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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.01.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-01-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990105028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899010502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899010502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-01
- Tag1899-01-05
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126 Amerika«» ihre Befreiung von dem Joch der spanischen Mönche verdaukc.'n, haben keine Lust, sich nun der Herrschaft der Bereinigten Staate» zu unterwerfen. Di« vorliegenden Nachrichten lauten übrigens sehr widersprechend und sind, was daS Verba ltniß der Amerikaner zu den Aufständischen und zu Aguirialdo betrifft, sehr unklar. E» wird zum Beispiel behauptet, daß die eingeborenen Auf ständischen nur Nie aus Halbblut-Leuten bestehenden Anhänger Aguinaldo'S bekämpfen und sich mit den Amerikanern gut stellen wolle,,. Die Eingeborenen werfen Aguinaldo ins besondere vor, daß sie der Regierung des Letzteren in sechs Monaten mehr Steuern zahlen mußten, als den Spaniern in vierzig Jahr en, ferner, daß sie aus allen Stellen und Aemtern von de n Aguinaldo'» verdrängt wurden, welche die Eingeborenen zzu Sklaven machen wollen. Andererseits scheinen aber dve eingeborenen Aufständischen auch von den Amerikanern ni-j>tS wissen zu wollen. Die Insurrektion ist nämlich im Antoachsen begriffen, und eS sind bereits sieben Städte in der »kZewalt der Aufständischen, darunter Paniqui und daS 12 00>v Einwohner zählende Jlo Jlo auf der Insel Panay. Außer aus Luzon und Panay herrscht die Insur rektion auch av,f der Insel NagroS. Aguinaldo selbst bat sich mit seine» Freunden in die Gebirge von Luzon zurück gezogen, von wo er offenbar gegen die Amerikaner einen Guerillakrieg be ginnen wird. Wie man in den leitenden New Dorker umd Washingtoner Kreisen über die Lnge urtheilt, zeigt folgende Meldung: * London, 8. Januar. (Telegramm.) Der „Morning Post" wird un» New N«»rk gemeldet, Präsident Mac Kinley ist von der Aussicht eine» Kampfe» mit den Eingeborenen ans den Philippinen einigermaßen beunruhigt, während seine militairischen Rathgeber einen «Utscheid enden Kampf, den sie für unser- weidlich halten, »her begrüßen. Man glaubt, daß, so lange die Aufständischen nicht die Stärke der Fremden zu fühlen bekommen haben, kein freundschaftliches Zusammengehen möglich sein werde. ES ist wohl kaum zu bezweifeln, daß eS den Amerikanern gelingen wird, die Hafenstädte und Küstenorte durch ihre großen Schiffsgeschütze zu bewältigen und in ihre Gewalt zu bekommen. Bei Jlo Jlo ist dies allerdings fraglich, da des seichten Fahrwassers wegen Vie Annäherung großer Kriegs schiffe nicht möglich ist. Zu Lande werden aber die Ameri kaner, die ihre Unfähigkeit, einen Landkrieg zu führen, auf Cuba genugsam documentirt haben, kaum im Stande sein, de» Aufstandes Herr zu werden. Die Insurrektion wird daher so lange fortdauern, als sie von außen her genährt wird, und da zu viele Mächte daran interessirt sind, oaß Amerika sich nicht in den rukigen Besitz der Philippinen setzen könne, so ist das Ende des Aufstandes nicht abzusehen. Deutsches Reich. L Berlin, 4. Januar. Die Ergebnisse der Un fallversicherungsgesetze für daS Jahr 1897 werden soeben bekannit gegeben und erinnern, während die socialdemokratische Agitation die Bergarbeiterschaft in einen unüberlegten Massenstreik hineinzutreiben sucht, zur rechten Zeit daran, in welchem Umfange, im Gegensatz zu allen anderen Ländern, in den deutschen Betrieben für Leben und Wohlfahrt der Arbeiter Fürsorge getroffen ist. Am augenfälligsten ist dies bei der Unfallversicherung, deren Kosten ausschließlich von den Arbeitgebern