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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.01.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-01-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990120023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899012002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899012002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-01
- Tag1899-01-20
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Reclamen unter dem RedactionSstrich (4s»> spalten) 50 ij, vor den Familiennachrichrro (6 gespalten) 40/^. Größere Schriitrn laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernlatz nach höherem Tarif. Srtra-Beilagen (gesülzt), nur mit der Morgen»Ausgabe, ohne Postbesörderunj 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Itnnahmeschlnß für Anzeigen: Abend-Ausgab«: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Malen und Annahmestellen je »in» halbe Stund« früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polh in Leipzig 83. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 20. Januar. - Die gestrige Unterhaltung deS Reichstags über daS Tempo der socialpolitischen Reformgesetzgebung fand vor leeren Bänken statt und regte weder ein Mitglied des Zentrums, noch einen konservativen Abgeordneten zur Betheiligung an der Debatte an. Die Führer beider Parteien baden hinter den Coulissen mehr und Wichtigeres zu tbun, daS lehrt der schon gestern an dieser Stelle besprochene An trag des Grafen Limburg-Stirum auf Aufhebung des tz 2 des Jesuitengesetzes. Die Herren vom Centrum verhandeln aber nicht nur mit den Conservativen, sondern auch mit noch einflußreicheren Personen, und waS über das Resultat dieser letzteren Verhandlungen verlautet, ist geeignet, die Conservativen zu großer Vorsicht zu mahnen. Es heißt nämlich, das Centrum habe sich für den Fall der Abbröckelung des Jesuitengesetzes nicht nur zur Ge nehmigung der Militairvorlage im Reichstage, sondern auch zur Bewilligung der für den Bau deS Mittelland kanals vom preußischen Abgeordnetenhause geforderten Mittel verpflichtet, also zur Bewilligung einer Forderung, zu der die conservative Fraktion der zweiten preußischen Kammer aus Rücksicht auf den Bund der Landwirthe nicht oder nur unter einschränkenden Bedingungen sich verstehen mag. Nun ist es aber dock mehr als Selbstlosigkeit, wenn die conservative Fraktion des Reichstags dem Bundesrathe auf silberner Schüssel den Preis darreicht, um den die CentrumS- sraction des preußischen Abgeordnetenhauses zu einer Be willigung bereit ist, gegen welche die konservative Fraktion dieses selben Hauses schwere Bedenken hat. Was soll der Bund der Landwirthe sagen, wenn er von solchem ..Kuhhandel" erfährt, bei dem er die Kuh hergeben muß, in die Centrum und preußische Regierung sich theilen? Es ist daher begreiflich, wenn die Herren, die so rasch mit dem Anträge auf Aufhebung deS tz 2 des Jesuitengesetzes bei der Hand waren, um das Centrum für conservative Wünsche zugänglich zu machen, recht bedenklich werden. Aber sie haben dazu noch einen anderen Grund. Von einer Seite, von der sic es am wenigsten erwartet haben mögen, weil von ihr vor gar nicht langer Zeit der Vorschlag ausging, das Jesuitengesetz um den Preis der Zustimmung des Centrums zu einer Einschränkung des Reichstagswahlrechts zu verhandeln, wird jetzt gegen den Verkauf des H 2 des Gesetzes sehr