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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.01.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-01-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990113016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899011301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899011301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-01
- Tag1899-01-13
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Im deutschen Striche, dar seit mindesten» anderthalb Jahrzehnten in der Gesetzgebung fiir Arbeiterfürsorge an der Spitze aller Kulturländer marschirt und auf diesem Gebiete besonders in den Bersicherungsgesetzen eine einzig dastehend« Leistung vollbracht hat, ist rin allgemeiner gesetzlicher Maximal- arbtttStag für erwachsene männliche Arbeiter« in Fabriken rc. nicht zur Einführung gelangt; nur für Frauen und jugendliche Arbeiter ist ein Höchstmaß der täglichen Arbeitszeit vorgeschrieben. In früheren Jahren wurden in dieser Beziehung vielfach Oesterreich und die Schweiz, wo schon seit Anfang resp. Mitte der achtziger Jahre durch Gesetz dec llstündige Maximalarbeits tag eingeführt ist, uns als rühmliches Beispiel vorgehalten. Allmählich haben solche Hinweise verstummen muffen. Anfangs waren sie deshalb wenig gerechtfertigt, weil längere Zeit in den beiden genannten Ländern die gesetzliche Bestimmung mehr auf dem geduldigen Papiere stand, als in Wirtlichkeit durch geführt war. Dann ist die thatsächliche Entwickelung auch bei uns ohne äußeren Zwang natürlich so fortgeschritten, daß, als im Reichstag — als Gegenstück gegen das socialdemokratische Paradepferd des 8 stündigen Arbeitstages — seitens des Centrums rin lOHstündiger Arbeitstag oder eine 65stiindige Wochenarbeit vorgeschlagen wurde, hervorragende Industrielle wie Freiherr v. Stumm erklären konnten, gegen ein solches Maß hätten sie an sich vielleicht nichts einzuwenden, aber es würde den Arbeitern im Ganzen kaum eine Verbesserung bringen, da jetzt schon durchschnittlich in den deutschen Fabriken kaum 10H Stunden gearbeitet werden. Aber gegen die Schablonisirung, gegen den allgemeinen Zwang sträubt man sich nach wie vor mit Recht. Selbst England, das als Musterland der fort geschrittenen Arbeiterrrchte angesehen zu werden pflegt, kennt leinen allgemeinen gesetzlichen Maximalarbeitstag. Andererseits war nicht zu leugnen, daß bei uns besonders in einzelnen ge werblichen Zweigen Mißbräuche mit zu anstrengender Arbeits zeit herrschten. Dieser wollte man nun auf Grund des 8 120« der Gewerbeordnung von 1869 zu Leibe gehen, welcher lautet: „Durch Beschluß des BundeSrathes können für solche Gewerbe, in welchen durch übermäßige Dauer der täglichen Arbeitszeit die Gesundheit der Arbeiter gefährdet wird, Dauer, Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und der zu gewährenden Pausen vorgeschrieben und di« zur Durchführung dieser Vorschriften erforderlichen An ordnungen erlassen werden." Abgesehen von an sich gefährlichen Arbeiten mit Quecksilber und dergl. ist für «in großes Gewerbe zuerst und bisher allein dieser Paragraph fiir die Bäckerei zur Anwendung gebracht, in der vielberufenen und -bekämpften Bäckereiverordnung von 1896. Der Reichstag hat mit seinen Ansichten hin- und her gependelt. Jüngst herrschte di« Meinung vor, daß mit dem 8 120« der Gewerbeordnung dem Bundesrath nicht zu weites Spiel gelassen werden dürfe, sondern, wenn schon mit weiterer Regelung der Arbeitszeit vorgegangrn werden solle, das durch Gesetz, also unter Mitwirkung des Reichstages, ge schehen müsse. Bald darauf aber änderte die