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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.01.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-01-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990125021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899012502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899012502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-01
- Tag1899-01-25
- Monat1899-01
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Anzeigerr-Prel- die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pf^ Reklamen unter dem Redactionsstrich (4tw» spalten) 50 vor den Familiennachrichten <6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis» verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gesalzt), unr mit der Morgen »Ausgabe, ohne Postbeförderunz ->t 60.—, mlt Postbesörderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Ab end-Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eiu» halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck uud Verlag von E. Pol, iu Leipzk» 93. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 25. Januar. Der Reichstag hat gestern das Gehalt des StaatS- frcretair« im Reichsamt des Innern genehmigt. Es ist eine derjenigen alljährlich wiederkehrenden Positionen des Etats, bei denen sich das Parlament sehr lange aufzubalten pflegt. DaS war auch diesmal der Fall, und wie herkömmlich haben auch diesmal die socialpolitischen Erörterungen den breitesten Raum beansprucht. Auch der in der Form wie immer treffliche Hauptredner deS gestrigenTageS,HerrSt öcker, beschäftigte sich mit diesem Gegenstände. Er glaubte u. A. seine Befriedigung über daS ihm angeblich neu verkommende socialpolitische Pro gramm der Nationalliberalen aussprechen zu sollen. Ja Wahrheit hält sich die nationalliberale Partei auf längst be tretenem Boden. Einzuräumen ist aber Herrn Stöcker, daß den Ausführungen der nationalliberalen Abgg. v. Heyl und Möller, die die von dem Fractionsgenossen Bassermann ia der ersten EtatSlesung gehaltene Rede heranzogen, auch von anderer Seite eine erhebliche Bedeutung zu geschrieben wird. Das rührt wohl daher, daß man bisher irrthümlich die Neigung zu der Methode «tumm in der «ationalliberalen Partei stärker verbreitet glaubte, als es »ach diesen Auseinandersetzungen möglich erscheinen kann. ES besteht aber kein erheblicher Unterschied zwischen jetzt und einst. Nicht Stumm, nicht Rösicke, ist eine alte Richt schnur des Nationalliberalismus. Eine volle Uebereinstimmung über die Gesammtheit der von der socialen Zeitbewegung auf geworfenen Fragen existirt in der Partei freilich nicht. Aber wo wäre eine solche sonst zu finden? Nicht einmal bei der Socialdemokratie, die trotz ihres „glatten" Programms sehr tiefgehende socialpolitische Gegensätze in ihrem Schooße birgt. Wie der Reichstag, so Hal sich auch das preußische Abgeordnetenhaus gestern ein Stück vorwärts bewegt. ES hat die erste Lesung des Etats beendigt, nachdem es vorher eine nicht inhaltsleere Rede des freiconservativen Führers angehört. Daß Frhr. v. Zedlitz der national liberalen Auffassung der Ausweisungen beitreten würde, verstand sich von selbst. Auch daß er die diSciplinare Ver folgung De lb rück's genau so wic der Abg. Sattler beurtheilte, konnte nicht überraschen. Eine angenehme Ueberraschung aber war eS, von ihm die allerschärfste Zurückweisung der Theorie deS Herrn v. d. Recke, wonach daS Abgeordneten haus an Negierungsacten wie der Nichtbestätigung von Gemeindebeamten und einer Begnadigung keine Kritik üben dürfe, aussprechen zu hören. Herr v. d. Recke schwieg, wie auch Herr Bosse auf die Aufforderung deS Redner-, in der nächsten Tagung ein lediglich auf die Regelung der Schul unterhaltung sich beschränkendes Gesetz vorzulegen, nichts erwiderte. Wenn, was freilich ausgeschlossen scheint, die Re gierung diesem Wnnsche nachgäbe, so würde Herr v. Zedlitz mit seiner Prophezeiung eines parlamentarischen Erfolges wohl Recht behalten. Im Uebrigen hatte die gestrige Debatte keine Bedeutung. ES bleibt nur zu erwähnen, daß Herr v. Miquel auf eine im alleraewöhnlichsten Stile gehaltene Polenreve deS Abgeordneten Molty mit der erwünschten Deutlichkeit und Energie diente. Der Minister erklärte: „Nach vielen Schwankungen in der Polenpolitik sind wir jetzt zu einem System gekommen, daS von keinem Mini sterium mehrverlassen werden wird." Hoffentlich straft die Zukunft diese Zuversicht nicht Lügen. DaS letzte Wort in der ganzen EtatSdebatte behielt Herr Richter, was aber nur zeitlich zu verstehen ist. Er schloß mit einer Wieder holung deS Blell'schen nationalen Glaubensbekenntnisses, worüber im Augenblick nichts gesagt werden soll, da die Däneninterpellation der Freisinnigen auf der heutigen Tages ordnung des Abgeordnetenhauses steht. Die zuerst in der Provinz Hannover aufzetauchten und dann durch das ganze Reich getragenen Gerüchte, daß während deS Besuches des Kaisers in Hannover eine entscheidende Wendung in der Wclfensrage zu erwarten sei, sind, wie aus den bereits in einem Tbeile der Auflage unseres beutigen MorgenblatteS mitgetheilten Meldungen aus Hannover her vorgebt, nicht ganz unbegründet gewesen. Aber eS hat sich nicht um eine Kundgebung des Kaisers für, sondern gegen das Welfenthum gehandelt. Indem der Kaiser die Tradi tionen der alten hannoverschen Regimenter für die neuen des preußischen 10. Armeecorps in Anspruch nabm, bat er unzwei deutig bekundet, daßHannover für immermitPreußen verbunden bleiben soll. Zugleich hat er aber auch dadurch, daß er die gegenwärtigen preußisch-hannoverschen Regimenter als die Fortsetzung der althannoverschen Regimenter bezeichnete und ihnen die Stiftunzstage der letzteren gab, zur Parade be fohlenen allhannoverschen Ofsicieren Auszeichnungen verlieh und in einer Ansprache an diese Officiere dem Wunsche Ausdruck gab, sie möchten in den neuen Regimentern wieder ihre Heimath finden, auf das Unzweideutigste zu erkennen gegeben, daß er von allen althannoverschen Soldaten eine Aussöhnung mit den durch das Jahr 1866 ge schaffenen Zuständen und eine Abwendung von der welfischen Agitation zuversichtlich erwartet. Daß diese Erwartung mit der Zeit sich erfüllen werde, bezweifeln wir nicht. Auch kann eS nicht auSbleiben, daß allmählich der Geist der Ver söhnung, der in den althannoverschen Soldatenkreisen ein ziehen wird, einen Einfluß aus die übrigen Kreise der hannoverschen Bevölkerung auSübt. Nur wird man sich darüber nicht täuschen dürfen, daß dieser Einfluß bei der überaus zähen Natur des niedersächsischen VolkSstammeS, bei der Abgeschlossenheit, in der ein großer Tbeil seiner Bewohner in einsamen Höfen oder in winzigen Gemeinden lebt, und bei dem Interesse, das die hannoverschen Ultramontanen an der Erhaltung der welfischen Opposition haben, erst nach einer ganzen Reihe von Jabren sich bemerkbar machen wird. ES würde daher in höchstem Grade zu beklagen sein, wenn durch die antiwelsische militairische Maßregel des Kaisers in Hannover die einflußreichen Kreise, die dem Sohne deS Herzogs von Cumberland den Weg zum braunschweigischen HerzogSstuhle zu bahnen suchen, zu der Ansicht, dem Welfen- rhum sei durch jene Maßregel die Wurzel abgezraben, sich verleiten ließen und ihre Anstrengungen verdoppelten. Wären diese von Erfolg, so würden, auch wenn Prinz Georg von Cumberland zur Anerkennung der durch das Jabr 1866 ge schaffenen Zustände sich entschlösse, die günstigen Erfolge der in Hannover getroffenen militairischen Maßregel des Kaisers mindestens noch länger auf sich warten lassen, als sie ohne hin auf sich warten lassen werden. Die etwas ins Stocken gerathene AbrüstungSfragc soll durch ein Rundschreiben des russischen Ministers des Aeußeren, Muraw je w, an die Vertreter der Mächte in Peters burg, dessen Wortlaut wir im heutigen Morzenblatt mit- theilten, in Fluß gebracht werden, indem es verschlägt, schon jetzt in einen vorläufigen Jdeen-AuStausch einzutreten. DaS Rundschreiben skizzirt daS der Conferenz zu unterbreitende Programm. Der Hauptpunkt desselben ist das Verlangen nach Nicht-Erhöhung der gegenwärtigen Effectiv- bestände der Armeen und Flotten und der betreffenden KriegS- budgets auf bestimmte Zeit und der Wunsch nach einer vor läufigen Untersuchung darüber, ob sich für die Zukunft nicht sogar eine Verminderung der Effektivstärken erreichen lassen werde. Man kann also hiernach thatsächlich von einer Abrüstungskonferenz sprechen, wenn auch nur in beschränktem Maße. Die politischen Beziehungen der Staaten und die durch Verträge festgelegte Ordnung der Dinge sollen nicht berührt werden. DaS beugt dem Wunsche nach einer Revision des deutsch-französischen Friedensvertrages, d. h. dem Aufwerfen der elsaß-lothringischen „Frage" vor. Ausgeschlossen sein sollen ferner alle Fragen, die nicht direct mit den Punctationen des Programms zusammenhängen: damit soll verhindert werden, daß die römische und die egyptische Frage, was ja beabsichtigt sein soll, zur Diöcussion kommen. Ohne diese beiden Clauseln würde weder Deutschland, noch Italien, noch England sich an der Conferenz betheiligen können. Unsere Stellung zu der Idee deS Zaren, oder wessen Hirn sie sonst entsprungen sein mag, haben wir schon genug sam präcisirt. Sie setzt eine Gesinnung unter den Menschen voraus, wie sie nur denkbar ist, wenn die Erziehung des Menschengeschlechts im Geiste der christlichen Religion, die eS verbietet, wieder zu schlagen, wenn man geschlagen wird, und ver langt den Mantel hinzuaeben, wenn man einem den Rock nimmt, vollendet und ihr Erfolg für alle Ewigkeit gesichert ist. Von diesem Zustand aber, da der Löwe mit dem Lamme spielt, sind wir heute weiter denn je entfernt, denn kaum zu einer anderen Zeit sind die Interessengegensätze zwischen den einzelnen Völkern der Erde so heftig aufeinandergeplatzt wie in der Gegenwart, und ein Ende dieses Streites ist noch gar nicht abzusehen. Rußland selber, von dem die Idee einer allgemeinen Beschränkung der Kriegsrüstungen ausgebt, spielt in dem internationalen Jnteressenkampfe eine der ersten Rollen und muß, wenn es sich nicht selbst aufgebcn will» seine Rüstungen noch gewaltig vermehren. Das geschieht denn auch mit fieberhafter Eile, und deshalb mögen die nicht Unrecht haben, welche meinen, Rußland beabsichtige mit der Anregung einer Verminderung der Land- und Seestreitkräfte nur eine Frist zu gewinnen, um sich vollbereit für den Entscheidungskamps mit England zu machen, den dieses zu beschleunigen trachtet. Mindestens ist es außerordentlich naiv, daß Graf Murawjew sich darüber beschwert, daß mehrere Mächte (gemeint ist vor Allem England) zu neuen Rüstungen fortschrciten, rüstet doch Niemand eifriger als Rußland selbst. Trotz aller Sympathie kundgebungen verschiedener Cabinete, die zu nichts verbinden, und privater Kreise, die nicht viel zu bedeuten haben, macht sich hier und da ein gewisses Mißtrauen in die Intentionen der Petersburger Diplomaten geltend, wie denn auch nur die Mehrzahl der Mächte sich zustimmend geäußert hat; einige verhalten sich ablehnend. Es wäre in hohem Grade interessant und würde die Beurthcilung der Action des Zaren wesent lich erleichtern, wenn man erführe, welches diese Mächte sind. In Oesterreich haben sich die deutschen Parteien in zwölfter Stunde zusammengeschlossen, aber es fragt sich, ob sie nicht doch wieder bei der Aufstellung der Einzelheiten deS gemeinsamen Programms zerfallen. Es wird unS berichtet: * Wie», 25. Januar. (Telegramm.) Ein von der deut- scheu Volkspartei ausgegebenes Commumqus besagt: „Die von den gewählten Vertrauensmännern der deutschen Oppositionsparteien abzuhaltendcn Besprechungen sind von Seiten der deutschen Volks partei unter der Bedingung zu beschicken, daß die Besprechungen ausschließlich dem Zwecke dienen, abgesehen von der selbverständ- lichen Forderung der Aufhebung der Sprachenverordnungen, im Interesse der Erhaltung des deutschen Besitzstandes positive Forderungen nationalpolitischer Natur auszustellen, und daß durch entsprechende Erklärungen aller theilnehmenten Parteien dieser ausschließliche Zweck unzweideutig anerkannt werde. Die zu wählenden Vertrauensmänner der Volkspartei haben vor dem Eintritt in die in Aussicht genommenen Berathungen darauf zu dringen, daß durch eine öffentliche Kundgebung die viel fach verbreitete fatsche Annahme, als bezwecke man irgend welche Verhandlungen mit Len Parteien der Rechten oder mit der Negierung, ausdrücklich widerlegt und der einzige Zweck der Berathungen klargeslellt werde." Als Vertrauensmänner der Volkspartei sind Kaiser, Hachenburger, Hofmann v. Wcllenhof, Lemiich und Prade gewählt worden. Wir halten das Vorgehen der deutschen Volkspartei für vollständig berechtigt. Von ihren Forderungen kann auch nicht ein Tüpfelchen nachgelassen werden. Alle deutschen Parteien müssen sie sich zu eigen machen. Ein Compromiß mit der Rechten giebt cs nicht. Aber wird auch der deutsche Großgrundbesitz so denken? Wir sehen den angekündigteu Besprechungen nicht ohne Bedenken entgegen. Ueber die Lösung der belgischen Minifterkrise, deren Ausbruch auf ras Verlangen des Königs nach einer Reform des Wahlrechts zurückzufiihren ist, wirb uns auS Brüssel, 21. Januar gemeldet: In der heutigen Sitzung der Deputirtcnkammer theilte der Präsident Becruaert die erfolgten Veränderun'gen im Cabinet mit. Kriegsministcr Vandeupeereboom erklärt, infolge von Meinungsverschiedenheiten im Cabinet über eine Reform des Wahlsystems genehmigte der König den Rücktritt zweier Minister (Ministerpräsident de Sn'et de Naher uud Arbeitsministcr Nyssens). Tas Cabinet habe sich neu gebildet und werde die von dem bis herigen Cabinet befolgte Politik fortsctzen. Die Regierung werde nach ernster Prüfung der Kammer einen Gesetzentwurf zur Reorga» nisation Les Wahlrechts vorlegen. Der bisherige Ministerpräsident de Smet de Naher erklärt, cr halte das lluinom inal- Wahlsystem für verhängnißvoll für das Land; er sowohl wie der bisherige Minister Nyssens feien Gegner desselben. Minister Vandeupeereboom erwidert, er wolle nicht von dem Uni-nominal» System sprechen; die Regierung werde alle Vorschläge prüfen, Hobe sich aber noch für keinen entschieden. Nyssens erklärt sich be friedigt, zu sehen, daß sich die Negierung nicht aus der Basis des Uni-nominal-Shstems neu gebildet habe. Tie Teputirten Vander- velde, Lorand und Fnriicmont von der Linken verlangen präciscre Erklärungen. Deputirter Woeste von der Rechten jagt, die Wahl- reform sei eine Nothwendigkeit geworden. Das neue Cabinet werde nicht reactionair sein, der König habe krast seiner constitutioncllen Prärogative gehandelt. Minister Vandeupeereboom lehnt cs Namens der Regierung ab, sofort eine eingehendere Erklärung ab- zugebcn. — Im Senat hatte die Bcrathnng einen ähnlichen Ver lauf wie iu der Tepulirtenkammer. König Leopold ist für Einführung des Uninominal- Systems, für Las sich vielleicht — sicher ist es nach den Erklärungen vom Regieruugstische noch nicht — auch Las FarriHatsi,. Ni Onkel NMHelm's Gäste. Roman von A. von der Elbe. ViaLdruck »erboten. Nella nickte dankbar zu ihrem Anwalt hinüber, vorläufig wagte sie noch nichts zu sagen.' -Onkel MIHelm seufzte, dann begann er wieder: „Ich weiß ja, daß ich ausgestoßen bin und für die Welt nichts gelte. Aber das Kind, das liebe Mädchen! Sei ehrlich, Theobald, würdest Du Deine Tochter —" „Unter denselben Verhältnissen ganz gewiß. Ich bin mit dem Gedanken groß geworden, daß redliche Arbeit niemals schändet. Die neuen Zeiten drängen immer mehr zu dem Grundsätze: Jeder, sei's Mann oder Weib, thue und leiste das, was er kann. Nur so, wenn jegliche Individualität sich ohne Vorurtheile oder Schranken an den Platz stellen darf, für den sie ihren Anlagen nach geschaffen ist, kann die Ausnützung jeder Kraft und die höchst« Entwickelung der ganzen Nation ermöglicht werden. Wer diesem Grundsätze huldigt, freut sich, wenn Schranken fallen und Voreingenommenheit aufhört. Ich glaub«, daß Fräulein Nella's praktischer Sinn sie befähigt, hier eine gut besucht« Wirthschaft einzurichten und sie gedeihlich zu führen. Jetzt handelt es sich, wenn Du im Uebrigen einverstanden bist, nur um dasEntweder— Oder: entweder Du trennst Dich von dem Mädchen, oder: Du willigst in gewisse Aenderungen Deiner Gewohnheiten, die mit der neuen Ordnung der Dinge unvereinbar sind." „Trennen, nein — nein, schrecklich!" rief Wilhelm mit einer Lebhaftigkeit, wie er sie nie gezeigt hatte. Er sprang empor, lief auf Nella zu und schloß sie in die Arme: „Kind, Kind", stzammelte er, „mach' was Du willst, nur verlaß Deinen alten Onkel nicht." Nella herzte und küßte ihn, versprach immer bei ihm zu bleiben und war dankerfüllt über den errungenen Sieg. Als man nun des Näheren auf die Sache einging, fand cs sich, daß MIHelm mit Interesse zuhörte und sich sogar hier und da mit Vorschlägen betheiligte. Es stand fest, daß er seine drei Zimmer ungestört behalten solle. Mochten die Gäste nicht draußen sein, so stand ja der große Saal zu ihrer Verfügung. Auch sein Terrassengarten würde für Wilhelm allein bleiben, im Uebrigen mußte man schon freien Verkehr dulden. Alsbald sollten Inserate in den Zeitungen der Umgegend die Wiedereröffnung der Wirthschaft auf dem Rustebcrge zum zweiten Osterftiertage anbündigen und zu zahlreichem Besuche einladen. Fillberger bezweifelte nicht, daß sich, falls das Wetter günstig sei, genug Gäste einfinden würden. Bevor die Eröffnung statt finden konnte, war aber noch viel in Ordnung zu bringen und neu zu schaffen. Nella begleitete ihren Helfer, als er ging, ein Stück Weges hinunter und sprach ihm ihren Dank aus. „Es ist kein Verdienst", erwiderte er freundlich, „eine Sache zu befürworten, die der eigenen Ueberzeugung entspricht und ich hoffe, daß Sie trotz der großen Traditionen Ihres Hauses hier schlicht und gedeihlich wirthschaftcn werden." Nella hatte sich ihm besonders in der Hoffnung angeschlossen, noch einen Wink über Feldhaus' Hierherkommen zu erhalten. Sie wagte aber seinen Namen nicht zu nennen und verließ den gütigen Helfer, ohne ihren Wunsch erfüllt zu sehen. Als Peter und Paul die große Neuigkeit erfuhren, waren sie entzückt von den bevorstehenden Veränderungen und ergingen sich in Phantasiebildern, was nun Alles mit dem Rustebcrge ge schehen werde. Fillberger übernahm es, den Schmuck der Mutter zu verkaufen und erfreute Nella mit einer so bedeutenden Summe, daß nach allen jetzt nothwendigen Ausgaben doch noch ein Rest für un vorhergesehene Fälle in ihrer Hand bleiben mußte. Nun ging es gleich in der nächsten Zeit mit großem Eifer an die Arbeit. Wege wurden gebessert, der äußere Zugang zur Ruine und zum Rittersaal in Ordnung gebracht, Gartenmöbel neu geleimt und frisch angestrichen. Mitten in diese Arbeit hinein erhielt Nella einen Brief von Johannes!, in dem er ihr anzeigte, daß er die Stelle eines Adjuncten bei der Schule in Neustadt erhalten habe und sich freue, sie und ihre Brüder Ostern wiederzusehcn. In Nella's Herzen war eitel Sonnenschein und Jubel. Der gute, treue Freund. Nun hatte sie noch einen Berather mehr in der Nähe. Siebzehntes Capitel. Grüne Ostern, welch' seltenes und wonniges Fest! Der starre Winter ist überstanden, weit hinten liegen Eis und Schnee, bald zieht die Sommerwärme, der Blätter und Blüthen entgegendrängen, siegreich ein. Das Jubiliren der Vögel nimmt von Tag zu Tag zu, an den Büschen hängen gelbe Kätzchen und aus braunem Laube schießen grüne Triebe auf. Schneeglöckchen sind schon alltäglich geworben, blaue Leber blümchen, weiße Anemonen und die gelben Schlüsselblumen werden von fröhlichen Kindern gesucht und die Luft scheint nach den Veilchen zu duften, die bald kommen müssen. Es war am Sonnabend vor dem Feste. Man hatte so ziem lich alle Vorbereitungen zur Eröffnung des CafSs auf dem Rusteberg getroffen. Hanna Fillberger, wirthschaftlich geartet wie Nella, war ihre treue Gehilfin gewesen und wollte nun, da es gegen Abend ging, heimkehren. Nella begleitete die Freundin, die in den letzten Jahren hübsch herausgewachsen »nd ein verständiges Mädchen geworden war. Nella befand sich in großer Aufregung, ja in einer doppelten Spannung, die sie in der letzten Zeit während aller Arbeit erfüll! hatte. Würde ihr gewagtes Unternehmen gelingen, und wie mochte ihre Begegnung mit Johannes ausfallen? Sie hatte ihn nun seit zwei und einem halben Jahre nicht gesehen. Ihrem Vorsätze getreu waren ihre Briefe selten und kurz gewesen, indeß all ihr Denken hatte sich mit ihm beschäftigt. Wie klar sein Bild vor ihrem geistigen Auge stand! Ihr Herz klopfte, wenn sic an ihn dachte und eine Stimme in ihrem Innern, die nichts mit Eitelkeit gemein hatte, sagte ihr, daß seine Anmeldung zu der Stelle in Neustadt ihretwegen ge schehen sei. Also hatte er ihr ein treues Andenken bewahrt. Ein Andenken, das er Freundschaft nannte und in jedem Briefe aus sprach. Allein, wie würden sie nun zu einander stehen? Während sie darüber nachdachte, ging Hanna lustig plaudernd an ihrer Seite den Berg hinunter. Sie hatten ausgemacht, bei der Biegung des Weges, da wo kürzlich die Bant angebracht worden, sich zu trennen. Es war ein Heller, frischer Abend, die Sonne neigte sich zum Untergange und ein leises Rauschen ging durch die Baumwipfel, die ein grüner Schimmer wie von zartem Moose überzogen. Hanna erzählte der Freundin, wie diele Familien sie wisse, die übermorgen hierher kommen würden. „Die Menschen sind alle furchtbar neugierig, wie ein Fräulein von Rusteberg sich als CafSwirthin benimmt", fuhr sie eifrig fort. „Von auswärts kannst Du auch auf einen großen Zuzug rechnen, meint Vater. Daß die Stadtmusik dann hier spielt, lockt natürlich sehr. Vielleicht wird nn Saale getanzt, wie in alten Zeiten und dann kannst Du Dich nur aus furchtbar viel Essen und Trinken einrichten, das sagt Mutter auch." „Sieh, wer kommt da, ein ganz fremder Herr!" unterbrach sich Hanna. Nella blickte hinaus und erkannte sofort dm Herauf- stcigenden. „Johannes Feldhaus", stammelte sie. „Was?" fragte die Andere neugierig. „O, der neue Adjunck vom Rector Staubig, unser früherer Hausleürer." „Also ein aller Bekannter, na, das ist ja sehr nett." Der Kommende, die beiden Mädchen gewahrend, beschleunigte seine Stritte und stand jetzt tief athmend und seinen Hut lüficnd vor ihnen. Sin paar Secunoen lang sahen Nella und er sich stumm, wie verloren in die Augen. Ja, er war noch derselbe, derselbe, den sie hundertmal im Wachen und Träumen vor sich gesehen. Nicht schön vielleicht, sie wußie cs nicht, mager, blaß, ernst, aber unbeschreiblich lieb und für sie der Allcrschönste. Unter den Brillengläsern hervor brach ein Strahl von Güte und Freude aus seinen Augen, der Nella's Herz warm wie ein Gruß aus der Heimath überfluthete und es aufjubeln ließ. Sie streckte ihm, ihre Verwirrung bemeisternd, die Hand hin. „Willkommen hier", sagte sie leise. Er drückte ihre Hand heftig und stammelte: „Wie schön ist es hier bei Ihnen!" Nun besann sich Nella auf die Gefährtin und stellte den Freund ihr vor. Der Platz war erreicht, wo Hanna sich trennen wollte, und so schieden die Mädchen, Hanna ging nach Neustadt hinunter, und Nella wandte sich und stieg an Feldhaus' Seite wieder den Rusteberg hinauf. Nella fühlte, daß der Freund neben ihr mit seiner alten Befangenheit ring«. Indeß auch sie fand kaum einen Gedanken, sie wußte nichts, als daß er nun da sei, fühlte seine Nähe und es war gleichviel, ob sie zu einander sprachen oder nicht. Endlich brach er das Schweigen und sagte beklommen: „We oft bin ich hier schon im Geiste an Ihrer Seite gewesen!" „Und ist es hier so, wie Sie dachten?" „O gewiß, es könnte ja gar nicht herrlicher sein!" Jetzt sagte sie klopfenden Herzens: „Was haben Sie denn zu meinem Entschluß gesagt, 'die Wirthschaft wieder einzurichten?" „Di? Kunde hat mich furchtbar aufgeregt, ich kann mich in den Gedanken nicht finden. O stände es doch in meiner Macht, Ihnen zu helfen — Alles zu ändern — aber — aber —" Nella unlerbrach ihn. „ES ging nichl anders, und nun muß ich sehen, durchzukommen, es ist Alles so eingerichtet, daß es glücken wird." Doll Bewunderung und Liebe sah er sie an, eS kostete ihm
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