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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.01.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-01-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990117016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899011701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899011701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-01
- Tag1899-01-17
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VezugS-PE N tz« Hauptexpeditton oder de» im Stadt« bezirk und den Vororten errichtete» Au», aabrstrlle» abgeholt: vierteljährlich^4^0, bei zweimaltgrr täglicher Zustellung ins Lau« >S LSO. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich ^l S—. Direkte tägliche Sreuzbandirndung in» Ausland: monatlich »l 7.bO. Die Morgen-Au-gabe erscheint um '/,? Uhr, di» Nb«»d-A«Sgabe Wochentags um b Uhr. Ne-action «nd Erpe-itio«: JohanneSgasse 8. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr» Filialn»: Dtts Klemm'» Sortim. (Alfred Hahn), Universitätsstrab« 3 (Paulinrv), Lotti» Lösche. Katharinenstr. 14, part. und KSrigsplatz D 29. Morgen-Ausgabe. NMM TlUsMatt Anzeiger. Amlsökakt -es Llöniglichen Laich- nnd Amtsgerichtes Leipzig, -es Ruthes und Notizei-Amtes -er Lta-t Leipzig. Dienstag den 17. Januar 1899. Anreiaen-PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reklamen unter dem NedactioiiSsrrich (4ge» spalten- üO^Z, vor den Familiennachrichlci (6 gespalten) 40/i^. Größere Schriften laut unserem Preis« ve^eichiiiß. Tabellarischer und Zisferiija» nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit de. Morgen.Ausgabe, ohne Postbesörderuug 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Ännahmeschlnß für Anzeigenl. Abend-AuSgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag- 4Uhrs Bei den Filialen und Annahmestellen je ein» halbe Stunde srüher. Anzeigen sind stets an L« Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz la Leipjir 93. Jahrgang. Ver wirthschastliche Kampf Mischen Tschechen und Deutschen in Löhme« wird, wie man uns von dort schreibt, täglich mit wachsender Erbitterung geführt. Die Tschechen find bestrebt, so viel als möglich Fabriken und Grundbesitz im gemischtsprachigen Gebiete anzulaufen, der hochentwickelten deutsch - böhmischen Industrie eine tschechisch - nationale Industrie gegenüberzustellen und deutsche Fabrikate und Kaufleute nach Kräften zu boycottiren. Letzteres Manöver wurde besonders während der Weihnachtszeit in Prag ausgeführt. Eine Reihe Prager Tschechenblätter wiesen darauf hin, daß noch immer zahlreiche tschechisch-patriotische Damen ihre WeihnachtSeinkäuse in deutschen Damenmode- Geschästen u. s. w. deckten. Einige tschechische Patrioten hatten sich denn auch wirtlich vor verschiedenen deutschen Kaufläden am Wenzelsplatze und am Graben aufgestellt, die Namen der tschechischen Käuferinnen in deutschen Geschäften notirt und den Redaktionen übergeben. Zugleich stimmte ein anderes Tschechen blatt, der in Laun erscheinende „Luean", ein Jammerlied an, daß die nationalbewußten tschechischen Hausfrauen sich und ihre Kinder immer noch mit deutscherSeiffe wüschen und speciell die von den Tschechen bohcottirte Schicht'sche Seife an wendeten. Ein anderes Tschechenblatt wies darauf hin, daß die Tschechen bereits tschechisch-nationale Bleistifte und tschechisch-nationale Tinte fabricirten, aber die meisten Tschechen zögen immer noch deutsche Fabrikate vor. Ja, in Prag munkelt man sogar, daß der Chefredakteur eines großen Jungtschechenblattes seine fulminanten Leitartikel gegen das Drutschthum mit deutscher Tinte, die in Chemnitz in Sachsen hergestellt würde, schreibe. Ganz besonders eifern die tschechischen