Reichstagsmehrheit die Ansicht und forderte den Bundesrath auf, weiterhin eifrig, wo es angebracht erscheine, seine Vollmacht qu» 8 120« zur Anwendung zu bringen. Da» Resultat liegt theoretisch auf der Hand: überall, wo der BundeSrath die Arbeitszeit für zu lang hält, kann er eine Grenze bestimmen; denn übermäßige Arbeits zeit ist überall ungesund, und was d«m Bäckereigewerbe recht, ist aiükren Gewerben billig. Glücklicherweise geht es thatsächlich mit der allgemeinen Reglementirung und Unterpolizeistellung doch nicht so schnell weiter. Es werden erst durch die Commission für Arbeiterstatistti und anderweitig sehr eingehende Erhebungen gemacht. Diese Commission hat sich bisher besonders mit der Müllerei, den Handelsangestellten, dem Gastwirthsgewerbe, der Binnenschiff fahrt beschäftigt. Eine neue Verordnung nach der Bäckerei verordnung von 1896 hat der Bundesrath noch nicht erlassen. Jedenfalls ist vorher gewissenhafteste Erwägung angebracht. Für das Jahr 1897 waren nun auch den deutschen Gcwerbe- aufsichtsbeamten specielle, auf dieses wichtige Gebiet bezügliche Fragen vorgelegt, welche lauteten: 1) In welchen Gewerben Wahrnehmungen gemacht worden sind, die den Erlaß eines sanitären Maximalarbeitstages er wünscht erscheinen lassen; 2) worin diese Wahrnehmungen be stehen und 3) in Wilcher Weise Arbeitszeit und Pausen in den betreffenden Gewerben zu regeln sind. Die Mehrzahl der deutsch«» Aufsichtsbeamten stimmt nun nach den kürzlich herausgegebenen „Amtlichen Mittheilungen aus den Jahresberichten der Gewerbeaufsichtsbeamten" überein in der Darstellung der großen Schwierigkeiten, die die Lösung einer derartigen Aufgabe überhaupt, namentlich aber in ver- hältnißmäßig so kurzer Zeit gegemiberstehen. Es wird darauf hingewiesen, daß „übermäßige Dauer der täglichen Arbeitszeit" ein zu vager Begriff sei; daß die gesammte Lebenshaltung des Arbeiters, seine Ernährungsweise, seine Wohnungsverhältniffe, sowie die Höhe des Lohnes rc. die Widerstandsfähigkeit gegen die Einflüsse der Arbeitsdauer bedeutend beeinflussen; daß un solide Lebensweise, Branntwein- und Biergenuß in Frage kommen; daß die Einrichtung der Betriebs- und Arbeitsstätten, der in der gesundheitlichen Handhabung des Betriebes überhaupt liegende Unterschied, die Verschiedenheit der dem Einzelnen inner halb desselben Betriebes obliegende Arbeitsleistung und das Wechseln der Arbeiter dazu beitragen, das Urtheil über die Wirkungen der Arbeitsdauer zu erschweren. Der Bericht für Magdeburg z. B. sagt, „daß die Länge der Arbeitszeit nur einer von den vielen Faktoren ist. die innerhalb des Betriebes die Gesundheit des Arbeiter« beeinflussen und daß zweifellos größere Erfolge durch hygieinische Maßnahmen zu erzielen sind". Die Aufsichtsbeamten betonen bei der Mittheilung ihrer Wahr nehmungen und Vorschläge wiederholt, daß die Vornahme ein gehender und sorgfältig vorbereiteter Erhebungen unerläßlich sei, falls der Angelegenheit weitere Folge gegeben werden solle. Die bisherigen Erhebungen dürften nicht als sichere, für gesetz geberische Maßregeln ausreichende Unterlage gelten. Uebrigens heben die Aufsichtsbeamten die ohnedies zurückgehende Tendenz der Arbeitszeit hervor. Jedenfalls muß auch aus ihren Be richten der Schluß gezogen werden, daß bei aller löblicher socialer Arbeitrrpolitil in Sachen des „sanitären MaxiMalarbeitstagrs" wie überhaupt in der behördlichen Reglementirung nur sehr vor sichtig vorgegangen werden darf. Das Handwerk ist ohnedies längst nicht weniger als glänzend gestellt, und die deutsche Industrie leistet bereits mehr für die Arbeiterfürforgr als die irgend eines