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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.06.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-06-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960615019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896061501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896061501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-06
- Tag1896-06-15
- Monat1896-06
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Neclamen unter dem RedactionSstrich (»ge spalten) 50^, vor den Familiennachrichlen (bgespalten) 40 Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen - Ausgabe, ohne Postbeförderung >l 60.—, mtt Postbeförderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Au-gabe: Vormittags 10 Uhr. . Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4Uhr. Bet den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen siud stets an di« Expedition zu richten. »> . .. Druck und Verlag von E. Pol» la Leipzig SV. Jahrgang. Amtlicher Theil. Sparkasse Paunsdorf. Garantirt von der Gemeinde. Reservefonds 10 Procent der Einlagen. Geschäftszeit täglich von 9 bi« 12 Uhr Vormittags im Gemeindeamt. Abfertigung auch schriftlich. Verzinsung der Einlagen mit 3'/,, Procent. Darlehne zu billigstem Zinsfuß gegen Hypothek, Bürgschaft oder Hinterlegung von Werthpapieren werdrn jederzeit abgegeben. Der Sparcaffen-AuSschutz. Gemeindevorstand VNIIlux, Vorsitzender. Vorn Kaiser Wilhelm-Denkmal auf dem Kyffhiiuser. „Ich und die Armee gehören zusammen." Diese Worte unseres jungen Kaisers gelten auch in ihrer vollsten Be deutung von Kaiser Wilhelm I. Kaiser Wilhelm war ein Soldatenkönig, wie er selbst zuerst Soldat war. Dies nimmt ihm aber nichts von seinem Ruhm als Mensch und Regent. Äm Gegentheil, nur dadurch, daß Wilhelm I. von Jugend auf durch soldatische Zucht und Schule ging, sind alle die großen und schönen Charaktereigenschaften, welche die Welt an ihm liebt und bewundert, zu herrlicher Reife gelangt, und erst seine soldatische Tüchtigkeit bat den großen Herrscher be fähigt, auch sein Heer zu einem unüberwindlichen und siegreichen beranzubilden. Mit diesem Rüstzeuge, seinem Werke, konnte Wilhelm dann der Welt den Fehdehandschuh hinwerfen und den einzig möglichen Weg zur Einigung Deutschlands und Wiederaufrichtung des Reiches wandeln, wie er ihn über Düppel, Königsgrätz und Sedan gewandelt ist. Auf dieser Höhe, auf die ihn der militairische Erfolg gehoben hatte, erwies der Soldatenkönig sich auch als ein staatsmännisches Genie, nicht in der Erschließung und Ver folgung neu erschlossener Bahnen, sondern in der weisen Mäßigung nach so großen Erfolgen und in dem klugen Fest halten des so schnell Errungenen. Immer aber blieb Kaiser Wilhelm in erster Reihe Soldat. Zu seinen Soldaten zog es ihn, an seinen Soldaten hing er mit allen Fasern seines edlen Herzens, mit jeder Regung seiner großen, Seele. Noch auf dem Sterbebette gedachte er seiner Armee, und die letzte Freude seines Lebens war die Bewilligung der Mittel zur Ver stärkung des Heeres durch den neugewählten Reichstag im Frühling 1888. An einem solchen Soldatenkönig hätten seine Soldaten nicht wieder hängen sollen? Unmöglich, und so kannte in der Thal Vie Ergebenheit und die Begeisterung der Armee für den greisen Kaiser vom Feldmarschall bis zum letzten Musketier herab keine Grenzen. Kaiser und Heer waren Eins, wie sein kaiserlicher Enkel eS ausgesprochen hat: „Ich und die Armee gehören zusammen". Aber in Deutschland sind auch Armee und Volk eins. Das Volk in Waffen, das ist die Armee, und die Soldaten in Civil, daS ist daS Volk. So war Kaiser Wilhelm als Soldatenkönig mit seinem Volke durch die Armee Eins. Die alten Soldaten im Bürgerrocke, die nicht nur auf dem Exercirplatze, sondern mehr noch auf dem Schlachtfelde ihren greisen Kaiser als unübertreffliche» Muster eines Soldaten hatten verehren gelernt, die Sieger von Düppel, Königgrätz und Gravelotte, die des Kaisers Schlachten geschlagen und des Kaisers Dank dafür empfangen hatten, sie bilden den Kern des Volkes, aber sie haben in ihren bürgerlichen Beruf das Gedenken an jene glorreichen Zeiten mit hinüber ge nommen und pflegen stolz die Traditionen ihrer Dienstzeit, wie sie mit Geugthuuna auf die Ehrenzeichen blicken, welche ihre Brust schmücken. In den Kriegervereinen hat sich „deL Kaisers Garde in Civil" zusammengethan, und in diesen Kreisen, speciell im Bundesvorstände der größlen derartigen Vereinigungen, des deutschen KriegerbundeS, entstand zuerst der Gedanke: „ein Denkmal des Kaisers Wilhelm, gesetzt von seinen alten Soldaten". Selten hat ein Wunsch, eine Idee mehr innere Berechtigung gehabt, als diese. Mit dem Schwerte hat sich Deutschland seinen Weg gebahnt, auf dem Schlachtfelde seine Einheit er rungen, und Kaiser Wilhelm I. hat Deutschlands Schaaren dabei geführt. Wir, sagten die alten Soldaten, die auch „dabei" waren, sind die Nächsten und Berechtigsten, dem Gründer des Reiches, dem siegreichen Feldherrn einen Tribut unseres Herzens und unserer über das Grab dauernden Treue und Liebe zu geben. Setzt ihr dem Herrscher deS Reiches in der Hauptstadt und in den Gauen des Landes Denkmäler — es können ihrer nicht zu viele werden — wir wollen ihm eines als dem „Herzog der Deutschen", der vor uns, vor Deutsch lands Heeren Herzog, setzen. Dieser Gedanke fand die begeisterte Zustimmung der alten Soldaten. Ohne Debattiren und Disputiren waren Alle einig und die Errichtung eines solchen Denkmals wurde beschlossen, ehe eigentlich die Erörterung des Planes begonnen hatte. Diese Begeisterung ist dem Gedanken bis zur Vol lendung deS großen Werkes treu geblieben. Nun aber kam die Platzfrage. Hier tauchten die ver schiedensten Ansichten und Wünsche auf. Die Einen wünschten daS Standbild auf der Esplanade in Metz, von wo der Kaiser gleichsam hinausschauen würde auf die Stätten seines Feldherrnruhmes, auf die großen Schlachtfelder deS 16. und 18. August. Ein zweiter Vorschlag ging dahin, das Denkmal an die Nordgrenze deS Reichs, auf den Schauplatz der Thaten von 1864 zu verlegen, die da grundlegend für alles fernere Wirken deS Herrschers geworden sind. Ein anderer brachte das Tempelhofer Feld, den berühmten Exercir- und Manöverplatz der preußischen Garde bei Berlin in Vor schlag. Noch ein anderer dachte an den Park von Babels berg, ein Vierter an den Platz vor dem althistorischen Kaiserhause in GoSlar. Alle diese Entwürfe und Vor schläge wurden aber fallen gelassen vor dem Project deS Professor vr. pdit. Westphal, Schriftführers des Deutschen KriegerbundeS, und als Denkmalsplatz einstimmig der Kyff- häuserberg gewählt, nachdem der Landesherr, Fürst von Schwarzburg, seine Zustimmung gegeben und das Terrain durch Sachverständige für geeignet befunden worden war. Der Gedanke kann nur als ein sehr glücklicher bezeichnet werden, denn ein Nationaldenkmal, an dem weite Schichten des Volkes nicht nur einen inneren Herzensantheil, sondern auch äußerlich eine greifbare und faßliche Betheiligung haben sollen, gehört in die Mitte Deutschlands, darf nicht in die Mauern und die begrenzte Umgebung einer Stadt ein geschlossen werden, sondern muß sich frei dem Volke zeigen, für Alle möglichst erreichbar sein und kühn, wie es der Natur des zu feiernden Helden angemessen, von erhabenem Stand- punct ins Reich schauen. Diesen Anforderungen wird der Kyffhäuserberg voll kommen gerecht, wie das Gutachten der sachverständigen Künstler, der Herren Baurathe Kyllmann und Heyden, die im Auftrage des Denkmals-Comit6es den Kyffhäuser besuchten, bestätigt. Dasselbe lautet: „Der Kyffhäuserberg, im Herzen Deutschlands an der Hauptverkehrsader, welche das Mutter land mit den wiedereroberten Provinzen verhindet, gelegen, durch Geschichte und Sage hochbedeutsam, ist von der ganzen goldenen Aue und den sie durchkreuzenden VerkehrSstratzen weithin sichtbar. — Es ist hierbei besonders zu betonen, daß auf der directen Verbindungslinie Berlin-Metz und zwar vom Verlassen des Tunnels in Sangerhausen bis Nordhausen der Kyffhäuserberg mit seinen anschließenden Höhenzügen über sichtlich zur vollen Erscheinung gelangt. Von allen Puncten dieser schönen Landschaft aus gesehen, erhebt sich der Berg in sanft ansteigenden malerischen Linien bis zur Gesammthöhe von 400 m und trägt bekanntlich auf seiner Spitze die lieber- reste eines alten Thurmes." Außer den günstigen Vorbedingungen, welche die geogra phische Lage und topographischen Eigenschaften des Berge« für Vie Errichtung eines großen Nationaldenkmals bieten, ist es noch die Bedeutung dcS Berges durch Geschichte und Sage, welche seine Wahl als überaus glücklich erscheinen läßt. Durch Geschichte und Sage ist der Kyffhäuserberg so hvchbedeutsam für das deutsche Volk geworden, daß ihm keine andere Bergeshöhe in Deutschland gleichkommt, wie ein Rück blick auf die deutsche Geschichte vor 800 Jahren zeigt. Gläubige Kinderhoffnung der Volksseele und die un erschütterliche Treue im deutschen Gemüth, die nicht abläßt von dem geliebten Herrscher und dem theuern Vaterlande, liegen in dieser Sage, die wie alle Sagen einen tiefen symbolischen Sinn hat. DaS Kaiserthum, das ist die eine Idee der Kyffhäusersage, das Vaterland, und zwar das große starke, unter dem Kaiserthum geeinte Deutschland ist die andere, an welche das germanische Volkselement im Gegensätze zu den Romanen festhält. Die Kyffhäusersage ist inmitten des Jahrhunderte langen deutschen Winters zu einer Frühlingsprophezeiung geworden, aus der die Dichter immer wieder Stoff schöpften zu ihren Gesängen von der vergangenen und zukünftigen Herrlichkeit des deutschen Reichs. So blieb die Kunde von der Einen und der Glaube an die Andere wach, bis endlich mit den gewaltigen Ereignissen des Jahres 1870 die Er füllung kam und nach zahlreichen Siegen vor der belagerten Hauptstadt des Feindes sich das großartige, welthistorische Ereigniß, die Wahl König Wilhelm's zum deutschen Kaiser vollzog — Geendet die kaisrrlose, die schreckliche Zeit — Und ein Kaiser war wieder auf Erden. — Da richteten sich die Blicke wieder nach dem Kyffhäuserberge und der schlichte Sinn des Volkes sprach: „Nun ist doch Alles so gekommen, wie unsere Eltern und Großeltern uns erzählt haben. Ter Kaiser ist doch endlich wieder gekommen und hat das Reich wieder aufgerichtet." Wie es im alten deutschen Kaiserreiche der Hohenstaufen gewesen war, so hat es Geschichte und Sage in der Kyff- Häuser-Sage bewahrt, als die Wirklichkeit keine Spur mehr davon zeigte, und so ist eS wieder geworden im neuen deutschen Reiche unter den Hohenzollern und soll, so Gott will, lange so bleiben. „Die deutschen Stämme fassen sich als Brüder zusammengehörig; diese Zusammengehörigkeit bedingt die Größe und Macht des deutschen Vaterlandes und dieses zeigt sich äußerlich in der Entfaltung eines starken, gebietenden Kaiserthums." Es liegt ein innerer, starker, nicht wegzuleugnender Zu sammenhang zwischen Vergangenheit und Gegenwart unseres Volkes, und darum gehört das Kaiser Wilhelm-Standbild, das unsere alten Soldaten dem Kaiser Wilhelm I. errichten, und das am 18. Juni in Gegenwart des deutschen Kaisers und der deutschen Fürsten seine Weihe empfangen wird, nirgends anderswo hin, als auf den Kyffhäuserberg. Nur. dort gewinnt es die Bedeutung eines wirklichen Nationaldenkmals. Mit der Errichtung desselben haben dieKriegervereine Alldcutschlands, indem sie ihren kaiserlichen Feldherrn ehren, nicht blos diesen, sondern sich selbst ein würdiges Denkmal gesetzt, von dem sie sprechen können: „das schufen wir, die allen Soldaten von 1864, 66 und 70, die Krieger, die Kaiser Wilhelm's l. Schlachten schlugen, die Arbeiter an dem großen Einigungs bau, den Wilhelm, Bismarck und Moltke als Baumeister ge plant und entworfen haben." Und neben dem großen Feldherrn und Kaiser wird indem Gedanken des sinnenden Beschauers und dem Bewußtsein des ganzen Volkes auch das Bild des schlichten Mannes aus dem Volke im Soldatenrock treten und wird seine Geltung und sein Recht behaupten. Und so soll es sein, denn „Ich und die Armee sind Eins" spricht der Kaiser und die alten Krieger gehören mit zum Ruhme des großen Mannes. Adolf Z sch au. Kunst und Wissenschaft. * Tic erste Erwähnnng Israel s in einem egyptischrn Texte. Der preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin wurde, wie die „Kölnische Zeitung" mittheilt, in der Sitzung Lei philosophisch-historischen Classe vom 7. Mai durch ihr Mitglied Erman eine Mittheilung von vr. Wilhelm Spiegelberg in Straßburg vorgelegt, welche die Uebersetzung einer egyptischen In schrift aus dem 12. Jahrhundert vor Beginn unserer Zeitrechnung enthält. Das Monument, Lein sie entnommen, wurde von Flinders Perrie während seiner letzten Wintercampagne aus der Westseite des alten Theben zu Tage gefördert und ist eine große, völlig unbeschädigt erhaltene Stele aus dunklem Granit, welche auf beiden Seiten längere Inschriften trägt. Ursprünglich in dem Tempel Amenophis' Hl. stehend, wurde sie nach der Zerstörung dieses Bauwerkes mit dem übrigen Baumaterial desselben für den Tempel des Mernrptah benutzt. Die Seite, auf welcher Amenophis III. der Nachwelt seine stolzen Bauten kündete, wurde Lurch die Art der Ausstellung unsichtbar gemacht, da mau es nicht für nöthig Feuilletsn. Ein Äusflug auf Gibraltar. Von Alfred Walther. Wenn man längere Zeit in Spanien gelebt bat, daS durch Alexander von Humboldt mit seinem Urtbeil, Afrika höre erst mit den Pyrenäen auf, so bezeichnend gerichtet worden ist, so macht sich zuweilen in uns das Bedürfniß einer Abwechselung stark geltend. Nachdem die Vorbereitungen getroffen Ware», traten wir denn auch in gehobener Stimmung die Reise von dem als erstem spanischen Kriegshafen und HauptverschiffungS- platz der bedauernSwerthen Opfer deS cubanischen Sisyphus- krieges bekannten Cadiz auf einem Dampfer an. Freilich hatten wir uns keine längere Reise vorgenommen, dafür aber eine um so interessantere, denn das Ziel derselben galt keinem geringeren Platze als dem berühmten Gibraltar. Langsam steuerten wir nach Südosten zu auf der so außer ordentlich belebten Wasserstraße, die mit ihren vielen Sand bänken und Riffen schon manchem Meerfahrer, wie noch im Vorjahre dem stolzen spanischen Panzer „Reina Regente", einen jähen Untergang bereitet hat. Uns drohte jedoch ein solcher nicht, denn der schönste blaue Himmel breitete sich über uns aus, und unser „Cabo Creux" glitt über die von Poseidon'« Dreizack glücklicherweise nickt in Aufruhr versetzten Wellen so sanft, als ob eS eine Lustfahrt ans einem Rhein- oder Elbedampfer gälte. Wir konnten uns somit voll dem Genuß der herrlichen Natur hingeben, der durch das Bewußtsein, daß wir uns an einem Schauplatz bedeutungsvoller Er eignisse befanden, eine gewisse Weihe empfing. Hatten doch von hier aus die Mauren Spanien über schwemmt, nachdem der Westgotbenkönig Rhoderich im Jahre 7ll von ihrem Feldherrn Tarik-Jbn-Zeyad bei dem unweiten Medina Sidonia aufs Haupt geschlagen worden war; und ebenso wurde hier ihrem Bleiben in dem schönen Spanien, das sie während ca. 800 jährigen Aufenthalts zum reichsten Jndustrielande Europas gemacht batten, durch die Schlacht bei Jerez de la Frontera im Jahre 1490 ein Ziel gesetzt. Die letzten Reste der Mauren wurden 1609 für immer ver trieben, und zetzt sind bloS noch verfallene Burgen, Wasser gräben und Ziehbrunnen Merksteine jener Zeit. Weiter an der reich mit Wein gesegneten Küste Anda lusiens hinfahrend, erinnerte uns Cap Trafalgar an die große Seeschlacht, in welcher am 21. October 1805 der un sterbliche Nelson mit 3l Seglern die 40 Schiffe zählende Flotte der Franzosen und Spanier unter ihren Admirälen Villenruve und Gravina glänzend schlug. Zu unserer Rechten stiegen, in Nebel gehüllt, die kahlen Felsen der marokkanischen Küste auf, jener Heimath der be sonder- in früheren Zeiten so gefürchteten Riffpiraten, welche im Mittelmeer die Schiffe kaperten, deren sie nur habhaft I werden konnten. Noch heutzutage erregen diese verwegenen f Küstenbewohner durch manchen Raubzug die allgemeine Aufmerksamkeit, wiewohl sie wissen, welch schreckliche Strafen ihrer dafür warten. Die marokkanische Regierung, zu meistens hoch bemessenen Schadenersatz herangezogen, sucht die dadurch der ohnehin schwachen Staatskasse geschlagene Bresche zu stopfen, indem sie das Amt des Piraten über nimmt und schlankweg die Güter und Heerden irgend eines vermögenden Unterthanen confiscirt, letzteren einfach in den Thurm werfend. Wir näherten uns mehr und mehr dieser Küste und konnten bald die weißen Häuser von Casablanca und Tanger am Cap Sparte! unterscheiden. — Zur Linken glitzerten in der Sonne die Scheiben deS Leuchtthurms vom Cap Tarifa, dem südlichsten Puncte Europa«, mit dessen Erreichung wir uns in der berühmten Meerenge von Gibraltar — der Scheide deS Atlantischen OceanS vom Mittelländischen Meer — zwischen den Säulen de« Hercules befanden. Afrikanischer- seit« werden dieselben durch einen 2808 Fuß hohen Berg, von den Phoniciera Abyla oder GotteSberg, von den Römern Mon« Almina, von den Briten ApeS-Hill genannt, gebildet, und europäischrrseit« durch den Mons Ealpe oder Felsen von Gibraltar mit einer aufsteigeuden Höhe von 1300 di« zu 1400 Fuß. Von hier au« gesehen, schwimmt der selbe, wie die Pupille im Auge, zwischen den Ufern der beiden Festlande im Meere, den ganzen Paß beherrschend. Er hat einen Umfang von sieben englischen Meile», ist drei Meilen lang und >/, bi« */, Meilen breit. Frühzeitig al« ein wichtiger Punct erkannt, ist Gibraltar Gegenstand un zähliger Belagerungen gewesen. Dir verschiedensten Völker, wie die Phvnicier, Carthager, Römer, Westgothen, Mauren und Spanier, haben um seinen Besitz gestritten, bi« »« am 24. Juli 1704 in den der britischen Krone überaing. Von den Spaniern nur schwach (mit 150 Mann) besetzt, ist e» ihnen durch die Flotte de« Sir Georg« Roock und 1800 Mana Landtruppen de« Prinzen Georg von Hessen-Darmstadt entrissen worden und seitdem trotz der schwersten Be lagerungen und Aufwendung aller diplomatischen Künste in den Händen der Engländer geblieben. Da dieselben Un summen zur denkbar vollkommenen Befestigung diese« Schutz- thore» ihre« Handel« mit der Levante und Indien auSgebrn, im verflossenen Jahre z. B. 252 000 Pfd. Sterl. oder circa 5 ILO 000 so dürfte an rin« Rückeroberung feiten« Spanien in absehbare Zeit nicht zu denken sein. In deren Provinz Andalusien (den Tartesiden der Phöaicier, dem Jberien der Griechen, dem Böotien der Römer) gelegen, können sie den Verlust Gibraltar« noch immer nicht ver schmerzen, wa« sich auch in der Haltung der Bevölkerung kundgiebt. Nachdem wir in der großen Bai, aus welcher ein Wald von Masten herau-ragte, gelandet waren, schickten wir un« sofort zur Besichtigung der Festungswerke an. Hinter den starken Wällen am Ufer ist eine Unmenge von großen und kleineren Geschützen postirt, darunter rin solches von 100 t Gewicht, doch liegt hierin nicht die eigentliche Stärke der Festung: der Schwerpunkt ist auf die artilleristische Aus rüstung des gewaltigen Felsens gelegt worden. Auf dem Bergesrücken und in zwei Minengalerien, die rings um den Berg laufen und an Ausdehnung wie Anlage einzig da stehen, sind die besten unv weitrsttragenden Kanonen auf gestellt, deren Kugeln den ganzen Eingang zum Mittel ländischen Meer und die spanische Küste bestreichen können. Die mittlere Galerie ist auf der Westseite nicht gedeckt, da die Felsenformation die« verhindert hat, dagegen die obere vollständig. In letzterer befinden sich zwei großartige Säle, di« St. George'« und CornwalliS' Halls, von wo auS unterirdische Gänge durch zahlreiche künst liche und natürliche Höhlen hindurch, die theilweise als Vor rathskammern dienen, bi« in di« Befestigungen am Fuße dr- Berge« führen. Die Besatzung ist hierdurch in den Stand gesetzt worden, im Belagerung-salle jederzeit ohne Ge fahr Munition und Leben-mittel hinaufzubringen, wa« im Frieden durch eine äußere Drahtseilbahn bewerkstelligt wird. In den Kammern hält die Verwaltung Proviant für 7000 Mann auf 7 Jahre aufgespeichert, während in ruhigen Zeiten Marokko und die spanische Provinz Galicia den Truppen frische« Fleisch und andere Lebensmittel liefern. Unter den natürlichen Höhlen nimmt das erste Interesse deren größte rin, nämlich die St. Michael'- Hohl«, welche, 1100 Fuß über dem Meeresspiegel liegend, 220 Fuß lang, 90 breit und 70 hoch ist und von deren mit gothischrn Bogen überspannten Decke 30—50 Fuß hohe Stalaktiten herab hängen. Man hat hier allerhand Skelette, selbst vorsint- fluthlichrr Thier«, wie de« Maminutb, gefunden, doch weisen auch menschliche Skelette darauf hin, daß diese, sowie die anderen Höhlen der Zufluchtsort der alten Bewohner de« Felsens gewesen sind. Bi« zum Jahre 1868 mußte man den Regen al« Trink wasser benutzen, seit welcher Zeit diesem Mangel durch Bohrung einiger Quellen im Norden Abhilfe geschaffen worden ist. In dem weiten Krieg«dock, da« zur Zeit um zwei andere ver mehrt