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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.01.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-01-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990111023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899011102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899011102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-01
- Tag1899-01-11
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Eugen Richter aufgestellte Behauptung, die von Deutschland beobachtete Veterinärpolitik verletze die Handelsvertrags-Verpflichtungen, energisch zurück- wieS und die Versicherung abgab, daß die deutsche Regierung weder früher, noch in den letzten vier bis fünf Jahren auch nur eine sanitäre Maßregel ergriffen babe, die mit den Handelsverträgen dem Auslande gegenüber nickt im Einklänge gestanden, — zur selben Stunde wurde in Plauen i. V. die Nummer des „Vogtland. Anz." fertig gestellt, in der ein Erlaß der österreichischen Regierung an die Grenz-Bezirksämter mitgetbeilt wird, der diese anweist, Material zu erfolgreichen Reclamationen wegen „con- veutionSwidrigen" Verhaltens der deutschen Regierung in Bezug auf die Ausweisung erkrankter Oester reicher zu sammeln. Solches Glück haben sich Herr Eugen Richter und Genossen, denen gestern Herr von Hammerstein-Loxten undeutsche Haltung vorwarf, sicherlich nicht träumen lassen. Nun haben sie den „urkund lichen" Nachweis für das „conventionswidrige" Verbalten der deutschen Regierung und werden sich heute gewiß die willkommene Gelegenheit ru der niederschmetternden Be hauptung nicht entgehen lassen, eine Regierung, die erkrankte Menschen „conbentionSwidrig" auSweise, werde sich auch nicht bedenken, gesunde Schweine „conventionswidrig" vom Import auSzuschiießen. Ist eS dock überdies Graf Thun, von dem der Erlaß auSgeht, also für Herrn Eugen Rickter die glaubwürdigste und sympathischste Persönlichkeit! Und nun vollends die UeberzeugungSkrast des amtlichen Schriftstückes, das folgendermaßen lautet: Herr K. K. Bezirkshauptmanu! AuS den infolge des Erlasses des h. Ministerium- des Innern vom 22. Januar 1895 erstatteten Berichten der politischen LaudeSbehörden hat diese- h> K. K. Ministerium entnommen» daß in der That in »ehrsachen Fällen österreichische Staats angehörige, welche im Deutschen Reiche erkrankt waren, im kranken Zustande nach diesseitigen nahe der deutschen Reichsgrenze gelegenen Spitälern überstellt wurden, obschon im Sinne der mit Mioisterial-Berordnung vom 5. Januar 1854, R-G-Dl. Nr. 6, ver» lautbarten EisenacherConventiondie Verpflegung dieser Kranken im betreffenden deutschen Staatsgebiete hätte erfolgen sollen. In keinem der gedachten Fälle hat aber eine amtliche protokollarische Feststellung der Thatsachen, welche daS conventionswidrige (!) Vorgehen im deutschen Reiche beweisen, stattgefunden und können daher die vorgelegten Berichte, wenn auch deren volle Ueberrinstimmung mit der Wahrheit nicht zu bezweifeln ist, keineswegs für erfolg, reich« Reclamationen die Grundlage bilden. Um aber in künftig etwa vorkommenden Fällen dieser Art mit Aussicht auf Erfolg Reclamationen erheben zu können, hat daS h. K. K. Ministerium deS Innern mit dem Erlasse vom 21. Sep» trmbrr 1898 (I) angrordnet, die Directioneu bezw. Verwaltungen der im Grenzgebiete oder nahe an der deutschen ReichSgrenze ge- lrgenen öffentlichen Krankenanstalten strengstens anzuweisen, daß sie tu jedem Falle, wenn Oesterreicher im kranken Zustande aus dem deutschen Reiche zureisen, alle ein conventionswidriges Bor» gehen der deutschen Behörde» begründenden Umstände k genauestens protokollarisch erheben und sofort der vorgesetzten I politischen Behörde die Anzeige erstatte», welcher eS obliegt, I eventuell nöthige ergänzende Erhebungen zu pflegen und über jeden Fall, in welchem sich eine Außerachtlassung gedachter Convention herauSstellt, behufs Vorlage der Erhebungsacten a» daS Ministerium des Innern der K. K. Statthalterei Bericht zu erstatten. Bei diesen von den Krankenanstalten zu pflegenden Erhebungen ist besonders auch darauf Rücksicht zu nehmen, ob der betreffende Kranke Mitglied einer im deutschen Reiche bestehenden Krankenkasse ist und dieser die Zahlung von VerpflegSkosten für denselben obliegt, erner ob der Kranke wirklich ohne Schaden für sei» Leiden trans portabel war, mit oder ohne Begleitung ankam, ob derselbe mit einer übertragbaren oder schweren Krankheit behaftet ist. AuS den vorgelegtrn Berichten war feruer zu entnehmen, daß einzelne LaudeSfondS durch VerpflegSkosten für in öffentlichen Krankenanstalten behandelte deutsche Reichsangehörige in erheblicherp Maße belastet werden. In dieser Beziehung wird nach dem vor bezogenen h. Ministerial-Erlaffe eine genaue Befolgung der hin sichtlich der Aufnahme von Kranken in öffentlichen Anstalten und der Entlassung derselben aus diesen bestehenden Vorschriften, ins« besondere auch die genaue Einhaltung der in dem mit dem Statt- halterei^rlasse vom 5. November 1865 kundgemachten Erlasse des K. K. Staatsministeriums vom 26. September 1865 enthaltenen Directiven das geeignete Mittel bieten, um Schädigungen der Landesfonds hintanzuhalten. ES sind daher den Directioneu und Verwaltungen der öffent lichen Krankenanstalten des dortigen Verwaltungsgebietes die Vor schriften über Ausnahme und Entlastung der Kranken neuerdings in Erinnerung zu bringen. Wovon der Herr K. K. Bezirkshauptmanu zur weitereu Ver anlassung in Kenntniß gesetzt worden. Prag, am 15. October 1898. Für den K. K. Statthalter: Der K. S. Hofrath: Wolf. Man sucht also, wie der „Vogtland. Anz." zu dem Schrift stücke bemerkt, Material für „Reclamationen", für die man Beweise braucht, da man eingestchen muß, daß daS, waS man jetzt weiß, keineswegs die Grundlage für Reclamationen bilden kann. Trotzdem scheut man sich nicht, schon jetzt, bevor man die Beweise für eine so schwere Anschuldigung in der Hand hat, daS Vorgehen im deutschen Reiche „conventionS- widrig" zu nennen! Aber gerade das ist eS, was unsre Demokratie so sympathisch berühren und in ihrem Vor gehen bestärken muß, denn die von der österreichischen Regie rung angewendete Methode, gesuchtes Beweismaterial als Beweis anzusehe» und zu verwerthen, ist ganz genau dieselbe, die Herr Richter und Genoffen mit Vorliebe anwenden. Es kann übrigens nur von Vortheil sein, wenn der Erlaß schon heute im Reichstage zur Sprache gebracht wird, denn die Vertreter der Regierungen erhalten dadurch Gelegenheit, auf den „freundnachbarlichen" Vorwurf „conventionswidrigen Ver fahrens" sofort nach seinem Bekanntwerden zu antworten. Daß Graf Thun überhaupt an der Arbeit ist, Material für »„Repressalien" zusammenzutragen, wird für