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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.01.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-01-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990105028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899010502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899010502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-01
- Tag1899-01-05
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Neclamen unter dem RcdactionSstrich (4^«- spalten) 50 iZ, vor Heu: Familiennachrichtea (kgespaltL«) 40 Größere Schriften Um: unserein Preis- verzrichniß. Tabellarischer und Zisferusatz nach höheam Tarif. Extta-Beilagen (geßalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbcsörderun^ 60.—, mit Postbejiörderung ./t 70.—. —--s»«»>-»— Annahmeschluß für Änzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: 7!achmittags 4 Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stund« früher. Anteigen sind stets ein die Expedition zu richten. Druck uud Verlag von S. Pol, in Leipzig- s. Donnerstag den 5. Januar 1899. 93. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 5. Januar. Die Lei den Dänen um Nachsicht wegen der von Herrn v. Köller in Nordschleswig verfügten Ausweisungen bettelnden Herren Bl eil und Jacobi sind freisinnige Handelsleute und am Ende nur für ihre eigenen werthen Personen verantwortlich. Daß aber eine öffentlich-rechtliche Vertretung von Handel und Industrie eines deutschen Bezirks, die Handelskammer von Barmen, in den Spuren jener Leute ge wandelt ist und ihr Bedauern über jene Maßregeln ausge sprochen hat, muß um so mehr beklagt werden, als die dänischen Politiker unsere Parteiverhältnisse recht genau kennen und sehr wohl das Gewicht der Stimmen von Anhängern der Herren Richter und Messe gegen das der Stimmen von An gehörigen einer Mittelpartei abzuwägen wissen. In Barmen lag wohl eine Uebereilung vor, die man, zumal da die west deutsche Presse schon ihre Meinung mit anerkennenswerther Deutlichkeit kundgegeben, nunmehr auf sich beruhen lassen könnte, wenn nickt von Rechtfertigungsversuchen der Handels kammer von Barmen die Rebe wäre. Die Körperschaft nimmt eS als ihr gutes Recht in Anspruch, Klagen ihrer bezirkseingesessenen Industriellen an geeigneter Stelle zum Ausdruck zu bringen. Darauf ist bereits erwidert worden, daß im vorliegenden delicaten Falle die Öffentlichkeit jedenfalls nicht die geeignete Stelle zum Anbringen von Beschwerden gewesen ist. Jenem Rechte sind durch Be dürfnisse des allgemeinen Wohles, der vater ländischen, also der höchsten Interessen Grenzen gesteckt. Als ein unbeschränktes aufgefaßt, würde es auch Klagen über die Festhaltung von Elsaß-Lotbringcn bei Deutschland rechtfertigen, denn eS giebt gewiß in Frankreich Personen, die ibre Abneigung gegen den Kauf deutscher Er zeugnisse nach Rückgabe unserer südwestlichen Landes- theile fallen lassen würden. Dieser Hinweis ist durchaus nicht gewaltsam, denn auch die Ausweisungen auS NordschleSwig hängen mit Hoffnungen und Bestrebungen zusammen, dre auf Länderraub am deutschen Reiche gerichtet sind. DaS könnten die Herren in Barmen wissen, wie sie auch bedenken sollten, daß auch ihre Bezirks eingesessenen unermeßliche Vortheile von der deutschen Politik gehabt haben, die mit der Erwerbung Schleswigs inaugurirt worden ist. Die dänische Agitation kehrt sich gegen die Ergebnisse dieser Politik und Industrielle, die diese Agitation wegen kleiner, aus ihrer Bekämpfung er wachsender Nachtheile