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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.06.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-06-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960612013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896061201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896061201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Bindung fehlerhaft: Seiten in falscher Reihenfolge
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-06
- Tag1896-06-12
- Monat1896-06
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Größer, Schriften laut nuferem Preis- perzetchniß. Tabellarischer u»h Zissernso» nach höherem Tarif. Extra-yetlanen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Poslbeförderung vü.—, mit Posibrförderung ^4 70-—. Annahmkschluß für ^«zeigen: Abend-AuSgabe; Vormittag! 10 Uhr. Margen-Au-gabe: Nachmittag- 4 Uhr, Vet den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde frühe». Anzeigen sind stet- an dir Erprdtttsn zu richten. Druck und Verlag von S. Pol, in Leivzig 294. Freitag den 12. Juni 1896. 9V. Jahrgang. Wie man früher in Berlin englischer Anmaßung begegnete. Or. U. Der scandalose Vorfall, den jüngst im Haupt» Telegraphenamt zu Berlin der Berliner Correspondent des Londoner „Daily Telegraph", Mr. Basbford, hervor gerufen bat, erinnert an ein ähnliches Ereigniß aus dem Jahre 1860, bei welchem englische Anmaßung und Un geschliffenheit empfindlicher getroffen wurden, als es leider diesmal der Fall ist. Der Capitain Macdonald hatte sich auf der Eisenbahn in Bonn ungebührlich benommen, einer Dame den Einlaß in ein Coupö verweigert und den inter- venirenden Beamten thätlich insultirt. Dafür war er ohne viel Umstände festgenommen und vor Gericht gestellt worden. Der Staatsprocurator bezeichnete in der Begründung der Anklage das Verhalten der englischen Reisenden im All gemeinen als anmaßend, unverschämt und lümmelhaft. Macdonald wurde zu zwanzig Tbalcr Strafe und in die Kosten verurtheilt. Darüber war man in England im höchsten Grade entrüstet und es fehlte nicht viel, daß dieser Handel zu einem cusus belli sich ausgewachsen hätte. Lord Robert Cecil, später Marquis of Salisbury und StaatSsecretair des Acußern, brachte die Sache im Parlament zur Sprache und der Ministerpräsident Lord Palmerston antwortete darauf, indem er sich in ziemlich verächtlichem Tone über Preußen äußerte; Preußen hätte alle Ursache, sich zu hüten, England herauszufordern; das Ver halten Preußens sei in dieser Angelegenheit „ein Fehler und ein Verbrechen" zugleich gewesen. Im preußischen Abgeord netenhaus«! nahm am 6. Mai 1861 Herr von Vincke die Angelegenheit auf, indem er Lord Palmerston's Aeußerung, daß Preußen Englands hcdürfe, gebührend zurückwies; für England sei die Notbwendigkeit größer, sich mit Preußen zu alliiren, da die anderen Mächte cS isolirt hätten. Der Minister Freiherr von Schleinitz hatte in einer Depesche an den preußischen Gesandten in London gegen die Auslassungen veS englischen Premiers sehr entschieden Verwahrung eingelegt und erklärte auf die Interpellation Vincke's: „Die Aeußerunaen Lord Palmerston's haben einen peinlichen Eindruck aus uns ge macht; sie sind im hohen Grade bedauerlich. Lord Palmerston scheint das hohe und gerechte Selbstbewußtsein, mit welchem er die Geschicke einer großen Nation leitet, bei einer benachbarten, völlig ebenbürtigen Nation nicht anerkennen zu wollen. Bei allem Werth, der aus ein gutes Einvernehmen mit England zu legen ist, freuen wir uns doch, daß Preußen es nicht nöthig bat, für die Freundschaft irgend einer Macht das Opfer seiner Unabhängigkeit zu bringen." Der Minister schloß mit dem Wunsche, „daß