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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.01.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-01-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990126016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899012601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899012601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-01
- Tag1899-01-26
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Die Regierung wird sich schließlich dieser Forderung nicht widersetzen können, denn die „Kreuzztg." charakterisirt die ReichStagSsiyung vom Montag ganz richtig, wenn sie sagt: „Bemerkenswerth war, daß bei den heutigen Verhandlungen fast durchweg Einmüthig- leit zwischen den einzelnen Parteivertretern herrschte; wo noch Differenzen sich geltend machten, handelte es sich grvßten- tbeilS nur um Nebendinge, die für die Beurtheilung deS Ganzen kaum rechtlich inS Gewicht fallen. Denn ob schließlich als Berufungsinstanz das Landgericht oder daö Ober landgericht festgesetzt wird, ist für die Erfüllung dieser seit langer Zeit ausgesprochenen Forderung irrelevant." Geht nun aber die Regierung auf die Forde rung des Reichstages ein, so dürfte damit zugleich der Anstoß zu einer größeren Betbeiligung deS Laienelementes in Straf sachen und damit zugleich zu einer weit über die Einführung der Berufung hinausgebenden Reform gegeben sein. Schon bei der ersten Berathung de« Antrages aus Ein führung der Berufung regte der Abgeordnete Basser- maun die Betbeiligung des LaienelementeS bei der Bil dung der Berufungskammern an. Soll nun das Laien- tbum nicht nur bei den Berufungen gegen die Urtheile der Schöffengerichte, sondern auch bei Berufungen gegen die Urtheile der Strafkammern thätiz sein, so setzt dies voraus, daß auch die Strafkammern als Gerichte erster Instanz zum Th eil mit Laienrichtern besetzt werd en. Denn es wäre ein Unding, wenn in erster Instanz nur ge lehrte Richter, in zweiter Instanz Berufsrichter und Laien gemeinsam entschieden. Das Berufungsgericht übt durch seine Thätigkeit Censur an den Enlscheidungen des erstinstanzlichen Gerichtes, und eS würde denn doch eine gewisse capitis ckewinutio für die Berufsrichter sein, wenn ein auS Laien und gelebrten Richtern zusammengesetztes Gericht an ihrer Thätigkeit Kritik übte. Der Vorschlag der Betbeiligung der Laien bei den Berufungsgerichten involvirt also die Betheiligung deS Laienelements an der gesammten Strafjustiz. Dieser Vorschlag bedeutet keineswegs eine unerhörte Revolution. Schon der erste Entwurf der Strafproceß- vrdnung, der vor nahezu einem Menschenalter (im November 1870) vollendet und im Januar 1873 veröffentlicht wurde, sah die Betheiligung des Laienelements bei sämmtlichen Strafsachen vor. Er verlangte die Einrichtung von kleinen, mittleren und großen Schöffengerichten; die letzteren, die an Stelle der Schwurgerichte treten sollten, sollten mit drei Richtern und 6 Schöffen besetzt werden. Der revidirte Ent wurf vom Jahre 1873 und der umgearbeitete Entwurf vom Jahre 1874 warfen dann die mittleren und die großen Schöffen gerichte hinaus, keineswegs zum Vortheil der Einheitlichkeit der Organisation. Denn man wird eS dem gesunden Menschen verstände niemals klar machen können, warum über kleine Straflhatrn Laien und gelehrte Richter gemeinsam, über mittlere Vergehungen und Verbrechen gelehrte Richter allein und über große Straftbaten Laien allein entscheiden sollen. Die Folge dieser dreifach verschiedenen Besetzung ist, daß die Juristen sehr oft über die Entscheidungen der Schwurgerichte die Achseln zucken und die Laien nicht viel minder häufig die Entscheidungen der Strafkammern als verfehlt ansehen oder überhaupt nicht verstehen können. Dieses gegenseitige Miß trauen wäre an sich schon bedauerlich, noch bedauerlicher aber ist eS, daß es ost genug gerechtfertigt ist. Wenn ein Schwurgericht einen offenbaren Aufruhr nickt al- vorhanden anerkennen will, so kann man eS den Juristen nicht verübeln, wenn sie Bedenken gegen die Institution der Schwurgerichte nicht unterdrücken können, und wenn die Strafkammer eines Landgerichts wegen Majestätsbeleidigung einen Mann, dessen Tbäterschaft keineswegs feststebt, sondern der allenfalls nur eine formelle Verantwortlichkeit trägt, zu vier Jahren Gefängniß verurtheilt, so wird man es den Laien nicht verdenken können, wenn bei ihnen Bedenken auf tauch en. Thatsache ist, daß gegen die Thätigkeit der Gerichte, die auS gelebrten Richtern und Laien zusammengesetzt sind, gegen die Schöffengerichte sehr viel seltener Einwendungen gemacht werden, als gegen die Thätigkeit der Schwurgerichte und der Strafkammern. Deshalb sollte man bei einer Reform an diese Thatsache anknüpfen und die gemischten Gerichte durch, weg einführen. Der Unterschied zwischen ihnen wird dann nur in der Zahl der an der Rechtsprechung zu bctheiligende» Richter zu bestehen haben. Es wird nicht einmal ein Un glück sein, wenn man bei allen drei Gerichten das Laien element überwiegen läßt. Denn naturgemäß haben doch die gelehrten Richter durch ihre Vorbildung und ihre Stellung bei einem gemischten Gerichte den überwiegenden Einfluß, so daß daS numerische Ucbergewicht der Laienrichter reichlich ausgeglichen wird. Will man aber durchaus das Ueber- gewicht der Laienrichter bei den erstinstanzlichen Gerichten ausgleichen, so kann man ja die Berufungskammern mit mehr gelehrten Richtern besetzen. Man könnte den kleinen Schöffen gerichten wie bisher einen gelehrten Richter und 2 Laien, den mittleren Schöffengerichten 2 gelehrte Richter und 3 Laien, den großen Schöffengerichten 3 gelehrte Richter und 6 Laien, den mittleren Schöffengerichte» als Berufungs gerichten gegen die Urtheile der kleinen Schöffengerichte, so wie den BernfungSkanimern gegen die Erkenntnisse der mitt leren Schöffengerichte 3 gelehrte Richter und 2 Laien geben. Die Betbeiligung deS Laienelemcnts an der gesammten Strafjustiz würde auch einen wichtigen politischen Vortheil haben: die immer häufiger werdenden Klagen über „Classen- justiz" würden aufhören. Der Satz ^Iu8titia luuäumeutuiu rexuornm^ ist dahin aufzufassen, daß nicht schon die Justiz die Grundlage des Staates bildet, sondern daß die Zufriedenheit mit der Justiz erst dieser Grund lage die erforderliche Festigkeit gewährt. Deutsches Reich. u Berlin, 25. Januar. Die Zahl der invaliditäts- und altersversichernngspflichtigen Personen be- trug, wie aus einer dem neuen Entwürfe zum Jnvaliden- versicherungSgcsetze beigegebcnen Tabelle hervorgeht, nach der Berufsstatistik vom 14. Juli 1895 in ganz Deutschland 11.8 Millionen. Davon entfielen auf die Versicherungs anstalten 11,3 und 0,5 aus die besonderen Cassen. Preußen war an der Zahl mit 6,8, Bayern mit 1,4 und die übrigen Staaten mit 3,1 Millionen betheiligt. Auf je 1000 versicherungspflichtige Personen kamen bis zum 30. Juni 1898 inSgesammt 56,0 Renten, bei den Versicherungs anstalten 56,3, bei den preußischen Anstalten 62,8, bei den bayerischen 49,4 und bei den übrige» 45,2. Die Ver sicherungsanstalt Ostpreußen steht mit 109,4 Renten in Preußen obenan, eü folgen mit 76,6 SckleSwig-Holstein, mit 75.8 Schlesien, mit 72,2 Posen, mit 70,8 Hannover, mit je 68,7 Westpreußen und Pommern, mit 65,1 Brandenburg, mit 55,1 Sachsen-Anhalt, mit 53,1 Westfalen, mit 49,0 die Rheinprovinz, mit 42,2 Hessen-Nassau. Den Schluß macht die Anstalt der Stadt Berlin mit 20,9. Unter diesen Promillesatz geht überhaupt keine andere Anstalt. Die nächste ist die der Hansestädte mit 26,1. Mecklenburg nähert sich mit 68,7 und Niederbayern mit 67,6 den höchsten preu ßischen Anstalten. Sonst halten sich sämmtliche bayerischen und die übrigen Versicherungsanstalten unter dem allgemeinen Reichsdurchschnittssatz. Die größte Verhältnißzakl bei den Altersrenten weisen Ostpreußen mit 46,9 und Mecklenburg mit 44,9 o»o, die niedrigste die Hansestädte mit 12,0 und Berlin mit 8,3 o/oo auf. -S Berlin, 25. Januar. (Präbendar Fischbeck.) «In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister!" Dieses Wort Goethe'S scheint sich Herr Präbendar Fischbeck in Brom- berg zur Richtschnur genommen zu haben, als er in einer Zuschrift an die „Köln. VolkSztg." jene von unS neulich wiedergegebene, ebenfalls an die „K. V.-Z." gesandte Zu schrift eines Bromberger Katholiken über polnische Gewaltacte gegen die deutsche katholische Ge meinde in Bromberg berichtigte. Herr Fischbeck berichtigt nur, was seine Person betrifft. Besonderes Gewicht legt er darauf, daß er nicht „mehrfach", sondern nur einmal eine polnische Ansprache in der deutschen Kirche gehalten hat. Erfährt man aber, bei welcher Veranlassung Präbendar Fischbeck der polnischen Sprache sich bediente, so verlieren alle seine Angaben, die er als Beweise seiner deutsch freundlichen Gesinnung anfübrt, sehr erheblich an Bedeutung. Präbendar Fischbeck bat nämlich mit 10 pol nischen Erstcommunicanten, Schülern des Bromberger Gymnasiums, „den Taufbund in polnischer Sprache er neuert". Daß nicht die geringste Nothwendigkeit vorlag, gegenüber Zöglingen des vollkommen deutschen Gymnasiums die polnische Sprache anzuwenden, ist ganz unbestreitbar. Wenn Herr Fischbeck dennoch in der deutschen Kirche polnisch sprach, so legte er damit offenkundig seine Nachgiebigkeit Hinüber dem Polenthume an den Tag. An dieser That- fftcke ändert nicht das Mindeste die lange Geschichte, die Präbendar Fischbeck über seine Herkunft und seinen Biloungs- gang erzählt. Anstatt zu berichten, daß er „mustergiltige" deutsche Aufsätze gemacht aus lauter Vorliebe (für wen?), als Einjährig-Freiwilliger gedient habe, hätte Präbendar Fischbeck auf die sachlichen Mittheilungen jener Zuschrift des Bromberger Katholiken eingcben sollen. Er kann aber offenbar nicht in Abrede stellen, daß nicht mehr wie früher die deutschen Katholiken ihre Kinder, welche zu den Sacramenten vorbereitet werden, zu dem deutschen Präbendar, die polnischen Katholiken ihre Kinder zu dem polnischen Probst bringen; eS ist offenbar Thatsache, daß jedes Kind, daS auch nur mangelhaft polnisch spricht, zur Tbeilnahme am polnischen Vorbereitungsunterrichte gezwungen wird. Hierüber verliert Präbendar Fischbeck in seiner wortreichen Berichtigung nicht eine Silbe der Mißbilligung. Wir muffen auch hierin einen Umstand erblicken, welcher den Werth seiner Beweise für seine deutsche Gesinnung sehr erheblich ab schwächt. (-) Berlin, 25. Januar. (Telegramm.) Der Kaiser kehrte um 1 Uhr NackmiltagS von Potsdam hierher zurück. (D Berlin, 25. Januar. (Telegramm) Dem Ver nehmen der „Nordd. Allg. Ztg." zufolge ist an Stelle deS Legationsrathes v. Portatins in Stockholm der bisherige BotschaflSsecretair in Madrid v. Below-LaleSke ernannt worden, dessen Nachfolger Legationssecretair v. Bülow in Bern geworden ist. An Stelle v. Bülow'ö tritt der bis herige Legationssecretair in Tokio v. Trcntler, der den Grasen Bodo v. Wedel als Nachfolger erhält. tztz Berlin, 25. Januar. (Privattelegramm.) Ta- LtaatSministerinm trat heute Nachmittag 3 Uhr im Ab geordnetenbause unter dem Vorsitz deS Fürsten Hohenlohe zu einer Sitzung zusammen. L. Berlin, 25. Januar. (Privattelegramm.) Heute verläßt der Gouverneur von Dentsch-Ostafrika Generalmajor Liebert nach dreimonatigem Aufenthalt Berlin, um sich n a ck Dar-es-Sala am zurückzubegeben. Am 1. Februar schifft er sich in Neapel ein. Die „Berl. Börs.-Ztg." bemerkt nock: Der General kann mit seinem Besuch sehr zufrieden sein. Ossiciell wurde ihm zuzestanden, daß man seine Bestrebungen fördern wolle und hohe Finanzkreise haben ihn durch CapitalS- zusagen zuversichtlicher gemacht. l3. Berlin, 25. Januar. (Privattelegramm.) Ein allgemeiner Schiifertag fand hier heute behufs Gründung eines „Deutschen SchisferbundeS", angeblich nach dem Muster deS „Bundes der Landwirthe", statt. Einberuser desselben ist Graf Luckner, Eigentbümer der Zeitung: „Deutsche Binnenschifffahrt". Die Einberufung deS Schiffer tages soll im Einverständniß mit einer Anzahl Schiffer- Innungen geschehen sein. Von den eingeladenen Vertretern der Behörde war bis 1 Uhr Mittags Niemand erschienen; dagegen war der Saal von Schiffern ziemlich gefüllt. — An die in Bordighera weilende Kaiserin Friedrich sind anläßlich der heutigen Wiederkehr ihres Hochzeits tages vom Kaiser und der Kaiserin Glückwünsche in den herzlichsten Worten gesandt worden. — Die Wirren auf Samoa geben folgender Nachrickt der „Magd. Ztg." einen politischen Hinderzrund: Der Kreuzer „Cormoran" gebt an Stelle des Kreuzers „Falke", der heimkehrt, nach Samoa. — Der „Cormoran" gehört zu derselben SchisfSclasse wie der abzulösende „Falke", hat einen nur wenig größeren Tonnengehalt und wie dieser 160 Manu Besatzung. * Würzburg, 24. Januar. Ein Verein zur Be kämpfung unlauteren Wettbewerbes hat sich hier gebildet. Die Constituirung erfolgte auf Anregung aus Kreisen deS Vereins zum Schutze deS Detailhandels, der dieser Tage eine auf die Steuerreform bezügliche Reso lution beschloß, in welcher er „im Allgemeinen sein Ein verständniß mit dem vom Ministerium vorgelegten Gewerbe steuer-Gesetzentwurf, sowie mit den im Steuerausschuß gefaßten Beschlüssen" erklärt und diesen Stellen Dank ank- spricht „für die Berücksichtigung, welche der gewerbliche Mittel stand gefunden hat". In derselben Resolution wird den „M. N. N." zufolge u. A. noch ausgefübrt, daß die Ver sammlung „die für gewiss« Betriebe vorgeschlagene Umsatz steuer bis zu 3>/r Proc. als zu niedrig gegriffen" balle und „sich hiervon keine Beschränkung derjenigen großcapitali stiscken Handelsdetailgeschäfte" verspreche, bei denen weniger die angebliche höhere Intelligenz, als vielmehr noch der Druck deS Großkapitals ausschlaggebend sei und die bei weiterer Ent Wickelung die Existenz des gewerblichen Mittelstandes in Frage stellten. * Aus der Rhcinpfalz, 24. Januar. Eine scharfe Pro testresolution gegen die bayerische Gewerbe steuer-Reform wurde von einer gestern in Grünstadt abgebaltenen Versammlung von Gewerbetreibenden deS Can- tonS Grünstadt angenommen. Wie der Vorsitzende der vom Fauttlrtsn. Theatralische Rundschau. DaS theatralische Ereigniß der letzten Woche ist die Auf führung von Hermann Sudermann'« fünfactigem drama tischen Gedicht: „Die drei Neiherfedern", welche ziemlich gleichzeitig am Berliner deutschen Theater, am Stuttgarter und Dresdner Hoftheater stattfand und überall, nach den Berichten der Blätter, einen Achtungserfolg davontrug, der in Berlin nicht ganz unbestritten war. Gleichzeitig ist die Dichtung im Verlag der I. G. Cotta'schen Buchhandlung im Druck rrfchicnen und so der ganzen deutschen Lesewelt zugänglich geworden; sie verstärket ein von dem Eindruck der Bühnenaufführungen nicht beeinflußte- Urtheil. Es muß einigermaßen befremden, daß die beiden erfolg reichsten Dramatiker der jüngstdeutschen Richtung sich der Märckendichtnng zugewendet haben, Gerhart Hauptmann mit der „Versunkenen Glocke" und Sudermann mit den „Drei Reiherfedera", denn mit diesem Einlenken in die Bahn der alten Romantiker, des Ludwig Tieck'schen „PhantasuS", ver trägt sich doch der Geist der „Modernen" nicht; worin die« Moderne eigentlich besteht, darüber geben alle dickleibigen Commentare über die vermeintlichen Meister werk« nickt Ausschluß, noch weniger aber die hin und her irrlichterirende Praxis der Dichter. Die Jung deutschen waren sich hierbei weit klarer al« die Jüngst, deutschen; Gutzkow, Laube und auch Freytag, sonst «in Gegner de« jungen Deutschland«, haben wahrhaft „moderne" Dramen gedichtet. Hauptmann thut für seine „Versunkene Glocke" Buße mit dem „Fuhrmann Henschel", einer ver gröberten Jfflandiade. Sudermann aber, der mit seinem „Johannes" schon einen Abstecher in« Neue Testament gemach», führt un« in seiner Märchendichtung inS dickste Mittelalter; denn da« Milieu derselben ist da«jenige de« pauklustiaen Ritterthum« und seiner Gewalttbätigkeiten; wir vermissen hier durchaus den Leition de« „Modernen", den Stempel, der einem Dichlrrwerk die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Richtung aufpragt; im Gegeutheil, man muß mit Heine rusruftn: Ties kliugt so ritterthümlich und mahnt An der Vorzeit holde Romantik, An die Johanna von Monlfaucon, An Ritter Fouquö, Uhland, Tieck. Wenn unS die jüngstdeutsche Berechtigung der neue» Dich tung von Sudermann zweifelhaft erscheint, so ist damit noch kein Urtheil über ihre poetische Bedeutung ausgesprochen: jedenfalls ist sic das Werk eines begabten Dichters und bei der Lectüre wird manche seiner Schönheiten zur Geltung kommen, die auf der Bühne verloren gehen; die Sprache ist markig, aber oft, wir möchten sagen, zu „compreß", von wuchtiger Schwere, von einer bisweilen kübnen Bildlichkeit und einer sprachlichen Architektonik, deren Gliederung beim raschen Vorübrrrauschen des Vortrags sich nicht leicht erfaffen läßt. Freilich, der dramatische Wurf, der Sudermann'« Dramen „Ehre" und „Heimat" auszeichnet, fehlt der neuen Dichtung und damit die Spannung und die unzweifelhafte Bühnenwirksamkeit — die- mag an der Märchendichtung liegen, die etwa- Zerfahrene- mit sich bringt und die Neigung, hineinzugeheimnifsen, führt drun nicht zu einem commentar- bedürftige» Symboli-mu«; ein Theil de- naiven Publicum- aber geräth in Gefahr, alle Märchendichtungen in eine und dieselbe Schublade zu legen und zwischen de» drei Reiher federn und den sieden Raben weiter keinen Unterschied zu machen. Mit den „Drei Neiherfedern" hat eS aber folgende Bewandtniß. Dem Prinzen Witte hat ein Usurpator i» Gothlaud sein Thronreckt geraubt, er kommt an den baltiscken Strand; die Brgrädnißfrau, eine Zauberin von der Sorte, di« wir auS der „Versunkenen Glocke" kennen, nur daß sie bier am Strande haust und nickt in den Bergen, bat ihn, dem die heiße Sehnsucht nach dem schöusten Weibe io sich trägt, auf «ine NordlandS- insel hingewiesen, wo in einem krystallenen Hau« ein wilder Reiber als Gott verehrt wird. Drei Federn diese- Reiher soll er sick holen. Und er holt sie und kehrt zurück mit seiner Beute. Da deutet ihm die Begräbnißsrau die Wunder kraft derselben: Die erste der Federn ist nur rin Schein AuS Lichtern und Nebeln, die ring- um Dich brauen; Wirkst Du sie opfernd in- Feuer hinein. So wirst Du im Dümmer ihr Bildotß schauen. Di« zweite der Federn — merk' e« Dir gut! — Wird Dich in Liebe mit ihr vereinen; Verbrennst Du sie einsam in schweigender Dluth, Muß sie nachtwandelnd vor Dir erscheinen. Und bi- die dritte in Flammen verloht Streckst du nach ihr die sehnenden Hände. Der dritten Vernichtung bringt dir Len Tod. Drum hüte sie wohl und denk' an da- Ende. Das ist gleichsam daS Programm der Dichtung, man muß eS indeß fest im Auge haben, denn die Handlung scheint davon abzulenken. Die erste Feder wirft der Prinz sofort in den Thurm, wo die Begräbnißfrau haust. Da zeigt sich am Horizonte über dem Meere eine Riesengestalt in dunkeln Umrissen, ein Sckattenleib, verschleiert da- Antlitz. Wenn sie sich ihm zeigt, er kann sie nicht wiedererkenneu. Der Prinz will indeß die Welt durchsuchen, er kommt in da- Schloß der Königin von Samland. Ihr Gatte ist todt seit seckS Jahren, und hat ihr nur ein Kind zurück gelassen; es herrscht Verwirrung im Lande; man sehnt sich nach einem Herrscher und die Königin, ihrer Pflicht eingedenk, ist bereit, ihre Hand dem zu geben, welcher die anderen Bewerber zu Boden wirft — ein auS mancherlei Ritterballaden bekannte- Motiv. Prinz Witte, zögernd, als „der Sehnsucht nimmermüder Sohn", will er nirgends bleiben, doch der holdseligen Königin liebender Zuspruch veranlaßt ihn, den Kampf mit dem anderen Feind, dem Herzog von Gothland, z» bestehen. Er wird verwundet und unterliegt; doch sein Diener HanS Lorbaß durchbricht die Schranken, stellt sich an die Spitze deS Volke- und jagt den verhaßten Tyrannen, den Herzog, zum Land hinaus. Nun wird Prinz Witte König, allerdings durch einen Eidbruch; dock darüber kommt die engelreine Königin leichter hinweg al- Fuhrman» Hentschel über den seine». Nun beginut die ironisck beleuchtete Tragödie der Sehnsucht: der König ist im Besitz eines anmuthigrn WeibeS, der Krone der Frauen, die edel und selbstvergessen nur an sein Glück denkt — und immer sucht er noch da« Weib, da- die prophetischen Reiherfedern ihm verheißen. Er wirft die zweite in den Kamin — da erscheint ihm die Königin, nachtwandelnd, mit geschlossenen Augen und er erblickt in ihr nur eine Lauscherin. Sie giebt ihm die Freiheit — und wir sehen ihn im vierten Act in einen wüsten Don Ivan verwandelt, der Orgien friert mit den Mädchen de« Schlosse- und den böse Gedanken heimsucken von unumschränkter Herrschbegier; denn erst wenn er den jungen Prinzen auS dem Wege räumt, ist er wirklich König. Sein treuer Knappe ist schon bereit, ibm diesen Dienst zu leisten; Loch er wird durch de- Prinzen Unschuld entwaffnet und auch der König schließt den Knaben wieder an sein Herz. Da dringt der böse Herzog von Gothland herein, der mit Kriegesmacht das Herrscherschloß umlagert, nun aber fällt er im Kampfe mit dem König. Dieser aber scheidet in einer poesievollen Scene von der Königin. Der fünfte Act spielt fünfzehn Jabre später. Der König und sein Dienstmann verwildert, verloddert, von Land zu Land umhergetrieben, erscheinen wieder bei der Begräbnißfrau — auch die Königin mit den Ihrigen — da wirft er die letzte Reiberfeder inS Fener — und die Königin stirbt. Daran er kennt er, daß sie das Weib war, da- er innig ersehnte, während er eS besaß — und wie sie, bricht er sterbend zusammen. Eine Dichtung, die große Schönheiten enthält, aber in Bezua auf den dramatischen Wurf hinter den meisten anderen Schöpfungen Sudermann'- zurücksteht. Oft spricht der Poet eine Räthselsprache, und wir zweifeln nicht, daß die drei Neiherfedern auch Commentare erleben werden, wie die „Versunkene Glocke", wenngleich hinter Sudermann nicht eine so einflußreiche Gönnerschaft von Kathedermännern und Theaterdircctoren steht, wie hinter Hauptmann, die auck über verschiedene Preise verfügen als tonangebende Coinit^ Mitglieder au der Donau wie an der Spree und damit die Reclametrommrl rüstig rühren. Wenn man näher hinsiebt, sind- immer wieder dieselben; man denkt an Konrad Bolz in den „Journalisten", der, als der Obrist ihn fragt, ob alle diese Huldigungen von ihm auSgehen, sich für jede einzelne schuldig bekennen muß. An theatralischem Aufwand und wirksamenLärm- und Effect- sceneu fehlt eS in dem neuen Drama Sudermann S nicht, nur an dem tieferen Eindruck einer spannenden Handlung. Die Motiviruugen sind, wie alle- Traumhafte, nicht über zeugend genug. Am Berliner deutschen Theater spielte Herr Kainz' den Prinzen Witte, der al« geistreicher Darsteller wohl geeignet war, da« innerliche Leben und den Gedankeninhalt der Rolle znr Geltung zu bringen, dem aber doch, wie rin Tbeil der Kritiker rügte, etwa- fehlte, der Leib, „der in strotzender Jugend strahlt". Gute Charakterbilder sind besonders der Schlagadodro Han« Lorbaß mit seinem faustrechtlichen Humor und die Königin, eine der edelsten Frauengestalten deutscher Muse, wie geschaffen für eine Darstellerin wie Trresina Geßner. Rudolf von Gottschall.
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