unterstützen, stellen sich in das von jedem Standpunkt aus ungünstige Licht von Leuten, die nur die Vortheile eines bestehenden Zustandes ausnützen zu können glauben. Die Zugehörigkeit zu einem großen mächtigen Reiche ist nicht unentgeltlich. Wenn die Blell und Genossen nicht für die Kosten auskommen mögen, so können sie wenigstens sagen, sie und ihre Vorfahren in ihrer Partei seien an dem nicht ausschließlich mit Bequemlichkeiten verbundenen Dasein des deutschen Reichs unschuldig Die Be schwerdeführer von Barmen gehören aber überwiegend der nationalliberalen und der Reichspartei an. DaS „Berliner Tageblatt" nimmt sich voll Eifer der Anarchisten an, um nach Kräften zu verhüten, daß diese er leuchteten „Politiker" von der Polizei behelligt werden. An knüpfend an eine Meldung aus Magdeburg, der zufolge auf Grund eines Erlasses des preußischen Ministers des Innern die Personalien der dortigen Anarchisten festgestellt sind, während die gleichzeitig beabsichtigte, bisher schon bei Verbrechern vorgenommene Messung wegen der energischen Proteste unterblieben sei, höhnt das „Berl. Tagebl.": „Wir glauben, daß über die neue Ausgabe, die man der Polizei gestellt hat, sich Niemand mehr freuen wird, als die Verbrecher, die es auf Leben und Eigenthum der Bürger abgesehen haben. Je mehr die Polizei sich mit „politischen Verbrechern" beschäftigen muß, desto weniger kann sie sich der Aufklärung der gemeinen Verbrechen widmen." — Im Vorstehenden verleugnet das „Berl. Tagebl." Alles, was eS unter dem frischen Eindruck der Mordthat Luccheni'S über die Bekämpfung des Anarchismus geschrieben hat. In seiner Nummer vom 13. September 1898 z. B. nannte das „Berl. Tagebl." die Luccheni und Genossen „reißende Thiere in Menschengestalt", die nicht ungefährlicher, nicht besser wären als solche Thiere, und schrieb dann wörtlich: Nun wohl, so behandle man sie danach, weil sie es nicht anders verlangen! Die gesammte gebildete Welt mag sie mit der Acht und Aberacht belegen, man mag ihnen gegenüber handeln, wie die alten Römer, wenn sie den Verfehmten das Wasser und das Feuer versagten! Man belege sie mit dem großen Jnlerdict der gebildeten Welt und versuche so, diese blödsinnigen Bösewichter nack Kräften unschädlich zu machen! Die Anarchisten, welche die Propaganda der That predige», sind eingestandenermaßen die geschworenen Todfeinde jedes ordnungsmäßig gerichteten Staats wesens; aber man läßt sie Conventikel abhalten, man gestattet ihnen die Propaganda des Wortes, die zur Propaganda der That führt. Es giebt nur zu viel Arme im Geiste, denen diese Lehren verführerisch ins Ohr klingen, deren Ueberzeugungen nicht gefestigt genug sind, um jenen satanischen Diatriben Widerstand leisten zu können. Denn angesichts der großen socialen Kämpfe, die unser scheidendes Jahrhundert durchzucken, darf man sich nicht darüber täuschen, daß die Ansteckungsgefahr dieser moralischen Lepra eine ungeheure ist. Der Anarchismus tritt mit dem An spruch auf, unsere gesammte Eivilisation dem Erdboden gleich zu machen und das unheilige Chaos als das Allheilmittel für die menschlichen Gebreste herzustellen. Das schrankenlose Recht des Individuums ist das Evangelium des Anarchisten, das in unüber brückbarem Gegensätze zu dem ersten Grundsätze des modernen Staatswesens steht, der sich in ein Goethe'sches Wort zujammen sassen läßt: „Und das Gesetz nur kann uns Freiheit geben". So hat sich damals das „Berliner Tagebl." vernehmen lassen! Heute aber, da die Polizei angeblich die Personalien aller als Anarchisten