ein an sich unerheblicher Vor gang nicht dazu dienen möge, eine Mißstimmung in dem guten Vernehmen der beiden Nationen und Negierungen her- beizuführen, und daß dasselbe erhalten bleibe im eigenen Interesse beider Nationen und zum Heile der Welt." Aus die Schleinitz'sche Depesche wurde von Palmerston erwidert, daß er nichts gesagt, „was er zurückzunehmen oder Wegzuerklären habe"; er habe nichts geäußert, „was die preußische Nation gerechter Weise hätte beleidigen können". Die gegenseitige Mißstimmung dauerte aber noch lange in England und Preußen fort. Die beiderseitigen Regierungen mußten jedoch den Zwischenfall bald vergessen, da ihnen im Hinblick auf Napoleon's ränkevolle Politik in Italien, von welchem der französische Kaiser für die Anerkennung des neuen Königreichs auch noch Sardinien verlangte, ein eng lisch-preußische« Einvernehmen, eine Frage von höchster Wichtigkeit erschien. Die socialdemokratische Maifeier in Saatfeld. 8. Die herzoglich meiningische Regierung hatte bekannt lich die Bitte des städtischen Vereins in Saatfeld, die Ab haltung der socialdemokratischen Maifeier durch öffentlichen Umzug zu verbieten, durch ein Rescript abgelehnt, welches außerhalb socialdemokratischer, demokratischer und freisinniger Kreise verdienten scharfen Widerspruch erfahren hat. Die meiningische Regierung hat darauf unterm 6. d. M. im nichtamtlichen Tdeile deS Regierungsblattes eine Erwiderung veröffentlicht, die die Schwäche ihrer ganzen, von vorn herein unhaltbaren Position in der Angelegenheit nicht nur nicht verdeckt, sondern erst recht entschleiert. Der Regierungs artikel meint, daß anläßlich der diesjährigen sogenannten Maifeier im Hcrzogthume weder Blut geflossen sei, noch Straßenunruheu oder gesetzwidrige Kundgebungen stattgefunden hätten, ja, daß nicht einmal rotbe Fahnen, die als Zeichen des gewaltsamen, blutigen Umsturzes angesehen werden, ver wendet worden wären. Allenthalben hab« sich die Feier, ent gegen dem ursprünglichen, ernste Gefahren mit sich bringenden Gedanken der internationalen Partei, in arbeitsfreien Stunden ohne bemerkenSwerthe Störung vollzogen. Tas sind merkwürdige Argumente, die den Kernpunct der Sache nicht decken. Die Socialdemokratie ist zu klug — und sie hat das mehr als einmal ausgesprochen —, um auf der Straße zu provociren, und du Regierungsgewalt im Reiche ist gottlob noch stark genug, um jedem derartigen Unter fangen energisch entgrgentreten zu sonnen. Daß die dem Gedanken de« socialdemokratiscken Weltfeiertags innewohnende Gefahr nach meiningischer Auffassung nur eine ursprüng liche, jetzt nicht mehr vorhandene sei, muß im Hinblick auf die gerade mit dieser „Weltseier" sich verknüpfenden Wünsche und Hoffnungen einer internationalen, dem deutschen Reiche in Todfeindschaft gegenüberstchendeq Pqrtci ebenso energisch verneint werden, wie die Annahme des Regierungsartikels, daß eine socialrevolutionäre Propaganda bes der Feier nicht zu Tage getreten wäre. Die ganze Feier des 1. Mai ist nichts weiter, als eine äußerlich vielleicht harmlos schei nende, aber gerade darum nur um so gefährlichere social, revolutionäre Propaganda im Interesse socialdemokratischer Machtbestrebungen. Wenn die meiningische Nezierpng sich bei der Be- scheidung der Saqlfelper Petition zu «wer derartigen, die ganze Gefahr und da- innerste Wesen der Socialremokratie erkennenden Auffassung nicht zu erbeben vermochte, so Härten doch andere und recht nahe liegende Gründe sie zu einer anderen Stellungnahme veranlassen sollen. Die Fabrikstadt Saalseld halte ein Jahr lang die die Interessen der Stadt empfindlich störende Unfruchtbarkeit eines seiner Mehrheit nach socialdemvkratischcn Gemeinderathes zu ertragen. Dem ernsten Willen und dem einmüthigen Eintreten der Saalfelder Bürgerschaft, soweit sie treu zu Kaiser und Reich stebt, ge lang es vor wenigen Monaten, diese socialdemokratischc Mehrheit in ihrem städtischen Verwaltungskörper zu brechen. DaS war eine kraftvolle Bethätigung des freien Bürgerthums ohne Unterschied ter Parteistellnng, die jedwede Anerkennung und Förderung verdiente. Ob diese Förderung von der meiningischen Negierung dadurch betbätigt ist, daß sie sich auf die Seile eines von der internationalen revolutionairen Socialdemokratie dictirten Wellfeiertages des vom heutigen Staate angeblich ansgebeuteten, unterdrückten und mißhandelten Proletariats stellt, muß ebenso bezweifelt werden, wie es feststebt, daß dadurch der Socialdemokratie nicht nur in Saalfeld und Meiningen überhaupt, sondern über seine Grenzen hinaus eine Stärkung ihres anmaßenden Selbstbewußtseins zu Theil geworden ist, die nicht tief genug bedauert werden kann. Die meiningische Negierung findet cs in ihrem Ent- schuldigungsartitel begreiflich, daß diese Feiern bei dem patriotisch gesinnten, zum Glück in der großen Mehr heit befindlichen Tbeil der Bevölkerung Mißmutb er regen. Um so unbegreiflicher erscheint eS, daß die meiningische Negierung auf die Empfindungen dieses patriotischen Theiles der Bevölkerung Rücksichten zu nehmen nicht für nöthig erachtete, obwohl sic auf diesen Theil der Bevölkerung, auf das Bürgerlhum in Stadt und Land, angewiesen ist und mit ihm steht und fällt. Der meiningischen Negierung empfehlen wir aber zum eifrigen Studium das führende Organ der Socialdemokratie, den „Vorwärts", und die geistesverwandte freisinnige Presse. Wir sind sicher, daß ihr in dieser ihrer Gefolgschaft einigermaßen unbehaglich zu Muthe wird. Deutsches Reich. L2. Berlin, 11. Juni. An der tragikomischen Situation, in welche die conservati-ve Par tei durch den Verlauf der Angelegenheit des Bürgerlichen Gesetzbuches sich versetzt sieht, ist nicht zum Wenigsten der Umstand erheiternd, daß sie sich in der Gefolgschaft derselben Antisemiten befindet, von denen sie kürzlich aus Halle-Herford und soeben aus Ruppin - Templin hinausmanövrirt worden ist. Im erstgenannten Wahlkreise war es Herr Iskrant, der jetzt die verbündeten Armeen führt, sogar persönlich, der die konservative Niederlage herbeifübrte. Nicht ernsthafter wird das Bild dadurch, daß der antisemitischen ReichStags- fraction noch eine vcrhältnißmäßig stattliche Anzahl Mitglieder angeboren, die keineswegs sehr religiös gerichtet sind und nun dennoch für die facultative und gegen die obligatorische Civilebe kämpfen. Vom antisemitischen Standpunct ist das ganz widersinnig. Es wäre noch zu begreifen, wenn die Herren auS Abneigung gegen gewisse Mischehen gegen fbde staatliche Eheschließung wären, aber mit der fakultativen Civilebe werden irgendwelche Mischehen nickt ver hindert. Nichtsdestoweniger ist der Eifer der Antisemiten, das Gesetzbuch zum Scheitern zu bringen, ein sehr großer. Sie macken allerdings immer weniger ein Hehl daraus, daß es ihnen nicht um die Abschaffung der Civilebe, sondern um die „Verrunginirnng" des ganzen Werkes zu tbun ist. Die Ankündigung des Herrn Iskraut, diesen Zweck durch Ermüdung des Hauses mittels Aus zählung erreichen zu wollen, ist in ihrer Art etwas in der Geschichte des Reichstags Unerhörtes. Aber auch die Ab fertigung, die dem Manne durch ein CentrumSmitglied zu Theil geworden ist, sucht in Bezug auf die Ungenirtbeit der Cbarakterisirung einer parlamentarischen Fraktion Ihresgleichen. Wir vermuthen, die Antisemiten werden sich die Sache noch ein mal überlegen. Im andern Falle könnte befunden werden, daß eine kleine Gruppe, die der parlamentarischen Sitte im Plenum und in den Commissionen Hohn spricht, den Anspruch auf Sitz in den Letzteren verwirkt bat. Wir gönnen den Conservativen ibre wohlverdiente Blamage von ganzem Herzen, aber daß sie nun mit und hinter diesen Herren ;u marschiren haben, ist beinahe zu grausam. Sie >aben denn auch am Dienstag jn der Commission vcr- ucht, aus der Sackgasse herauszukommen und andern An- chluß zu finden. ES war aber zu spät, Zudem war ihre rhetorische Vertretung theilwcis, so unterwerthig, daß sie selbst dem Gegner erbarmungswürdig schien. Berlin, 11. Juni. Zur Begründung der Anträge zum Vereinsrecht deS Bürgerlichen Gesetzbuches, wie sie im Wesentlichen jetzt per Genehmigung des Reichstags und der Regierung cntgegenseben, ist dem soeben erschienenen Bericht zufolge in erster Commissionsbcratbung zunächst auf den gewaltigen Fortschritt hingewiesen worden, welchen das Vereinsrecht deS Entwurf« gegenüber fast allen in Deutsch land geltenden Reckten bedeute: überall im deutschen Reiche mit Ausnahme von Bayern und Sachsen gelte zur Zeit, wenn auch theoretisch mehrfach angefochten, praktisch lediglich dqs ConcesfipnSfystem. Nur unter großen Schwierigkeiten, langsam und spärlich, werd, thatsächlich den Vereinen juristische Persönlichkeit ver liehen. Nach dem Entwurf, dagegen erhalten alle Verein«, welche nicht politische, socialpolitische, religiöse, Erziebungs- und UnterricktSrwecke verfolg«», ohne jede behördliche Zu stimmung oder Genehmigung Kraft ihres Anträge« die Rechts» fähigkeit durch Eintragung in da« Vereinörcgister. Der un geheueren Mehrbeit aller Vereine sei damit ein sicherer Weg rux Erlangung der juristischen Persönlichkeit geboten; aber auch für die politischen rc. Vereine bedeute bereits der Entwurf einen wesentlichen Fortschritt. Auch für siewerde nicht mehr ein« eigent lich« Concessionirung erfordert, sondern es genüg« die Nickt- auSüdung de« Einspruchrechtes von Seiten der Verwaltungs behörden. Alle Verzögerungen und Verschleppungen, alle Vorverhandlungen über den Nachweis eines ausreichenden Vermögens und andere von den Behörden aufgestellten Er fordernisse seien damit mit einem Schlage weggesallen. Auch hier also werde sich für die Bildung rechtsfähiger Vereine ein erheblicher Vortheil ergeben. Nickt verkannt solle werden, daß es an sich folgerichtig sei, privatrechtlich die politischen rc. Vereine den übrigen Vereinen mit idealen Tendenzen gleickzustellen und die verschiedene Behandlung dieser Categorien lediglich dem öffentlichen Vereinörecht zu überweisen. Allein eine solche Gleichstellung setze ein ausgebildetes und dem Bedürfniß genügendes öffentliches Vereinsrecht voraus, dieses aber mangele in vielen, ja in den meisten Bundesstaaten, und die Aussicht, bis zur Emanirung des Bürgerlichen Gesetzbuches ein gemeinsames Rcichsvereiiis- recht zu erhalten, müffe gegenwärtig als eine höchst geringe bezeichnet werden. Wolle man sich daher bei der Beschluß fassung über das Bürgerliche Gesetzbuch ohne Berücksichtigung der vorhandenen Mängel des öffentlichen Vereinsrechts ledig lich auf den Standpunct stellen, daß allen durch das öffent liche Vereinsrecht nicht verbotenen Vereinen Rechtsfähigkeit gewährt werden müsse, so werde das Zustandekommen des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf das Höchste gefährdet, min destens aber die Befürchtung hervorgerufen, daß das Vereins recht wieder, wie ursprünglich beabsichtigt, aus dem Bürger lichen Gesetzbuch ausscheide; damit aber würden die wesent lichen Fortschritte versäumt, welche bereits das Vereinsrecht des Entwurfs enthalte. Die vereinbarten Aenderungen ent halten bekanntlich noch Verbesserungen des Entwurfs. * Berlin, 11. Juni. Der aus seinem Streitfall mit dem Lehrer Wenzel