ausgebracht werden. InSgesammt sind im Jahre 1897 bei BerufS- genossenschafteu und Aufsichtsbehörden 17 947 447 Personen gegen die Folgen von Unfällen versichert gewesen. Bringt man die 1'/, Million«», die gleichzeitig in gewerblichen und land» wirthsckaftlichen Betrieben versickert gewesen sind, in Abzug, dann bleiben mehr als 16 Millionen übrig, also fast zwei Siebentel der Bevölkerung deS deutschen Reiches. Die Leistungen der Unfallversicherung umfassen das Heil verfahren vom Beginn der 14. Woche nach Eintritt deS Un fall», sowie einen Zuschuß zum Krankengeld der Verletzten von der fünften Woche ab; Renten an die Verletzten vom Beginn der 14. Woche nach Eintritt des Unfalls, sowie im Falle der Tödtung vom Todestage ab; Renten an die Hinter bliebenen und zwar bis zu zwei Dritteln beziehungsweise zwei Fünftel» des bisherigen JahreS-ArbeitsverdiensteS; schließlich Beerdigungskosten. An Entschädigungsbeiträgen sind im Jahre 1897 gezablt worden 63 973 500 über 7 Millionen Mark mehr als im Vorjahre. InSgesammt sind seit Bestehen der Unfallversicherung bis Ende 1897 von den Arbeitgebern an Entschädigungen gezahlt worden rund 364,8 Millionen Mark. Im verflossenen Jahre belief sich die Zahl der ent- schädigungSpflichtiaen Unfälle auf 92 326; 6000 mehr al» im Vorjahre. Die Zahl der tödtlichen Unfälle betrug 7416; 315 mehr als im Vorjahre. Die Zunahme der tödtlichen Unfälle blieb erfreulicher Weise im Verbältniß erheblich hinter der Gesammtzunahme der Unfälle zurück. ES erhielten Ent schädigungen auS der Unfallversicherung 1897 1885/86 «erlrht« . 84910 548 846 Witwen 4 802 43296 Waisen 9575 88126 Ascendenten .... 267 2 930 Wie viel Noth allein durch die Unfallversicherungsgesetzgebung gelindert worden ist, sage» diese Zahlen mehr als viele Worte. Zu den Unkosten, die ausschließlich vo» tzsa Arbeit geber» zu tragen waren, komme» daun »och dir Aus gaben für den große» Apparat, der zur Durchführung der Unfallversicherung notbwendig war: 113 VerufSgenoffrn- schaften mit 919 Sektionen, 1102 Mitglieder der Genossen- schaftSverbände, 5254 Mitglieder der SeetionSvorstänke, 25 453 Vertrauensmänner, 214 angestellte RevistonSbeamte, 1016 Schiedsgericht»- und 4168 Arbeiter»»«»»«, die 5 097 547 Betriebe umfaßten; dazu kommen dann noch 404 Ausführungsbthörden. Und gegen diese Gesetzgebung, die so ersprießlich für die Arbeiterschaft wirkt und an deren Au»bau unverdrossen gearbeitet wird, haben die Vertreter der Social demokratie gestimmt und suchen noch immer deren Wirksam keit in den Augen der Arbeiter berabzusetzen. /». Berlin, 4. Januar. (Die deutschen Partikular iste« und daS Ausland.) Im Pariser .Figaro- stellt DcniS Guibert Betrachtungen über da- angebliche Anwachsen des ParticulariSmuS in Deutschland an. Er zählt sorgfältig alle Gelegenheiten auf, bei denen sich in de» letzten Jahren particularistischc Neigungen in Deutschland gezeigt haben, und erwähnt schließlich daS jüngste Pronunciamento der bayerischen CentrumSlrute gegen die „Verpreußung". Au- alledem folgert er, daß im deutschen Volke die Neigung bestehe, das Erbkaisertbum der Hohenzollern zu beseitigen und die deutschen Dynastien abwechselnd an die Spitze des Reichs zu stellen, waS natürlich eine Abschwächung der einheitlichen Leitung Deutschlands zur Folge haben müßte. Selbstverständlich sind die Schlüsse Guibert'S bloße Phantastereien; von größerer Bedeutung aber ist, daß er, wie erwähnt, ganz genau alle Fälle anzusühren gewußt hat, die auf particularistische Neigungen in Deutschland schließen lassen. Man kann daraus entnehme», wie sorgfältig alle solche Vorkommnisse in Frankreich gebucht werden und wie sich daran ausschweifende Hoffnungen auf die Zerstörung deü einheitlichen Gefüge» de- deutschen Baues richten. Wenn diese Hoffnungen