die deutsche I Regierung trotz aller Ableugnungen der hochosficiösen öster- I reichischen Presse wohl nichts Neues sein. Die staatsrechtlichen Umsturzbestrebungen der grotzpolnischcn Hetzblätter haben sich nicht einmal gescheut, daS WeihnachtSevangelium in den Dienst ihres gesetzwidrigen Treibens zu pressen. So finden sich in dem WeihnacktSarnkel der „Gazeta Grudziadzka" folgende von giftigster Feindschaft gegen den preußischen Staat getränkte Hetzereien: „Gott ist geboren, die Gewalt wird ohnmächtig! Gedenk« du dessen, polnisches Volk, du durch Unglücksfälle erschüttertes, durch deine Feinde zerlumptes, verarmtes, verfolgtes und bedrücktes! Polnisches Volk, du bist gewohnt, dich mit deiner heilkgen Kirche zu freuen und mit ihr zu trauern, darum wirf auch heute von deinem Perzen Alles ab, was dich schmerzt und plagt! Vergiß, daß du dich in Sklaverei und Noth befindest, und eile mit freude- und nmthersülltem Herzen, das liebe Jesuskind zu begrüßen! Da an der Krippe dieses allersüßesten KindleinS, da bist du nicht verfolgt, denn dort wird die Macht dieser Welt zunichte. Dort zu Füßen dieses göttlichen KindleinS bist du armer, verlachter und verfolgter Pole gern gesehen. Das winzige Händchen LeS Jesuskindes streckt sich dir entgegen und segnet dich, während Leine Bedrücker, deine Feinde und Beleidiger in ohnmächtiger Wuth vergehen, denn sie dürfen sich diesem Orte nicht nahen, weil Jesus nur für die Gut gesinnten gekommen ist. Schöpse also, du polnisches Volk, hier an dem Kripplei» deS neugeborenen Kindleins Muth und den festen Glauben, daß du nicht umkommen, nicht verschwinden wirst, wenngleich deine Feinde dir schon das Grab gegraben haben. Sieh, dies winzige Händchen deS Jesuskindes hat die ganze Bosheit dieser Welt, die Höllenmacht besiegt. Wie machtvoll und allmächtig ist eS! Und du solltest daran zweifeln, daß dies Händchen auch dich vom Fall emporzuheben wissen wird, sobald die Zeit der Buße abgelaufen ist! O ja, geliebtes Volk, noch einmal wird der Augenblick kommen, wo diese Glocken in unseren Kirchlein ein freies, ein glückliche- Volk zu dem lieben Christfest laden werden." Ganz und gar zu der vorstehend wiedergegebenen Ideen verbindung paßt es, wenn der „Gazeta TarunSka" zufolge die Polen in Amerika sich bemühen wollen, die Vertreter der Vereinigten Staaten dahin zu bringen, daß auf dem durch den Kaiser von Rußland angekündigten FriedenScongreß die Theilung Polens erörtert werde. Nach einer der officiösen „Pol. Corr." aus Rom zu gehenden Meldung hat der in der „Revue des deux Mondes" veröffentlichte Artikel des früheren französischen Botschafters beim Quirinal Billot über das italienisch-französische Handcisübereinkommen, ebenso wie in der öffentlichen Meinung Italiens, auch in den amtlichen Kreisen Roms unangenehmes Befremden hervorgerufen. Man könne es schwer begreifen, daß eine Persönlichkeit, die vor verhältnißmäßig sehr kurzer Zeit noch die Stellung eines Vertreters der Republik am römischen Hofe bekleidete, bezüglich einer Convention, welche Vie Ge nehmigung der dazu berufenen gesetzgebenden Körperschaften noch nicht erhalten hat, mit Kundgebungen hervortritt, die leb hafte Empfindlichkeiten wecken und eventuell die öffentliche Meinung in verschiedener Richtung ungünstig beeinflussen könnten. Man verurtheile in der italienischen Hauptstadt allgemein aufs Schärfite die