bekannten Persönlichkeiten feststellen und Messungen an ihnen vornehmen soll, verwirft das „Berl- Tagebl." diese geringfügige Belästigung der „geschworenen Todfeinde jedes ordnungsmäßig gerichteten Staatswesens"! Und dabei bleiben doch die anarchistischen Conventikel unan getastet, die Propaganda des Wortes bleibt ungehemmt — beides Umstände, die das „Berl. Tagebl." am 13. September 1898 offenbar mißbilligte. WaS jetzt von Seiten der Be hörde angeblich geschehen soll, hat doch nur den Zweck, die Ueberwachung der Anarchisten, resp. die Entdeckung und Er greifung anarchistischer Anschläge zu erleichtern. Wenn das „Bcrl. Tagebl." sich hiergegen auflehnt, so zeigt eS wieder einmal seine echt „freisinnige" Natur, deren hervor stechendes Kennzeichen eS ist, Nein zu sagen, wenn es sich um die Verwirklichung eigenster freisinniger Forderungen handelt. So war es, um nur einige Bei spiele zu nennen, bei der Einführung der zweijährigen Dienst zeit im Reiche, der Declarationspslicht, der Vermögenssteuer und des Communalabgabengesetzes in Preußen; so ist eS bei der Bekämpfung des Anarchismus. Leider giebt die Gestaltung der Dinge in Lesterreich den Besorgnissen nur allzu sehr Recht, welche Fürst Bismarck s. Zt. Lothar Bucher gegenüber geäußert, ja der Schöpfer des Dreibundes würde heute wahrscheinlich noch geringeres Vertrauen auf den habsburgischen Bundesgenossen setzen. Mehr denn je sucht man in Oesterreich das einigende Band, das die an Abstammung, Sprache und Gewohnheiten ver schiedenartigsten Völkerschaften zusammenbält, welche den Staat bilden, zu zerreißen und zu zerstören, während die jenigen Stämme bevorzugt werden, welche von jeher die Feinde Oesterreichs waren und Sonderstellungen austrebten, die einen Gesammtstaat unmöglich macken. Aus der großen Völkerwanderung, welche in den ersten Jahr hunderten nach Christi Geburt fortwährend von Osten nach Westen zog, blieb von jedem Stamm, der das Donaugebiet berührte, ein Rest zurück, und so entstand ein Völkcrgewimmel, dem das Hauö Habsburg, das sie nach und nach unterwarf, eine gewisse äußerliche Einheit gab. Mit der inneren Einigkeit horte eS aber auf, als Oesterreich ein Verfassungs staat wurde und parlamentarisches Leben einfübrte. War bis jetzt Oesterreich ein deutscher Staat gewesen, weil deutsche Cnltur die Donauländer civilisirt hatte, die Habs burger die deutsche Kaiserkrone trugen und später Oesterreich im deutschen Bunde die führende Rolle spielte, so änderte sich das, seitdem Oesterreich seine Vormacht in Deutschland an Preußen hatte abgeben müssen, zu der Entwickelung in Deutschland nichts mehr zu sagen hatte und von dort auch keinen Einfluß mehr empfing. Infolge des Bündnisses mit Oesterreich hütete sich das deutsche Reich sogar ängstlich, in irgend einer Weise auch nur den Schein aufkommen zu lassen, daß es sich in die inner« Angelegenheiten des Nachbars im Süden einmischen wolle. Seit fünfzehn Jahren nun ist die deutschfeindliche Richtung obenauf, zuerst mit dein langjährigen Ministerium des Grafen Taaffe, dann kam nach einem Ueberganzsministerium der Pole Graf Badeni, der die unglückselige Spracheuverordnung erließ, welche die Deutschen veranlaßte, in erbitterte Opposition gegen jede Regierung zu treten, welche sie aufrecht hielt. Zuerst fiel dasMinisterium Badeni, dann auch daS dcS Freiberrn v. Gautsch und das jetzige Regiment des tschechenfreundlichen Grafen Thun kann sich nur aufreckt halten dadurch, daß eS daS Parlament entläßt und in absolutistischer Weise regiert. In ähnlicher Weise verfährt