sich auch nicht er füllen, so schädigt eS schon den Frieden, wenn sie überhaupt bestehen, denn sie müssen die Angriffslust der Franzosen steigern. Die particularistischen Neigungen und Bestrebungen und die Aufbauschung aller solcher Vorkommnisse durch die radikale und die klerikale Presse sind also keine lediglich innere deutsche Angelegenheit, sondern sie beeinflussen auch die Stellung Deutschlands zum Auslande in ungünstiger Weise. — Der Kaiser hat dem österreichisch-ungarischen Bot schafter von Szögyöny beim Jahreswechsel sein Portrait mit eigenhändiger Widmung übersandt. — Am 11. Januar feiert da» Kaiser-Franz-Garde- Grenadier-Regiment den Tag, an welchem vor fünfzig Jahren Kaiser Franz Josef von Oesterreich zum Ches des Regiments ernannt wurde. Bei dieser Feier wird sich der Kaiser durch den Feldmarschalllieutenant Frhru. v. Speiningrr vertreten lassen. — Es hängt wohl damit zusammen, daß die Entscheidung deS BundeSratheS über die lippische Angelegenheit un mittelbar bevorsteht, wenn der RechtSbcistand der Schaum burger, Professor Zorn, soeben eine nochmalige lange Dar legung zu Gunsten der Zuständigkeit deS BundeSrathS in der „Köln. Ztg." veröffentlicht. Er stellt darin wieder die oft bekämpfte Behauptung auf, daß eS ein Streit zwischen zwei Bundes st aalen sei, wenn der Fürst de» einen den Anspruch «hebt, auch in dem anderen Staate, aber ohne Bereinigung desselben mit dem bisher von ihm regierten Staate, künftig unter gewissen Voraussetzungen al- Fürst an erkannt zu werden. Herr Zorn schließt seine Darlegung wie folgt: Völlig einverstanden mit v. Geydel bi» ich in Betreff der Aus führung, daß «ine Entscheidung dahin: 1) der Vunde-rath ist «ach ReichS-Berf. Art. 76, Abs. 1 zuständig; L) er überläßt die Er- ledigung der Frage der LandeSgesetzgebung — einen „absoluten logischen Widerspruch" enthalten würde. Beschließt der BundeSrath dir obige Ziffer 1, so kann er wohl weiter beschließen: zur Zeit ist kein Streitfall vorhanden, also auch nicht die Nothwendigkeit einer materiellen Entscheidung gegeben. Aber «S gilt dann nur das im Tenor de» Schiedssprüche« sestgestrllt« Recht. Alle» Weitere bleibt rechtlich der späteren Entscheidung de» BundeSrathr» Vor behalten. — In gut unterrichteten Kreisen bringt man die Hohr Auszeichnung, welche dem vortragenden Rath im Auswärtigen Amt Wirkl. Geh. Legation-rath von Holstein durch die Verleihung de» Charakter» al» Wirkl. Geh. Rath mit dem Prädicat „Excellenz" zu Theil geworden ist, in Verbindung mit dem Abschlüsse de» neuen deutsch-englischen Abkommen-. Herr von Holstein gilt als der eigentliche Urheber dieses Abkommens, an dessen Zustandekommen ihm auch ein Hauptantheil zugeschrieben wird. — Wie nachträglich bekannt wird, hat der Kaiser am Weihnachtsabend inSgesammt 38 Unterbramten der Reichs post- und Telegraphen-Verwaltung, welche sich während einer langen Dienstzeit treu, ehrlich und zuverlässig gezeigt haben, eine hübsche Ueberraschung bereitet. Den Beamten wurde nämlich von den zuständigen Ober-Postdirectionen je eine silberne Ankerubr übergeben, die außer einer entsprechenden Widmung da» Bild deS Spenders trägt. — Der „ReichSanz- veröffentlicht heute di« Ernennung deS biSheriaen Vortragenden Raths im Auswärtigen Amt, Geheimen LrgatiooS-Rath» und Aammerherrn vr. Mumm vo« Schwarzenstein zum außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigte» Minister am luxemburgischen Hofe. — Entgegen einer ZeitungSmittheilung, daß Bürgers meister Kirschner sich städtischen Beamten gegenüber üb« die mutbmaßlichen Gründe deS Nichteintreffens seiner Bestätigung ausgesprochen habe, ist die „BolkSztg." in der Lage, versichern zu können, daß dies« Behauptung absolut unzutreffend fei. Ebenso entspreche eS nicht den Tat sachen, daß Herr Kirschner die Absicht geäußert habe, den städtischen Dienst im Falle seiner Nichtbestätigung zu ver lassen und in das Direktorium eines großen Unternehmens einzutreten. — In den Privatbeleidigungsklagen,welche Eugen Wolf gegen einige Zeitungen angestrengt hat, ist von den Beklagten beantragt worden, die Verhandlung der Wolf'schen Klage bis nach Beendigung deS Ermittelungsverfahrens auS- zusetzeu, welches da» Auswärtige Amt durch deu General konsul in Shanghai auSsührrn läßt. — Die Polizei beginnt mit Feststellung der Personalien der Anarchisten, angeblich auf Grund eine» Erlasses deS Minister» des Innern. In Magdeburg wurden sie nach ein« Meldung de« dortigen SocialistenblatteS zu diesem Zwecke auf da- Polizeihurrau beschiedeo. In Köpenick wurde der wissenschaftliche Anarchist Adolf Brand, der Herausgeber der Zeitschrift „Der Eigene-, sogar der bei Verbrechern üblichen Messung unterzogen. — Zu der Berichtigung de« Berliner Polizei präsidenten, welche in Abrede stellte, daß gegen circa 30 russische Cigaret tenarbeiterinnen au» Berlin die Au«weisung verfügt worden sei, melden jetzt da» berichtigte „Berl. Tageblatt" und der „Vorw", die Ausweisung russischer Cigarettenarbriterinnen sei zwar nicht in Berlin, wohl aber in Charlotteuburg thatsächlich verfügt worden. — Der frühere Haiidelsmlnister Frhr. v Berlepsch ist gestern auS Seebach eiugetroffe«. — Der hiesige bayerische Gesandte, Gras V. Lerchenseld-Kösering, ist vom Urlaub nach Vertin zurück gekehrt und hat dir Geschäfte der Gesandtschaft wieder übernommen, ebenso der königlich sächsische Gesandte Graf v. Hobenthal-Vergrn. — Der Ministerialdirektor im Cultu-ministerium, Wirkliche Geheime Ober-RegirrnngSrath O. Or. von Bartsch ist mit kurzem Urlaub nach Hannover abgereist. — Der Bevollmächtigte zum BundeSrath, schaumburg-lippische Staat-Minister Freiherr von Feilitzsch ist hier angekommen. — Elie Gras Perigord-Talleyrand hat auf Grund einer Erklärung des preußischen tzeroldsamte» vom 29. December 1898 in Gemäßheit der königlichen „Begnadung" cküo. Sanssouci, 19. Inni 1846, den Titel eine» Prinzen von Sagan angenommen uud wird denselben fortan führen. * Kiel, 4. Januar. Die Erbprinzessin von Mei ningen ist ru kurzem Besuch deS Prinzen Waldemar im hiesigen königl. Schlosse ringetroffen. * siiel, 4. Januar. Der Proceß de« Oberförster- Lange gegen den Fürsten Bismarck ist jetzt endgiltig ent schieden. Nachdem nämlich vor einigen Wochen in dem Processe deS ehemaligen Oberförster» Lange gegen den Fürsten Otto von Bismarck und nach dessen Tode gegen die Erben deS Verstorbenen wegen höherer PenstonSansprüch« vom OberlandeSgericht zu Kiel «in abschließende» Urtbeil gefällt und gegen dasselbe von der beklagten Partei während der gesetzlichen Frist ein Rechtsmittel nicht eingelegt worden war, hat das Urtheil Rechtskraft erlangt. Durch diese» Urtheil wurden, wie seiner Zeit nntgethrilt, die Ansprüche des Klägers Lange in der Hauptsache zurückgewiesrn. o. Thor», 5. Januar. (Privattelegramm.) Die Nationalliheralen werden am 15. Januar in Dirschau eine Provinzialversammlung veranstalten, in der die Organisation der nationalliberalen Partei in der Provinz Westpreußen erörtert werden soll. * Anowraelaw, 4. Januar. Eine Gerichtsverhandlung, die grelle Schlaglichter auf da» Treiben der polniscken Geistlichkeit in der Provinz Posen wirft, fand dieser Tage vor der hiesigen Strafkammer statt. Es war wieder einmal da» Verbältniß eine» Lehrer» zu einem Prälaten, da» vor Gericht in voller Oesfentlichkeit sestgestrllt wurde. Der Lehrer SobczynSki bekundete eidlich: Der Prälat Wolinski in Strelno hatte die Leitung de» Religions unterricht« in meiner Schule zu Mlyny. Eine» Tage« kam er in meine Llasse, um seinen Segen den Kindern zu spenden. Bei seinem Eintritt