Patrioten gegen die Anlage tschechischer Capitalien in deutschen Sparkassen und deutschen Vorschußvereinen. Die zahlreichen Veruntreuungen aber, die in den letzten Jahren bei den tschechischen ZaloLnas (Sparkassen) vorkamen (die Be amten derZaloLnaS find sehr schlecht honorirt und diese Geld institute werden nicht genügend revidirt), haben auch die heiß blütigsten Tschechen sehr vorsichtig gemacht. Beträgt doch das Deficit bei der Jungbunzlauer tschechischen Sparkasse, welches der Cassirer Wilt verschuldet hat, nicht weniger als 700 000 Gulden. Noch schrecklicher aber als dieser Fehlbetrag ist der Umstand, daß der in Chicago verhaftete Wilt nicht durch tschechisch-amerikanische Polizisten, sondern durch englisch - amerikanische Detektivs nach Böhmen zurückgebracht wurde Das Tschechenblatt „Svornost" und die „Narodni Listy" haben thatsächlich in der angedeuteten Hinsicht ihrem Schmerze Ausdruck gegeben. Neuerdings haben zwar die Tschechen verschiedene nationale F a b r i k i n st i t u t e, wie in Prag eine „Erste tschechische Actien-Porzellanfabrik" begründet, und unter anderen auch in Obernitz für rund 400 000 Gulden eine deutsche Thonwaarenfabrik angekauft, aber im Allgemeinen macht die tschechische Industrie keine Fortschritte. Tschechische Bankinstitute schießen zwar jetzt wie Pilze nach einem warmen Regen in die Höhe, aber ob sie von langem Bestände sein werden, ist die Frage. Man wollte auch die deutsche Textil-Jndustrie in Böhmen vernichten, und gegen Reichenbcrg wurde — Humpoletz ins Treffen geführt. Das Ende war eine gewaltige Blamage und der vollständige Bankerott der tschechisch-nationalen Textil- Jndustrie. Nur in der Bierbrauerei und Zuckerfabrikation, allenfalls noch in der Maschinen-Jndustrie, leisten die tschechischen Unternehmer etwas. Sonst aber steht die deutsche Industrie in Böhmen noch vollständig unerschüttert da. Srweit es sich um eine leidenschaftlich-terroristische Parteipropaganda handelt, sind die Tschechen den Deutschen überlegen, und auch Beamtenposten zu ergattern und zu behaupten, verstehen sie meisterhaft. Aber auf industriellem Gebiete sind sie doch noch sehr rückständig. Mit dem geplanten „Grundaniaufs-Fonds", durch den deutsche Landwirthe ausgekauft werden sollen, hapert es sehr, und manchmal geht auch den tschechischen Patrioten ein Licht auf, daß der von den Tschechen heraufbeschworene wirthschastliche Kampf auf vielen Feldern zu Gunsten der Deutschen entschieden werden muß. So schreibt der Secretair der tschechischen Budweiser Handelskammer, vr Schuster, im „Obzor Narodohospod": „Die Verkünder des tschechischen Loosungswortes „Svujk svömu" (der Seine zu dem Seinen) auf wirthschaftlichem Gebiete bauten vor Allem auf das ziffernmäßige Uebergewicht der tschechischen Nation, sie erwogen aber nicht, daß für den Sieg nicht die ziffernmäßige Kraft, son dern die Consumtions-Kraft der Bevölkerung maßgebend ist. Es ist doch klar, daß der reiche Fabrikant oder der Kaufmann mannich- fachere und viel mehr Lebensbedürfnisse hat, als der Landwirth, der mittellose Handwerker oder der Arbeiter, und zwar nicht nur hinsichtlich der Menge, sondern auch hinsichtlich der Qualität und daher auch hinsichtlich des Preises der Bedürfnisse." Im Uebrigen müssen die Tschechen immer wieder einsehen, daß es ohne die deutsche Sprache nun einmal nicht geht. Die Prager „Narodna Polityka" hatte vor Kurzem «ine Reihe tschechischer Pfarrer im geschlossenen tschechischen Sprachgebiet denuncirt, daß sie den abwandernden Arbeitern Trau- und Tauf scheine nur in deutscher Sprache ausstellten. Darauf schrieb aber das klerikale Prager Tschechenorga daß die Leute deutsche Aus weispapiere haben müßten, denn die Tschechen gingen nach