anderen Landes, und schließlich kommt doch für ihre nöthige Concurrenzfähigkeit auf dem Weltmärkte auch wesentlich mit in Frage, daß sie nicht über Berhältniß in der Heimath be lastet werde. Die Letheiligung an -er Pariser Weltausstellung. L2 Die vorgestern vou un« veröffentlichte, der „Nationallib. Correfp." auS dem bergisch-märkischen Jndustriebezirk zuge- aangene Besprechung der seltsamen Art, wie die Bänder-, Cordel- und Eisenindustrie in Barmen ihren plötzlichen Entschluß, an der Pariser Weltausstellung von 1900 theil- zunehmen, begründet hat, ist nicht unwichtig und sehr will kommen. Als vor Jahren von der Reichsregierung die Be theiligung „Deutschlands" an dem französischen Unternehmen zugesagt worden war, hatte das genannte Parteiorgan auf Grund genauer Kenntniß der Anschauungen eine« großen Theile» der deutschen Industriellen die Zweckmäßigkeit der Ausdrucksweise der Regierung bezweifelt und ent schieden Verwahrung dagegen eingelegt, daß nun eine kost spielige und nutzlose Beschickung der Pariser Ausstellung al» eine Sache der nationalen Ehre betrachtet werden müsse. Seitdem ist die Betonirung dieser nüchternen Auffassung in der deutschen Presse und auch in der „Nat.-lib. Corr." zurück getreten. Um so erfreulicher ist es, daß in dem national liberalen Parteiorgan und zwar aus dem industriellen Westen wiederum erklärt wird, daß die Ausbreitung deutscher Erzeugnisse auf dem Pariser Saecular - Jahrmarkt gar nicht« mit dem Patriotismus zu thun habe und ledig lich unter dem Gesichtspunkte de» Interesse« des einzelnen Erzeuger« zu betrachten sei. Da« ist die einzige zutreffende Ansicht, und wer ihr nicht zustimmen möchte, der sei auf die seit Langem alltäglich in der französischen und der englischen Presse, besonder« auch der kommerziellen und der gewerblichen Fachpresse laut werdende Bewunderung deS industriellen Fortschrittes Deutschland« hin- gewiesen. Wir wissen wohl, daß diese Publicistik in achtenSwerther Erfüllung einer patriotischen Pflicht recht kräftig übertreibt, um den Wetteifer ihrer Landsleute anzuspornr», vielleicht auch, um die Deutschen eiozuschläfer». Jedenfalls aber haben diese anerkennenden Urtheile der Concurrenteu und Neider Bedeutung genug, um Denjenigen unter un«, die sich nicht au« persönlichen Gründen veranlaßt fühle», die Pariser Aus stellung zu beschicken, die Gewißheit zu geben, daß die Rücksicht aus den Ruf deS deutschen Gewerbefleißes sie nicht zur Betheiligung zu bestimmen braucht. Jeder Hundertmark schein, der ohne Rücksicht auf das private Interesse deS Aus stellers und etwa auf eine sanfte Pression „von oben her" für Paris und in Pari» auSgegrben wird, ist, vom natioualwirthschaftlichen Standpunkte betrachtet, hiuausgcworfeue« Geld und würde weit gemeinnütziger für Luxusausgaben, die deutschen Taschen zu Gute kommen, ver wendet. Wer au-stellt, dar versteht sich von selbst, muß sich vergegenwärtmeu. Laß man seine Erzeugnisse darauf hin ansieht, daß sie in unserem Vaterlande verfertigt sind. Aber wa« nicht da ist, thut dem deutschen Ansehen keinen Abbruch. Die sogenannte würdige Repräsentation der gesammten Industrie ist eine überflüssige und, weil sebr kostspielig, eiue volkSwirtbschastlich nicht wünschenSwerthe Sache. Außer den direkten Ausgaben, die sie verursacht, kann die Betbeiliguag auch unmittelbaren dauernden Schaden für vielerlei Kategorien von Ausstellern mit sich bringen. Und die» gerade namentlich in Frankreich, wo die ausgestellten Gegenstände nicht aus reichend vor unbefugter Nachahmung geschützt sein werden. Auf deutscher Seite bat mau »war, weil man hier auS Erwägungen, die