energischer Einspruch oom nationalen, vom protestantischen nnd vom konservativen Standpunkte ans erhoben. Die „Leipz. Ztg." schreibt nämlich zu dem Anträge des Grafen Limburg-Stirum: „Praktischen Erfolg hat die Bestimmung in 8 2 unseres Wissens l ieber nicht gehabt. Eie ist schon seit Jahren nicht mehr gehand- habt worden und bat ausländische Jesuiten, die sich bei uns auf- I alten wollen, thatsächlich wohl niemals gehindert, diese Absicht aus- zusühren. Trotzdem muß es überraschen, daß der Antrag von konservativer, also protestantischer Seite ausgeht. Erstens deshalb, weil er das Ccntrum ermuntern wird, nun mehr die Aushebung auch des ersten Paragraphen zu be antragen, nnd zweitens um des moralischen Eindrucks willen, der trotz aller praktischen Bedeutungslosigkeit des aufzuhebenden 8 2 der des schwächlichen Zurückweichens, der Capitulation vor dem geschworenen Feinde der evangelischen Kirche Deutschlands sein wird. Ausländer zuzulassen, deren oberste Ordensregel die Bekämpfung des evangelischen Deutschthums ist, wäre schon an sich das Gegentheil staatserhaltender Politik. Noch viel weniger verständlich ist eS aber, wie man zu diesem Entschluß in einer Zeit gelangen konnte, wo alle Staaten, die unter dem dominirenden Einfluß dieses Ordens standen oder noch stehen, einer wie der andere, in Südamerika, wie in Spanien, im Lande des Dreysusprocesses, wie im klassischen Lande des HazardspielS, politisch oder mindestens moralisch unter dem Zeichen des Niederganges stehen. Nichts wäre verkehrter, als mit diesem Anträge die Unterstützung des CentrumS für conservative Zwecke erkaufen zu wollen." Wir bezweifeln nicht, daß viele Conservative in Sachsen ebenso denken; von einigen recht einflußreichen wissen wir dies gewiß. Den Antrag des Grafen Limburg-Stirum wieder zurückzuziehen, wird aber nicht gut möglich sein; das Centrum zum Zurücktreteu von seinen Abmachungen mit der Negierung zu bewegen, wird auch nicht leicht fallen — die Spannung ist also gerechtfertigt, mit der man der Entwickelung der Dinge hinter den Coulissen und besonders den Entschlüssen der conservativen Reichstagssraction entgegensieht. Einen Act selbstverständlicher Pflichterfüllung als ein Mittel zur Agitation zu verwenden, ist der social demokratischen Presse Vorbehalten gewesen. Bekanntlich hat sich der Reichstagsabgeordnete Albert Schmidt als Ver fasser jenes Artikels öffentlich bekannt, um dessentwillen der verantwortliche Redakteur der „Magdeburger Volks- stimme" wegen Majestätsbeleidigung zu 4 Jahren Gefängniß verurtheilt wurde. Die socialdemokratische Presse, der „Vorwärts" voran, läßt es sich angelegen sein, den Schritt des „Genoffen" Schmidt zur Verherrlichung der Socialdemokratie zu benützen. Insbesondere tritt dieses Be mühen in einem Berichte zu Tage, den der „Vorwärts" über eine in Magdeburg abgehaltene socialdemokratische Ver sammlung, in der Schmidt sich als Verfasser deS strafbaren Artikels bekannte, veröffentlicht. Man höre: „Hatte dieses Geständniß bereits die Versammelten zu tosendem Beifall hingerissen, so nahm der Beifall, die Zustimmung kein Ende, als Schmidt die Erklärung abgab, sich dem Staatsanwalt gestellt zu haben, damit er gegen ihn ein Verfahren einleite. Schmidt stellte sich der Staatsanwaltschaft, obwohl das Verfahren gegen ihn bereits am 28. d. MtS. verjährt gewesen wäre; er stellte sich, ob wohl er Weib und Kinder zu versorgen hat, und gedenkt auch