in die Elass« grüßten die Kinder in deutscher Sprache. Darüber war er sehr ungehalten, wie» den Gruß zurück und befahl den Kinder», den Gruß in polnischer Sprache zu wiederholen, auch sagte er mir, ich soll» darauf sehen, daß die Kinder polnisch grüßen. Am selben Tage kam auch der KreilschuUuspector in meine Classe. Dem erzählte ich da» Borgefallenr. Dieser wie» darauf hin, daß r» da« Bestreben der Schule sein müße, di« deutsche Sprache zu fördern und zu pflegen. Nach einiger Zeit kam auch der Regie- ruugS« und Schulrath in meine Elaste und traf mich dabei, als tch den Religionsunterricht 1» »olnilcho« Sprach« «rtheilie. Nachdem « sich überzeugt hatte, daß die Kinder auch gut deutsch antworte» können, ordnet, er an, farta» 1» der vderelass» de» R«It-1»nSunterrtch» tu deutscher Sprach« zu «rt-eilen. Der Prälat W. kam wieder zu wir und «acht« mir Vorwürfe darüber, daß ich den Religionsunterricht in deutscher Sprache er- theil«, »nd befahl mir, fortan nur in polnischer Sprache de» Religionsunterricht auch in der vderelass« zu er- theil ru. Al« ich ihm erwidert«, daß ich al- Beamter nur dem Befehle der Regierung zu gehorchen habe, da wurde er hitzig und sagt» mir, daß ich ein Streber u. s. ». sei. Der Lehrer sollte jedoch auch »och etwa- andere« sein. Im März vorigen Jahre» lief bei der Regierung in Brom berg ein Schreiben eia, i» dem die Büdaerfrau Juliane DrzykowSki der Behörde mittheilte: „Es war am Freitag Nachmittag vor Pfingsten, da kam mein kleiner Junge in dir Stube gelaufen und ries: „Mutter, Mutter, komm nur und höre, wie der Lehrer über Sott schimpft!' Ich wieS den Jungen zurück. Doch er kam bald wieder mit der gleichen Behauptung. Ich ging in meinen Garten, der an dar Schulhaus grenz«; da hörte ich, wie der Lehrer Sobezya-ki bei geöffnetem Fenster schrie: „ES giebt keinen Gott. Der Gott bin ich, ich herrsche uud regiere. Wäre «in Gott vorhanden, so müßten mich die Teufel in die Hölle holen; gäbe eß einen Gott so müßte mich Donner und Wetter zerschlagen 1" Die angestellte» Ermittelungen ergaben al-bald, daß die Behauptungen der Büdnerfrau elende Verleumdungen waren; sie ergaben aber auch, daß der Prälat WolinSki die Anklage schrift verfaßt hatte. DaS Gericht verurtheilte die Frau zu vier Monaten Gesängniß, der Prälat jedoch konnte vor dem Gesetze nicht belangt werden. Welch« Folgen in nationaler uud moralischer Beziehung dieser klerikale Neber- griff nach sich zieht, ist au» der Thatsache zu beurtbeilen, daß mehrere Zeugen, die in der Borverhandlung der Wahr heit die Ehre gegeben haben, in der Hauptverhandlung eidlich bekundeten, sie hätten gehört, wie der Lehrer gelästert habe Es war also «in wohl auSaesounene» Bubenstück, da- eine» pflichttreuen Lehrer verderben sollte, und der Fluch dieser bösen That muß zunächst sein, daß sie eine Anzahl MeiueidS- processr gebiert. * Eaffel, 4. Januar. Der neue Präsident der Ober- rechnnngskainmcr, bisherig« Oberprästdent Magdeburg ist heute Mittag iiack Verabschiedung von seinen Räthen nach Potsdam abgereist, um seine neuen Geschäfte zu über nehmen. Um 7>/» Uhr Abends traf der neue Oberpräsident Graf von Zrdlitz-Trützschler mit dem Berliner Schnell zuge zur Uedernahme der Amtsgeschäfte ein. Er wurde am Bahnhöfe von dem Oberpräsidialrath Pole» und dem Polizei präsidenten Grafen KönigSdorff empfangen. -v- Altenburg, 4. Januar. Mit dem neuen Jahre ist der zwischen den Regierungen der Thüringischen Staaten ab geschlossene Vertrag in Kraft getreten, wonach der Sprengel des thüringischen OberlandeSgericht- in vier SchwurgericktSbezirke zerlegt wird. Den ersten Bezirk bilden Altenburg, Gera und Greiz, den zweiten Meiningen, den dritte» Rudolstadt und Weimar und den vierten Eisenach und Gotha. * Gotha, 4. Januar. Gestern starb hier nach langen, schweren Leide» der Gymnasialprofefsor I)r. Gilbert. Mir ihm hat nicht nur daS Gymnasium einen schweren Verlust erlitten, sondern auch die nationalliberale Partei; er war ein hervorragendes Mitglied de» nationalliheralen Thüringer LandeSau-sckusse«. * Aachen, 5. Januar. Die Handelskammer hatte die hiesigen Buchdruckereibesitzer heute zu einer Besprechung der Frage eingrladen, ob Buchdruckereieu zum Handwerk gehören oder den Charakter von Fabrikbetneben haben. Die Versammlung sprach sich einstimmig dahin auS, daß alle Buchdruckereien, die einen Motor irgend welcher Art in ihren Betrieben verwenden, unbedingt zu den Fabrik betrieben gerechnet werden müssen. Frankreich. Zola; Esterhazy * Pari-, 5. Januar. (Telegramm.) Die Regierung unterhandelt wegen der Zustellung d«S Urtheil» gegen Zola auf diplomatischem Wege. Zola soll infolgedessen Bourne mouth wieder verlassen haben. * Part-, 5. Januar. (Telegramm.) Der Cassa tion» Hof lud, wie den Berliner Morgenblättern mit- aetheilt worden ist, Esterhazy vor sein Forum. Frau PayS übermittelte Esterhazy Schriftstücke. DaS Verhör ist auf den 12. Januar festgesetzt. * Pari», 5. Januar. (Telegramm.) Der Direktor de» Blatte» „Soleil", Edouard Hervb, ,st gestern Abend gestorben. * Havre, 5. Januar. (Telegramm.) Präsident Faure ist gestern Abend hier zur Jagd ringetroffen und kehrt heute nach Pari» zurück. Mit von Muth und Hoffnung geschwellter Brust verließ Wen delin an,deS Vaters Seite das Bureau d«S Justizraths. Er glaubte jetzt an den Sieg ihrer Sach«, und selbst das finstere Ge sicht des alten Herrn schien sich etwas zu erhellen. Ms Wendelin zu den Schwestern kam, die er abzuholcn ver sprochen hatte, war er so vergnügt und zugleich so zerstreut, daß Adelheid ihn fragte, ob er schon irgendwo eine Flasche Cham pagner getrunken habe? und Jutta sagte: „Laß ihn doch, die kleine Rusteberg ist seine Flamm«, und er schwebt so in den Lüsten, weil es zu ihr geht." Um Zeit zu gewinnen, sich zu sammeln, führte er di« Schwestern in eine Conditorei und tractirte sie mit Eis, was die Mädchen sich gerne gefallen ließen. Ein eigene« Gefühl von Beschämung und Verlegenheit ergriff ihn, al« er vor Frau von Selbach'» Flurthür stand. Ihm schien, al« gehe er damit um, der armen, fröhlichen Nella großes Unrecht zuzufügen und al« dürfe er kaum wagen, ihr vor die Augen zu treten. Und doch war sie eS, die ihm und den Schwestern behend und unbefangen wie immer di« Thür öffnete. Die Mädchen hatten sich in den Tanzstunden flüchtig gesehen, so war die Vorstellung überflüssig. Nella rief: „Ach, Sie sind es, wie nett!" und führte die Geschwister in den Salon, wo Frau von Selbach ihnen mit ihrem : gewöhnlichen süßen Redeschwall entgegenkam. Sie besaß die häufig zu findende Angewohnheit Derer, die viel in Gesellschaften : gehen, um jeden Preis zu sprechen, selbst wenn Niemand Anderes daneben zu einer Gegenrede kommen kann. Al« Wendelstein« wieder auf der Straße waren, sagte Adelheid: „Dein Geschmack ist nicht übel, Bruderherz. Meinen Segen hast Du, und da sie reich ist, hoffe ich, daß Ihr mich oft einladet, damit ich doch auch einmal meines Lebens froh werde." Wendelin meinte, man wär« noch nicht so weit und verfiel wieder in seine vorige Zerstreutheit. In der That war Ihm da» Cousinchen noch nie so hold und lieb erschienen, wie eben jetzt. Seine oberflächliche Courmacherstimmung hatte eine innigere Färbung angenommen. Mitleid und Zärtlichkeit mischten sich hinein. Das arme, süße Kind, welch' eine Echicksalswendung schwebte über dem Haupte der Arglosen! Jndeß er war dann ja reich, MajoratSerbe der herrlichen Güter seiner Familie — ein schwindelerregender Gedanke —, dann konnte er wählen nach . seinem Herzen und er glaubte, daß er schon gewählt habe. Dann to»«tte er sie