bekannte Propst Szadrzinskj aus Witaszyce versucht sein Verhalten im „Kuryer" wie folgt zu rechtfertigen: 1) Nicht Len Kindern, sondern dem Lehr«r habt ich qesaqt, daß das Gebet etwas derart Erhabenes sei, daß seine Herab würdigung zu einem untergeordneten, andere Ziele verfolgen- Len Mittel, z. B. der Erlernung der deutschen Sprache, eine Sünde sei. Die Kinder dagegen habe ich dahin inforinirt, daß, falls der Lehrer sie für das Nichlsprechen des Gebets in deutscher Sprache strasen sollte, sie deutsch beten sollten, zu Hause jedoch polnisch- 2) Den Gruß „Gelobt sei rc." sollten sie ebenfalls vor den Deutschen deutsch, vor Len Polen jedoch polnisch hersagen. 3) Auch habe ich nicht gesagt, Latz die deutsch betenden Kinder zu den heiligen Sacramenten nicht zugelassen werden würden, sondern diejenigen, die keine Fortschritte in der Religion machten; diese Bemerkung habe ich jedoch nicht in der schulplanmäßigen Stunde, sondern bei dem Neocpmmunicanten- unterricht gethan. 4) Habe ich dem Lehrer seine Todsünden nicht vorgeworfen, sondern habe nur bemerkt, bah er, wenn er ein guter Katholik sei» wolle, wie er behaupte, er verpflichtet sei, jeden Sonntag der heiligen Messe beizuwohuen; die Kinder der letzten Abtheilung haben es nicht verstehen können, denn ich habe deutsch gesprochen. 5) Der Ausdruck „Dies wird sich rächenI" ist für Jeden klar, damit ist die Herabwürdigung des Gebets zum Germanisationsmittel gemeint, denn diese wird sich durch Lauheit in Religionssachen und Vermehrung der Socialdemokraten rächen . . . Zum Schluß weist der Propst den Vorwurf der Auf hetzung gegen die Oberen und der Vergiftung der Seelen auf Denjenigen zurück, der „auf eigene Faust, der Mmisterial- verordnung entgegen", polnische Kinder deutsch beten lasse. Dieser Rechtfertigungsversuch ist ebenso mißlungen wie an maßend. Eine Ministerialverordnung, die eS verbietet, polnische Kinder deutsch beten zu lassen, dürfte schwerlich jemals ergangen sein. Es ist ferner einfach thöricht, das Beten in deutscher Sprache mit dem Schreckmittel einer zukünftigen Vermehrung der Socialdemvkratie in Ver bindung zu bringen. Wenn aber der Herr Propst den Ge brauch der deutschen Sprache bei dem Gebet für eine Herab würdigung dieses erklärt, so ist Vas angesichts der Thatsache, daß den Kindern der Polen keine polnische, sondern die katho lische Religion gelehrt wird, eine polnische Dreistigkeit, die selbst mit einer Versetzung nicht genug geahndet werden könnte, lieber die weitere Verwendung des Propste« bringt jetzt die „Pos. Ztg." eine neue Lesart, wonack bestätigt wird, daß der Propst in seiner alten Pfarre verbleibt und ihm eine neu« zweite Parochie überwiesen worden ist, daß ihm aber die Leitung des Religionsunterrichtes an beiden Stellen ab genommen worden ist. V. Berlin, 11. Juni. (Telegramm.) Der Kaiser begab sich heule Vormittag mit dem fahrplanmäßigen Zuge gegen 9 Uhr von der Wildparkstation nach Charlottenburg, um dort in der Aula der Technischen Hochschule der Sitzung der Institution ok ^aval ^rcltttoetu beizuwohneu, und fuhr nach der Sitzung von Cbarlottcnburg nach dem hiesigen königlichen Schlöffe, wo die Frühstücks tafel, zu der einige Einladungen ecgangen waren, statt fand. Um 3 Uhr Nachmittags empfing der Kaiser den neuernannten Botschafter per französischen Republik am diesseitigen Hofe, Marquis de NogilleS, in AnlrillS- audienz, welcher dis Ehre batte, sein Beglaubigungsschreiben zu überreichen. Der Audienz wohnten der StaatSsecretair deS Auswärtige» Freiherr Marsckafl von Bieberstein und der Emführer des diplomatischen Corps von Usedom b«i. Um Uhr empfing der Kaiser den bisherigen serbischen Gesandten General Pantslitsck in Abschievsaudienz, hieraus noch den Commandeur der Luftschisfer-Abtheilung, Major Nieder. Im Laufe des Nachmittags erfolgte d„ Rückkehr nach Wildpark. --- Berlin, 1l. Juni. (Telegramm.) Li-Himg-Tschang wird morgen hier einlreffen und am Sonntag im königlichen Schlosse mit allen fürstlichen Ehren empfangen werben. Berlin, 1l. Juni. (Telegramm.) Das Abgeord netenhaus berieth heule Len vom Herrenhause abgeänderten Gesetzentwurf, betreffend di« Regelung Ser Richte» gehälter. Nqch längerer Debatte wurde der Entwurf grüßt,»th«il« unverändert angenommen, die 8 (Assessor en-Para- graph) bis n aber gestrichen. — In der „Münchener Allgem.Ztg." find«» wir di« folgende, höchst zutreffende Auslassung: „Wenn man wirklich in parlamcn- tarisckcn Kreisen erzählen sollte, daß dem Präsidenten de« ReickStqg« und dem Vorsitzenden psr Cpmmissron für dqs Bürgerliche Gesetzbuch Hobe Orhenp- auszeichflung«» für den Fall zugebacht seien, daß d«r Entwurf noch vor der mehrmonatigen Vertagung de« Reichs tage« zur Verabschiedung gelange, sq scheinen diejenigen Blauer, ri« diese Nachricht ohne Randbemerkung in Umlauf setzen, vollständig im Unklaren darüber zu sein, welchen Schaden sie den Institutionen zufügen, die hier in Betracht kommen. Oder sollte es dem Ansehen der Krone und der Würde des Parla ments förderlich sein, wenn sich aus Anlaß der widerspruchslose» Verbreitung derartiger Nachrichten durch die Zeitungen iu vielen Kreisen der Wähler die Meinung festsetzle, die hervor ragende Betheiligung an gesetzgeberische» Aufgaben des Neicke- tagg entspringe weniger dem Pflichtgefühl der zu solcher Arbeit berusenen Männer, al« dem Verlangen nach Orden und Ehrenzeichen? Es wäre gewiß thöricht, wollte man dem hohen Vorrecht der Krone, die Beweise ihrer Huld und Gnade nach freier Wahl zu vertheilen, die politische Bedeutung ab sprechen und ihm an der Schwelle des Parlaments unter allen Umständen Halt gebieten, aber im höchsten Grade bedauerlich wäre es, wenn in Folge derartig ungeschickter Andeutungen eine Auffassung Platz greifen sollte, welche auf das Verhältniß zwischen Krone und Volksvertretung ein ganz falsches Licht werfen und ihm einen Charakter unter schieben müßte, der uns glücklicher Weise bi« heute fremd geblieben ist." — Das „Volk" hatte jüngst den Prinzen Alexander zu Hohenlohe-Schillingsfürst al« Hospitanten ter conservativen Partei bezeichnet. Die« erklärt die „Kreuz- zeitnng" jetzt für unrichtig. Sie schreibt: Prinz Alexander zu Hohenloh« steht seit der Abstimmung über den russischen Handelsvertrag, also bereit« seit Jahr«», mit der conservativen Partei in keinerlei Beziehung mehr. Es ist ein interessantes Zugeständniß, daß der Sohn des Reichskanzlers, der doch auch in seiner neulichen Reichstags rede gegen das geplante Verbot des Detailreisens nur den Absichten seines Vater« gerecht geworden ist, schon seit Iakren die Beziehungen zu der „staatSerhaltrndsten" Partei zu lösen sür gut, vielleicht für nöthig gesunden hat. — Dem Vernehmen »ach hat die Justizverwaltung den Entwurf einer neuen Geschäftsordnung für die Gerichts- schreiber eien der Amtsgerichte ausarbeiten lassen und ihn sämmtlichen LberlanLesgerichten zugesiellt, um darüber Gutachten zu erstatten. Aon hier aus wurden dann zunächst im Dienst be sonders bewährte GerichtSichreiber zur Aeugerung veranlaßt, mit weicher Ausgabe dies« Beamieu gegenwärtig eisrig beschäftigt sind. Es soll die Absicht bestehen, die seil der Neuordnung de- Gerichts- wesens gütige Geschäftsordnung für die Gerichtöschreiberelen vom 31. August 1879, die sich schon lange als nicht mehr ausreichend, vielmehr der Abänderung bedürftig erwiesen hat, zum I. Januar 1897 durch die neue GejchäflSanweisung zu ersetzen. Man darf davon