Auffassung Herrn Billot's, nach welcher die Con vention darauf abzielen würde, Italien unabhängig von seinem Dreibundverhältniß zu machen oder doch wenigstens im König reiche eine Strömung herbeizusühren, durch welche im Falle eines europäischen Conflictcs Actionen Italiens im Sinne seiner bisherigen auswärtigen Politik paralysirt werden würden. Es werde betont, daß der genannte Diplomat in diesen Ansichten eine ebensolche Unkenntniß der Zustände und Stimmungen in Italien verrathe, wie er sie als Botschafter in Rom bewies, indem er den finanziellen Zusammenbruch Italiens fast jeden Tag als eine Unvermeidlichkeit ansah. Es liege überhaupt eine ungewöhnliche Naivetät in der Annahme, daß ein Staat, der eine zehnjährige wirthschaftliche Krise behufs Sicherung seiner ökonomischen Unabhängigkeit überwunden hat, diese und überdies in gewissem Maße auch seine politische Selbstständigkeit für die beschränkten Vortheile eines von beiden Äiten leicht wider ruflichen Vertrages Preisgeben würde. — We weit die Lieb äugelet des Ministeriums Rudini selbst zu der „Naivetät" Billot's beigetragen hat, ist freilich eine andere Frage. Ueber RuhlandS Haltung gegenüber den aus wärtigen Schwierigkeiten Frankreichs wird uns aus Petersburg gemeldet: In hiesigen diplomatischen Kreisen will man in Erfahrung ge- bracht haben, daß sich während der letzten Tage ein hockgrstell.er BertrauenSman» der französischen Regierung in Petrrs- bürg aufgehalten hat und wiederholt vom Zaren empfangeu wurde. Der Zweck dieser geheim gehaltenen Sendung sei auf französischer Seite der Wunsch gewesen, Klarheit über die Haltung Rußlands in den verschiedenen englisch-französischen Streitfragen zu erhalten. Der französische Specialgesandte soll hierbei betaut haben, daß die republikanische Regierung, falls ihr noch rin« Reihe weiterer Nieder, lagen wie im Faschadofall aufgenöthigt würden, sowohl hinsichtlich ihrer inneren, wie auch ihrer äußeren Politik in eine sehr schwierige Lage kommen müsse. Man darf hiermit Wohl die scharfe Polemik in Verbindung bringen, welche die „Nowoje Wremja" in der Frage der „Jsolirung" Frankreichs gegen die „Time-" führt. Das Londoner Blatt hatte geschrieben, England dürfe die Aus breitung der französischen Colonie in Schanghai um so weniger dulden, als Deutschland, die Vereinigten Staaten und Japan nicht minder daran interessirt seien, der mißgünstigen Politik Frankreichs entgegen zu arbeiten. Wie stark auch der Druck der Franzose» auf die Pekinger Regierung sei, so sei England doch im Stande, in der chinesischen Hauptstadt seine Kraft noch schneller und energischer fühlbar zu machen al» Frankreich. Hierauf er widerte die „Nowoje Wremja": Die „Time»" schleuder» Frankreich direkt den Fehde- Handschuh i»S Gesicht, indem sie mit sofortigem energischen Widerstande in der Frag« voa der Erweiterung der französische» Concession in Shanghai drohen. Diese Drohung geschieht unter dein offenbaren Einfluß der jüngsten Lösung de- FaschodastreiteS, und es ist bemerkenSwerth, daß sie, der bekannten Rede Chamberlain'- ent- sprechend, von unzweideutigen Hinweisen auf die Solidarität Englands mit Deutschland, die Vereinigten Staaten und Japan begleitet ist. Aber nicht erst seit heute gilt daS Wort „ns bin ia ickem". DaS Zeitung-Pulver darf nicht zu stark mißbraucht werden. Alles hat Maß und Grenzen, auch die „legitimen" Interessen Englands, welche nicht allein durch die Meinung der Engländer darüber, sondern auch durch da- Urtheil der übrigen Völker über ihre „gesetzlichen" Interessen präcisirt werden. In den Londoner Regierungskreisen w«iß man gut, daß Frankreich nicht ifolirt ist, und man kann dort schwerlich überzeugt davon sein, daß Deutschland, die Bereinigten Staaten und Japan die Rolle spielen werden, welche die „Time-" ihnen „zroßmüthig" zuertheilen. So die „Nowoje Wremja". Nach dem neuen Angriff der „Times" auf die „schäbige" Politik der franzö sischen Regierung, „die unter großsprecherischen Phrasen gewohnheitsmäßig mit der Gier und List eine- Bauern FrrriHeton. A Onkel Mlhelm's Gaste. Roman von A. von der Elbe. Nachdruck »erböte». Wendelin erschrak. „Vater — versuch's noch einmal!" Ueberlegend und erwägend, welchen Entschluß er fassen wolle, schritt der Oberst im Zimmer hin und her. Wendelin stand bangen Herzens daneben. Er wußte, daß etwas Unwiderrufliches kommen werde. Endlich trat der Oberst vor seinen Aeltesten hin. „Der Narr ist vom Gröhenwahne besessen. Weiß nicht mehr, wie's sonst bei uns zuging. Will ihm seinen Standpunkt klar machen, Zügel straffer anziehen." „Du wirst ihm doch diesmal noch helfen?" „Ja. Aber unter der einen Bedingung, daß er sich ein richten lernt. Statt der dreihundert Mark, die ich ihm jetzt als Zuschuß im Monat bewilligt hatte, wird er mit hundert aus kommen. Immer das Doppelte von dem, waS ich ihm früher geben konnte. Und Schulden bezahle ich ihm keinen Pfennig mehr. Er muß lernen, sich cinzurichten." „Und wenn e?S nicht thut?" So geht er vor die Hühner, oder dahin, wo der Pfeffer wächst", schrie der Oberst und trat fest auf. „Du könntest, Baier?" „Ich kann immer mein Wort halten, zweifelst Du daran?" Erblassend wich Wendelin einen Schritt zurück, er kannte Herbert'S Wesen, der war nie ausgekommrn. Wenn er sich auch vor dem MajoratSerwerb in viel bescheideneren Grenzen gehalten und nicht gespielt hatte. Etwa» milder fuhr der Oberst fort: „Ich kann eS nicht ver antworten, Dir dereinst mit dem Majorate die Sorge für Ver schwender zu überlassen. Das muß geordnet werden. Ich werde sorgen, daß Deine Geschwister Dir nicht zur Last fallen. Du bist ein weicher Mensch und sollst Halt an etwas Feststehendem finden." " Ein paar Wochen später saß Wendelin lachend und scherzend mit seinen Geschwistern auf der Terrasse. Ein Brief voll Ent zücken von Jutta au- Gastein war vorgelesen worden. „Die Taube girrt da em ganzes Register wohltönender Namen herunter!" rief Adelheid mit übermüthigem Auflachen, „aber wer davon ihre Verehrer find, erzählt sie nicht. Das sollte ich sein, einfangen wollt' ich sie und sie einspannen, die Bande, im Hand umdrehen! Meinen schönen Augen sollte Keiner widerstehen!" „Du bist ja gemeingefährlich!" meinte Wendelin spöttisch. „Sie wird abscheulich kokett", seufzte Therese. „Sag' Du's ihr 'mal, Bruder, wie häßlich das ist." In diesem Augenblicke trat der Diener leise hinter Wrndelin's Stuhl und flüstert«: „Der gnädige Herr wünschen den Herrn Referendar zu sprechen." Wendelin schnellte empor und eilte zu seinem Vater. „Setze Dich, ich habe mit Dir zu reden", empfing ihn der Gestreng«. Wendelin gehorchte und sah den Vater gespannt an. „Herbert's Betragen hat mich zu ernsten Erwägungen ge führt", begann der Oberst finster und strich ein paar Mal lang sam durch seinen rothen Vollbart. „Ich rechne nicht mehr auf ihn, er wird sich nicht halten. Wie schlaff und wie schwach begabt Joachim ist, brauche ich Dir nicht zu sagen. Er wäre absolut untauglich, jemals dem Majorat« vorzustehcn, und Wal demar ist ein kränkliches Kind. Ich hoffe also auf Dich und Deine Nachkommenschaft." » Wendelin verneigte sich geschmeichelt und erbötig, den in ihn gesetzten Erwartungen zu entsprechen. Der Vater fuhr befriedigt fort: „Es ist also mein Wunsch, Dich in nicht zu ferner Zeit passend zu vermählen." In des jungen Mannes Gesicht leuchtete es auf. Er hätte den Großmüthigen für seinen Vorschlag umarmen mögen, aber Zärt lichkeit, selbst Hervortreten warmer Regungen war hier nicht am Platze. „Du hast natürlich zu befehlen", stammelte er bewegt. „Wie ich sehe, nicht abgeneigt", meinte der Vater, während etwa» wie Schmunzeln die strengen Züge belebt«. Wendelin faßte sich bei dem Anblick ein Herz: „Ich hörte gern des Näheren Deine Ansicht. Welch« Qualifikationen er wartest Du von Deiner Schwiegertochter? Darf sie ohne Ver mögen sein?" „Meinetwegen die Tochter eines Pauvrets, aber auS gutem Hause, wohlerzogen und gesund. Für die Erhaltung der Familie werde ich doch mehr oder weniger zu sorgen haben; Deine Neigung beeinflussen will ich mcht." AIS Wendelin den Vater verließ, war sein« Brust voll Glück und Jubel. Nella besaß all« die Eigenschaften, die der Gebietend« verlangte. Vielleicht würde er eS sogar als «inen versöhnlichen Schritt anerkennen, wenn an der Tochter des Manne», der durch ihn so empfindliche Verluste erlitt, etwas von der geschehenen Unbill wieder gut gemacht wurde. Am liebsten wäre er stehenden Fußes zum Bahnhof geeilt und nach Wendelstein abgefahren. Nun aber kamen ihm aufs Neu« Bedenken. Er hatte so lange nichts Persönliches, Eingehendes von den Rustebergs gehört. Wie sah es jetzt dort aus? Mit Kurt war er einmal vor längerer Zeit zusammen getroffen. Der sonst so Lebensfrische hatte ernst und bedrückt ausgesehen, ihr« Begrüßung war eine kühle und flüchtige gewesen. Wendelin hatte Beides nicht gewollt, aber Kurt's'Wesen hatte ihrem Zusammensein diesen Charakter aufgedrückt. ES mochte ja auch von jener Seite, nach allem Vorliegenden nicht anders möglich sein. Und doch hätte Wendelin gern aus geglichen und versöhnt. Jetzt ohne nähere Fühlung seinen Besuch auf Schloß Wendel stein abstatten, mit der Thüre ins Haus fallen und um die Hand der Tochter anhalten, nein, das ging nicht, das war unmöglich! Das schnitt ein wie eine Dissonanz, verletzte wie eine Taktlosig keit, und erschwerte bei der Familie die Aussicht auf Erfolg. Nella's selbst glaubte er sicher zu sein. Wo fand er die Möglichkeit, von Rustebergs zu hören? Wer konnte vermitteln? „Alle Wetter, di« Selbachs!" Er hatte es fast laut gerufen. Und schwer fiel eS ihm ausS Herz, daß er die Damen nur ein mal flüchtig nach Nella'S Abreise gesehen hatte. Später waren sie nicht zu Hause gewesen, und dann, schändlich — er hatte sie über vielem Anderen auS den Augen verloren, vergessen. Jetzt wollte er dahin gehen, möglichst artig sein und heraus locken, was sich auf seine Wünsche bezog. Das rotharmige Dienstmädchen, das Wendelin vom Winter her kannte, öffnete ihm, eS lachte heut« aber nicht wie sonst, sondern sagt« mit einem betrübten Gesichte, di« gnädige Frau sei schon lange krank. Wendelin erschrak, es paßte ihm nicht, abgewiesen zu werden. Er fragte theilnehmend nach dem Leiden der Dame. Da öffnete sich ein« Thür und Valeska eilte auf den Flur hinaus. „O, Herr von Wendelstein", rief sie freudig, „wie lieb, daß Sie einmal nach uns sehen! Bitte, bitte, treten Sie einen Augen blick hier in den Salon." Wendelin folgt« nur zu gern ihrer Aufforderung, die Klein« war immer freundlich gegen ihn gewesen, sie würde ihm vielleicht offener und sachlicher berichten, was er wissen wollt«, als die schwatzhafte Mutter, die nie bei einem Thema zu halten war. Al» Wendelin dem jungen Mädchen gegenüber in dem helleren Raume stand, sah er, daß sie schmal geworden war, ein LeidrnS- zug lag auf dem weichen Gesichtchen, an den langen, blonden Wimpern schimmerten noch Thränenspuren, jetzt aber strahlten die matten blauen Augen wie von innerem Feuer, und die Farbe kam und ging auf ihren Wangen. Pflichtschuldigst erkundigt« sich der Referendar zuerst nach dem Ergehen ihrer Mutter. Da war's, als werde eine Schleuse aufgezogen, als breche ein lange verhaltenes Weh stürmisch hervor. Er hatte dem schlaffen Kinde gar nicht so viel Leidenschaft zugetraut. Ihr war es ein Bedürfniß, eine Wohlthat, sich auszusprechen, auszusprechen gegen ihn, mit dem ihre Gedanken sich unausgesetzt als mit dem einzigen Retter aus aller Noth beschäftigt hatten. Jetzt fügte es sich nun gar so glücklich, daß sie mit ihm allein war, daß kein Mensch sie beobachtete, mochte er nun merken, wie fie litt, und was sie für ihn empfand, es galt ihr gleichviel. Sie dachte an nichts, als das Geschenk dieser Stunde auszunutzen. Sie schilderte, wie ihr armer Onkel Rusteberg für sie gesorgt, wie nun die Verhältnisse ganz andere geworden, und wie ihre rathlose Mutter seitdem schwer erkrankt sei. „O, Sie dürfen ja nicht denken, Herr von Wendelstein, daß ein Schimmer von Vorwurf für Sie mein Empfinden verbittert, Sie sind ja an Allem ganz unschuldig und sind so gut — so gut! Aber wir, wir sind rathlos. Wir sollen in einigen Wochen die Wohnung räumen. Bärmann drängt uns", sie hielt inne und flüstert«: „Mama hat Johanni die Miethe nicht gezahlt. O, was wird auS unS — was wird aus uns armen Verlassenen?" Wendelin erschrak, das hatte er nicht erwartet, sein Herz wallte auf in Theilnahme. „Aber Herr Bärmann schien ja eng befreundet mit Ihnen, mein gnädiges Fräulein, wie kann er jetzt den Glückswechsel, der sie betroffen hat, so abscheulich auS- beuten?" „Ach, Herr Bärmann ist ein fürchterlicher Mensch! Wissen Sie, er glaubt, er hat uns jetzt in der Hand, wir müssen Alles thun, was er will. Aber ich kann nicht, ich kann nicht!" „Was verlangt er denn, der — der Coujon?" „Ach, denken Sie doch einmal", — sie dämpfte wieder die Stimme zum Flüstern und trat näher an ihn heran. „Er — er — er will mich heirathen." „Der Unverschämt«! Der Narr!" Wendelin rief es in Heller Entrüstung. Wie war eS möglich, daß jener gewöhnlich« Mensch sein Auge zu diesem feinen, vornehmen Wesen erhob? Wie rührend hübsch sie vor ihm stand, das blonde Köpfchen schamhaft gesenkt. Jetzt blickte sie auf, Thronen flössen über die zarten Wangen. Sie legte di« Hand, als müsse sie sich halten, leicht auf seinen Arm und stammelte: „O, wissen Sie keinen — keinen Rath?" Tiefe- Mitleid ergriff ihn, ihre scheue Berührung durch-
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