au» dem Elrikd der Ihren herauKnben. Mochte auch der kecke Usurpator, ihr Vater, in eine Lage zurücksinken, wie di« war, in der seine Familie so lange geschmachtet hatte. Es war einige Wochen später. Die Bäume prangten in zartem Laube und Blüthenpracht, und Lärmann hatte zu einer Spazierfahrt nach dem Thiergarten eingeladen. Frau von Selbach fühlte sich nicht ganz wohl und wagte nicht, sich dem eben herrschenden -Ostwinde auszusetzen. Sie mochte aber auch des werthen Hausgenoffen Bitte nicht abschlagen, er vertrug das nicht, und da sie wußte, daß es ihm doch nur darauf ankommt, Valeska um sich zu sehen, so bestimmte sie, daß ihre Tochter und zwei andere junge Mädchen mitfahren sollten. Nella erklärte, bei der Tante bleiben zu wollen, und die Schwälbchen waren glücklich über die Aussicht auf eine Spazierfahrt. Valetta dagegen murrte; sie werde auch immer vorgeschoben, um gegen den alten, ekligen Bärmann die Liebenswürdige zu spielen, sie könne ihn nicht ouSstehen und es genire sie, mit ihm unter die Leut« zu gehen. Die Mutter gab lhr viele gute Worte und endlich fuhr die kleine Gesellschaft ab. Das Wetter war sonnig und die Miene der mißvergnügten Valetta hellte sich auf. Frau von Selbach lehnte in ihrem bequemen Stuhle, Nella saß mit der Handarbeit ihr gegenüber vor dem blumenbesrtzten Fenster, in das die Sonnenstrahlen hineinspirlten und die Tante erzählte. Da« junge Mädchen hatte Freud« daran, es hörte gern, selbst bei Wiederholungen, alte Familiengeschichten, Allerlei auS der Jugend des Vaters, und die Tante erzählt« unterhaltend und ausgiebig. „Ja, ja, Kindchen", hob sie an, „es war nicht schön, als unser Vater daS Gichtleiden bekam und sich pensioniren lassen mußte. Er war ein ausgezeichneter Beamter, jawohl, Landgerichts- Dirrctor. Die Eltern zogen mit uns drei Kindern, Wilhelm, dem Aeltesten, Peter Alexander, Deinem lieben Väterchen, und mir, der Jüngsten, nach Neustadt am Fuß de» Rufieberges, auf dem di« Stammburg unseres alten Geschlechtes steht." „Eine richtige Burg?" „Leider eine Ruine, jawohl, die Zeiten ändern sich. Väterchen besaß vor dem Städtchen noch Hous und Garten, etwas verfallen und vernachlässigt, ober was half's! Oben neben der Ruin« steht ein Fachwer-shLuschen, eine stark besuchte Kaffeewirthschoft ward da betrieben. Der Rittersaal war auch leiblich hergrricht« und wir haben manchmal, wenn die Bonoratwren Partien dahin machten, oben getan,t. Hübsch« Zonen, jawohl, s« ein liebe», kleine» Tänzchen i Dir Kaffeewirthschaff nm Gartenland, Mes«, und Holzung, Alles, was dem alten Geschlechte noch von seinem Besitz an Dörfern und Wäldern geblieben war, trug dem Vater etwa» Pacht ein. Dazu hatten wir unten die Wohnung und seine Pension. Vermögen war wenig da. So wurde Alles bei uns knapp zugeschnitten, jawohl, man streckt sich nach der Decke. Beide Brüder wollten Officier« werden, es ging doch auch nicht gut ander», da sie zum Studiren keine Lust hatten. Eine Rectorschul« ist in Neustadt, die haben wir Alle besucht. Die Jungen mußten nachher natürlich noch auf die Presse. Dein Vater war ein schöner, schneidiger Lieutenant. Er brachte seinen Freund, meinen lieben Selbach, mit auf Urlaub und da haben wir un« bei einer Parti« auf dem Rusteberge verlobt; welch' liebe, schöne Zeiten! Zuerst schien et, als sei an keine Herrath zu denken, denn wir waren Beide ohne Vermögen, später hat sich'» gemacht. Aber was ich noch erzählen wollt«. Unser Nachbargrundfliick gehörte dem Fabrikanten Filberger, reiche Leute, wir standen recht freundschaftlich mit ihnen. Der älteste Sohn war mit den Brüdern ein Herz und eine Seele, er heirathete meine Freundin Meta, die Tochter d«S Pastoren und da» sind di« Eltern der Schwälbchen." „Ich weiß, Tante", warf Nella ein, sie hatte dies Alles