man jetzt auch in Ungarn. Ein Jahr lang haben beide Reichshälften in provisorischem Aus gleiche gelebt und jetzt wird dieser wieder um ein Jahr ver längert, gegen Verfassung und Gesetz. Diesen Zustand benützt die chauvinistische Partei in Ungarn, um ihre Bestrebungen fortzusetzen, die darauf ausgehen, die östliche Hälfte a^nZ vom Reiche zu trennen und nur noch eine Personalunion bestehen zu lassen. Kaiser Franz Josef ist jetzt wirklich noch das einzige Band, daS alle die sich bekämpfenden Völkerschaften zu einem Staatsganzen zusammenhälr. So lange er lebt, wird daS Band noch halten, denn alle Länder bringen ihm die größte Verehrung entgegen, wie er ja auch persönlich eine solche in höchstem Maße verdient. Was aber nach dem Tode des jetzigen Kaisers geschehen wird, darüber sind die Phrophezeihungen alle in düsterm Tone gehalten. Schon fängt man an, die Weiterexistenz des österreichischen Staates zu bezweifeln. Jedenfalls wird sich Oesterreich als Gesammtstaat und Großstaat nur aufrechthalten, wenn man den Forderungen der Deutschem gerecht wird. Sollten Tschechen, Polen und übrige Stroven schließlich end- giltig über die Deutschen triumphiren, so wird Oesterreich in einen kraftlosen Staatenbund verfallen, der nach außen h.n keine Bedentung und Bündnißfähigkeit mehr hätte. Kaum beginnt sich Italic» von dem furchtbaren Schlag zu erholen, den es im Februar 1896 in Abessinien erlitten, so kommen von Neuem Nachrichten aus 'Massaua, welche cs wahrscheinlich machen, daß Negus Menelik sich abermals auf den KriegSpfad gegen Italien begeben hat, um auch noch den letzten Rest des seiner Zeit nach der Niederlage von Adua so übereilt und muthlos preisgezzebenen italienischen Colonialbesitzes wegzunehmen. Mit dein, mächtigen Heercs- aufgebot von 100 000 Mann steht der Negus an der cru thraischen Grenze. Anfangs hieß es, er ziehe dieses Truppen aufgebot gegen den aufständischen Raß Mangascha zusammen. Das war indessen nur Spiegelfechterei. Cs bandelt fick c u- sach um die endgiltige Regelung der Grenzsrage nach dem Willen Menelik'S, indem dieser Makomren zum Ras vom Tigre und Tesfai Autalo zum Ras von Hainassen, das doch nördlich vom Mareb liegt und grenzstrittiges Gebiet ist, cr nannte. Er betont damit sein Sou»>eränitätsrecht über alle Gebiete, welche ihm die erste von Antonelli gemachte Grenzrezulirung ließ, auf die jedoch die italienische Regierung nie eingegangen ist. Der Gouverneur von Erythräa, Martini, lehnte die Einladung Menelik'S zu einer persönlichen Be sprechung der Grenzfrage ab, weil letzterer mit Ernennung des Ras von Hamassen die Grenzfrage ja thatsächlich für sich schon gelöst habe. Die Colonie verharrt in außerordentlicher Spannung und Aufregung, die Lage des Gouverneurs Martini ist kritisch. Die Truppen sind für einen Ernstfall absolut unzureichend. Die Forts von Adi-Cajv, Adi-Ugri, Sazane'iti, die den Marsck des Negus aufbalten könnten, sollen sick in chendem Vertheidigungc- zustande befinden und können schließlich auch umgaugcu werden. Die Colonie gebt nach der allgemeinen Meinung trotz aller Ableugnungen einer neuen schweren Demüthigung entgegen. Den neuesten Meldungen zufolge trifft Martini zwecks einer Unterredung mit Ras Makonnen demnächst zusammen; immerhin scheint eS, als ob nenc Ereignisse sich im Sudan vorbereiteten, da der NeguS nicht für nichts eine so bedeutende Truppenmacht, wie augenblicklich, au den Grenzen seines Gebiets aufgestellt haben wird. Auch in Rom faßt man die Lage in Erythräa so ernst auf, daß ein KriegSrath stattsinden soll, um geeignete Maßnahmen in Vorschlag zu bringen. Zu diesem Kriegsrath sind auch mehrere Generale aus der Provinz berufen worden, darunter der ehemalige Gouverneur von Erythräa, General Baldissera. Den Amerikanern scheint vor ihrer Gottähnlicheit bange zu werden. Die Leichtigkeit, mit welcher sie das durch eine unheilvolle Priesterherrschaft entnervte, bereits morsche Spanien besiegt, niedergcworfen und ihrem Willen untcr- tban gemacht haben, hat den angeborenen und anerzogenen Größenwahn der ?)ankeeS auf die höchste Spitze getrieben. Die verhältnißmäßig leicht gewordenen Erfolge von Manila und Santiago de Cuba riefen in den Vereinigten Staaten eine chauvinistische Stimmung hervor, deren Folge eS war, daß man glaubte, die ganze Welt und namentlich das alte Europa herausfortern zu > können. Die Enttäuschung ist jedock noch früher eingedreken, als man erwarten konnte. Der Siegeslauf der Baukees ist plötzlich ins Stocken gcrathen. Tic Bewohner der Philippinen, die den Fettilletott» 41 Onkel Mlhelm's Gäste. Roman von A. v on d e r E lb e. Nachdruck verbot«». „Aber erlaube mal, Papa, wenn wir nicht reüssiren, die un geheuren Kosten um ein so bedeutendes Werthobject?" Der Oberst neigte finster das Haupt: „Der Verlust dieses Protestes würde mich natürlich gänzlich ruiniren, wir spielen va bsnque; aber die Wahrscheinlichkeit, zu gewinnen, die enorme Glückschance bestimmten mich, die Sache doch in Angriff zu nehmen, Oaessr »ut nillil! Die Angelegenheit beschäftigt mich seit Frau Konradinens Tode, also seit fünf Jahren aus schließlich. Und Wiste, Wendelin — wir haben jetzt schon in zwei Instanzen gewonnen!" Der Sohn fuhr wie elektrisirt vom Stuhle empor, er zitterte vor Erregung: „Gewonnen", stammelte cr. „Gewonnen vor Landgericht und Oberlandesgericht! Aber wie ist denn das möglich?" „Der Justizrath kann Dir Rechtsgründe und Erkenntniß des Näheren ausrinandersehen. Thatsache ist, daß die Entscheidung beim ReichSgcrich« in Leipzig hängt." „Aber da — da wäre ich doch neugierig. Und wie ist es möglich, daß ich nichts davon gehört habe?" „Du bist so lange aus der Provinz fort gewesen und solche Civilprocefle dürfen ja eigentlich auch nicht an die Oeffentlichkeit kommen." Vater und Söhn besprachen die sie Beide gleich sehr inter- essirende Angelegenheit hin und her und kamen dann überein, daß der Oberst Wendelin morgen früh um 10 Uhr in seiner Wohnung abholcn und mit ihm den Rechtsanwalt, Justizrath Graumann, aufsuchen wolle. Die Zeit war während dieser eifrigen Unterhaltung dahin geflogen, man hörte auf dem Flur die heimkehrenden Schulkinder rumoren und dann steckte Therese das vom Küchenfeuer erhitzte Gesicht in die Thür und bat den Vater, zu Tisch zu kommen. Der Oberst stand auf: „Hast Du Deine Mutter schon be grüßt? Nicht, na dann geh zu ihr; sie speist wie immer allein, auf der Chaiselongue liegend." Ms Wendelin sich vom Vater verabschiedet hatte und, um zur Mutter zu gehen, den Cvrridor kreuzte, lief ihm Adelheid entgegen: „Du, wie wird's mit unserm Besuch?" Es schien dem Referendar plötzlich, als sei alles Andere ihm weit fortgerückt. Da aber Adelheid anfing zu betteln, beredete er mit ihr, daß sie und Jutta morgen um zehn Uhr in Begleitung des Vaters zur Stadt kommen sollten, und daß er die Schwestern um zwölf Uhr bei einer bekannten Familie zu dem gemeinschaft lichen Besuch abholen wolle. Wendelin schlenderte zur Stadt zurück, er fand jetzt Zeit, seinen Gedanken nachzuhängen, die sich überstürzten und ihn in eine glänzende Wolke zu hüllen