namentlich auch eine solche Einrichtung dos Mahnregisters erwarten, daß dadurch die bisher kaum ausführbare Ertheilung zweiter Ausfertigungen der BollstreckungSbefehle gesichert würde. * Charlottenburg, 11. Juni. (Telegramm.) Heute Vormittag fand in Gegenwart deS Kaisers in der Aula deS Polytechnikums eine Sitzung der „lustitutiou ok Kaval -Vrelntvets" statt. Vorher war der Präsident der selben, Earl os Hopetone, vom Senat und der Studenten- schäft begrüßt worden. In seiner Willkomnicnansprache feierte Rector Müller-BreSlau die wissenschaftliche Bedeutung und das hohe Ansehen der Institution, deren Mitglied der Kaiser sei. Hopetone bankte für den herzlichen Empfang, den die Institution gesunden. Nachdem um 10 Uhr der Kaiser von den Ministern Or. Bosse und vr. v. Börtlicher, sowie dem Staatö- secretair Hollman n empfangen worden war undSe.Majestat den Earl vs Hopetone huldvollst begrüßt hatte, erfolgte in der Aula die Begrüßung der Institution durch den StaatSsecretair Admiral Hollmann. ES wurde dann verbandelt über die „Entwickelung im Entwerfen und Herstellen von deutschen Kriegsschiffen" (Referent der Oberconstructeur ider deutschen Marine, Herr Dietrich), über die „Classification und verhältnißmäßige Stärke von Kriegsschiffe»" (Referent der Vicepräsikent der Institution, F. Elgar) und über „Zeichen von Schwäche in Tankschiffen" (Referent Herr Otto Schlick). Der Kaiser, der den Vorträgen bis zum Schluß beiwohnte, trug die englische Marine-Uniform und hatte seine englischen Orden angelegt. Er war begleitet von dem Corvetten-Capitain v. Senden-Bibran nnd Oberst Scheele und wurde bei seinem Erscheinen durch Hochrufe und Hände klatschen stürmisch begrüßt. * Königsberg k. P»., 1l- Juni, (Telegramm,) Das Befinden de« Oberpräsidenten Grafen Wilhelm von Bismarck bat sich so gebessert, daß ex bereits eiqe Besuchs reise in die Provinz unternehmen konnte, * Kiel, 9. Juni. Auf dem KnivSberg» bei Apen- rade hatte sich am letzten Sonntag am Fuße des dort zu errichtenden Bismarcktburnies das gesammte Officier- corps des Landwehr-Regiments Flensburg zu einer patriotischen Feier versammelt. Eingeladen und er schienen waren Pi« gctiven Okficiere pyn Upenrade, Haders leben und Flensburg, sowie di» Marineosficiexe de« z. Z«. in« Hafen von Apenrads liegenden Schujsckiffe« ,,Stosch". Bei der Festtafel wurde der Vorschlag, an den Fürsten ViSniarck ein HuldigungStelegrqmm qbzusenhen, mit Freuden begrüßt. DqS TelegrguiM lautete; „Tas auf dem stn'vsbexge versammelt« ßssstjer« «nd Sanisäts. Otficiercorps des Landwehrbezirks Flensburg und Hf,en Gäste trinken auf das Wohl Euer Durchlaucht, des Begründers des deutschen Reiches. Im Namen des ßsfifiex- gnd Sanitäts-Officiercorps Giese, Oberstlieutenant z. D." Aus diese« HuldigunsMlegramm ging alsbald folgende Anttportdepescke ein: „Besten Dank fist kgmerghschafslichen Gruß. v. Bi«mgrck." * Kiel, ll. Juni. (Telegxamm) Prinz Heinrich von Preußin ist hi«r «ingetroffen. * Gotha, Z. Juni. V«j per Mandatsprüfung de« ncugewählten Socialdemokratei» Wolff im gothaisckcn Sonder landtag war dieser sich selbst nickt klar darüber, ob die Staatsbürger, denen zeitweise die Staat«ftener erlassen ist, rum Wählen berecktigt find oder nicht. Dir Mfhrbeit ent schied für Nichtwahlbereckttgung. Der Äbg. Bock wixd nun folgenden Antrag im Landtag einbringen: „Der Landtag wolle beschließen, Paß all«» Stagtrqngehöriae», welche nach 8 32 de- Gesetze- vom 10. Januar 18ö4 zu einer Steuer veranlagt sind, diese Steuer ab«r in Folge günstiger Finanz- läge deS Staate- einzelnen Tlassen vorübergehend erlassen wird, da« Wahlrecht auf GsM he« ß 146 her Arrfassuyg zrtzalt»» bleibt "
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