eine Eigentyümlichkeit deS neuen Eurse» bilden, eine möglichst große Betheiligung um jeden Preis wünscht, nach dieser Richtung hin zu beruhigen ver sucht. In der kaltblütigen Schweiz ist man vorsichtiger. Wie wir den „Berl. Neuest. Nachr." entnehmen, machen die „BaSlrr Nachrichten" gegenüber der Behauptung von einem angeblich in Frankreich gewährten Ausstellungsschutz darauf aufmerksam, „daß, so lange die französische Gesetzgebung nicht geändert oder nicht eine noch zu erlassende ausdrückliche Be stimmung in da» AuSstelluugSdecret ausgenommen wird, der Ausstellungsschutz für ausländische Aussteller von Mustern und Modellen (Stickerei, Bijouterie u. s. w.) eia sehr prekärer sein dürfte; denn durch da» Pariser Urtheil in Sachen Grauer-Frey ist festgestellt, daß ausländische Muster und Modelle in Frankreich nicht geschützt sind, wenn sie nicht in Frankreich selbst auSgrbeutet werden, und der bestehende AuSstellung-schutz ändert an diesem maßgebenden Grundsätze absolut nicht«; derselbe dient nur dazu, die Priorität zu erzielen, nicht aber, einen effektiven Schutz gegen Nachahmung zu gewähren." Auch die „N. Zürcher Ztg." bringt eine scharfe Warnung in gleichem Sinne. Mit einem temporären Schutz für die Dauer der Ausstellung und drei Monate darüber (nach der günstigsten Auslegung de» Gesetze«) habe e« herzlich wenig auf sich. „Die ganze Fabel vou den besonderen Garantien reducirt sich also auf eine Reise von PontiuS zu PilatuS, die man dem gutgläubigen Aussteller zumuthet." Der Artikel de» Züricher Blatte« schließt: „ Zur Zeit besteht da» Pariser Urtheil. ES macht für jetzt Recht. Mit ihm muß man rechnen. Und darum gilt für uns our di« Alternativ«: entweder rin llorrectlv hiergegen in Form einer befouderea, ausdrücklichen «ad dau«rnd«n gesetzlichen Auf hebung de» angerufeuen AuSführungszwange» oder dann Beibri ngung an der Ausstellung von 1900 nur von Seite Solcher, bei denen nicht» zu copireu und darum auch wohl nicht viel zu lernen ist, und Ferableiben aller Derjenigen, die sich nicht zum Narren französischer Nachahmer und französischer Gerichte machen wollen." Zur Beherzigung! Deutsche- Reich. L. Berlin, 12. Januar. (Jndustriefeindlich« leit.) Zu der Meldung, daß nach vorläufig«! Schätzung auch im Jahre 1898 die deutsch« Ausfuhr ein« Zunahme erfahren halben dürste, bemerkt die. Deutsche Tagesztg. ": „Wenn diese Vermehrung der Ausfuhr an sich auch erfreulich ist, so ist sie doch verhältnihmäßig nicht allzu bedeutend. Vor allen Dingen aber kommt es darauf an, wie ihre Vermehrung sich zu der Ver mehrunq der Einfuhr stellt, und da läßt sich schon heut« mit Be stimmtheit sogen, daß unsere Handelsbilanz sich wieder wesentlich verschlechtert haben wird." Zunächst läßt sich diese „Ver schlechterung" keineswegs mit Bestimmtheit Vorhersagen, denn in einem großen Th«le d«S Jahres, hat die Ausfuhr proventual ir einem erheblicheren Maße zu genommen al» di« Einfuhr. Allerdings ist diese Zunahme im relativen Sinn« zu verstehen, da Kic Einfuhr die Ausfuhr stets erheblich übersteigt, so daß Lallschuhe. Plauderei von Francs Hon. Nachdruck verbot««. Das Attribut der Balldame waren immer die Ballschuhe. Zur Zeit de» ersten französischen Kaiserreiche», da man in allen Mckdedrngen antikisirenben Tendenzen huldigte, versuchten die Damen es freilich, ihre Quadrillen auf zarten ledernen, mit bunten Riemen festgefchniirten Sohlen zu tanzen — um nicht allzu barfüßig zu erscheinen, streiften sie sich noch hier und da juwelengrschmückte Ring« aus die Zchew und umwanden ihr« Knöchel mit goldenen und silbernen Schlangen — aber ebenso, wie ihre Gewänder nur Earicaturen des griechischen Peplon und Hi matt on darstellten, so war die» auch mit ihren Sandalen gegenüber den antiken der Fall. Allgemein wurde die Mod« überhaupt nicht, und bald verschwand sie ganz vom Schauplatz, um nur gelegentlich von Maskenbällen wieder ausgenommen zu werden. Wer zu solchen die Tracht einer Griechin, Römerin oder Egypterin anfegt«, meint jo doch der historischen Wahrheit zu Liebe dir Sandalen nicht entbehren zu können, ob er damit aber immer Recht Hot, möge folgende kleine Episode lehren. E» war auf einem MaSSenball, der vor einigen Jahren in einem vornehmen Pariser Haus« stattfand — einer jener Masken bälle, die sich dadurch vmSzelchnen, daß eigentlich Keiner der daran Theilnehmenben maSkirt ist. Di« Herren tragen Frack und weihe Halsbinde und die Damen — je nun, ein kundiges Auge bemerkt ja wohl, daß irgend «im Kleinigkeit an ihrer Toilette, eine un gewöhnliche Tofffiirr »der ein ausfallender Fächer nicht ganz der jeweiligen Mode entspricht. Bei dem Fest nun, von dem ich rede, musterten sich die jungen Mädchen Mit kritischen Micken, um herauSznfinden, inwiefern Jede von ihm» dem „Mummen schanz" Rechnung getragea, der einer au» ihrem Kreise aber ge- lany ihnen die» beim besten Willen nicht. Die Betreffende, da» einzig« Töchterlein eine» Marqui», streckt« jedoch ihr schmaler Füßchen vor und sah ihre Gefährtinnen trknnphirenb an. Ihre Schche waren von jenem reinen Himmelblau, das wir noch heute an den Gewändern der böotischen Lanagrafiguren bewundern, vorüber legte sich ein weiße», florartige», mit goldenen Arabesken bestickt«» Gewebe, da» auf dem Blatt durch eine in Gold und Rosa bemalte Rosette fest^ehalten wurde. „Sehr chik, sehr ge schmackvoll!" läblen die jungen Damen, „aber völlig modern!" „Da» Ihr denkt!" entgegnet« die Besitzertn, „da» sind altegyptische Tanzschuhe!" Ob biestr AuRunst herrschte allgemeine» Er- st»unen, scher btt Sache hatte doch ihr, Richtigkeit. Die chiken Bastschuh« war«» getreu, Eapeen «im» Paaw», da» man jüngst aus einem mehrtausendjährigen Grab im Pharaouenlande ans Tageslicht befördert hatte. Wie die Sachverständigen be haupteten, sollte «S dereinst einer Tänzerin des JsiStempelS ge hört haben. Man sieht, es giebt eben nichts Neues, nicht einmal auf dem Gebiet der Mode. Doch nicht nur, was vor Zeiten ingeniöse Handwerker der Brauche erdacht, sondern auch Das, wovon nur alte Sagen und Märchen erzählen, finden wir heute in tadelloser Ausführung wieder. So gehören z. B. Aschenbrödels Glaspantöffelchen keineswegs mehr ins Reich der Phantasie, vielmehr haben ge schickte Glasspinner di« entzückendsten Ballschuhe iu Changeant tönen, wie in uni für unsere tanzlustigen Damen verfertigt. Flüchtig betrachtet sehen sie wie ein ungewöhnlich fein«s Flecht werk aus. Trotz ihrer weichen und schmiegsamen Beschaffenheit sind sie doch sehr unpraktisch, La die Fäden leicht ausspringen und dann gleich Stacheln emporstehen. Bei den kunstvollsten be steht das Blatt aus einer kleinen, spitzenartigen Figur, die auf einer abstechenden Seidenunterlage wunderbar schön zur Geltung gelangt. Jedenfalls aber wird die zierlich« Waare niemals ein gangbarer Toilettenortikel werden, ebenso wenig als manche anderen von unseren üblichen Ballschuhen abweichenden Fuß bekleidungen, welche zeitweilig auftauchten. Zu diesen gehören die Holzpantinen, auf denen ab und zu sensationslüsterne junge Damen auf den augenblicklich beliebten Waschermad'lbällen zu tanzen versuchen, ferner die mohnblattdünnen, zartfarbig be malten Schuhe aus Teakholz, die zuerst vor etwa einem halben Decennium ein Helgoländer Schiffer für ein« schöne Engländerin au» den Trümmern eines gestrandeten Schiffrs schnitzt« und die in den leichten, für Ballzweck« gor nicht so üblen Korkschuhen ebenbürtig« Rivalen fanden, wie lant not Iea»t die chinesischen Schuhe. Den letzteren verhalf vor fünfzehn bis zwanzig Jahren die Gemahlin de» damaligen Gesandten in Berlin Li-Fong-Pao zu einem gewiss«» Ansehen bei unserer Damenwelt. Diese Tochter de» Himmels beabsichtigte ursprünglich, sich zu öffentlichen Ge legenheiten nach europäischer Mod« zu kleiden, nachdem aber der olttikfins« sich bei einemHofiball, zu dem sie noch in ihrer heimath- kichen Tracht erschienen war, über di« malerische Wirkung ihrer bunten, herrlich gestickten Gewänder ausgesprochen, blieb sie diesen auch für die Folge treu. Die huldvollen Worte des hohen Herrn an die Gesandtin veranlaßten jedoch einzelne unserer Damen, sich gleichfalls ein vollständige» chinesisches Costüm anzuschaffen. Allerdings waren ihre Schuhe nicht ganz stilvoll, da ihre Träge rinnen sie ihren unverkrüppelten Füßen hatten anmessen lassen. Da» Opfer, sich diese zu verkürzen, war ihnen denn doch zu groß. Ach, heute bringen unsere Damen der Schuhmvde immerhin recht erhebkiche Opfer. Denn dir scharfen Spitzen an den Schuhen sind fo widersinnig wie möglich, zumal zum Tanzen, wobei der Fuß völlig nach vorn rutscht. Sollen sie nicht drücken, so müssen sie mindesten» drei bi» vier Lrnttmeter zu lang sein. Wa» wollen dieser Unsitte gegenüber die Absätze bedeuten, über die man sich so viel ereifert und di« an Tanzschuhen sich wirklich allerliebst ausn«hm«n. Man tragt sie daher bei diesen auch beträchtlich höher als bei anderen Fußbekleidungen. Ein« aparte französische Mode — im klebrigen will ich hier gleich constatiren, daß unsere Ball schuhe fast ausnahmslos Pariser Geschmack repräsentiren — sucht die Absätze noch besonders point 6« vue zu machen, in dem sie sie zu dunklem Leder in leuchtenden Farben vorschreibt. Tief aus geschnittene Rosettenschuhe aus schwarzem Lackleder mit siegellack- rothen Wsätzen und blattlos« Spanyenstiefletten aus chagrainir- tem Leder in Olive und Russischgrün mit buttergelben Absätzen sehen zwar bizarr, aber doch graziös aus. Natürlich sind beide Arten nur für kleine Tanzfesttichkeiten geeignet. Au Bällen trägt man heute wie immer meist Helle Schuhe, am liebsten mit der Toilette harmonireude. Rosa, matt blau, seegrün, gelbe und lila Seidenroben erfordern überein stimmende Schuhe, ist das Kleid jedoch aus Gaz« oder Tüll ge arbeitet, so überlegt man auch jene mit durchsichtigem Material. Wer e» zu theu«r findet, sich zu jedem Anzug« rin andere» Paar anzuschaffen, der begnügt sich jedoch mit weißem Fußwerk aus Atlas oder englischem Leder. Dies besitzt den Vorzug größerer Dauerhaftigkeit und braucht außerdem nicht gewaschen zu werden, wenn es schmutzig geworden. Man überreibt es dann einfach mit Kreide. Vorsichtige Damen sichren daher auf Bällen auch meist ein Stückchen Kreide zu diesem Zwrcke bei sich. Zu bunt ge musterten Kleidern mit weißem Fond find die weißen Schuhe sogar obligatorisch. Man trägt in diesem Falle der Vielfarbig keit deS Costüm» durch entsprechenden Ausputz des Fußwerks Rech nung. Heber Wattenunterlag« gestickte, ausgeschnitten« Plattstich blumen dienen statt der Rosette, ein Plein auS bunten Flittern, Sterne aus Perlen oder Chenilleflocken übersäen den Oberstoff, und Spangen au» mehrfarbigem Metall »der gemusterten Bän dern vermitteln den Verschluß. Entzückend sind auch bemalte Schuhe, auf denen sich die zum Schmuck der Toilette verwendeten Blumen, in Wasserfarben ausgeführt, wiederholen. Eine der zeitig« Moderichiung, di« sich in allerhand kunstgewerblichen Gegenständen auSfpricht, verlangt, daß diese gemalten Blüthen und Blätter im Gegensatz zu den an der Eoiffüre und dem Kleid« befestigten stilisirt werden. Zuweilen schmückt man sogar die Schuhe selbst gleichzeitig mit naturalistischen und stilisirttn Blu men. So sah ich auf einer Pariser Skizze. die ein hervor ragender Loilettenmaler entworfen, ein Paar Schuh« auS weißem Seidenrepps, di« mit naturgetreuen JriSbküthrn übersäet waren, indeß die Außenränder eine arabeSkenartige Jriiborte umgab. Ein zweite» Paar zeigte zu einem verschwommenen Pompadour- mustrr grellfarbig« Bordüren. Wieder an andere« Schuhen einen stch de» gematten Blumen plastisch« an» Stoff, Knetmoffe oder gefärbte Muscheln. An sehr niedlichen weihen, mit Rosen bemalten AtlaSschuhen vertraten Dijonrö»ch«n, die man beidersritig durch je ein grünes Blatt verlängert hatte, die bis zu den Knöcheln hinaufgehenven Spangen. Fast noch schöner al» auf Seide macht sich di« Malerei auf «dem allerding» sehr theuren farbigen GlacL- leder, das namentlich in Blaßrosa von herrlich «rtbaSartiger Wir kung ist. Die vornehmsten Ballschuhe sind <ch«r doch die mit Ueber- zug auS echten Spitzen und Brüsseler Kanten über farbiger Seidenuntrrlagr. Fürstinnen und MillionairSyattinaen vervoll ständigen sie sogar noch durch Monogramme und Wappen aus Brillanten «der Perlen in der Mitte d«S Blattes. Für eine italienische Prinzessin, der Tochter eine» vielgenannten ameri kanischen Eisenbahnköeriy», wurde solch einPaar, «in kleine» Ver mögen «präsentirender Schuhe mit dem Wappen ihr«» Gemahls aus auserlesensten Rubinen, Saphiren, Smaragden und Dia manten decorirt. Darüber prangte ein« Fiirstrnkrone au» Gold filigran mit Rubinfiillung. Fast ebenso prunkvoll, aber keiner Wegs sonderlich theuer sind die Schuhe, welche man zu den hoch modernen abgefirßten Ballkleidern au» schwarzem gestickten Tüll trägt. Hier sind die Mustrrfiguren mit Glasperlen, foliirtrn und geschliffenen GlaSsteinen, Goldfäden, Kantille und Flittern auSgenäht. Am schönsten sieht «» au», wenn da» Dessin ganz aus schuppenaetigen Übereinander gelugten Mondschein- und Reqrnbogenflittern gebildet ist. Die irifirende Oberfläche der selben wirkt förmlich blendend. Eine höchst malerische Abart unserer heutigen Ballschuhe, die man ober freilich nicht allzu oft sieht, zeichnet sich durch ihren völlig aus Federn combinitten Bezug aus. Zuerst wurden sie aus der Insel Madeira importirk, wo man sie in wundervollen, narziffenartigen Flachenmotiven in Weiß und Grün, oder ganz au» schillernden Federn in buntem Durcheinander herstellte, bei unS copirte man sie dann mit Pfauenfedern. Zuguterletzt noch ein paar Worte über Schtchschoollen, in denen die Modedamen die unglaublichsten Ideen zum Ausdruck bringen. Eine Pariserin, deren Beispiel bald Nachahmung fand, zerschlua ein Stück ihre» kostbaren SSvreporMllan», um di« un regelmäßigen Scherben, in Gold gefaßt, al» Schuhschnallen zu verwenden, eine zweite Darm benutzte statt dessen winzige Spiegel in Rahmen au» Almandinen und Türkisen, und eine dritte gar — o, Gipfel der Geschmacklosigkeit — fügte die Bilder ihrer ZwistingStinder den Schuhrosetten «inc Da» möchten Wohl die Polen, die au» den Bastschuhen ihrer Domen deren Wohl zu trinken lieben, zu den geschilderten Luxu»- ubertrribangen sagen? Brrmuthlicb dürften st« wenig damit zufrieden sein, denn ihre Schönen dürsten, so schmeichelhaft eine solche Huldigung auch fiir jede Einzeln« ist, ihre kostbaren Schuch« diesem Brauch doch schwerlich opfern.
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