wird, sind außer einer TorpedobootS-Flotille verschiedene große KriegSschiffc stationirt, varuntrr, nebenbei erwähnt, der Kreuzer „Cambrian" mit 4360 t Deplacement, 9000 Pferde kräften und 10 Kanonen unter dem Commando des Prinzen Louis A. von Battenberg. Den Hafen hält man durch fleißige« Baggern in Stand, wa« auf spanischer Seite, wie za auch an der ganzen Küste entlang mit unverantwortlicher Leichtfertigkeit unterbleibt. Ein mächtiger Leuchtthurm ist im Osten errichtet worden und weist den Schiffen Nachts die Richtung, während TagS über auf hohem BergeSrücken eine Seewarte Signale mit den passirendrn Schiffen wechselt, um daS Erfahrene alsdann telegraphisch zur Kenntniß der Station zu bringen. Dort hinauf klommen wir aus den äußeren Wandelgängen, mit der unentbehrlichen Erlaubnißkarte ausgerüstet, und wurden für unsere Mühe durch ein beispiellos schönes Pano rama belohnt. Vierzig Meilen weit kann man von hier den CurS der Schiffe verfolgen — welcher Vortbeil für die Vertheidigung! Im Westen blinkten die Häuser des pittoresk in einem Bergeinschnitt am Ufer gelegenen Algeciras herüber, das einigermaßen befestigt ist und in dessen Hafen einige Miniaturdampfer der spanischen Kriegsflotte ankern. Im Norden begrenzen das Ufer die Städte San Roque, durch die Westgothen erbaut, und La Linea de la Concepcion, überragt von dem auf 2500 Fuß hohem Berg kegel erbauten Ronda, einer der malerischst gelegenen Städte Europas. Oestlich streben die mit Schnee be lagerten Sierra« von Granada in die Wolken, während von einem afrikanischen Jnselberge im Süden die spanische Festung und Strafanstalt Ceuta (eine Verstümmelung von Septem, da eS auf 7 Hügeln erbaut ist) düster herabschaut. Darüber hinan« liegen die zackigen Berge des AtlaS und über der Meerenge ziehen sich Cap Tarifa und die Höben von Ojen und Zanorra hin. Im Thal erscheint wieder Algeciras, die Rundschau beschließend. — Dir Ostseite des Felsens ist abschüssig und unbewohnt; sie dient nur Ver- theidigungSzwecken. Jedoch am Nordoststrande haben fick in der sogenannten Catalan-Bai Fischer Malteser und genneser Ursprung« anzesiedelt, wie ja auch die spanisch sprechenden Bewohner Gibraltars au« Malta und Genua stammen. Blicken wir gen Süden in die schwindelnde Tiefe hinab, so treffen wir den Militairpunct „Europa" mit seinen weiten Fortificationen und Casernen, von der weiter nordwärts terrassenförmig aufgebauten Stadt Gibraltar durch öffentliche Gärten, die Alameda, getrennt. Früher kabler Felsen, ist dieser Park durch verschiedene Gouverneure nach und nach zu paradiesischer Schönheit gebracht worden. Wir stiegen dort hinab und fanden in dessen Centrum einen geräumigen Paradeplatz, an dessen Südende die Heathsieldtreppe zum Monument des Generals Eliott führt, jenes heldenmüthizen VertheidigerS von Gibraltar während der großen Belagerung in den Jahren 1779 bis 1783. Eliott bat seinen Ruhm durch heldenhafte Zurück schlagung de« Massenangriffs der vereinigten französisch spanischen Armee und Flotte in den Tagen vom 10. bis 13. September 1782 besiegelt. Dierzigtausend Mann Land truppen, 47 Linienschiffe unv 10 schwimmende Batterien mit etwa 500 Kanonen uoler dem Befehle de« Herzog« de Crillon und des Chefingenieurs d'Ar?on hatten e« nicht vermocht, an die nur mit 7000 Mann und 96 Kanonen besetzte Festung heranzukommen; ja fast alle schwimmenden Batterien und viele ihrer Schiffe wurden in Brand geschossen. (Schluß folgt.)
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