aus seine Jmunität zu verzichten, damit Müller nach Verbüßung der ihm wegen Preßvergehens und Vergehens in Versammlungen zu erkannten Strafen aus freien Fuß gesetzt wird. Ter Versammelten hatte sich eine tiefe Erregung bemächtigt ... In gehobener Stimmung verließ Alles den Saal, manches Ange war thrünc»umflort nnd mancher Händedruck wurde gewechselt!" „Genosse" Schmidt bat als Grund für sein Geständniß angegeben: er wolle nicht, daß für seine Handlungen ein Unschuldiger leide. Er wolle den Vernrtheilten, der ein junger Parteigenosse sei, nicht an der Ehrlichkeit nnd Charakter festigkeit der Socialdemokraten zweifeln lassen. Wenn die Magdeburger Socialdemokraten dem „Genossen" Schmidt deswegen besonders stürmisch zugejubelt haben, so bewiesen sie damit, daß sie in Bezug auf die Erfüllung moralischer Pflichten sehr genügsam sind; denn sie wußten, in welchem Verbältniß „Genosse" Schmidt zu dem I „verantwortlichen" nnd vernrtheilten „Genossen" I Müller stand. Der „Vorwärts" hat sich ebenso wie die I meisten anderen socialdemokratischen Blätter gehütet, über dieses Verhältniß Licht zu verbreiten: er hat bisher ver-' schwiegen, daß „Genosse" Schmidt der Chef redakteur der „Magdeburger Volksstimme" ist! Welcher bürgerliche Cbef-Redacteur leistet sich überhaupt einen Sitzredacteur? Und welcher bürgerliche Chef- Redactenr wird säumen, sich dem StaatSanwalte zu stellen, sobald wegen einer von ihm begangenen Handlung sein Mit- redactcur auch nur unter Anklage gestellt wird? Nachdem „Genosse" Schmidt sich nicht als Thäter gemeldet hatte, als gegen seinen Sitzredacteur die Anklage erhoben wurde, war es das Mindeste, daß er nach der Verurtheilung seines Sitz- redacteurs sich meldete. Der Cbef-Redacteur des „Vorwärts" freilich hat unseres Wissens seine Citzredacteure ruhig die Strafen abbüßen lassen, die über sie wegen Handlungen verhängt waren, die er verübt batte. Insofern unterscheidet sich also „Genosse" Schmidt Vortheilhaft vom „Genossen" Liebknecht und von anderen socialdemokratischen Chef- Redacteuren. Daß für Frau und Kinder des „Genossen" Schmidt eintretenten Falls die socialdemokratische Parteicasse reichlich sorgen wird, hat der „Vorwärts" zu erwähne» vergessen. Auf Samoa sind anläßlich der nie zur Ruhe gekommenen Königsfrage wieder Unruhen anscheinend ernstesten Charakters ausgebrochen. AuS den auS englischen Quellen stammenden, im heutigen Morgenblatte mitgetheilten Nachrichten, die sich augenblicklich auf ihre Richtigkeit in den Einzelheiten nickt prüfen lassen, da deutsche Nachrichten leider fehlen, dürfte so viel hervorgehen, daß der auS der Verbannung zurückgckehrte Mataasa, der als Schützling Deutsch lands' gilt, über seine Nebenbuhler, den Sohn des Malietoa, Tano, und den Gegcnkönig Tamasese, die von den Engländern und Amerikanern begünstigt werden, gesiegt hat und an die Spitze einer provisorischen Regierung getreten ist. Der deutscke Kreuzer „Falke" hat augenscheinlich nickt zu Gunsten Mataafa's eingegriffen, dagegen soll nach einer Depesche des englischen „Bureau Talziel" aus Apia der deutsche Consul für diesen Partei ergriffen haben. Das Telegramm weiß zu berichten: „Allseitig (?) wird die Haltung des deutschen Consuls verurtheilt. Er begleitete Mataafa's Streitkräfte, als diese in Apia einsielen, und ermunterte Mataasa, Malietoa Widerstand zu leisten. Als der englische und der amerikanische Consul Kenntniß von der Lage