schienen. Er, dereinstiger Majoratsherr, er graiui Soignour, um worben, hochgestellt! Es war zum Fliegen, zum Tollwerden vor Freude und Uebermuth! Er war sich bewußt, daß er öfter versucht hatte, durch allerhand Mätzchen sich aus der Menge hervorzuheben, sich ein gewisses Ansehen zu geben, das würde dann nicht mehr nöthig sein. Er würde als eine Persönlichkeit, ein gemachter Mann, dastehen! Aber still doch, das: ots-toi cko lü <zuv so rn'.y niotte! war noch nicht zu dem Eindringling, dem Rusteberger gesprochen, man mußte das Ende des Processes abwarten. Wendelin wußte genau, daß es unvermuthete Wendungen, Auffinden neuer Gründe und Beweismittel gebe, die vorschnell gefaßte Hoffnungen über den .Haufen werfen konnten. Und dann traf ihn mitten in seiner Freude, seinen hoch fliegenden Plänen und Hoffnungen der Gedanke an die beiden Rüsteberg'schen Geschwister, die er lieb gewonnen hatte, wie ein Stich, wie ein Vorwurf. Aber sie würden ja außer dem Majorate Vermögen haben? Und dann, er war ein Wendelstein, sie nicht und es handelte sich um den Besitz seiner Familie. Er wußte, wie die Seinen gedarbt hatten. Bestimmte das Gesetz einen Wechsel der Verhältnisse, was konnte er dafür? Viertes Capitel. Oberst von Wendelstein hatte an seinen Rechtsanwalt ge schrieben und sich mit dem Sohne angemeldet, so brauchten die beiden Herren, als sie am nächsten Morgen ihre Absicht ausführten und den Justizrath Graumann aufsuchten, nicht lange im Vor zimmer zu harren. In banger Erwartung, was er hören und ob seine juristische Meinung sich seinen Wünschen anschließen werde, betrat Wendelin von Wendelstein mit sejpem Vater das Arbeitszimmer des ge wiegten Anwalts. Sie fanden den kleinen grauhaarigen Herrn, der^eben die lange Pfeife zur Seite stellte, neben seinem mit Papieren und Aktenstücken bedeckten Schreibtische. Höflich eilte er den Ein tretenden entgegen. . " Der Oberst mußte sich in ein altes verstaubtes Sopha setzen, der Justizrath und Wendelin nahmen in den beiden zur Seite stehenden Lehnstühlen Platz. „Ich komme, wie Sie wissen, Herr Justizrath", begann Wendelstein, „mit dec Bitte, meinem ältesten Sohne hier, dem Referendar von Wendelstein, der nächst mir an unserem Rechts streit das größte Interesse hat, die ganze Sachlage auseinandcr- zusetzen." „Soll gern geschehen, soll mit Vergnügen geschehen", sagte schmunzelnd der alte Herr, und rieb sich selbstzufrieden die Hände. „So hören Sie denn: Der Lchnsbrief für den ersten Wendelstciner, Herrn Kunrad von Wendelstein, vom Jahre 1386, ist noch im Archiv des Bis- thums Minden vorhanden, und somit bleiot nicht anzuzweifeln, daß wir es mit einem reinen Mannslehn, nach den Rechtsbegriffen des Uber t'oucimum — des langobardischen Lehnrcchts — zu thun haben, das, dem coipus zuim angehängt, zugleich mit diesem in Deutschland gemeinrechtliche Geltung gewann. Herr Peter Alexander von Rusteberg hat indeß beim Ableben seines Herrn Schwiegervaters, des letzten Wendelsteine!, von der älteren Linie die Behauptung aufgestellt, der Besitz sei längst in Allod verwandelt worden, und der Präcedenzfall zur Unterstützung seines Rechtsanspruches liege schon im vorigen Jahrhundert. Auf diese Angabe hin und weil der alte Herr von Wendelstein auch vielfach ausgesprochen hat, der Besitz sei längst allodificirt — oder auch seine Tochter vermöge das Erbe ihrem Gatten zuzu bringen, hat man beim Tode des Herrn Erblassers höheren Orts keinen Anstand genommen, die Besitzergreifung des Herrn von Rusteberg zu legalisiren." „Allerdings, wir wurden ja damals mit