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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.01.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-01-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990121024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899012102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899012102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-01
- Tag1899-01-21
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Und jedes mal dasselbe Schauspiel: ungemessene Forderungen und maßlos übertriebene Klagen der Socialvemokraten, die von den bürgerlichen Radicalen und einigen Heißspornen des CentrumS mehr oder weniger unterstützt werden; vom Regierungstische Widerlegungen, Mahnungen zum Maß balten und die Versicherung, daß die sociale Neformarbeit unentwegt weiter geführt werden solle, so weit die Lage der Industrie, des Handwerks und der Landwirtschaft dies gestatte, und endlich unter den grundsätzlich auf dem Boden der Weiterführung dieser Reform stehenden Parteien und Gruppen ein lebhafter Streit darüber, welches das rechte Tempo dieser Wciterführung und wo eine Reform am dringlichsten sei. Wesentlich Anderes hat man auch diesmal in der noch nicht völlig abgeschlossenen Debatte nicht gehört; nicht einmal die Mahnung des LtaatssecretairS Grasen Posadowsky, möglichst den „nervösen Dilettantismus" auf svcialpolitischem Gebiete zu bannen, war neu. Sckon wiederholt ist in früheren Jahren von Vertretern der Negierungen darauf hingcwiesen worden, wie sehr die praktische Arbeit auf diesem Gebiete erschwert wird durch „Arbeiterfreunde", die über die Lage und BerufSgefahreu der Bergarbeiter reden, ohne jemals einen Bergarbeiter in seinem Berufe gesehen zu haben, oder für die Arbeiter Gewinnantheile am Ertrage eines Betriebes fordern, ohne zu wissen, daß die Erträge nur zu oft in Dcsicits be standen haben und daß der Betrieb lediglich im Interesse der Arbeiter und ihrer Familien unter großen Opfern aufrecht erhalten worden ist. Und trotzdem hatte sich Graf Posa- Lowsky wieder gegen jene theoretischen Dilettanten und Amateurpolitikcr zu wenden, die keine Ahnung davon haben, ob die Lasten, die sie der deutschen Industrie aufbürden wollen, so hoch sind, daß die Unternehmer im Wettbewerb auf dem Weltmärkte nicht mehr mitkomnien. Und so wird cs bei der Natur des Deutschen auch immer bleibeu, zumal wenn durch Reden von maßgebender Seite das Signal zu Erörterungen über Gesetzentwürfe gegeben wird, die noch gar nicht fertig und über deren Ausgestaltung die zu dieser Arbeit berufenen Kräfte noch gar nicht einig sind, und so lauge eS den Anschein behält, als ob au maß gebender Stelle nicht die berufenen Nathgeber, sondern interessirte Persönlichkeiten daö Tempo der social politischen Reformgesetzgebung beeinflußten. Leider ist dieser Schein auch in den Debatten der letzten Tage nicht beseitigt worden. Was über Herrn von Stumm und seinen Einfluß gesagt wurde, ist weder von diesem selbst, noch vom Tiscbe des Bundesraths so widerlegt worden, daß cs in das Reich der Fabel verwiesen werden müßte. Und so lange cs geglaubt wird, ist nicht uur der erbitterte Ansturm der Socialvemokraten gegen die Position der Regierung, sondern auch das Hervortreten deS „nervösen Dilettantismus" begreiflich, der sich sagt, baß er mit seiner „Unparteilichkeit" und seinem redlichen Idealismus ebensoviel Anrecht darauf habe, gehört zu werden, wie ein interessirter Privatmann. Der KlerikalismuS möchte gar zu gern anläßlich der von Rußland angeregten AbrüstungS - Conferenz den Papst als künftigen internationalen Schiedsrichter erscheinen lassen, nachdem vergeblich versucht worden, ihm bei der Conferenz gegen den Anarchismus die Rolle deS erhabenen Rath gebers anzuweisen, der allein die wahren Heilmittel gegen die anarchistische Gefahr anzugeben wisse. So schreibt die „Köln. Volksztg.": „Die Katholiken wünschen lebhaft, unter den Vertretern der Mächte auf der Abrüst ungs-Conferenz auch einen Repräsen tanten des Papstthums zu sehen, als einer Institution, welche durch die Erhabenheit und Eigenart ihrer Stellung berufen ist, innerhalb der Friedensbewegung eine hervorragende Rolle zu spielen. Kommt doch für die Erhaltung deS Friedens ganz wesentlich eine un parteiische, an dem politischen und wirthschaftlicheu Handeln der Welt unbetheiligte Instanz als Schiedsgericht in Frage. Wenn die künftige St. Petersburger Conferenz ihre Aufgabe ernst und gründ lich anfaßt, wird der Schiedsgerichtsgedanke ihre Erörterungen zum guten Theil ausfüllcn müssen. Die Ansicht, daß der Papst bei diesen Verhandlungen vertreten sein wird, besteht; Rußland sucht in letzter Zeit dem Papste persönlich bekanntlich jede Aufmerksam keit zu erweisen, und soeben hat der russische Minister-Resident Tscharykoff dem Staatssecretair Cardinal Nampolla Murawiew's neues Rundschreiben zugestcllt, worin doch nicht blos eine Forma lität zu sehen ist, ohne den Gedanken an eine praktische Vetheiligung des Adressaten. Dem officiellen Italien soll, heißt es, jede neue Anerkennung des Papstthums als gleichberechtigter Factor im Rathe der Mächte unbequem sein; jedoch können wir nicht recht daran glauben, daß, wie das „Daily Chronicle" sich aus Nom berichten läßt, die italienische Regierung Rußland habe wissen lassen, es werde die Conserenz nicht beschicken, wenn ein Vertreter des Papstes zu gelassen werde. Damit würde sich Italien ins Gesicht schlagen, denn es hat doch selbst Lurch die sogenannten Garantiegesetze den Papst als Souverän anerkannt, der Diplomaten entsendet und solche bei sich beglaubigen läßt. Wenn aber Italien auch einen solch un besonnenen Schritt unterlassen haben sollte (?), so dürfte doch Stimmung genug Lasur vorhanden sein. Darüber besteht wenig Zweifel nach dec Haltung der italienischen Negierung in der Frage nach dem Orte für die Anarchisten-Conferenz. Wenn aber heilend an die Wurzeln des gesellschaftlichen Lebens zu greifen, wenn der Religion die ihr gebührende Stellung wiederzugeben war, dann hatte ein Vertreter Les Papstes dort vor Allein seinen Platz. Verschiedene Mächte, darunter Oesterreich und Belgien, wünschten, um dem Papst die Vetheiligung möglich zu machen, Venedig als Sitz der Conferenz, Italien dagegen spielte hartnäckig seine Koma, intuii§ibilo aus, den Besitz, den es im Gegensatz zum Papstthum fest hält. Dabei kam cs hauptsächlich darauf an, den Vertreter des Papstes fernzuhalten» was ja dann auch gelungen ist — aber, wie wir onnehmen dürfen, nicht ohne, daß in den (absolut geheim gehaltenen) Verhandlungen der Conferenz die Rolle zur Sprache gekommen ist, welche der Kirche und der Religion gerade in dem Lande zukomme, das als die eigentliche Züchtungs anstalt für Anarchisten zu gelten habe. Italien fällt in der Anarchistensrage die Hauptverantwortlichkeit zu; was Wunder, wenn auf der Anti-Anarchistenconfercnz ihm unangenehme Dinge wegen seiner Politik gegen Papst und Kirche gesagt worden sein (?) sollten. Was das osficielle Italien bei dieser Gelegenheit durch die Bestimmung Roms als Confereuzort erreicht hat, wird cs für die andere Gelegenheit, die Friedensconferenz, nicht erreichen. Hier ist keine Macht der einladende Theil, die dem Papstthum die Betheiligung mißgönnte, und von den Eingeladenen giebt sich ebenfalls keiner diese Blöße. Sollte Italien die einzige Ausnahme machen wollen und gar die erwähnte, unglaubliche Alter native stellen — nun, so wird man halt in Petersburg die Achsel zucken." Wenn man in Petersburg wirklich die Betheiligung des Papstes an der Conferenz wünscht, so hat man dazu jeden falls einen egoistischen Grund und kann sich deshalb auch nicht darüber wundern, wenn Italien diese Bethciligung nicht wünscht. Und mit Italien dürften auch andere Mächte, die recht Wohl wissen, daß der Papst zwar keine bewaffnete Macht hält und weder einen Krieg erklären, noch bekriegt werden kann, doch starke politische Sympathien und Anti pathien hegt und mithin auf der Conferenz das Gewicht seiner Stimme zu Gunsten einer gewissen Staatengruppe in die Waagschale werfen könnte, seinen Ansschluß von der Conferenz verlangen. Vielleicht würde sogar seine Betheiligung zu Differenzen führen, die sonst zu vermeiden wären. Uebrigens könnte, wie die „Nat.-Ztg." richtig bemerkt, wenn religiöser Einfluß zur Verhütung von Kriegen beitragen könnte, ebensogut wie der Papst auch der preußische evan gelische Oberkirchenratb oder der anglikanische Erzbischof von Canterbury eine Einladung beanspruchen. Mit echt amerikanischer Ruppigkeit anticipiren bereits New Yorker und Washingtoner Correspondenten, deren Meldungen natürlich in englischen Blättern bereitwillige Aufnahme finden, die Schuld der deutschen Beamten an den neuen Tnmoa-Wirren und sprechen die Erwartung auS, die deutsche Regierung, die den Präsidenten des Gemeinderaths von Apia schon abgerufen habe — woher wissen sie das? — werde auch den deutschen Consul Rose desavouiren und abbcruseu, sobald sie sich amtlich von der Sachlage über zeugt haben werde. DaS wirb sie voraussichtlich nicht tbun, denn nach den vom Wolfs'schen Bureau, jedenfalls nickt ohne Zustimmung des Berliner Auswärtigen Amtes, vielleicht aus Lessen Veranlassung veröffentlichten, in Ham burg eingclrosfenen Nachrichten, die wir fchon im Morgen blatt Wiedergaben, war der Deutschland genehme Mataafa von der einheimischen Bevölkerung mit sechsfacher Mehrheit zum König gewählt worden, wogegen eine Minderheit Tanu, den nock nicht großjährigen Sohn Malietoa'S, ans den Schild erhob. Es kam zu Kämpfen, und um diese keine größeren Dimensionen annehmcn zu lassen und Schlimmeres zu verhüten, hielten cö die drei Consuln für angemessen, die Mataafa - Leute unter Leitung des deutschen Municipal- präsidenten von Apia, Or. Rassel, als provisorische Regierung anzuerkeunen. Nur der a m e r i ka n i s ch e Oberrichter Chambers protestirte und begab sich mit der unter legenen Partei auf ein englisches Kriegsschiff. Man siebt nicht ein, aus welchem Nechtsgrunde Chambers gehandelt hat, zumal da die Consuln einig waren und eS sich uur um eine vorläufige Negierung handelte. Ebenso un verständlich ist es, daß Chamberö zurückkehrte, um daS von der provisorischen Regierung geschlossene Obergericht gewaltsam wieder öffnen zu lassen und daß englische Marinetruppen ihn dabei unterstützten. Nachdem der Ober richter das Land verlassen batte und seine Amtsstätte verwaist war, konnte die Regierung gar nicht anders handeln als bis zur Ernennung eines Nachfolgers das Gericht zu schließen. Davon, daß der deutsche Municipalpräsibent sich deS Obergerichts allein habe bemächtigen wollen und auS- gerufen haben soll: „Ich bin der oberste Gerichtshof, ich bin der Oberrichter!" steht in der deutschen Meldung keine Silbe. Wir gönnen der „Frkf. Ztg." daS Vorrecht der Verdächtigung deS Berliner Auswärtigen Amtes, die Ereignisse in dem Ham burger Telegramm so dargestellt zu haben, wie man sie zu sehen wünsche, sich also einer Fälschung schuldig gemacht zu haben und nehmen im Gegentheil an, daß die deutsche Meldung dec Wahrheit näher kommt, als die englisch-amerikanische, deren Bestreben es ist, die englischen und amerikanischen BeanNcn (diese sollen ja den Deutschen vr. Raffel auS dem Obergenckl heraus auf die Straße geworfen haben, nachdem sie merkwürdiger Weise das Gericht vorher mit geschlossen hatten) in voller Harmonie gegen die Deutschen zu zeigen. Jedenfalls sind wir der Zuversicht, daß die deutsche Regierung ihre Entscheidung erst auf Grund vollständig authentischen Nachrichtenmaterials treffen wird und im Augenblick, wo eS scheint, daß eine Arro ganz nicht von deutscher, sondern von englisch-amerikanischer Seite vorliezt, eS entschieden abgelehnt bat, ihre Beanurn zu deSavouiren oder gar abzuberufen. Sie wird gewiß we deutschen Interessen in keiner Weise antasten lassen. Die Lösung der Verwickelung, bei der eS nur auffällig ist, daß der deutsche Kreuzer „Falke" nicht eingegriffen hat, wild durch directe Verhandlungen zwischen den drei betheiligtcn Großmächten angestrebt. Hoffentlich zögert die deutsche Re gierung nicht zu lange mit der Veröffentlichung deS authen- tischen Sachverhalts. Schon jetzt wird ihr, wenn auch mir Unrecht, von gewisser Seite gesagt: „gui tacet, eonseutiia vicletui"' und von einem Vertuschuugsvcrsuch gesprochen. W r fügen nachstehende Meldungen an: * Wellington (Neuseeland), 20. Januar. Der britische Kreuzer „Tauranga" hat Befehl erhalten, nach Samoa abzugehen. * Washington, 20. Januar. Ter gegenwärtig in New Doik liegende Kreuzer„Newark" erhielt Befehl, durch die Maghelanstraß- nach San Diego abzugehen, um dort die „Philadelphia" z i ersetzen. Wie verlautet, muß die letztere gereinigt und repariri werden und kann nicht vor einer Woche nach Samoa auslaufen. In Frankreich ist man, kaum noch zum Tode betrübt, wieder einmal himmelbochjauchzend. Erst wurde die indo chinesische Anleihe 36 Mal gezeichnet und jetzt drängt fick', wer noch einen Sous übrig hat, zur Subscription für das zweite Unterseeboot. Welche Hebung des Nationalgefühls, welche Neubelebung deS nationalen Muthes, welche Aufrichtung der nationalen Hoffnung! Im „Malin" giebt Charles Laurent sogar seiner Freude darüber Ausdruck, daß so viele Kinder und Schüler, auch zahlreiche Arbeiter sich an der Sub scription betheiligen. Er deutet dies als Leu sichersten Beweis, daß Frankreich auf die Heranwachsende Jugend, auf LaS Volk zählen Lars. Paul de Cassagnac, dessen Patriotismus ebenfalls über jeden Zweifel erhaben ist, hält hingegen die Subscription für ein kindisches und unkluges Spiel. Gleich Ives Guyot, mit dem er ausnahmsweise übereinstimmt, hält er es für unstatthaft,' Frankreich etwas zu schenken, sei eS nun ein Schiff, eine Kanone oder ein paar Pferde. Solchcr Almosen bedürfe Frankreich trotz seiner schlechten Finanzen nicht; man mache es dadurch vor Europa nur lächerlich. Ja, wenn man sich dazu aufschwingen und Len Bau einer ganzen Flotte in Angriff nehmen lassen wollte! Das hätte etwas für sich, aber ein einzelnes Schiff und noch dazu ein solches. Las nach dem noch nicht ganz erprobteu Typus Les „Gustave Zöde" gebaut werden soll, wie thöricht! Cassagnac sieht einen Kampf mit Engljano voraus und gesteht betrübten Herzens, Laß Frankreich sich England gegenüber in der gleichen Lage befinde, wie Spanien Nordamerika gegenüber. Darum sei es gezwungen, dem Kampfe möglichst lange auS dem Wege zu gehen und sollte cs auch die „Nadelstiche" vermeiden, die ibm schon Faschoda eingetragen haben und ihm noch die Räu mung von Neufundland mit andern blutigen Demüthigungcn eiutragen werde. „Das wird Niemand leugnen wollen", i7) Onkel Wilhelm's Gäste. Roman von A. v on d e r E lb e. Nachtruck verboten. War die Schädigung, die ihr aus unserer zurückgegangenen Verlobung erwuchs^ so groß, daß ich moralisch gezwungen war, dagegen mein Lebensglück in die Lanze zu schlagen? Ich hielt mich überzeugt, daß es nicht der Fall sei, und die Folge hat mir Recht gegeben. Was sollte ich nun thun, sollte ich dieser Sache wegen eine Herausforderung von ihrem Vater annehmcn? Mir war, meiner ganzen Natur und Anschauung nach, das Duell von jeher zuwider gewesen. Ich wußte, daß ich mit dieser Abneigung gegen Standesgrundsätze verstoße. Allein meine Ehre hing — meiner Ueberzeugung nach — nicht vom Gutachten Anderer ab und konnte, falls ich sie geschädigt hatte, nicht durch «inen Kugekwechsel hergestellt werden. Sie beruhte in meinem Thun und Lasten, und wenn ich jetzt meiner Braut Liebe heucheln 'vollste, so war das ehrlos. Ich hegte keinen Haß gegen den Major, und er brauchte mich auch nicht zu hasten, wenn ich die Thatsache, daß ich Lücie nicht mehr liebe, erkannte und aussprach und wenn ich mein Lebensglück nicht Preisgeben wollte. Wie ich vorausgesehen, bekam ich von ihm, von Lucie's beiden älteren Brüdern und endlich auch von ihren zwei Vettern Herausforderungen; es war fast lächerlich! Sollte ich mich dieses herzlosen Mädchens halber süsiliren lasten? Dazu war mir doch mein Leben zu lieb. Obgleich es unanständig ist, diese einfache Naturwahrheit als Mann und Officier auszusprechen, leugne ich sie nicht. Andererseits, wenn ich auch das Duell, in der besten Absicht, kein Mörder werden zu wollen, annahm, es blieb unberechenbar, was im letzten Augenblicke, im Gestühl der Nothwehr, geschah und es würde mich sehr unglücklich gemacht haben, dem Mädchen obenein noch einen lieben Verwandten zu tödten. Ich erklärte also mit aller Bestimmtheit, ich werde mich nicht schlagen, und reichte zugleich meinen Abschied ein, denn ich wußte, daß ich nun nicht im Dienst bleiben könne. Gutgemeinte Versuche von Seiten der Kameraden, mich wenigstens zu einem Rencontre zu bewegen, wurden gemacht, ich aber verwarf all« Spiegelfechtereien. Es war eine traurige Zeit harter Kämpfe. Auch meine Familie wandle stich von mir ab, ich sah mich aufgegeben und nur das Einsiedlerleben hier auf dem Rusteberge blieb mir übrig." Der alte Mann schwieg einen Augenblick, überwältigt von seinen Erinnerungen und sah starr vor sich hin. Aber bald blickte er wieder heiter auf und fuhr fort: „Da bat mein treuer Bursche Hahncwinkel, ob er bei mir bleiben dürfe; so war ich doch nicht ganz verlassen. Der alte Gesell, wenn auch im Mißverstehen höflicher Formen manchmal närrisch, ist doch mein bester Freund und mir unentbehrlich ge worden. Auch meine hiesigen Jugendbekannten nahmen es mit dem militairischen Ehrencodex nicht allzu genau, und so habe ich doch noch auf meinem Berge ein Leben gefunden, wie es mir zusagt." Nella schlang die Arme um seinen Hals, jetzt verstand sie ihren kleinen, guten Onkel völlig. Mitleid mit allem Jammer der Creatur, sei's Mensch oder Thier, erfüllte das Herz dieses Mannes. Liebe geben und empfangen war sein natürliches Be- dllrfniß und sein Wesen strömte daher eine Fülle von Behagen verbreitender Wärm« aus. Bei aller bänglichen Sorge für sein Wohlbefinden blieben ihm doch Enge und Selbstsucht fern, er hätte gern für jedes Geschöpf ebenso treu gesorgt wie für sich selbst. „Du sollst nie wieder allein sein, mein Herzens-Onkclchen!" rief Nella und küßt« seine runzlichcn rothen Backen. „Ich hab« Dich schrecklich lieb und möchte Dich verziehen, wo ich nur kann. Eine gute, treue Tochter sollst Du an mir haben!" ' „Bist ein braves Kind, Petronella, aber komm, es wird kühl und wir könnten uns erkälten." Er nahm einen Wollshawl aus seiner Rocktasche und wickelte ihn sich um den Hals, während er von der Bank aufstand. Nella meinte, daß es jetzt beim Sonnenuntergänge erst recht angenehm hier oben werde, allein sie wagte keine Einwendung Hahncwinkel und seine Gefährtin nahmen auch ihre Harken auf die Schulter und zogen heim. Die Knaben kamen aus dem Walde zurück und so gingen sie Alle miteinander nach der Burg hinunter. Vierzehntes Capitel. Ein zweiter, viel härterer Winter lastete mit seiner kalten Hand schwer auf den Bewohnern des Rusteberges. Die Fenster scheiben thauten kaum noch auf, und ein eisiger Wind fuhr um die freie Höhe. Der Schnee lag seit mehreren Wochen bis zu den Fenstern des unteren Stockes hinauf und die Vcrkchrsverhältniste wurden immer schwieriger. Die Knaben, jrtzd, zwölf- und dreizehnjährige abgehärtete Burschen, hatten doch ihre Noth, zur Schule hinunter zu kommen und mußten dann und wann zu Hause bleiben. Sie hielten sich an solchen Tagen gern in der Küche am warmen Herde auf und übten hier ihr Geigenspiel, da sie mit solchen Uebungen -en Onkel nicht plagen durften. Onkel Wilhelm verließ sein stark geheiztes Zimmer schon seit Wochen nicht und ließ sich's angelegen sein, die Oefen in Wohn- und Schläfgemach reichlich zu versorgen. Hahncwinkel konnte kaum genug von den großen Holz- vorräthen, die unterm Schuppen lagen, herbeischleppen, um alle Ansprüche zu befriedigen. Am meisten- verschlang indeß der Kamin im Rittersaal«, wo Nella eifrig bemüht war, ein tüchtiges Feuer für ihren kranken Vater zu unterhalten. Noch immer konnte sie ihn nicht bewegen, ins kleine Haus und in die behaglicheren Räume hinunter zu gehen. Mit verwirrtem, aufgeregtem Gebühren versicherte er der ängstlich bittenden Tochter, er könne seinen Arbeitstisch nicht ver lassen und mit einem scheuen Blick auf die dunklen Ritterbilder fügte er hinzu: „Meine Ahnen würden mir fluchen, wenn ich dem plebejischen Treiben da unten beipflichten wollte." Was er sich darunter dacht«, erfuhr Nella nicht, aber sie er kannte, daß ihr Bitten vergeblich sei, und daß sie ihn aus seiner gewohnten Umgebung, mochte diese noch so unbehaglich werden, nicht fortlocken könne. Die Mahlzeiten mußte sie mit ixn Brüdern bei ihm ein nehmen. Wenn sie auch nahe an die lodernden Flammen des Kamins heranrückten, so herrschte doch eine empfindliche Kälte in dem weiten Raume, den nach Möglichkeit zu verwahren Nella's beständige Sorge war. Sie hatte schon undichte Fenster geklebt, was sie an Teppichen besaß, ausgebreitct und einen Schirm um des Vaters Bett gestellt Besonders bestrebt war sie, mit Hahnwinkel's Hilfe das Feuer so zu versorgen, daß cs bis zum anderen Morgen anhielt. Für den nächsten Winter mußte bessere Fürsorge getroffen, ein Ofen gesetzt und die Ecke, in der ihr armer Vater hauste, durch eine Wand abgeschoren werden. Sie hatte schon mit Hahne- winkel gesprochen, und so schwierig die Veranstaltung auch sein mochte, es mußte geschehen. Es war an einem bitterkalten Januartage, als Nella noch ein mal Abends zu ihrem Vater ging, um zu sehen, ob er auch für die Nacht wohlversorgt sei. Er lag schon im Bette und sagte feierlich: „Eben hat mir mein Urahn, der Kreuzritter Paul Eberhard von Rusteberg — der da drüben, anvcrtraut, wo ich die wichtigen Papiere finden kann." Nella, an solche Eröffnungen gewöhnt, ging nicht darauf ein, um den Kranken nicht aufzuregen. Sie stopfte die Kissen um ihn und bat, er solle recht ruhig liegen, die Decken nicht verschieben, damit er warm bleibe, «s sei gar zu kalt diese Nacht. Er murrte etwas von unnöthiger Sorge, wie er oft that. Nella sah nach dem Feuer, Holzklötze und Scheite waren im Kamin so geschichtet, daß die Flamm« reichlich« Nahrung fand und die Wärme sich jedenfalls lange hielt. Da der Kranke nicht im Dunkeln sein mochte, stellte sie, wie jeden Abend, hinter den Bettschirm eine wohlversorgte brennende Lampe, dann küßte sie den Vater und sagte ihm noch einmal gute Nacht. Als seine Tochter gegangen war, lag Peter Alexander noch eine Weile mit offenen Augen da. -In seinem kranken Hirn drängten sich die Wahnvorstellungen. Er war überzeugt, daß Ahn Eberhard — der da mit dem Kreuzritter-Mantel, den er im Verschwimmenden Dunkel des weiten Raumes nur undeutlich sah, es sehr gut mit ihm meine, und ihm helfen wolle, wieder zu seinem Rechte zu kommen. Er flüsterte: „Ja früher, da sind wir ausgezogen mit Roß und Reisigen, legten uns vor den Wendelstein und bedrängten den Feind, bis wir in stiller Nacht, wie heute, die Burg erstiegen, die Ungerechten nicdermachten, und wieder Herren wurden da, wo man uns vertrieben. Jetzt hängt alles Recht vom Papier ab — vom Papier — suchen — suchen " Des Kranken wirre Gedanken verdämmerten, er schlief ein. Die Nacht schlug ihr«» schwarzen Mantel um den alten Bau. Nirgend ein Laut. Die Thiere unter Wilhelm's Obhut waren wohl versorgt, die Hunde lagen am warmen Ofen. Nur im Walde bog sich knisternd mancher Ast unter der Last des Schnees, es knackte und rieselte, und aus der Ruine tönte dann und wann der kläglick>e Schrei eines Käuzchens, das von der Kälte leiden mochte. In dem alten Rittersaale war'» ganz still, athemberaubend still. Hätte ein Ohr hier gelauscht, würde cs gemeint haben, die Zeit mit leisem Rauschen verrinnen zu hören. Da seufzte Peter Alexander in seinen Kissen und warf sich unruhig umher. Er murmelt«: „Ja, ja, Eberhard — warte nur — komme schon. — Schlaftrunken richtete sich der Träumer im Bette empor. „Er will mir die Papiere geben — ich muß — hu, wi« kalt." Sin mageres Bein streckte sich aus dem warmen Lager hervor,
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