erhielten, vertagten sie den Gerichtshof und schlossen das Gebäude. Der deutsche Consul verlangte die Schlüssel, die verweigert wurden, ließ darauf die Thürcn erbrechen nnd neue Schlosser anbringen. Ter deutsche Mnnicipalpräsident Dr. Rassel erschien auf dem Valcon und rief: „Ich bin der oberste Gerichtshof, ich bin der Oberrichter." Die Volksmenge johlte. Der britische Consul verlangte die Schlüssel, die verweigert wurden. Ein Schotte Namens Mackie kletterte alsdann ans das Dach des Ge- richtshauses und hißte die Samoaflagge. Gleichzeitig drangen der britische und der amerikanische Consul, begleitet von Seetruppen, in das Gebäude, erbrachen die Thüren und stießen den deutschen Consul und den deutschen Präsidenten auf die Straße hinaus. Alsdann eröffneten die beiden Consuln förmlich den Ge richtshof nnd erließen eine Warnung gegen jede Einmischung in dessen Jurisdiction. Nunmehr herrscht Ruhe. Der deutsche Consul bleibt in seinem Consulat." Hiernach ist also der oberste Gerichtshof in den Händen der Engländer nnd Amerikaner, die provisorische Regierung in denen Mataafa's. Derartige Kämpfe und Verwickelungen sind auf Samoa früher auch vorgekommcn, aber sie gewinnen diesmal eine erhöhte Bedeutung, weil eS sich nickt nicbr allein darum bandelt, wer König von Samoa wird, sondern weil eine Neuordnung der parisischen Verhältnisse nach ameri kanischen Wünschen angebabnt ist. Bei der Königkwal l findet gleichsam eine Messung der Kräfte statt und alle Ein flüsse werden von gewissen Seiten geltend gemacht, um doU Boden zu gewinnen. Schon aus mehreren Aeußerungen des Präsidenten Mac Kinley, weiter aus der angekündigten Ab sendung eines Unions-Kriegsschiffes nach Apia ließ fick deutlich erkennen, daß die frühere Agitation der Zänkers und ihres Anhanges gegen die Dentschen wieder aus genommen werden sollte. Neuerdings mehren sich nun die Mittheilnngen amerikanischer Zeitungen über samoanische Angelegenheiten; aus ihnen erkennt man die Wiederholung der alten Methode aus den achtziger Jahren. Jetzt heißt es, der StaatSsecretair in Washington habe den Generalkonsul Osborn in Apia angewiesen, dem deutschen Consul kein Vertrauen zu schenken und überhaupt mit den beiden andern Consuln nicht mehr zu verhandeln. Vor Allem muß bezweifelt werden, daß amtlich eine solche Weisung von Washington ergangen ist. Die Mittheilung giebt aber einen Begriff von der Gesinnung der Amerikaner gegen die Deutschen, bezw. den Bestrebungen von gewisser Seite ans, die öffentliche Meinung zu Ungunsten der Deutschen zu beein flussen. Wie das versucht wird, geht schon daraus hervor, daß die Presse sich sogar nicht scheut, zu behaupten, der deutsche Consul habe die Eingeborenen mit Unterstützung der deutschen Firmen durch Schmuggel mit Waffen und Munition versehen. Diese Anschuldigung ist um so un geheuerlicher, als eS festgestellt ist, daß die amerikanische Firma Moors L Co. und die englische Firma Arthur L Co. in den früheren Kämpfen die Eingeborenen stets mit modernen Waffen nnd Munition versehen haben, obwohl dieser Handel nach internationalen Abmachungen verboten war nnd von deutscher Seite Alles aufgrboten worden ist, nicht nur den Waffenschmuggel zu hinderu, sondern auch die Eingeborenen zu entwaffnen. ÄuS den von den betheilgten Regierungen ver- öfsentlickten Schriftstücken geht auch hervor, daß die famosen amerikanischen Consuln dort und namentlich die UnionS-Kriegs schiffe diesen widerrechtlichen Handel unterstützten und deckten. Die Unverfrorenheit, mit welcher jetzt die Amerikaner ohne jedes Recht die Deutschen eines gleichen schmachvollen Handelns beschuldigen, zeigt, waS wir von ihnen zu erwarten haben. Mit Gründen und mit noch so guten Rechten ist solchem bösen Willen gegenüber nichts anzufangen. Deutsch land wird in den bevorstehenden Verhandlungen über Samoa eine große Festigkeit an den Tag legen müsse», wenn eS seine Position auf Samoa über haupt behaupten will. Seine Stellung ist dort recht un günstig, da in England daS offene Bestreben herrscht, den Vereinigten Staaten möglichst entgegenzukommen und fick deren Freundschaft zn gewinnen nnd zu erhalten. Daker auch die gemeinsamen Erfindungen über deutsche Eingriffe nnd Vertragsbrüche. Eine neue Illustration zu der deutsch englischen Entente! AuS Athen wird uns geschrieben: Durch den kirchlichen Eifer deS Erzbischofs HierotheoS von Patras ist in (Griechenland die Frage aufgeworfen worden, ob Mitglieder von Freimaurerlogen berechtigt sind, Stellungen als Lehrer und als Mitglieder der Kirch en ver Waltun gen zu über nehmen. Ter Anlaß hierzu wurde durch einen Gymnasial professor in PatraS gegeben, der zugleich Leiter einer durch Onkel Wilhelm's Gaste. Roman von A. vvn der E Ibe. rialbtriick verboten. „Glaubst Du", erwiderte Therese ernst, «daß Adelheid zu beeinflussen ist? Unser neues Glück hat ihren Uebcrmuth un geheuer gesteigert." Die junge Frau war umgekleidet, man meldete den Wagen nnd der Marchese erschien in der Thür. Noch einmal umarmten sich die Schwestern, und dann führte Tassoni seine Gemahlin von dannen. Der Oberst hatte bestimmt, daß das Hochzeitsdiner nicht wie der gestrige Ball bis in die Nacht hinein dauern solle. Bestand es doch nur aus einem kleinen, auserlesenen, Kreise. Dennoch war es bereits acht Uhr, als der Kaffee gereicht wurde. Man speiste im unteren Saale, wo gestern getanzt worden war, und die Gesellschaft stand oder saß, mit den Moccataffen in der Hand, zu einer letzten angeregten Plauderei theils in dem anstoßenden Gesellschaftszimmer. Um diese Zeit kam eine Droschke vom Bahnhofe herangefahren und hielt auf den Ruf des jungen Officiers, der im Wagen saß, einige Häuser vor der Wendelstein'schen Villa an. Der Fahrgast sprang heraus, er hatte kein einziges Stück Gepäck bei sich, bezahlte den Kutscher und ging hastigen Schrittes auf das im Glanz der festlichen Beleuchtung schimmernde Haus des Obersten zu. Ein paar Wagen hielten hier bereits, um Gäste vom Hochzeits diner abzuholen. Di« HauSthür stand offen, Livrk-ediener liefen hin und her. Aus den Gescllschaftsräumen tönten Sprechen, Lachen, Scharren' in summendem Gemisch herüber. Ueber dem kleinen Vorgarten lag eine schwere, feuchte, fast moderig duftende Luft. Der junge Offerier drehte plötzlich vor der Hausihiir um und betrat die Terrasse, auf der gestern Nacht Adelheid Hohen- rain's Liebeserklärung empfangen hatte. Jetzt stand der Ankömmling und sah durch einen Spalt, der sich zwischen den schweren Vorhängen eines Fensters öffnete und Einblick in das Gesellschaftszimmer gestattete. Auf seinen zusammengepreßten Lippen bildete sich das Wort: Mutter. Die Hausfrau saß dem Fenster gegenüber neben einer anderen älteren Dame im Sopha. Sie sah empor, heftete den starren Blick auf das Fenster und fuhr In die Höhe. Der Lauscher verließ rasch seinen Platz und ging nun wirklich in das Haus. Ein, Diener kam ihm entgegen, der ihn vom letzten Urlaub kannte und lief mit dem Ausruf: „Ach, der Herr Lieutenant", um den späten Gast die Saalthür zu öffnen. „Was fällt Ihnen ein?" fuhr der Kommende den Mann an. „Ich kann doch nicht — so reisemäßig in Gesellschaft — Ist des Herrn Obersten Zimmer leer?" Er hatte Alles stoßweise und halblaut voraebracht. „Zu Befehl, noch kein Mensch oben. Soll ich melden?" „Kein Wort, will überraschen", damit hastete der Officier in Sprüngen die festlich geschmückte Treppe hinauf. Der Diener sah dem schlanken jungen Manne nach. „Wie blaß und sonderbar der eben gewesen war, kaum zum Wieder erkennen. Frau von Wendelstein hatte sich mühsam gefaßt. War es ihr doch plötzlich so vorgekommen, als sehe sie Herbert'S, ihres Sohnes, bleichest Gesicht gegen die Scheibe gedrückt, die grell beleuchtet zwischen den Gardinen hervorblinkte. Aber bei einem zweiten ruhigen Hinsehen hatte sie nichts Befremdliches mehr wahrgenommen und, während die Nachbarin das Glück ihrer Töchter pries, innerlich ihre reizbaren Nerven einer argen Sinnes täuschung beschuldigte. Ja sie hatte viel an den Liebling gedacht, aber dies war doch mehr gewesen als denken. Sie hatte fest geglaubt, ihn zu sehen. Die Gäste verabschiedeten sich bald und die Familie zog sich gleichfalls ermüdet zurück. „Auf ein Wort, Papa", sagte Wendelin mit seinem Vater die Treppe hinaufsteigend." „Was giebt'S?" „Ich erhielt wieder vor Tisch «ine Depesche von Herbert, Du warst aber so umringt, ich wagte Dich auch nicht zu be unruhigen." » „Was will er denn noch immer?" „Er telegraphirt nur di« wenigen Worte: „Wenn Ihr es denn nicht anders wollt, Herbert." Wendelin hatte die Depesche hervorgenommen und im Gehen gelesen. Sie standen vor dem Zimmer dcs Obersten. „Erpressungs versuch", murrte dieser zwischen den Zähnen und stieß die Stubenthür auf. Wendelin folgte dem Voranschreitenden und fragte sich: darf ich's riskiren, noch einmal für den Bruder zu sprechen, vielleicht könnte ein rasches Telegramm Unheil abwenden. Die Hängelampe brannte über dem mit Zeitungen und Büchern bedeckten Tische und ihr Licht fiel auf das lange Sopha daneben. Aber da lag ja ein Mensch; sollte ein frecher Gesell von der Dienerschaft — hier seinen Rausch — Mit ein paar Schritten waren sic Beide zur Stelle. „Herbert!" schrie Wendelin und warf sich neben dem Ausgestreckten auf die Kniee. Der Oberst starrte wortlos auf seinen Sohn. Herbert'» Uniform war offen, das Gesicht bleich und verfallen. Wendelin legte die Hand auf des Bruders Herz und zog sie mit warmem Blut befleckt zurück. „Todt", stöhnte er, „er schossen." Er hatte in der schlaffen Rechten das Pistol gesehen. El;« die beiden Männer das Geschehene noch ganz fassen oder gar sich über eine Maßnahme verständigen konnten, öffnete sich die Zimmerthür und Frau von Wendelstein trat herein, um ibrem Gatten gute Nacht zu sagen. Bater und Sohn bemerkten ihr leises Kommen erst, als sie dicht neben ihnen stand und nun, mit einem Blick Alles umfassend, sich mit gellendem Schmerzens schrei über den Sohn warf. Die Thür war offen geblieben, die anderen Kinder stürzten bei der Mutter lautem Jammer ängstlich herein. Eine furchtbare Scene entfesselten Schmerzes entstand, Klagen um den geliebten Bruder, Angst um die in Krämpfen liegende Mutter und das Entsetzen über den jähen Wechsel nach den Freuden des .Hochzeits festes sprudelten aus all den jungen Gemüthern wild hervor. Die durch Genuß und Schreck Erregten vergaßen ihre anerzogene Scheu vor dem strengen Vater und wähnten in diesem Falle, endlich einmal ihren Gefühlen folgen zu dürfen. Eine Weile lag der Oberst, als gehe ihn dies Alles nichts an, in seinem Schreibsessel, dann fuhr er entschlossen in die Höhe, befahl Therese und Wendelin, die Mutter, die nur noch leise stöhnte und seufzte und bewußtlos schien, auf ihr Bett zu tragen und trieb alle klebrigen aus dem Zimmer. Nun trat er zu dem Todten heran und sah, die Arme ver schränkend, in das bläuliche starre Gesicht, das er im Leben nur mit einem übermüthigen Lächeln kannte. „Er hat unser neues Glück nicht vertragen", murrte der Sinnende leise vor sich hin. „Hätte sick doch nicht gehalten. Und nun «in Ende mit dem Altweibergeflenne. Eine Malice von ihm, zu dem Zweck heute hierher zu kommen." Straff richtet« er sich auf, klingelte und befahl dem Diener, zu sorgen, daß die Leiche in eine abseits liegende Kammer ge tragen werde, dann ging er in sein Schlafzimmer. Dreizehntes Capitel. Der Winter ging ruhig und einförmig auf dem Rusteberge dahin. Nella fing an, sich den Verhältnissen anzupassen und sie nicht mehr als so schwer lastend zu empfinden wie anfänglich. Die häuslichen Arbeiten, in denen sie immer tüchtiger wurde, füllien ihre Zeit und sagten ihr im Grunde zu. Der Zustand des Vaters verschlimmerte sich mehr und mehr, er bewegte sich schleppender und hatte für nichts Sinn, als für Suchen und Stöbern in seinen Papieren, wobei er am liebsten allein war. Der Arzt meinte, daß gute Pflege und kräftige Kost die ein zigen Mittel seien, womit man die erlöschenden Kräfte des Kran ten erhalten könne, und die Tochter war von Herzen bereit, alles irgend Mögliche zu thun. Allein mit Angst sah sie, wie die ihr gebliebene Summe Geldes zusammensckmolz. Wenn sie ihre Ausgaben überschlug, so meinte sie, kaum noch ein Jahr mit ihren Mitteln ausreichen zu können, und was sollte dann aus ihnen werden? Onkel Wilhelm trat ihr immer näher, sie liebte den kleinen Onkel, der neben seinen Schrullen und Sonderbarkeiten die Güie selbst war, wie einen zweiten Vater, daß er ihr aber nicht mit baaren Mitteln aushelfen konnte, wußte sie nur zu gut. Endlich kam das Frühjahr und mit ihm neuer Muth in Nella's Herz. Wenn indeß auch die Schwieridkeiten der äußeren Lage geringer wurden, so änderte sich doch in den eigentlichen Lebensverhältniffen kaum etwas. Kurt's Briefe lauteten befriedigend, er schien sich in seinen neuen Beruf immer mehr einzufinden, aber auch er klagte, daß das Leben in Amerika theuer sei, und daß er sein Geld bald auf gebraucht haben werde. Es war an einem schöncn Sommer-Nachmittag, als Nella mit Onkel Wilhelm unter der blühenden Linde saß, die am Wiesen Hang stand. Hahnewinlel wandte mit Frau Külpsen das Heu, und die beiden Jungen, die eine Weile geholfen hatten, begannen eine Balgcrci und versuchten einander den Abhang hinunter zu stoßen. Als es endlich Paul gelang, den Bruder ins Stolpern und Kollern zu bringen und er darüber in ein Freudenaeschrei ausbrack, raffte Peter sich auf und warf sich dem Sieger entgegen, dieser I rannte davon, Peter verfolgte ihn, und Beide verschwanden unter Lachen und Jubeln im Walde. Onkel Wilhelm hatte dem Spiel der Knaben lächelnd zuse» ! (chatut. Auch Nella's Handarbeit ruhte im Schoohe, un- sie
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