unserer Einsprache abgewiesen", rief der Referendar erregt. „Wie sollte nun?" „Bitte gütigst ein wenig Geduld", erwiderte der Justizraih und erhob beschwichtigend die Hand. „Als der Herr Oberst mich vor einer Reihe von Jahren für den Fall consultirten, war meine erste Frage: Aber wie verhält es sich denn mit jenem angezogenen Präcedenzfall? Der Besitzer hat doch bis auf unsere Zeit Herr von Wendelstein geheißen?" „Ich wußte darüber nicht recht Bescheid", sagte der Oberst, „aber bei genauer Nachforschung fand sich ein überraschendes Re sultat." Es schien, als husch« ein Lächeln über das grimmige Gesicht des Obersten, und seine Hand vergrub sich in die Wellen des rothen Barthes. „Ich erbat mir die Familienpapiere", fuhr Graumann fort, „forschte in Kirchenbüchern und stellte Folgendes fest: Anno 1756 gab es auf -dem Wendelstein, ebenso wie neuerdings, nur eine heiratsfähige Erbtochter. Der jüngere Bruder des Besitzers dagegen hatte drei Söhne nachgelassen. Es wurde also Familien beschluß, daß Fräulein Jutta ihren ältesten Vetter heiraten sollte, dieser aber war Dragoner-Rittmeister unter Friedrich II., viel älter als das Fräulein, und vermutlich nicht für den Plan zu gewinnen. Der Zweite dagegen, Joachim von Wendelstein, scheint sich mit Fräulein Jutta sehr wohl verstanden zu haben und heirathete sie. Nun würde in Frage gekommen sein, ob, wenn der jetzige Besitzer bas Zeitliche segnete, der Dragoner-Rittmeister Konrad als ältester Agnat, oder Joachim, als Gatte der Erbin, in die Rechte des Besitzers einzutretcn habe? Jutta's Vater soll damals mit Einwilligung seines ältesten Neffen, des Rittmeisters, und unter Zustimmung des Landesherr» den Besitz in Allod ver wandelt haben, doch sind Papiere und Beweise hierfür nicht bei zubringen gewesen. Tatsächlich ist auch die Rechtsfrage nie zur Anwendung gekommen, denn der Rittmeister, Konrad von Wendelstein, ist bereits zwei Jahre vor dem Tode seines Oheims in der Schlacht bei Kunersdorf aefallen. Nun also war Joachim so oder so Besitzer vom Wendelstein. Von Joachim's jüngerem Bruder, Wendelin, stammt die Linie ab, der meine Herren Clienten angehören." Er verneigte sich vor Vater und Sohn. Der Referendar fragte: „Der letzt verstorbene Herr von Wendelstein, der Schwiegervater Rusteberg's, hat aber vermuthlich in der Ueberzcugung von dem guten Rechte seiner Tochter gelebt? Sonst würde er doch Schritte gethan haben —" „Natürlich war er der Meinung, daß Alles glatt liege", lachte der 'Justizraih. „Wo sollten wir denn sonst nachträglich ein Häkchen anschlagen, wenn es den Herren Erblassern nicht immer so ginge." „Müßte sich nickt auch eine Abfindungsurkunde von unserem Ahn vorfinden, wenn allodificirt worden wäre?" „Auch das. Allein, keinerlei Urkunden können vorgezeigt werden. Und der Lehnsurkunde kommt rücksichtlich ihres In halts die Eigenschaft, eventuell Verpflichtung zu, vorgcwiesen werden zu müssen." „Und Sic meinen wirklich, daß unsere Sache?" — rief Wendelin erregt. „Brillant steht", ergänzte der Rechtsanwalt, „ganz brillant, zweifele keinen Augenblick. So lange Herr von Rusteberg nicht den nöthigen Beweis, in Form überzeugender Actenstücke, von der Verwandlung des Besitzes in Allod beibringen kann, ist der Güter- complex Lehn und kommt als solches nur den Agnaten, das heißt der männlichen Linie der Familie zu. Dieser Ueberzeugung wird sich das Reichsgericht ebensowenig verschließen können, wie die beiden absolvirten Instanzen sich daran verschlossen haben.
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