Sachsen und Preußen auf Arbeit, und da hätten sie sich mit deutschen Trauscheinen und Geburtsscheinen auszuweisen, denn sonst erwüchsen ihnen in der Fremde Unannehmlichkeiten und finanzielle Nachtheile. Reisen doch auch die Tscheche^ wenn sie sich nach Rußland, Serbien und Bulgarien, also nach slawischen Ländern und überhaupt ins, Ausland begeben, immer mit einem Passe in deutscher Sprache; denn die österreichischen Staats behörden stellen die Reisepässe für das Ausland auch noch heute nur in deutscher Sprache aus. Ja, auch als der be—rühmte Panslawist Komarow im vergangenen Jahre nach Prag kam. und dort in panslawistiickrcr Verbrüderung das Menschenmöglichste leistete, war sein echt russischer Paß in russischer und deutscher Sprache ausgestellt, denn die russischen Staatsbehörden stellen den ins Ausland reisenden Russen alle Pässe russisch und deutsch aus, auch wenn die Paßinhaber sich nach — Prag begeben. Schließlich muß doch gerade für die intelligenten Tschechen die deutsche Sprache nicht gar zu entschlich sein, denn wiederholt haben sehr bekannt« Prager Tschechenführer ihre Töchter Jahre lang in deutsche Pensionate nach Dresden geschickt, um ihnen eine deutsche Erziehung geben zu lassen. Im Uebrigen wachsen auch die tschechischen Bäume nicht in den Himmel! Deutsches Reich. Berlin, 10. Januar. Von den „Nationalsocialen". Wie tief die Nationalsocialen im Banne socialdemokratischer Ideen stecken und wie groß ihre Bereitwilligkeit ist, der socialdemokratischen Agitation Vorschub zu leisten, daS zeigen 1 wieder einmal die beiden letzten Nummern der Naumann'schen Hilfe". In der Nummer vom 8. Januar wird eine I Blüthenlese aus Beschwerde» der socialdemokratischen Berg arbeiterzeitung über angebliche Mißstände im Bergbau zusammengestellt und dazu bemerkt: Genug der Beispiele! Wir sind bei der Durchsicht dieser einen Zeitungsnummer noch nicht einmal bei den „Berichten aus dem Kreise der Kameraden" angelangt. Fast jeder Bericht ist wieder eine Anklage! Und so geht es Nummer für Nummer und Woche um Woche! Unterbrochen wird diese Eintönigkeit nnr durch die häufigen Unglücksmeldungen von den Bergwerken her! Kann man sich wundern, wenn da selbst der unbetheiligte Beobachter all dieser Thatsachen und Zustände mit verbittert wird, wenn der einfachen, billigen Forderung der Bergleute: „praktische Arbeiter als Mit- controlleure der amtlichen Grubenaufsicht" immer nur ein kurzes, entschiedenes „Nein!" entgegenhallt." Herr Naumann, wie er lebt und webt! Weil die social demokratische Hetzpresse ihre Spalten mit nichts Anderem füllt, als mit Anklagen gegen das Unternehmerthum, weil sie diesen Unfug sportsmäßig betreibt, deshalb ist Herr Naumann nicht wie andere Leute doppelt vorsichtig in der Beurtheilung dieser Beschwerden, sondern er wird „ver bittert" und kann nicht verstehen, warum der Racker von Staat die socialdemokratischeu Forderungen immer noch nicht erfüllen will. Als ob dann und so lange überhaupt der heutige Staat besteht, in der socialdemokratischen Presse jemals etwas Anderes getrieben werden würde als Hetze, Hetze, Hetze! — Unmittelbar darunter berichtet die „Hilfe" über den Weberausstand in Crefeld. Sie muß selbst gestehen, daß es für den Nichtfachmann bei der Unkenntniß der technischen Details unmöglich sei, zu entscheiden, wer hinsichtlich der Wirkungen des neuen Lohntarifs Recht habe, die Fabrikanten, welche behaupten, daß der neue Tarif für die Arbeiter günstiger sei als der alte, oder die Weber, die das Gegentheil für wahr erklären. Trotzdem ist Herr Naumann am Schluffe des Artikels mit seinem Urtheile dahin fertig, daß die öffentliche Meinung „zweifellos" auf die Seite der Weber werde treten müssen. Ich kenne die Gründe der Fabrikanten nicht, aber ich mißbillige sie. — In der Nummer vorher bringt die „Hilfe" einen zwei Spalten laugen Bericht über em socialdemokratisches Begräbniß in Magdeburg, wie ihn auch ein „Genosse" nicht — socialdemokratischer batte färben können. Ganz un bedenklich muß selbst der Nedaction die Aufnahme nicht erschienen sein, denn sie bringt an anderer Stelle so etwas wie eine Entschuldigung vor. Die „Hilfe"-Leser, meint sie, könnten sich )a die nöthigen Anmerkungen dazu selber machen. Dabei siebt aber die verschämte Verwahrung an einer so versteckten Stelle, daß sie den Wenigsten, die den von einem Theologen herrührenden Bericht gelesen haben, ins Auge gefallen sein wird. Alles Arbeit für die Social demokratie! U Berlin, 16. Januar. (Die Auszahlung der Löhne minderjähriger Arbeiter an deren Eltern oder Vormünder.) Von behördlicher Seite werden bekanntlich vielfach noch immer die Versuche erneuert, die Gemeinden oder weiteren Communaloerbände zum Erlasse von statutarischen Bestimmungen auf Grund des ß 119a der Gewerbeordnung zu bewegen, die sich auf die Auszahlung der Löhne minderjähriger Arbeiter an deren Eltern oder Bormünder beziehen. Diese fakultative Vorschrift, welche durch die Novelle vom 1. Juni 1891 in die Gewerbeordnung eingefügt ist, ist bekanntlich nur recht vereinzelt zur Durchführung gelangt. Es ist deshalb von Interesse, die Gründe kennen zu lernen, welche einen Theil der Industriellen zu einer ablehnenden Haltung in dieser Frage bestimmen. In dem neuesten Jahresbericht cer Handelskammer zu Essen heißt es darüber: Ziva-, wird nicht in Abrede gestellt, daß eine Stärkung des Einfluss-.-- der Eltern auf die minderjährigen Arbeiter im Allgemeinen als Wünschenswerth angesehen werden müsse, jedoch wird bezweifelt daß bei den eigenartigen Verlsiiltnissen unseres Jndustriebezictcc eine solche Stärkung des Einflusses der Eltern durch den Erlaß durchgreifender Bestimmungen zu erzielen sein werde. Zur Begründung dieser Ansicht wird darauf hingewiesen, daß die in hiesiger Gegend beschäftigten Arbeiter aus allen Theilen Deutsch lands nach hier zugeströmt sind und daß bei den hier angesessenen Arbeiterfamilien die Sitte vielfach nicht stark genug gewesen ist, minderjährige Arbeiter 'bei ihren Eltern zu halten, daß sie vielmehr häufig aus dem Familienkreise ausscheiden uno als Kostgänger bei fremden Leuten leben. Eine durchgreifende statutarische Regelung würde daher auf die allergrößten Schwierigkeiten stoßen und statt der erhofften Vortheile wahr scheinlich große Unzufriedenheit im Gefolge haben. Zur Ver anschaulichung dieser Schwierigkeiten, welche sich einer durch greifenden Regelung der in Rede stehenden Frage entgegen stellen, wurde eine Statistik vorgelegt, welche seitens des Vor sitzenden über die Zahl der in der Großeisen- und Stahl-Jnoustrie in Rheinland und Westfalen beschäftigten minderjährigen Arbeiter im Jahre 1890 angestellt ist. Nach dieser Statistik wurden im Jahre 1890 in der rheinisch-westfälischen Eisen- und Stahl Industrie von den Werken mit mehr als 1000 Arbeitern durch schnittlich ca. 25» Procent Minderjährige beschäftigt. Von den bei der Gußstahlfabrik von Fried. Krupp in Essen im Jahre 1890 beschäftigten 2679 minderjährigen Arbeitern hatte über haupt nur der fünfte Theil Eltern und Angehörige im Slad: und Landkreis Essen; die übrigen 2100 waren zugewandert aue- allen möglichen Gegenden Deutschlands, meist aus dem Osten, waren also darauf hingewiesen, als Kostgänger in dec Sradt zu leben. Es liegt auf der Hand, daß bei einer solchen Sachlage die, wenn von der Vermehrung der Zahl der Arbeiter abgesehen wird, heute noch im Wesentlichen dieselbe sein dürfte, wie 1890, und die mehr oder weniger bei allen industriellen Betrieben dec hiesigen Bezirkes als zutreffend erachtet werden kann, die Durch führung der angedeuteten Bestimmungen einfach unmöglich er scheint. (-) Berlin, 16.Januar. (Telegramm.) PrinzAIbrccht von Preußen, Regent von Braunschweig, traf gestern Nach mittag hier ein. Der Prinz wohnte beute mit seinen Söhnen der Eröffnung des Landtages bei. (-) Berlin, 16. Januar. (Telegramm.) Ter Bundes rath hat in seiner heutigen Sitzung der Vorlage, betr. den Entwurf eines Gesetzes wegen der Feststellung deö Landes- HauShaltSetatS für Elsaß-Lothriugen ans das Rechnungsjahr 1899, der Vorlage, betr. den Entwurf eines Gesetzes über die Abänderung der Gewerbe ordnung, ferner dem Anträge des 4., 6. und 7. Aus schusses (des Ausschusses für Handel und Verkehr, für Justiz und für Rechnungswesen), betreffend den Entwurf eines Invalidenversicherungs-Gesetzes, dem münd lichen Berichte des 4. und 6. Ausschusses über die Verleihung von Corporations rechten an die Gesellschaft „Süd kamerun", sowie dem mündlichen Berichte deö 6. und 9. (für Elsaß-Lotbringen) Ausschusses über den Entwurf eines Gesetzes für Elsaß-Lothringen, betreffend dieDiSciplin der Richter, — seine Zustimmung ertheilt. D Berlin, 16. Januar. (Telegramm.) Gegenüber der Meldung der „Politischen Correspondenz" auS Sofia Feuilleton. Die Dame mit den Veilcheuaugen. Criminal-Humoreske nach dem Französischen von Emil Zimmermann. Nachdruck verboten. Der Vicomte Adolphe de Verneuil war für Damen gewiß begehrenswerth. Er war reich, unabhängig, noch jung; nur ein wenig blasirt war er, wie das bei einem jungen Lebemanne, der die Welt gesehen hat, natürlich ist. Die Frauen genügten ihm alle nicht, er suchte nach der Einen, dem Ideal, und so war er auf dem besten Wege, sein Herz an die erste beste Kokette zu verlieren. Bis jetzt war ihm aber noch keine Frau entgegen gekommen, welch« ihn hätte fesseln können. Da erhielt er eines Tages eine Einladung zu einem Familien ball in einem Hause, mit dem «r nicht die geringsten Beziehungen unterhalten hatte. Zunächst glaubte der Graf an einen Jrrthum, achtlos warf er das Billet beiseite, dann aber reizte ihn das Geheimnißvolle, und als der Abend gekommen war, fuhr er hin. ES bestätigte sich auf d«n ersten Blick, daß ihm das Haus völlig unbekannt war, noch unbekannter der Name des Besitzers dcS Hauses, nichtsdestoweniger aber wurde er achtungsvoll empfangen und in den Salon geführt, wo man ihm Damen und Herren vorstellte, von denen er auch nicht eine dem Namen nach kannte, und vergebens strengte der Vicomte sein Gedächtniß an, um herauszufinden, wer von der ganzen Gesellschaft wohl seine Einladung bewirkt haben mochte. Eine etwas ältliche Dame vor vornehmem und schlankem Wuchs machte sich sofort an seine Seite; sie war ihm als Madame de Richepin vorgestellt worden, sonst aber war sie ihm genau so wenig bekannt wie alle anderen Anwesenden. Gleich bei ihren ersten Worten merkte Vicomte de Verneuil jedoch, daß er e» mit einer Frau von bester Erziehung und von Geist zu thun haben mußte. „Sie werden sich wundern, Herr Graf", sagte sie, „daß Sie so sang lavon eingeladen wurden, aber Sie werden als Mann von Welt doch zugeben müssen, daß «S sehr blöde ist, immer dieselben Leute um sich zu sehen, die stets dasselbe öde Zeug reden, den alten Klatsch, der in Gesellschaften breitgetreten wird. Wir haben unS deshalb auch erlaubt. Sie zu laden, von dessen Reifen und Studien wir alle gehört haben." Madame d« Richepin fuhr dann fort, den Vicomte in der geistvollsten Weis« zu unterhalten, so daß ihm di» Zeit im Fluge vrrging und er kaum daran dachte, nach den anderen Mitgliedern der Gesellschaft zu fragen; daß er in die Gesellschaft gekommen war, reute ihn nicht mehr. Man ging zur Tafel. Es wurde nicht luxuriös, aber gediegen und geschmackvoll gegessen, und nun erst wurde der Graf ganz gewahr, was er für Leute vor sich hatte. Geistreiche Toaste wurden ausgebracht, geistsprühende Scherzreden gehalten und zündende Bonmots getauscht; der Vicomte glaubte sich in einer Gesellschaft von gediegenen Wissenschaftlern und Künstlern zu befinden. Sicher mußte jeder der Männer -da und jede der Frauen schon etwas geleistet haben, und den Vicomte wunderte nur, daß er noch keinem der Namen der Anwesenden in der Wissenschaft oder der Literatur begegnet war. Unter -der Gesellschaft fiel ihm eine junge Dame auf, aber nicht, weil sie sich durch ihre Theilnahme am Gespräch aus gezeichnet hätte, sondern weil sie — vollständig stumm blieb und wie theilnahmlos Alles über sich ergehen ließ. Es war eine junge Dame von eigenartiger Schönheit, mit herrlichem aschblonden Haar und wundervollen veilchenblauen Augen, über denen eine reizende Trübsal wie ein leichter Schleier lag. Nach und nach begann sich der Vicomte für das schöne junge Mädchen, das ihm gegenübersaß, zu interessiren; er fragte seine Nachbarin, aber die zuckte die Achseln. „Die Tochter einer Freundin", sagte sie und dann brachte sie das Gespräch schnell auf ein anderes Thema. Diese nichtssagende Auskunft reizte nun mehr des Grafen Neugier, als sie davon befriedigt wurde, kein Wunder daher, daß er suchte der Sache auf den Grund zu kommen. Nach auf gehobener Tafel fragte er noch mehrfach nach, aber immer mit demselben Resultat. Der Tanz begann. Die geheimnißvolle Schöne zog sich in eine Ecke zurück, blieb dort unbeachtet stehen, als wollte sie nur zuschauen, und ein wahrer Schreck schien sie zu befallen, al ber Vicomte mit einer Aufforderung zum Tanze zu ihr trat. Nach einigem Zögern willigte sie aber doch ein. Vicomte de Verneuil machte zahllose Versuche, ein Gespräch anzuknüpfen, es gelang ihm nicht; die Unbekannte antwortete lediglich mit einem Kopfschütteln entweder oder mit einem Kopf nicken; es war auch nicht ein Ton aus ihr herauszubringen. Das quälte den Grafen, machte ihn beinahe rasend, und endlich brach er während eines Tanzes ungestüm und drängend vor: „Aber mein Gott, so antworten Sie doch, Sie sehen ja, daß Sie mich quälen! Oder sind Sie stumm?" Ueber der also Angesprochenen Wangen huschte eine leichte Röth«. „Nein, nein!" sagte sie rasch und leise; „aber schweigen Sie still, lassen Sie mich . . . vielleicht später . . . Man beobachtet uns jetzt . . . Gott, was habe ich gesagt!" Damit wand sie sich aus des Grafen Armen und war gleich darauf verschwunden. Vicomte de Verneuil starrte ihr wie träumend nach, nun aber litt es ihn nicht länger in der Gesellschaft; er ging bald. Eben wollte er vor dem Hause in seinen Wagen steigen, als eine Zofe herzugelaufen kam, ihm einen Zettel in die Hand drückte und verschwand. Das Alles kam ihm wunderbar genug vor, noch wunder barer aber lautete der Inhalt des Briefchens, in dem er beim Scheine der Straßenlaternen während der Fahrt las: „Uebermorgen 5 Uhr im Bois de Boulogne an der Herkules statue. Forschen Sie während der dazwischen liegenden Zeit nicht nach, es könnte mein Schade sein. Lucie v. P." Der Graf starrte lange das Billet an, küßte es wiederholt.... Lange vor der angegebenen Zeit war er nach zwei Tagen am Orte des Rendezvous. Seine schöne Unbekannte kam bald. Er erkannte sie sofort an dem hohen Wuchs und dem blonden reichen Haar, sonst war sie tief verschleiert. Den Schleier zu lüften weigerte sie sich ganz entschieden; es könne ihr schaden, sagte sie. Dann fing sie an zu plaudern, lebhaft, geistreich, oft brachte sie komische Einfälle mit der köstlichen Naivetät der Jugend vor; der Graf war entzückt. Er mußte sich sagen, daß er ein ähnliches herrliches Geschöpf, so schön und so klug und so geistreich dabei, noch nie gesehen hatte; hier war sein Ideal, diese mußte sein werden, diese oder keine. Während des lebhaften Gespräches waren sie allgemach in belebte Straßen gekommen; die Dame rief einen Kutscher an und stieg in den Wagen. „Heben Sie einmal nur den Schleier, nur einen Blick!" flehte der Graf. „Um meinetwillen und um Ihretwillen nicht; aber da haben Sie meine Photographie!" Während sie ihm mit der Rechten das Bild in geschlossenem Couvert reichte, gab sie dem Kutscher den Befehl, zu fahren, und sie flog gleich darauf im Wagen davon, mit der Linken noch einen Abschiedsgruß winkend. Wie träumend ging der Graf während der nächsten Tage umher. Immer wieder und wieder betrachtete er die Photo graphie des herrlichen Mädchens, rief sich ihre Stimm« ins Gedächtniß zurück und das mit ihr geführte Gespräch; er er staunte über den Geist und die Grazie, tvelche sie gezeigt hatte, und die bei einem höchstens 20 Jahre alten Geschöpf geradezu wunderbar genannt werden mußten, und Stunde für Stunde wartete er mit Ungeduld auf ein ferneres Lebenszeichen. Doch fünf Tage vergingen, ohne daß er etwa- gehört hätte, und nun wurde er ungeduldig; «r oegab sich mit der Photographie zu einem Privatdetektiv, den er schon f-rühcr einige Male zu Rathe gezogen hatte. Der Mann schüttelte den Kopf. „Und wo haben Sie die Dame kennen gelernt?" fragte er den Bicomte. Dieser erzählte, wie er eingeladen worden war und unter welchen Umständen er die Bekanntschaft der Dame mit den Veilchenaugen gemacht hatte. „Seien Sie froh, Herr Graf, daß Sie Ihr guter Engel zu mir geführt hat", sagte nun der Detektiv, „Sie waren nahe daran, einer wohlorganisirten Band« von Betrügern in die Hände zu fallen." „Herr!" brauste -der Vicomte auf; er dachte an all' die geist reichen Männer und Frauen, an das entzückende junge Mädchen. „Ereifern Sie sich nicht", beschwichtigte der Agent, „es ist so, wie ich sagte. Ich weiß zwar nicht, wie die Herrschaften arbeiten wollen, ob man Sie der schönen Dirne verkuppeln will oder ob nur ein Einbruch bei Ihnen geschehen soll; etwas aber führen sie im Schilde. Die Madame de Richepin, deren wahren Namen man übrigens nicht weiß, ist der Polizei wohl bekannt, und sie wird es auch gewesen sein, welche sie im Bois de Boulogne bezaubert hat; das erkenne ich daran, daß sie sich weigerte, den Schleier zu lüften. Das junge schöne Mädchen, das übrigens so dumm sein wird, wie es schön ist, war nur der Lockvogel. Viel Geist wird es sicher nicht besitzen, weil es auf jenem „Familienballe" Ihnen gegenüber die Stumme ge spielt hat." Der Graf wollte es nicht glauben, um so mehr nicht, als sich gar nichts ereignete, er keine Nachricht von seiner Schönen weiter erhielt, und lange Monate hoffte er noch. Da wurde er nach sechs Monaten auf die Polizei bestellt Erschrocken fuhr er zurück, als man ihm eine Frau gegenüberstellte mit der Frage, ob er die Dame kenne. „Madame de Richepin!" bracht« rr stammelnd hervor. Der Graf bekam alle seine Bekannten von jenem Abend zu sehen — auf der Anklagebank, auch das schöne junge Mädchen, welche- sich als eine Dirne aus der Vorstadt entpuppte. Sie waren angeklagt der Erpressung und der Beihilfe zum Diebstahl und wurden sämmtlich zu längeren und kürzeren Freiheitsstrafen verurtheilt. „Glauben Sie nun, waS ich Ihnen sagte?" fragte der Detektiv. „Sie sind nur davongekommen, weil man Sie hat zu mir gehen sehen; denn schlau ist die Bande, sie läßt systematisch ihre Opfer beobachten. Dieimal sind sie nun doch hineingefallen, et war aber auch Zeit!"
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