscheinlich Beide». Unablässig kehrten seine Gedanken zu dem Schicksal seine» Freunde» zurück. E» war ein Jammer um diesen Mann. Für eine leichtsinnige Handlung da» ganze Leben nur al» eine fortgesetzte Sühne hinzuschleppen, nur im Stillen, selbstlo» und ohne äußere Erfolge dafür einzutauschen, seine bedeutenden Kenntnisse, seine hervorragenden Charaktereigenschaften nur diesem SühnungSwerke zu widmen! Wo steckt denn nun endlich der Widerspruch? Ihm al» strebsamem Juristen kehrt dieser Gedanke stet» zurück. DaS Gesetz, besonder» dessen Exekution erscheint ihm plötzlich so unlogisch, so ungereimt. Strafen! Strafen! — Liegt denn in der Strafe, in der Freiheit-enlziehung, in der erzwungenen Arbeit eine Sühne? Da» ist doch — dieser Harald, nun ja, der sühnt durch Thatrn, aber eia Anderer, der wirklich leichtsinnig, hätte vielleicht ungestraft weiter gesündigt, wäre eine öffentliche Gefahr geworden. Also doch, einstecken hinter Schloß und Riegel. So, da war er wieder am AuSgangSpunct. Der Mensch, dieser RaßmuS hatte sich gleichsam selbst zur Stagnation vrrurtheilt. DaS war doch Unsinn. Nun ja, er wirkte Gute», er weihte seine Kräfte der leidenden Menschheit. Doch nur in begrenzten Schranken. Weshalb verkroch er sich denn? Solch ein Mann muß dock geistig verarmen, wenn er nur an diese» Eine dachte, nicht theilnabm am öffentlichen Leben, den Einfluß seiner Per sönlichkeit und seine» Wissens nicht lebendig werden ließ. Ein unsägliches Mitleid mit jenem freudlosen Dasein er griff den jungen enthusiastischen Freund. Gerade zu jenen, Gedanken kehrte sein nächtliche» Grübeln stet» wieder zurück. Ihm selbst, jung, lebensfroh, empfänglich für Glück und Schönheit und vom rastlosen Ehrgeiz beseelt, die Stufenleiter seine» Beruf» in großen Sprüngen zu erklimmen, in seinem feurigen Temperament, seiner ganzen Lebensauffassung, er schien da» Leben seine- Freundes todt, so ungerecht und unbefriedigend. Seine Aufgabe mußte e» sein, den Freund von diesem selbstquälerischen Dasein, von dieser inneren Weltabgeschieden- heit zu heilen. Schritt für Schritt arbeitete Kurt auf diese» Ziel lo». Nach einiger Zeit gelang e» ihm sogar, den Doctor zu ver anlassen, mit ihm zu einer Bereinigung von Herren zu gehen, welche allwöchentlich bei einem Glase Bier sich zu treffen pflegten. Wie freudig war der Assessor überrascht, daß RaßmuS wirklich, nachdem er eine Weile seine langgewohnte Ver schlossenheit gewahrt hatte, Theilnahme zu zeigen begann an den Gesprächen über politische und andere TageSsragen. Kurt war sehr erstaunt, al» er einigen jüngeren Arrztrn den Freund vorstellte, daß diese respektvoll wie vor einem alten Herrn sich von ihren Sitzen erhoben in einer Art und Weise, al» unterdrückten sie nur mühsam einen Laut der Achtung und der Freude. DaS also war der bekannte Raßmu», dessen wissen schaftliche Aussatze in medicinischen Blättern ihnen zum Studium empfohlen wurden. Aus dem Heimwege meinte dann auch Harald, e» thäte doch wohl, sich einmal über Sachen und Fragen auSzusprrchrn, welch« nicht zum Berufe gehörten. Jetzt fühle er erst, wie einseitig er geworden. (Fortsetzung folgt.)
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder