Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.01.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-01-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990124011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899012401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899012401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-01
- Tag1899-01-24
- Monat1899-01
- Jahr1899
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Wir Morgen-AuSgabe erscheint um '/,? Uhr, di« Abend-Ausgabe Wochentags um b Uhr. Filiale«: Ltt» Klcmm'S Lortim. (Alfred Universitätssrraßc 3 (Pauliniv), Louis Lösche. Katbarinenstr. 14, part. und KSAgSplatz L Nedartio« und Ekve-itio«: Iohannesgaffe 8. Di« Expedition ist Wochentag» unnnterbroche» geöffnet von früh 8 bi« Abends 7 Uhr. BezugS-Prer* ho der Hauptexpedüion oder den in» Stadt» bezirk und den Vororten errichteten Aus» ««bestellen ab geholt: vierteljährlich^ 4.50^ Iri zweimaliger täglicher Zustellung in» (au? ü^O. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich »i S.—. Direkte täguche Kreuzbandiendung ins Ausland: monatlich 7.b0. 42. f"-' Morgen-Ausgabe. MjpMcr LiuMlüt Anzeiger. Amtskkatt des ÄönigNche« Land- und Wtttsgerichtes Leipzig des Rathes nnd NoNzei-Ämles -er Ltadt Leipzig. Dienstag den 24- Januar 1899. Uttzeigen-Prers hie 6 gespaltene Petitzeile SO Pfz. Reklamen unter demRedactionSstrich (»ge spalten) LO-4, vor den Familirnaochrichlr» (6 gespalten) 40/4- Lrößere Tchriitrn laut unserem Preis- ve^eichniß. Tabellarischer und Ziffern!» > «ach höheren» Tarif. Extra-Veilage» (gesalzt), nur mit de« Morgen »Ausgabe, ohne Postbrförderuug 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Aanahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morge a-Ausgabe: Nachmittags 4 Ulst. Lei den Filiale« und Annahmestellen je ein» halb« Stunde fr-her. Anzeigen sind stets an dk Erpeditios »« richten. Druck «d Lerlaa von E. P olz st» Leipziz. 83. Jahrgang. Die Deutschen in Samoa. Nachdruck verbot«». Wieder haben die Wirren auf Samoa zu Kämpfen geführt, durch die die tiefgehenden Interessen unserer dort thätigen Landsleute gefährdet werden. Um dem Leser ein auch nur einigermaßen klares Bild über die politische und kommerzielle Stellung der Deutschen auf den Samoa-Inseln zu geben, ist es nöthig, 10—15 Jahre zurück zugreifen, und zwar bis zu der Zeit, als die Theilung der Südsee durch den deutsch-englischen Vertrag, wobei England sich den Löwenantheil anzueignen wußte, noch nicht vor sich gegangen war. Zu jener Zeit wurde, wie ein genauer Kenner jener Ge genden, v. Wolfersdorf-Apia, uns schreibt, die Siidsee durch die Deutsche Handels- und Plantagen-Gesellschaft der Südsee- Inseln, der Nachfolgerin des großen Hamburger HandelshausesJoh. CäsarGodeffroyLSohn, in commerzieller Beziehung vollständig beherrscht. Fast alle Inselgruppen daselbst wurden durch diese Firma von Apia aus bearbeitet, und überall war die schwarz weiß-rot he Flagge heimisch, ja fast allein bekannt. Das ganze Jahr über lagen rm Apia- Hafen gecharterte Schiffe, welche Maaren von Deutsch land gebracht hatten und hier mit Eopra und Baumwolle be laden wurden oder auf Segelordre warteten, um in einem anderen Hafen der Südsee beladen zu werden. Die Haupt agentur der genannten Firma auf Samoa besaß zu jener Zeit 13 in Apia stationirte Segelschiffe, welche hauptsächlich dazu bestimmt waren, die Handelsstationen in den verschiedenen Insel gruppen, wie Tonga, Ellice und Tokelau-Gruppe, Wallis und Futuna, Gilbert- und Kingsmill-Jnseln, mit Maaren zu ver sorgen und Eopra von dort nach Apia zu schleppen. Einige dagegen waren auf der Arbeiterfahrt beschäftigt, d. h. sie be sorgten das Anwerben von schwarzen Arbeitern für die Pflan zungen, sowie den Rücktransport ausgedienter Arbeiter nach deren Heimath, und zwar erstreckten sich diese Fahrten besonders nach der Kingsmill-Gruppe, den Neu-Hebriden und Salomons- Inseln. Eine Bark und ein Dreimastschooner fanden für die weiteren Fahrten nach den Marshall-Inseln und Neu- Britannien, jetzt Bismarck-Archipel genannt, Verwendung, ja selbst bis nach den Carolinen-Jnseln, jetzt im spanischen Besitz, wo die deutsche Firma in Uap eine wichtige Station unterhielt. Auch die damals in Apia ansässige deutsche Firma H. M. Ruge L Co. besaß mehrere Schiffe, tvelche di« Samoa nächstgelegenen Inselgruppen befuhren. Alle diese Schiffe wurden von geprüften deutschen Capitainen geführt und hatten auch meist weiße Steuerleute an Bord, die Mannschaft bestand theils aus Samoanern, theils aus in Samoa ansässigen Ein geborenen anderer Slldsee-Jnseln. Alle diese Leute hatten Familie oder hielten einen Hausstand in Apia und verzehrten den größten Theil der verdienten Heuern daselbst, was im Verein mit den immer im Hafen liegenden Charterschiffen eine bedeutende Einnahmequelle für die Handelstreibenden in Apia ausmachte. Selten war eine nichtdeutsche Flagge im Hafen zu sehen. Ein- oder zweimal im Jahre zeigte sich ein englisches Kriegsschiff, vereinzelt kamen auch Handelsschiffe mit Maaren von Australien und Neu- Seeland; auch regelmäßig einmal im Jahre ein französisches Kriegsschiff, weniger wohl aus politischem Interesse, als um die Verbindung zwischen den katholischen Missionen in Samoa und den unter französischem Protektorate stehenden Inseln Wallis und Futuna herzustellen. Sobald sich ein Schiff dem Hafen näherte, gingen auf allen daselbst befindlichen Schiffen die Flaggen zur Begrüßung hoch, dem erstaunenden Besucher in der fernen SUdsee «in kleines Deutschland zeigend. In gleicher Weise wie der deutsche Handel hatten sich die deutschen Pflanzungen entwickelt. Der beständige Krieg zwischen den Eingeborenen erleichterte den vortheilhaften Ankauf von Ländereien, theils zur Arrondirung der schon vor handenen Pflanzungen, theils zur Anlage von Neuculturen. Eigneten sich auch die Samoaner nicht zur Verwendung für andauernde Pflanzungsarbeit, so boten doch die bereits erwähnten Inselgruppen genügende und billige schwarze Arbeiter. Der durchschnittliche damalige Arbeiterbestand auf den deutschen Pflanzungen betrug 1200—1300 Köpfe, und zwar gab es auf der Insel Upolu sechs Pflanzungen, wozu noch eine auf der Insel Savaii und eine in Tongatabu, der Hauptinsel der Tonga gruppe, hinzukam. Nähert man sich der Insel Upolu von der Seeseite, so zeigt sich dem Reisenden schon von Weitem das Resultat deutschen Capita ls und deutscher Arbeitskraft: saftig grün heben sich die großen Strecken der Neuculturen und Lichtungen von dem dunklen Grün des Urwaldes ab. Hauptsächlich sind diese Pflanzungen für Meilen und Meilen systematisch mit Cocospalmen bepflanzt, und obwohl diese Palme erst vom 7. Jahre an Früchte trägt, so war doch schon derzeit ein Theil des bepflanzten Areals ertragsfähig. Copra, der zerschnittene und getrocknete Cocos- nußkern, brachte aber damals auf dem europäischen Markte einen viel höheren Preis als heute, zeitweise 20—22 Lstrl. per Tonne. Vorzüglich gedieh ferner die angepflanzte Baum wolle, und besonders lieferte die sogenannte Lea-Jsland-Sorte ein Prima-Product; und war der Export an Kaffee auch gering, so war doch die Qualität desselben eine ausgezeichnete. Alle diese Produkte der Pflanzungen wurden meist auf dem Wasser wege, theils zur direkten Verschiffung, theils zur Weiter bearbeitung, nach Apia gebracht. Hier war ein mächtiges Maschinenhaus mit Dampfbetrieb errichtet, wo zunächst die Baumwolle durch «ine ganze Anzahl Maschinen — Ginnen — von den schwarzen Saatkörnern befreit und darauf mittels Dampfpressen in Preßballen verpackt wurde. Ebenfalls durch Maschinen wurde der Kaffee hier geschält, gereinigt und fort» tj Eine Eismaschine war für medicinijche und kulinarische Zweckt in Betrieb. Den Zimmerleuten und Schmiedewerkstätten gaben die Schiffe und Pflanzungen beständige und reichliche Arbeit. Kurz, dieser Theil Apias — Sozi genannt — bot «in stetes Bild reger Arbeit und deutschen Unternehmungsgeistes. Hatte der sich immer toeiter ausbreitende Handel der deutschen Handels gesellschaft schon die rege Eifersucht Neu-Seelands erweckt und in der neuseeländischen Firma Mc. Arthur L Co. einen ge fährlichen Concurrenten, in einer Anzahl stellensuchender Aben teurer von Neu-Seeland aber einen sehr unerwünschten Zuwachs der weißen Bevölkerung Nach Samoa gefunden, so waren es hauptsächlich die zum Schutze der deutschen Plantagen noth- wendigen Maßregeln, welche nunmehr die weißen Bewohner daselbst in zwei feindliche Lager schieden. Auf der einen Seite die deutsche Handels- und Plantagen-Gesellschaft und Alles, was von ihr abhängig war, auf der anderen Seite nicht nur alle Nichtdeutschen jedweder Nationalität und jedweden Geschäfts, sondern auch alle nicht zu dieser deutschen Firma gehörigen Kaufleute und Gewerbetreibenden. Alle diese fürchteten ein Handelsmonopol der deutschen Handels- und Plantagen- Gesellschaft, wodurch sie ihre Existenz gefährdet glaubten. Um dieses zu verhindern, den überhandnehmenden politischen Einfluß » der Firma zu brechen und eine eventuelle Unterstützung derselben durch die deutsche Regierung zu Hintertreiben, war dieser Partei jedes Mittel recht, unbekümmert, wie sich auch die ferneren Zustände in Samoa gestalten möchten. Aber alle diese Jntriguen würden nicht hingereicht haben, dem deutschen Handel, welcher bereits so festen Fuß in der Südsee gefaßt l)atte, Schach zu bieten, hätte sich nicht an den grünen Tischen der Metropolen London und Berlin ein Ereigniß abgespielt, welches die Verhältnisse in der Südsee mit einem Schlage und leib«r für immer zum Nachtheil der deutschen Interessen veränderte. Es war der deutsch-englische Vertrag, durch welchen die Theilung der Südsee vorgenommen wurde. Hierdurch kamen alle bis dahin noch nicht unter dem Protektorate einer der Großmächte stehenden Inseln der Südsee in die englische Machtsphäre, darunter die für den deutschen Handel wichtigen Ellice-, Tokelau- und Kingsmill-Jnseln, wohingegen für Deutsch land zu den bereits unter deutschem Protektorat befindlichen Deutsch-Neu-Guinea, Bismarck-Archipel und Marshall-Gruppe nur drei nördlich gelegene, vor der Hand ganz werthlose Inseln der Salomon-Gruppe hinzukamen, die für die Arbeiter anwerbung äußerst wichtigen Inseln derselben Gruppe, Malayta und Guadalcanar, aber den Engländern zufielen. Da die für die Arbeiterrecrutirung ebenfalls wichtigen Neu-Hebriden-Jnseln über kurz oder lang entweder in englischen oder französischen Besitz übergehen werden, so ist das für die Bearbeitung der deutschen Plantagen in Samoa durch schwarze Arbeiter der Südsee für die Zukunft ein großes Hemmniß. In diesem deutsch-englischen Vertrag wurden ferner die Samoa- und Tonga-Inseln als absolut neutral erklärt. Die natür liche Folge dieser Theilung der Südsee war zunächst die Ab trennung der Handelsinteressrn in der Marshall-Gruppe von der deutschen Gesellschaft in Samoa, die Aufgabe sämmtlicher Handelsstationen der letzteren in der englischen Machtsphäre und Beschränkung ihres Handels in der Hauptsache auf die Samoa- und Tonga-Inseln. Aber trotz der großen Umwälzungen und Nachtheile, trotz des bedauerlichen Umstandes, daß an Stelle der die Siidsee be herrschen»«»» SegelMstfsfahrt unter deutsche: Flagg« jetzt fast ausschließlich englische und amerikanische Dampferoerbindung getreten ist, trotz- und alledem sind die deutschen Inter essen immer noch die p r ä d o m i n i re n d e n in Samoa. Dies ist zunächst bezüglich des Landbesitzes der Fall. Von den nach dem Inkrafttreten der Samoa-Acte der Land commission eingereichten und von dieser geprüften Land ansprüchen hat Deutschland ca. 60 Procent, Amerika 7 Procent und England nur 3 Procent der beanspruchten Ackerzahl zu erkannt erhalten. Das deutschem Besitz zugesprochene Gesammt- areal beläuft sich auf mehr als 80 000 Acker, wovon mehr als 20 000 Acker unter Cultur sind, und übertrifft um 20 000 Acker den Besitz aller anderen Weißen zusammen. Diesen stehen keine englischen oder amerikanischen Plantagen von irgendwelcher Bedeutung gegenüber. Von dem Gesammtertrag der erhobenen Waarenzölle und anderer Abgaben zahlen die Deutschen allein mehr als die Hälfte, und die Ausfuhr des einzigen Exportartikels — Copra — liegt fast allein in deutschen Händen. Es hat sich aber auf deutscher Seite während der letzten Jahre eine beträchtliche Verschiebung des Jnteressenverhältnisscs vollzogen. Früher waren alle deutschen Jnteressenansprüche in der deutschen Handels- und Plantagen-Gesellschaft concentrirt; deutsche Inter ¬ essen hieß Interessen der deutschen Firma, alles Andere existicte nicht für die Politik. Dies ist heute nicht mehr der Fall. Denn wenn auch die deutsche Handels- und Plantagen-Gesellschaft immer noch das größte Importgeschäft ist und den Exporthandel fast ausschließlich in der Hand hat, so ist doch jetzt außer ihr noch eine ganze Anzahl deutscher Geschäfte vorhanden, welche durch die Dampferverbindungen mit Amerika und Australien gänzlich von der deutschen Handels- und Plantagen-Gesellschaft unabhängig geworden sind. Dazu sind von 8 Hotels und Gast- wirihschaften 6 in deutschen Händen, desgleichen 2 Schmieden, 1 Bäckerei, 1 Sodawasser- und 1 Seifenfabrik. Noch bedeutender zeigt sich die Veränderung im Landbesitz. Früher war alles deutscherseits beanspruchte Land fast ausschließlich im Besitze dieser einen Firma, nur wenige Deutsche hatten Privatgrund besitz, und obwohl auch heute noch der bei Weitem größte Theil der deutschen Ländereien in den Händen derselben ist, so sind doch in den letzten Jahren, als sich die deutsche Handels- und Plantagen-Gesellschaft endlich bereit fand, Land zum Verkauf zu setzen, fast alle seit längerer Zeit hier lebenden Deutschen, worunter auch der größere Theil der Angestellten dieser Firma, durch Kauf Grundeigenthümer geworden, cultiviren das Land und haben Gebäude darauf errichtet. Ein jeder dieser Ge schäftsleute und Haus- und Grundbesitzer hat nun seine eigenen, gänzlich von der deutschen Handels- und Plantagen-Gesellschaft getrennten Interessen zu vertreten, aber auch das Recht, Schutz seines Eigenthums und Wahrung der ihm zustehenden Vertrags rechte zu beanspruchen. Infolge hiewon zeigt sich unter den Deutschen auch be deutend mehr Teilnahme an der Entwickelung und den Ver- waltungsgeschäften der Stowt, ja des ganzen Landes, als früher vorhanden war, — wodurch eben den Einwohnern anderer Nationalitäten zu deutschfeindlichen Umtrieben voll ständig freie Hand gelassen worden war. Auch Heirathen zwischen Deutschen und Samoanerinnen oder Halbweißen sind in den letzten Jahren immer häufiger geworden, worunter auch manche nachträglich legalisirte Verbindungen von mit Kindern reichlich gesegneten deutschen Vätern bemerkenswerth sind, so daß eine Volkszählung zweifellos eine bedeutend vermehrte Anzahl von deutschen Staatsangehörigen trotz der Verminderung der Zahl der Angestellten der deutschen Handels- und Plantagen-Gesellschaft ergeben würde. In engen: Zusammenhänge damit steht die sich von Jahr zu Iah: immer erfreulicher gestaltende Entwickelung der deutschen Schule. Dieselbe wurde vor acht Jahren gegründet und gewann vor ungefähr zwei Jahren in Folge von Vergrößerung und durch Errichtung eines Kindergartens unter Leitung einer deutschen Lehrerin bedeutend an Kinderzahl und Wichtigkeit für hier. Die Ende vorigen Jahres erfolgte Ankunft eines neuen Schuloirectors mit deutscher Frau machte den gänzlichen Neubau der Schule nöthig, welche nunmehr ein für die samoanischen Verhältnisse sehr respektables Gebäude ist und zugleich als Kirche dient, auch Raum für den bescheidenen Anfang eines Pensionats bietet. Da der Director zugleich evangelischer Pastor und zwar ein vorzüglicher Prediger ist, so ist dem früher vorhandenen Mangel an kirchlich»! Gottesdienst in deutscher Sprach« ebenfalls abgeholfen, und Ehe schließungen und Begräbnisse gehen in einer dem Ernste dec Handlungen entsprechenden würdigen Weise vor sich. Ein Unterstützungsverein auf Gegenseitigkeit, „Concordia", dessen Mitgliederschaft sich zwar nicht auf deutsche Staats angehörige, aber doch auf deutschsprechende Mitglieder beschränkt und zu dem der größte Theil der hiesigen Deutschen gehört, hat Feuilleton. Die Artillerie der Zukunft. Hine Studie aus der modernsten Geschütztechutk. Von Karl Rudolfi. In einem Augenblicke, wo dir Friedensborschaft des Zaren durch die Welt schallt, sind viele Staaten emsig damit beschäftigt, ihre Rüstungen zu vervollkommnen, und selbst die amerikanische Union geht daran, sich ein starkes Friedensheer zu schaffen. Auch Oesterreich kann sich der Einsicht von der Nothwendigkeit einer neuen Artilleriebewaffnung nicht länger verschließen und Deutsch land, welches soeben seinen Uebergang zu den Schnellfeuer geschützen vollzogen hat, schreitet außerdem an «ine erhebliche Ver mehrung seiner Artillerie. Bewahrheitet sich somit wiederum der Satz, daß die Kanonen die ultirnn ratia nicht nur der Könige, sondern aller Staaten sind, so ist der gegenwärtige Zeitpunct auch deswegen um so ge eigneter, der Artillerie die allgemeine Aufmerksamkeit zuzuwenden, weil gerade jetzt leistungsfähige Geschütztypen aufgetaucht find, welche von den bisherigen durchaus abweichen. Die Mehrzahl dieser Erfindungen hat das Licht der Welt in Amerika erblickt, wo man in fast einseitiger Weise sich auf die Vervollkommnung der Geschütze geworfen hat, während man in Europa die Auf merksamkeit auch der Reversseite der Medaille, nämlich dem Schutze gegen Artilleriefeuer, also vorzugsweise der Panzerung, zuwendet. Der Hauprübelstand ver meisten Kanonen liegt in ihrem großen Gewicht; nur bei Strandbefestigungen und SchrffS- geschlltzen spielt dies eine nebensächliche Rolle, da diese Kanonen auf dem einmal angenommenen Standpuncte zu verbleiben pflegen. Unangenehm wird aber die schwere Beweglichkeit schon bei Belagerungsgeschützen empfunden, wir das Beispiel der Be schießung von Paris im Jahre 1870/71 beweist, welche nur des halb so spät begonnen werden konnte, weil es ungeheure Mühe machte, den schwerfälligen, dazu erforderlichen Geschützpark aus Deutschland heranzuschaffen, und selbst die kleinen Geschütze, wie sie für den Kampf im Gebirge in Gebrauch gekommen sind, können durch die Bespannung oft nur mit großer Müh« in die richtigen Stellungen gebracht werden. Man begann daher die Rohre der letzteren zu zerlegen, wobei die durch das Zusammen schrauben der einzelnen Sluck« gewonnene Rohrlänge auch der Schießleistung zu Gute kam. Derartige Kanonen haben in den zahllosen kleinen Lolonialkri«gen Englands gute Dienst« geleistet, und auch das deutsche Fabrikat von Krupp, welches von den Türken in ihrem letzten Kriege gegen Griechenland verwendet wurde, hat seine Feuerprobe siegreich bestanden. Bei größeren Geschützen gesellt sich zu der schweren Beweglichkeit noch der zweite Uebelstand, daß es der Technik fast unmöglich ist, die zur Fabrikation dieser Kanonen erforderlichen Gußstahlblöcke, welch« bis zu tausend Centnern und darüber schwer sind, mit der Garantie zu liefern, daß sich in denselben keine Materialfehler, namentlich Blasen oder Risse, befinden. Ein solcher, der an einem Riesengeschütz natürlich schwerer zu entdecken ist, als an kleinen Stücken, rächt sich furchtbar am eigenen Freund, wie die vielfachen Explosionen auf Kriegsschiffen beweisen, welche unter der Be dienungsmannschaft entsetzliche Verheerungen anrichten und mit einer gewissen Regelmäßigkeit bald in dieser, bald in jener Kriegs marinr sich ereignen. Um daher aus kleineren Stücken von tadellosem Guß Kanonen herzustellen, ist Krupp schon vor vielen Jahren dazu übergegangen, über seine Geschützrohr« einen oder mehrere Mäntel oder Ringe zu ziehen, welche den Widerstand des Rohres gegen den ungeheuren, von innen auseinandertreibend wirkenden Gas druck erhöhen. Auch diese Stücke sind aber noch immer von zu hohem Ckwicht und großen Dimensionen, und man hat daher in Amerika versucht, Kanonen aus sehr zahlreichen, kleinen Stücken zusammenzusetzen. Man denke sich eine fertige Kanone von der Mündung bis zum Verschluß durch senkrecht zur Längsachse geführte Schnitte in 30 bis 40 Scheiben zerlegt und diese durch Stahlstangen, welche die entsprechenden Randbohrungen der Scheiben durch setzen, zusammengehalten, so hat man das Urbild der modernsten amerikanischen Kanon« vom Jahre 1898. Diese flachen Ring scheiben lassen sich nicht nur leicht fehlerlos Herstellen, correct bohren und abschleifen, sondern auch leicht zusammensehen und wieder auseinandernehmen. Sie sind jedoch mit dem Aneinander schrauben der Ringstücke noch keineswegs gebrauchsfertig; viel mehr muß in ihren Jnnenraum das eigentliche Seelenrohr aus gehärtetem Stahl erst hineingeschoben werden, welches durch die Ringscheiben am Zerplatzen gehindert wird und dementsprechend sehr dünn und leicht an Gewicht sein kann. Während die Gebrauchsfähigkeit dieser Kanone «rst noch ernstlich ausgeprobt werden muß, steht dieselbe bei den von Longridge und Brown erfundenen Drahtseqmentkanonrn bereits außer allem Zweifel, und die englische Marine hat auf ihren größten Panzerschiffen der Majestic - Llasse bereits derartige Ge schütze eingefiihrt. Eine solch« Drahtsrgmentkanon« unterscheidet sich, wie durch ihren Namen anqedeutet wird, durch zwei Eigenthümlichkeiten von den bisher üblichen Formen, indem nämlich an Stelle des schützenden Mantels und der Ringe unzählige Drahtwindungen treten, während die Seele des Geschützes in zahlreiche Segmente zerlegt ist. Um zunächst bei den letzteren zu bleiben, so hat man sich dieselben nicht wie die hintereinanderliegenden Ringscheiben der eben erwähnten zerlegbaren Kanon« vorzustellen. Jeder Segment reicht vielmehr als schmaler Streifen der Seelen wandung Durch die ganze Länge des Geschützes von hinten bis vorn, ließe sich also am passendsten mit der Daube eines sehr langen cylindrischen Fasses vergleichen. Fünfzehn bis zwanzig derartige Segmente, welche aus dem vorzüglichsten Stahl ge arbeitet sind, bilden das Seelenrohr und sind so präcis ab geschliffen, daß schon beim bloßen Aneinanderlegen die Fugen zwischen den einzelnen Stücken kaum bemerkbar sind. An ihrem vorderen unv rückwärtigen Ende werden sie durch Ringe zu- sammengehalten und erhalten dann eine Umwickelung mit Draht, welche der Kanone ihre vorzüglichen Eigenschaften verleiht, indem sie die einzelnen Segmente sicherer und vollkommener aneinander preßt, als dies durch Mäntel und Ringverstärkungen möglich wäre. Es ist nämlich eine Eigenthümlichkeit des Eisens und Stahles, daß der daraus geformte Draht zu -einer bedeutend größeren Festigkeit gebracht werden kann, als diejenige eines geschmiedeten Stahlstückes. Der zur Verwendung gelangende Draht übertrifft in der That auch die Festigkeit des besten Schmiedestahles um mindestens das Dreifache und besitzt — vielleicht der faßlichste Beweis seiner Vorzüglichkeit — eine so außerordentliche Zugfestigkeit, daß ein Draht von einem Quadrat millimeter Querschnitt eine Belastung von reichlich 160 Kilo gramm, also mehr als 3 Centnern verträgt, ohne zu reißen oder auch nur überdehnt zu werden. Brown umwickelt nun seine Ge schütze mit einem derartigen Drahte, der keine Walzenform Hai, sondern vierkantig ist und eine Stärke von 2 Millimetern hat, in vielen tausend Windungen, und zwar so, daß am Verschlußende eine größere Anzahl Windungen, nämlich bis 40, übereinander liegen, während die Mündung nur mit 12 bi» 20 übereinander liegenden Schichten Draht umwickelt ist. Er erreicht es damit, daß seine Geschütze einen Gasdruck von 4000 Atmosphären mit Leichtigkeit aushalten, während ihre Festigkeit in gewöhnlichen Fällen nur bis auf wenig mehr als die Hälfte dieses Gasdruckes beansprucht wird. Um übrigens bei Ueberanstrengung des Rohres ein Eindringen der Pulvergase in di« Segmentfugen «ndgiltig zu verhindern, wird die Seele weiter als nothwendig ausgebohrt und mit einem feinen Stahlrohr ausgefüttert, welches mit hydraulischer Kraft hineingetrieben wird. Ganz den entgegengesetzten Weg hat der durch sein« bis zu 600 Schuß in der Minute gebende Schncllfeuerkanone und einen Flugapparat bekannt gewordene Erfinder Maxim beschritten, indem er wieder, wie in alter Zeit, kolossale Kanonen aus einem einzigen Stück Flußstahl gießt und dann nach erfolgter Bohrung von innen nach außen zu härtet, so daß die härtesten Stahllagen die Seelenwandung bilden und nach außen zu allmählich in weichere übergehen. Die moderne Gefechtsart, bei welcher jede Möglichkeit einer Deckung bis aufs Aeußerste auSgenutzt wird, hat gegenüber unseren Geschützen für jxtachschuß mit möglichst rasanter Flug» bahn das Bedürfniß nach Kanonen, mit welchen man durch Bogenschuß auch gedeckte Ziele zu treffen vermag, wieder wach gerufen. Infolge dessen beginnt man, ganz allgemein in allen Armeen Wurfgeschütze, wie Haubitzen und Mörser, in beschränkier Anzahl wievcr rinzusührcn. Rußland hat zuerst wieder Mörser batterien ausgestellt, und die anderen Großmächte sind diesem Bei spiel mit derartigen Kanonen gefolgt, welche zum Theil so con struirt sind, baß sie bei voller Ladung wie die gewöhnlichen Kanonen zum Flachschuß zu benutzen find, während sie bei schwacher Pulverladung den Steilfchuß ermöglichen. Seit Langem bemüht man sich, die überaus heftige Spreng wirkung des Dynamits und der demselben verwandtew-Explosiv stoffe in den Dienst der artilleristischen Technik zu stellen. Der Erfinder der ersten brauchbaren Dtznamitkanone, Zelinski, hat sein Geschütz derartig vervollkommnet, daß Die amerikanische Union und England sich veranlaßt gesehen haben, dasselbe in ihrer Küstenbefestigung zu verwenden. Der Gebrauch des Pulvers, des früheren schwarzen sowohl wie des modernen rauch schwachen, als Treibkraft ist bei diesen Geschützen ausgeschlossen, weil die Gefahr für Geschütz und Bedienungsmannschaft größer würe als für den Feind. Man bedient sich daher zu diesem Zwecke der comprimirten Lust, Deren ausreichende Beschaffung anfänglich die größte Schwierigkeit bei Benutzung derartiger Ge schütze war. Diese Geschütze sind außergewöhnlich lang, bis zu 18 Metern, und schleudern 3 Meter lange Geschosse auf Ent fernungen bis zu einer deutschen Meile. Das ungeheure Projektil hat ein Gewicht bis zu 14 Centnern und enthält eine Spreng ladung von 2 bis 3 Centnern Dynamit. Daß die Wirkungen eines solchen Schusses geradezu entsetzlich sind, liegt auf der Hand. Der erste Treffer, welcher aus einer derartigen Strand kanone abgegeben wird, weiht das stolzeste und schönste Panzer schiff fast sofort der Vernichtung, während ein Treffer auS Den gewöhnlichen Strand- und Schiffsgeschützen nur die Action- fähigkeit des beschossenen Schiffes beschränkt oder bestenfalls gänzlich lahm legt, ohne bei dem Vorhanvensein der wasserdichten Abtheilungen, der sogenannten Schotten, den sofortigen Unter gang herbeizuführen. Für den Landkrieg in der Feldschlacht, bei welcher es auf die Möglichkeit schneller Ortsveränderung ankommt, werde» Dynamitkanonen wegen ihrer Größe wohl stets unverwendbar bleiben. Dagegen denkt man allen Ernstes daran, im Be lagerungskriege die verheerende Wirkung des Dynamits in der Weise zu verwenden, daß man durch den Aufprall explodirender Bomben von einem bei passendem Winde über die belagerte Stadt fliegenden Ballon in diese hinabfallen läßt. Uebrigens ist auch die Wirkung der in der deutschen Feldartilleri« eingeführten Schnellfeuergeschütze eine so entsetzliche, daß sie Jedem, der ein mal davon sich zu überzeugen Gelegenheit gehabt hat, den höchsten Respekt «inflößt.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite