01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.06.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-06-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960618015
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- Bindung fehlerhaft: Seiten in falscher Reihenfolge
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-06
- Tag1896-06-18
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Von den Bau- und Bildwerken, die schon vor der Enthüllung des Nationaldenkmals in Berlin von deutscher Dankbarkeit und Verehrung für den unvergleichlichen Herrscher zeugen, ist das hochragende Denkmal aus dem Thüringer Berge das erste, an dem Allveutschland durch Sinn und Thal Antheil hat. Krieger aus allen Theilen deS Reiches waren es, die den Ge danken faßten, dieses Monument zu errichten, das Volk in Waffen, das nur als eins, als ungetrenntes und untrenn bares deutsches gedacht werden kann, ist sein Bauherr. Uno die Stätte, auf der es sich erhebt, war von der Sage um schwebt, die sich das Volksgemüth in den Zeiten entschwun dener deutscher Kraft und Macht gedichtet hatte, um nicht an einer besseren Zukunft verzweifeln zu müssen. Was vie Natur in der gemeinsamen Sprache und Sitte ihm gegeben- was eine ruhmreiche Geschichte ihm bestätigt hatte, die Ein heit, das Recht auf ein selbstständiges Dasein unter den Nationen, das deutsche Volk wollte es nicht für immer verloren haben, es konnte den Gedanken nicht fassen, daß ihm Zerrissenheit und Ohnmacht als ewiger Fluch auferlegt seien, und es schuf sich für sein Sehnen und Hoffen ein trostkräftiges Bild: des Reiches Herrlichkeit ist nicht todt, sie ist nur schlafen gegangen, im Kyffhäuserberg schlummert ihr Träger; der wird erwachen, wenn die Zeit gekommen ist, und heraustreten und um des Reiches Sturmsahne alle deutschen Streiter schaaren zum Kampf und Sieg wider die Feinde, die Deutschlands Recht und Glück unterdrücken. Nicht immer hat sich die Sage vom Kyffhäuser an den selben Kaiser geknüpft, zuerst war eS Friedrich II., später sein Vater, der Kaiser Rothbart, von dessen Wiederkehr sie träumte, aber beide waren als große Herrscher geeignet, in ihrer Person die nationale Hoffnung zu verkörpern, und gerade der Wechsel zeigt, daß der sehnsuchtsvolle Glaube nicht einem bestimmten Helden, sondern der verlorenen Macht und Größe galt. Dieser Glaube überlebte die schöne Einfalt, die die Mutter der Sage geworden, und als vor achtzig Jahren, noch erfüllt vom Geiste der Befreiungskriege, Friedrich Rückert sein Lied vom Kaiser Barbarossa sang, da stimmte ein dem Sagenglauben entwachsenes Volk hoffnungsfreudig mit dem Dichter ein. Die Raben flogen noch lange um den Berg. Aber als das Geschlecht, das den Feind vom deutschen Boden vertrieben batte, schon dem Erlöschen sich nahte, da erhob sich aus ihm der Held von sonderer Kraft und Tugend, der das Wunder verrichten, den alten Traum erfüllen konnte. Der Hohen- zoller im weißen Barte zahlte, waS der deutsche Glaube vom Staufen Barbarossa geheischt hatte. Mit gutem Schwert, mit Weisem Sinn, in treuer Arbeit hat Kaiser Wilhelm ein neues Reich errichtet, anders gefügt, als das des RothbartS, aber in sich gefestigter, als dieses, durch sein Fundament, das den Stempel des maßvollen Wesens des Bau meisters und seines großen Helfers Bismarck trägt. Manches hat gerade in diesen Tagen Kleinmüthigen die Befürchtung erweckt, der Bau möchte doch nicht so siurmfest sein, wie ihn die Schöpfer aufgeführt zu haben glaubten. Aber diese Sorge soll und wird nicht Besitz von den deutschen Herzen nehmen, der Wille des Kerns der Nation und der ihrer Fürsten entzieht ibr den Boden. Wohl halten sich, wie in der Vorzeit, die Raben bereit, um des Reiches Glanz zu verdunkeln, aber sie sinv für immer vom Kyffhäuser verbannt, wo sie die Fortdauer von Deutschlands Noth anzeigten; dem guten alten Kaiser wird di: Treue, die er am Volke geübt, mit Treue zu seiner Schöpfung vergolten werden, und so lange deutsche Laute am Belt und an den Alpen ertönen, wird sein Standbild auf dem Berge im Herzen Deutschlands auf ein geeinigtes Vaterland blicken und der Kyffhäuser durch sein Gedächtniß eine allen Deutschen geweihte Stätte sein. Deutsches Reich. -8- Leipzig, 17. Juni. Gegen das am 7. Januar d. I. von der Potsdamer Disciplinarkammer gegen den stell vertretenden Kanzler von Kamerun, Assessor Wehlau, gefällte Urtheil, das über den Angeklagten wegen Dienstvergehens Ver setzung in ein anderes Amt unter Beibehaltung der gleichen Rangstufe und eine Geldstrafe von 500 verhängte, war bekanntlich von dem vom Auswärtigen Amte in der An gelegenheit bestellten Staatsanwalt Legationsrath Rose Be rufung eingelegt worden. Infolge dessen wird die Angelegen heit vor dem kaiserlichenDisciplinarhofbeimReichS- ge richt zur Verhandlung kommen. Der kaiserliche Disciplinar- bof tritt voraussichtlich bereits in der ersten Hälfte des Monats Juli zu diesem Zwecke zusammen. /V. Berlin, 17. Juni. Nachdem die englischen Gäste, die Mitglieder der Naval Institution, Berlin verlassen haben, können wir uns von den Pflichten des Gastrechts ent bunden erachten und ein offenes Wort über den uns zutbeil gewordenen Besuch sprechen. Als der Besuch und die Ab sicht, den englischen Herren Festlichkeiten zu veranstalten, die über den Rahmen dessen, was sonst Privatbesuchern zutheil wird, weit hinausgingen, bekannt wurde, hat man in der nationalen Presse dagegen Bedenken geäußert, aus der Erwägung heraus, daß bei der Fähigkeit der Engländer, Freund lichkeit als Schwäche anzusehen, ein allzu weites Entgegen kommen jenseits des Canals mißdeutet werden könne. Die „Nord deutsche Allg. Zeitung" suchte darauf das Mißtrauen durch einen Hinweis darauf zu zerstreuen, daß eö sich bei der Naval Institution nicht um eine englische, sondern um eine interna tio na le Institution handle. DieRichtigkeit dieser Be- i hauptung wurde indessen durch die Thatsachen widerlegt. Wenn I es sich um eine internationale Gesellschaft gehandelt hätte, so wäre I es eine eigenartige Huldigung gewesen, die Ankommenden mit der englischen Nationalhymne zu empfangen. Das Empfangscomit« glaubte also von vornherein selbst nicht recht an die Jnternationalität. Ebenso wäre es bei einem internationalen Zusammensein angemessen gewesen, Begrüßungsreden und Vorträge entweder in der Sprache des Gastfreundschaft erweisenden Volkes oder in verschiedenen Sprachen zu halten. Statt dessen ist fast ausschließlich die englische Sprache zur Geltung gelangt, auch von Seiten der deutschen Redner. Selbst der in deutscher Sprache abzefaßte Vortrag des deutschen Hauptvortragenden wurde in eng lischer Sprache verlesen. Kurz, von Jnternationalität war keine Rede, sondern es bandelte sich um eine Reihe seltener und auserlesener, lediglich englischen Herrschaften veranstalteter Festlichkeiten. Nun machten die Herren von der Naval Institution, soweit wir sie gesehen haben, einen recht vortheilhaften Eindruck nnd man darf wohl auch an nehmen, daß sie nicht mit demjenigen Tbeile der englischen Presse sich im Einverständniß befunden haben, der viele Monate hindurch Deutschland in der brutalsten Weise an gegriffen hat. Immerhin aber war eö an sich schon nicht ersichtlich, warum gerade diesen Herrschaften weitgehende Auf merksamkeiten erwiesen wurden, wie sie sonst fremden Gesellschaften von gleicher wissenschaftlicher, industrieller und gesellschaftlicher Bedeutung nicht annähernd zu tbeil werden, und eS empfahl sich ferner eine solche hervorragende Beachtung um so weniger, als sehr leicht die Mißdeutung entstehen konnte, als sollte das den Engländern gegenüber in der Transvaalangelegenheit von Deutschland beobachtete Ver fahren gewissermaßen entschuldigt werden. Die englische Presse war zwar klug genug, wäkrend der Anwesenheit ihrer Landsleute der deutschen Gastfreundschaft alles Lob zu zollen, es ist aber nur zu gewiß, daß sie die Angelegenheit benutzen wird, um bei ähnlicher Situation, wie ini Januar 1890, darauf hinzuweisen, daß man vor der festen Sprache der deutschen Diplomatie nicht zu bangen brauche: Deutschland würde ja doch wieder entgegenkommen. Wir müssen dabei bleiben, daß nach einer Situation, wie sie durch die Hetzereien der englischen Presse und die groben Ge schmacklosigkeiten der englischen Staatsmänner geschaffen war, eS Englands Sache gewesen wäre, die Hand zur Versöhnung eutgegenzustrecken. Tas entgegengesetzte Verfahren ist gewiß sehr edel, aber mit dem Edelmuthe erzielt man in der Politik leider keine Erfolge, an denen ein Patriot, dem das Wohl und das Ansehen des Vaterlandes wichtiger ist als eine augen blickliche Anerkennung, seine Freude haben könnte. V. Berlin, 17. Juni. (Telegramm.) Der Kaiser empfing heute Vormittag um 11 Uhr im Neuen Palais den japanischen Abgesandten Feldmarschall Aamagata und begab sich um 11 Uhr 15 Minuten vom Neuen Palais nach Charlottenburg zur Einweihung des Denkmals auf dem Hose der neuen Caserne für das Elisabeth-Regiment. Nack, der Enthüllung hielt der Kaiser eine kurze Ansprache, in der er auf die Manneszucht und den Gehorsam als erste Soldaten-Tugenden hinwies und das Regiment ermahnte, sich in der bisherigen Weise auszuzeichnen. Er feuerte die Mannschaft an, den im Denkmal verherrlichten Thaten des Krieges von 1870/71 nacbzueisern. Darauf fand ein Parade marsch stall. Das Frühstück nahm der Kaiser im Kreise des Officiercorps des genannten Regiments ein. 8. Berlin, 17. Juni. (PrivattelcgrammJ lieber die vom Vicekönig Li Hung-Tschang bei der Werft des „Vulkan" in Stettin aufgegebene Bestellung auf drei Kreuzer großer Dimensionen erfährt die „Nat.-Ztg." Folgendes: Die Bestellung ist in Moskau an die Bevollmächtigten de§ „Vulkan", Oberingenicur Flohr und Schiffsbauer Schwartz, aus gegeben worden. Die Kreuzer sollen folgende Dimensionen haben: Die Länge in der Wasserlinie beträgt 100 Meter -- 328 Fuß, die Breite 12,5 Meter --- 41 Fuß, die Tiefe von der Seite des Ober decks gemessen 7,5 Meter — 24 Fuß 7 Zoll, Ter Tiefgang soll betragen 3.97 Meter --- 16 Fuß 1 Zoll (mit Rücksicht aus die chinesischen Küstenverhältnisse bei Tientsin). Das Deplace ment der Kreuzer ist auf 2950 Tons bestimmt. Die Schiffe erhalten zwei Maschinen, welche zusammen 7500 Pferdekräste indiciren und den Kreuzern eine Geschwindigkeit von 19'/2 Knoten in der Stunde verleihen. Die Schiffe werden als Panzerdeckkreuzer erbaut und erhalten an Artillerie drei Geschütze vou 15 Cm. Kaliber, acht 10,5 Cm.-Geschütze, sechs 3,7 Cm.-Geschütze, sechs Maxim- Geschütze nnd eine 6 Cm.-Bootskanone. An Torpedoarmirung er- halten die Kreuzer ein Bugrohr unter Wasser und zwei Ober- wasserbreitseitrohre. Die Lieferzeit für die Schiffe ist außerordent- lich kurz bemessen. Der erste Kreuzer soll in 15 Atonalen, die beiden anderen in 18 Monaten geliefert sein. — Herr v. Plötz, der geheime Freund der bösen Börse, bat sich in einer am 14. d. M. zu Cannstatt gehaltenen Rede wiederum über seine Betheiligung am Termin handel mit Getreide ausgesprochen. Er spielte natürlich nur, wie er auch im Reichstage behauptet hatte, um die ganze Verwerflichkeit des Terminhandels kennen zu lernen. „Wenn ihm", so führte er nach dem „Schwäb. Merk." aus, „mit einem gewissen Rechte vorzeworfen werde, kleine Getreide- speculationen gemacht zu haben, so möchte er nur wünschen, daß jeder Lanbwirth einmal Gelegenheit hätte, .zu sehen, wie bei solchen Speculationen die Landwirthe über die Ohren gehauen werden." (Beifall.) Dem „Beob." zufolge fügte er mit Rücksicht aus das eigene Börsenspiel hinzu: „Hätte er mehr Geld gehabt, so hätte er noch höher speculirt!" — Der Bund der Landwirthe empfiehlt in einem Circular an die Vertrauensmänner, wie der „Danz. Ztg." mitgetheilt wird, ein Vereinsabzeichen für die Mitglieder des Bundes. ES ist eine Nadel aus legirtem Metall in starker Versilberung, die ein Bild zeigt, auf dem ein Groß und ein Kleingrundbesitzer sich unter der Devise „Das ganze Deutschland soll es sein" die Hand reichen. Der Vorstand des Bundes der Landwirthe ha: mit einer Firma ein Ab kommen der Art getroffen, daß bei dem Vertriebe der Nadel (zu 1 .4) der BundeScasse bei großem Absatz ein Ueberschuß von 10 000 und mehr übrig bleibt. Es kann um die Finanzen des Bundes nicht sonderlich gestellt sein, wenn es ihm schon an dem nöthigen „Nadelgelde" gebricht. * Spandau, 16. Juni. Vierhundert von der könig lichen Gewebrfabrit entlassene Arbeiter haben als bald in der Artilleriewerkstatt, der Geschützgießerei und in dem Feuerwerks-Laboratorium Beschäftigung erhalten. Unter den Entlassenen befinden sich Leute, die in der Gewehrsabrit nahezu dreißig Jahre ununterbrochen gearbeitet haben. Die Arbeiterzahl der Gewehrfabrik wird auf das kleinste Maß herabgesetzt, da der Friedens- und Kriegsbedarf an Hand feuerwaffen vollständig gedeckt ist. Die zurückgebliebenen Arbeiter werden mit Reparaturen beschäftigt. * Frankfurt a kder, 17. Juni. (Telegramm.) Der Vice könig Li-Hung-Tschang ist heute Vormittag gegen 10 Uhr hier eingetroffen, in seiner Begleitung befanden sich Oberst Fiebert, Hauptmann v. Hanneken, Zslldirector Detring und das Gefolge. Auf dem Bahnhöfe waren zum Empfange an wesend Generalmajor v. Strantz und die Majore v. Werder FaitiHstsn. Ein aussterbendes Geschlecht. Der Rührigkeit deS Herrn Pinkert verdankt das Leip ziger Publicum die seltene Gelegenheit, im Zoologischen Garten eine größere Anzahl von amerikanischen Büffeln (2 Bullen und 3 Kühe) neben dem alten, früher schon vor handenen Exemplar in Augenschein nehmen zu können. Es sind prächtige, 3—4 jährige Thiere, wahre Bilder des Lebens und der Gesundheit, die eben im Begriff sind, ihre wollige, äußerst Weiche Winlergarderobe von graubrauner Farbe in großen Flocken ab- und dafür ihr kurzhaariges dunkleres Sommerkleid anzulegen. Der Büffel oder Bison ist ein sehr interessantes Thier und reichlich Werth, daß man sich ein paar Minuten mit ihm beschäftigt. Wenn man seine Gestalt, besonders die deS Bullen mit der unsere« gewöhnlichen RindeS vergleicht, so fällt besonders auf, wie steil der Rücken zum Widerrist aufsteigt, wie hoch dieser ist, und wie steil die Halslinie von ihm zum Hinterhaupt wieder abfällt. Der Kopf ist dick und massig, beim Bullen im Verhältniß größer als bei der Kuh, namentlich zwischen den Hörnern, die selbst kurz, ge drungen, nach auS- und aufwärts und mit der Spitze wieder nach innen gebogen sind. Der Kopf, der Hals und der vordere Theil des Rumpfes ist von längeren Haaren, gleich sam wie von einer Mähne bedeckt. Der verhältnißmäßig kurze Schwanz trägt am Ende eine stattliche Quaste, Kinn und Kehle schmückt ein namentlich beim Bullen kräftig ent wickelter Bart. Die Schnauze ist breit und vortrefflich für das Wegschaufeln des Schnees, unter dem der Büffel im Winter meist seine Nahrung suchen muß, eingerichtet. Die Hufe sind zierlich für ein so große« Thier, sehr fest wie eS scheint und wohlgeeignet, über den harten Boden der steinigen Prairie mit lautem Geklapper dahinzueilen. Beim lang samen Gang zeigt der Büffel in starkem Maße die leiernden Bewegungen der Hinterbeine, die allen Rindern, wilden wie zahmen, eigen ist und die die alten griechischen Dichter ver anlaßte, die Kühe schneckenfüßig zu nennen. Das Auge ist groß und zeigt nicht den sanften Dulderblick, wie wir ihn bei unfern Kühen zu sehen gewohnt sind, sondern hat einen kühnen, beim Bullen selbst wilden nnd trotzigen Ausdruck. Der Büffel, der durch die mächtige Entwickelung seines Haarkleide« und der Dünnheit seiner Beine größer anSsieht, al» er eigentlich ist, ist ein merkwürdig lebhaftes Thier, ein Läufer von großer Ausdauer nnd brillanter Sickerheit, der in vollem Rennen Terrainschwierigkeiten nimmt, denen ein Pferd nicht gewachsen ist. Man sieht ibm die Schwere seines Körpers, die beim ausgewachsenen Bullen bis 1000 und bei einer fetten Kuh bis 600 Kilogramm betragen kann, an seinen Bewegungen nickt an. Die Indianer hatten sonst die Gewohnheit Bullenkälber zu fangen, zu ver schneiden und wieder laufen zu lassen. Die Ochsen wurden dann ungeheuer groß, sehr fett und hatten ein sehr wohlschmeckendes Fleisch, das sonst beim erwachsenen Bullen, besonders in der Springzeit, einen strengen Geruch und Geschmack bat und immer zäher und härter als das der Kuh ist. Das beste Stück ist, nächst der Zunge, der Höcker, der bisweilen bis 50 kx schwer werden kann. Das Fett der Kuh ist außerordentlich schmackhaft und bildet eine Lage unter der Haut, die bisweilen an gewissen Stellen 5 em dick werden kann, beim Bullen beträgt ihre Mächtigkeit nie und nirgends mehr als 2,5 cm. Das Fleisch wurde in' Streifen geschnitten, die von den weißen, den Indianern an Wildheit nicht nachstehenden Büffeljägern tleeoe8 genannt wurden. Geräuchert und ge preßt hießen sie pemmelriu oder pemmilrau und sahen aus, wie getheertes Werg, waren aber immer noch genießbarer als die an der Sonne gedörrten Stücke (serlreäs), die schwarz auSsahen, zäh und herb wie Leder waren und auch nickt viel besser schmeckten, aber für den Jäger in der Wildniß eine gesunde, ausgiebige, der Berwesnng nicht ausgesetzte und leicht transportable Nahrung bildeten. Die Büffel lebten hauptsächlich von Gräserarten und zwar von Texas bis Britisch-Nordamerika von Lontolon» äixo- staekxs, von Texas bis NebraSka und Wyoming von Louckloe ckuct^Ioiäes und von Montana bis Manitoba, von 8pika spurte». DaS waren die eigentlichen „Büffelgräser". Selbstverständlich mußten die Büffel, als Thiere in ungeheuren Heerden, die nach Millionen zählten, wandern, denn ein engerer Bezirk, auf dem sie ihren Dung in großen Massen zurückließen, war bald abgeweidet. Auf ihren Wanderungen schwammen sie kühn über die breitesten Ströme, wobei sich die kleineren Kälber auf den Rücken der Mütterliche stellten. Wenn eS im Sommer heiß und die Thätigkeit der Fliegen eine lebhafte war, wälzten sie sich mit Vorliebe im Schlamm, der mit ihren Haaren zu einem dichten Panzer verpappte. Fanden sie keine Suhl grube, so machten sie sich eine auf morastigem Terrain: sie legten sich bald äuf die eine, bald auf die andere Seite, drehten sich nm ihre Oueraxe und bohrten gewissermaßen ein flaches Loch in die Erde, da« bald voll Wasser lief. In der Springzeit kämpften die Bullen mit lautem, bei ruhigen Wetter auf eine Entfernung von 10 eugl. Meilen hörbaren Brüllen um den Besitz der Kühe. Dabei setzte es oft furchtbare Verwundungen, was sich die Prairiewölfe, die das Wohl wußten, zu Nutze machten. Sie folgten der sich brüllend, kämpfend, äsend fortwälzenden Heerde nnd überfielen die verletzt zurückbleibenden, kampfunfähigen Bullen. Freilich magerten diese in dieser Zeit ganz ungemein ab, aber hungrige Wölfe sind wenig wählerisch, sie fressen die Thiere trotz Äiagerkeit und strengen Geruchs. Einst waren die Prairien mit Millionen von Büffeln bedeckt, die Jagdgründe schienen unerschöpflich, und die Thiere waren bei den Knaben diesseits deS Atlantischen Oceans durch die Lectiire von Lederstrumpf und dem Waldläufer so populär wie kein einheimisches Jagdthier. „Der Büffel ist, ob wir nun dieses edele Tbier als einen Gegenstand der Jagd oder der Nahrung des Menschen be trachten, sicher das wichtigste aller jetzt noch in Nordamerika lebenden Thiere", konnte vor kaum fünfzig Jahren der be rühmte amerikanische Naturforscher Audubon mit Fug und Recht sagen. Wie haben sich seitdem die Zeiten geändert! — Das edelste nordamerikanische Jagdthier ist der Büffel sicher immer noch, das wichtigste schon lange nicht mehr. Der Mensch, als der gerechte und weise, maßvolle und wohl wollende Herr der Schöpfung, der zu sein er sich, unverschämt genug, einbildet, hat von Grund aus dafür gesorgt, daß sich die Verhältnisse der Prairie im letzten halben Jahrhundert so geändert haben, wie sonst nirgend» auf Erden. Die ersten naturwissenschaftlich Gebildeten, die den Büffel beobachteten, erzählen uns, die Thiere wären, wenn sie zum ersten Male einen Menschen zu sehen bekommen hätten, 120 bis 150 m weit weg getrabt, hätten dann Halt ge macht, den Kopf gewendet, die neue Erscheinung einige Augenblicke angestarrt und wären in raschem Galopp davongerannt, bis sie aus dem Gesichts- und AusdünstungS- kreise des Fremdlings gekommen seien. Die Büffel konnten von Anfang an den Menschen „nicht riechen" nnd sie hatten, ohne zu wissen wie sehr, das allerbeste Recht dazu. Die Geschichte deS Büffels ist eine der traurigsten Thiergeschichten, die eS giebt, nnd der amerikanische General Bush G. HawkinS, ein nicht« weniger als sentimentaler Mann, nennt die Ausrottung des edeln WildeS „eins der aller- entmuthigendstrn Capitel aus der Geschichte der menschlichen Grausamkeit". Der Büffel war vormals ungeheuer häufig auf der Prairie. Der Pelzjäger Kipp, der Anfang der 40er Jahre dieses Jahrhunderts die Prairie auf einem Karren durchquerte, er zählt, er sei 6 Tage hintereinander durch Büffelheerden ge fahren, nichts sei zu sehen gewesen als Büffel und Büffel, soweit das Auge reichte. Als Prinz Wied 1833 den Missouri hinauffuhr, schossen seine Jäger, die entlang des Ufers pirschten, in ganz kurzer Zeit 4 Bullen, 5 Kühe und 3 Kälber, sie brachten aber bloß die Zungen und die besten Fleischtbeile der Kühe zum Schiff, das Andere blieb liegen, eine will kommene Beute der wilden Thiere vom Aaskäfer bis zum Wolf. Weither Leser, lies das folgende mit Andacht, und deine Achtung für deine sog. Mitmenschen wird gewaltig steigen, wenn Du sonst noch ein Herz im Leibe hast. Noch im Jahre 1871, also gerade vor 25 Jahren, unter schied man in den Vereinigten Staaten zwei große Büsfel- heerden, die südliche und die nördliche. Die erstere, die man auf 3 Millionen Stück schätzte, hatte 1873 aufgehört zu existiren. Ein einziger Jäger schoß von einem Fleck aus 112 Büffel hintereinander, ein anderer in einem Monat 1200 und 16 Jäger in 6 Monaten 28 000! Der „Oberst" Cody gen. Buffalo-Bill erlegte allein in 18 Monaten 4500 Stück. Im Jahre 1880 bei dem Bau der Nord- Pacific-Bahn kam die nördliche, damals noch auf N, Mil lionen Stück veranschlagte Heerde an die Reihe. Am Uellowstone - Fluß in Montana wurden 100 000 er mordet und nebenher noch 60 000 Antilopen, im öst lichen Theile des Gebietes erschoß 1882 eine Schaar von 5000 edeln NimrodS-Jüngern 185 000 Stück, im Jahre darauf noch 100 000, und vier Jabre später schätze man den Rest auf 150 Köpfe. Die Hntson Bay-Compagnie vernichtete im Jahre 1881 allein 220 000 Büffel und zwar zum aller größten Theil blos der Zungen und Häute wegen. Als die humanen Bankers mit den lebenden Thieren aufgeräumt hatten, bildeten sie Gesellschaften zum Einsammeln der auf der Prairie massenhaft verstreut liegenden Büffelgebeine und Hörner, aus denen Dünger hergestellt wurde. Dieses frevel hafte Vorgehen, diese viehischen Abschlachtungen halten selbst verständlich ihre nachtheiligen Folgen, aber leider nicht für die Mordbuben selbst, sondern für die armen Indianer. Auch der rothe Mann hatte den Büffel gejagt, Jahrhunderte lang, bevor das erste Blaß-Gesicht auf der Prairie erschien, er war auf sie angewiesen, trieb sie ver nünftig und konnte sie damals, auch als er schon Feuerwaffen besaß, bei der Unvollkommenheit de« JagdgerätbeS nickt ander« treiben. Höchstens, daß er einmal mit seinen Genossen ein Theil einer Heerde abschnitt, einen Berg, der ander anderen Seite schroff abfiel, hinaufjagte und die Thiere so ängstigte, daß sie herab und sich zu Tode stürzten. Gewiß, keine achtnngswerthe Art zu jagen, aber der Indianer jagte auch nickt zum Vergnügen, sondern eben seiner und der Seinen Existenz wegen — da« ist denn doch ein Unterschied, sollte ich
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