schon ost gehört, „aber wie kam e» eigentlich mit Onkel Wilhelm? Papa sagt, er wäre ein Narr und spricht nicht mit ihm." „Ja, laß mich nur nach der Reihe erzählen. Also Peter Alexander machte sein Glück und heirathete als bildschöner, blut junger Lieutenant Deine liebe, reich« Mutter. Da» gab ein« richt« Freud« in der Familie, jawohl- Als dann bald darauf unser Vater starb, mein liebes Mütterchen hatte Peter Alexander'» Glück gar nicht erlebt, da kam die Theilung. Dein reicher Vater, der nun den Dienst quittirt halt«, verzichtete auf sein Erbe. Ich bekam Haus und Garten unten im Städtchen und Wilhelm den Rusteberg mit Zubehör. And dann that Peter Alexander noch ein Uebnaes, er deponirte für uns di« Tautionsfumme und er möglicht« so unfrre Heirath, das war s«hr n«tt von ihm, jawohl, Petron<ll«ch«n. Ab«r «r machte rin« Bedingung dabei, dos Capital wollte er zurückzirhen, sobald die Verhältnisse es erlauben würden, was nun längst geschehen ist. aber di« Zinsen zahlt er mir weiter. No, er kann es ja auch sehr gut. Ich verkalkst« nun mein Erbe, Haut und Garten in Neu stadt, dadurch hatten wir ein kleiner Capital in der Hand, konnten un« einrichttn und standen bei besonderen Vorfällen nicht mittellos da." „Und warum za- Onkel WRlhel» aus da» RusteßernN „Ja, ja, Kindchen, da» ist so eine alle, H-Wwrgchen« Ge schichte. Weiß wirklich nicht, ob's Deinem lieben Vater recht ist, wenn ich sie Dir erzähle. Na, im Grurtde ist ja nichts dabei, und Du kannst ja auch zu Hause thun, als ob Du nichts weißt; jawohl, das wird am besten sein. Also Onkel Wilhelm, der leider längst nicht so schön und so schneidig war wie Dein liebes Väterchen, verlobte sich auch, als er bald zum Hauptmann stand, mit der Tochter seines Majors. Sie soll ein vermögendes, feines Mädchen gewesen sein. Als er in aller Freude und Herrlichkeit ein halbes Jahr verlobt war und man an der Aussteuer arbeitete, erklärte unser wunderliches Wilhelmchen plötzlich, er liebe sie doch nicht genügend und könne sie nicht heirathen. Der Vater Major soll ihn scharf vorgenvmmen haben, aber Willi blieb dabei, er sei zu der Erkenntniß gekommen, sie würden nicht zusammen paffen, die Sache thue ihm leid, sei aber nicht zu ändern, und er wolle sich versetzen lassen. Aber dann wurde die Geschichte fatal, der Major forderte ihn, seine zwei Söhne, di« beide Lieutenants waren, auch und, wie es hieß, noch zwei Vettern, so daß unser lieber Wilhelm ein wahres Gpießruthen- laufen von Duellen vor sich sah." ' „Aber wie schrecklich!" rief Nella. „Jawohl, Herzchen, ich meinte auch, daß ei gar nicht lieb und ein bischen harte Zumuthung sei, aber alle Herren behauptetey, Wilhelm müsse entweder sein Wort elnlöfen, an dem Mädchen sei nichts auSzusetzen oder er müsse sich fünf Mal schießen. Unser Bruder war anderer Ansicht Zu Dir kann ich's wohl sagen, Kindchen, etwa» vorsichtig und besorgt für seine Gesundheit ist er immer gewesen und viel geneckt wurde er wegen allerlei Wunderlichkeiten. Jetzt erklärt« er, weder heirathen, noH schießen! Da mußte er natürlich abgehen, denn nun war er ehrlos. Er sah das auch recht gut ein, so unangenehm es ihm sein mochte. Da er aber wußte, daß er sich entweder sein Leben laitg mit einem Frauchen Herumplagen sollt«, das er nun doch 'mal nicht gern hatte, daß er lügen sollt«, er lieb« sie, »der aus der guten Gesellschaft verschwinden, so wählte er dies Letztere. Sc nahm seinen Abschied, kündigte seinem Mirther, dem Kaffee- Wirth auf dem Rusteberge, was die ganz« Umgegend sehr verdroß und zog mit seinem Bedienten in do» Fachwerkhäuschen neben der Ruin«, wo bisher so viel guter Kaff,« gebraut worden war. denn in der alten Burg giebt es kein« bewohnbaren Räume. (Fortsetzung folgt.)
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