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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.01.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-01-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990130013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899013001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899013001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-01
- Tag1899-01-30
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Wo sonst die Bewohne rinnen zu andächtigem Gesänge zusammenkamen, da bedeckt jetzt Gras und Gebüsch den Erdboden, und der wilde Wein überzieht das alte Gemäuer mit seinen Ranken. Leer sind jetzt die spitz bogigen Fensteröffnungen, deren herrliche Glasgemälde einst ein trauliches Halbdunkel in den Gemächern verbreiteten. Wo die Nonnen im Klostergarten sich ergingen und sehnsüchtige Blicke über die hohe Einfriedigung hinaus in die sonnengoldige Welt warfen, da lustwandeln jetzt auf sauber gehaltenen Wegen zwischen gut gepflegten Rasenflächen und Blumenbeeten Grimmas Be wohner oder fremde Sommergäste. Kinder tummeln sich in dem alten Gemäuer, und nicht weit davon saust das Dampfroß vor über." Wir ziehen uns zurück in eine stille Fensternische, schließen die Augen und träumen von alten, längst vergangenen Zeiten. Es ist vor 390 Jahren, im Jahre 1609. Da führt man ein Mägdlein von 10 Jahren zum ersten Mal durch diese Räume. Noch weiß sie es nicht, was es für sie zu bedeuten hat, daß Vater und Mutter sic hierher brachten und an der Klosterpforte Abschied» nahmen. Mit der Klosterpforte schloß sich für die Nonne das Leben. Ab geschlossen von der Welt, soll sie hier nun die Heimath finden und hinter Klostrrmauern alleiii. ihrem Gott dienen — d. h. in Wahrheit: sie soll lebendig begraben werden! Gottes Rath war ein anderer! Tausende und Abertausende von Nonnen haben ihr Leben in der Klosterzelle vertrauert — längst sind ihre Namen vergessen. Der Name jenes Mägdleins — wie oft mag er genannt werden in diesen Tagen! Es ist Katharina von Bora, die wir «inziehen sehen ins Kloster, „Luther's Käthe!" Es war am 29. Januar 1499, also gestern vor 400 Jahren, als Katharina von Bora da» Licht der Welt erblickte. Der Vater war Hans von Bora, die Mutter Anna, aus dem Geschlechte derer von Haugwitz. Reich waren Ä« Eltern nicht. Sie haben ihr Gut Hirschfeld später verkauft, ohne einen neuen Besitz sich er werben zu können. Für eine arme Adelige aber bot das Kloster ein« willkommene Versorgung. So kam's Wohl, daß man die 10 jährige Käthe nach Nimbschen brachte, wo sich bereits ein« Tante, Magdalena von Bora, des Vaters Schwester, befand, die allen Evangelischen wohlbekannt« „Muhme Lene". Als im Jahre 1516 Katharina von Bora als Ordensschwester des Nimbschener Klosters feierlich eingesegnet wurde, schlossen sich nach Menschengedenken für Lebenszeit die Bande, die sie mit dem Nonnenstand verknüpften. Und doch: war sonst keine Macht iin Stande, dieselben zu lockern — der Geist des Evangeliums ver mochte es. Auch in daS Dunkel klösterlicher Abgeschiedenheit drangen die Lichtstrahlen von Wittenberg, und auch durch Kloster mauern fand manche Schrift aus jener Feder den Weg, die von Wittenberg bis Rom reichte und des Papstes dreifache Krone ins Wanken brachte. Auch das Kloster Nimbschen blieb davon nicht unberührt. Manche der Nonnen sehnte sich hinaus, erfüllt von dem Ver langen, draußen im Sonnenlichte evangelischen Lebens in treuer Arbeit Gott und dem Nächsten zu dienen. Wieder kam der Früh ling ins Land. „Wie lockte es sie hinaus, jetzt, da sie die Triller der fröhlichen Lerche hörten! Wie schön mußte es sein, mit Vater und Mutter, Bruder und Schwester durch die neu erwachte Natur zu pilgern und die Gedanken mit ihnen zu besprechen, die man hier still verborgen im innersten Herzensschrein tragen mußte! Jetzt wurden sie sich erst recht der Einförmigkeit und Strenge ihres abgeschlossenen Lebens bewußt. Rasch entschlossen schrieben sie Ml die Eltern und baten in demüthigen Worten um die Er- laubniß, das Kloster verlassen zu dürfen. Ihre Bitten wurden jedoch sämmtlich abgeschlagen; auch erhielt die Aebtissin von dem Geschehenen Kunde. Nun sahen sie keinen anderen Ausweg als die Flucht." Es war in der Nacht vom Ostersonnabend zum Ostersonntag 1523, als ein biederer Torgauer Bürger, Leonhard Koppe, mit feinem Vetter, Wolfgang Lomitz sch, unter den Mauern des Klosters erschien und neun flüchtige Nonnen auf seinen Wagen lud. Das war freilich eine sonderbare Fuhre. Es liegt kein Grund vor, einer Notiz in einer alten Torgauer Chronik den Glauben zu versagen, welche meldet, daß Koppe jene Nonnen „auf einem bedeckten Wagen, gleich als führe er ledige Herings tonnen, herausgebracht". In der That war alle Vorsicht geboten, in tiefstem Inkognito zu reisen. Hätte man den ungewöhnlichen Inhalt der Tonnen entdeckt, so wäre es den Passagieren wie dem Fuhr-herrn vermuthlich sehr schlecht ergangen. Am dritten Osterfeiertage langten die Flüchtlinge glücklich in Wittenberg an, wo schon mancher Mönch und. manche Nonne eine sichere Zuflucht gefunden hatten. „Die ausgetretenen Mönche und Nonnen rauben mir viel Zeit; Allen soll ich Nahrung und Nothdurft schaffen" — klagt Luther in jenen Tagen. Trotzdem ist er nicht müde geworden, für jene Mädchen väterlich zu sorgen. So schreibt er an seinen Freund Spalatin: „Ihr fragt, was ich mit ihnen mache? Erst will ich an ihre Verwandten schreiben, daß sie sie aufnehmen. Wo nicht, will ich sehen, sie sonst unter zubringen. Denn es ist mir von Einigen versprochen worden. Etliche will ich auch verheiraihen, wenn ich kann. Sie heißen aber: Magdalene Staupitz, Elsa von Kanitz, Ave Großin, Ave Schön feld und ihre Schwester Margarethe Schönfeld, La ncia von Golis, Margarethe Zeschau, ihre Schwester Katharina Zeschau und Katharina von Bora. Diese sind es, die wirklich der Erbarmung nöthig haben, in denen Christo gedient wird. Sie sind aber recht wunderlich davon gekommen. Euch aber bitte ich, daß Ihr auch «in Werk der Liebe thut und für mich bei Euren reichen Hofleuten etwas Geld bettelt, daß ich sie acht oder vierzehn Tag« ernähren könne, bis ich sie füglich wieder zu ibren Verwandten bringe oder zu denen, die mir's ihrethalben versprochen haben." Wir verabschieden uns von acht der auS dem Kloster Be freiten und verweilen bei der zuletzt Genannten, bei Katharina von Bora. Im Hause des aus Zwickau gebürtigen Wittenberger Stadtschreibers Philipp Reichenbach, in der Bürgermeistergasse wohnhaft, fand sie Unterkunft, „da sie sich stille und wohl ver halten". „Etliche will ich auch verheiraihen, wenn ich kann", hatte Luther an Spalatin geschlichen. Auch bezüglich der Katharina von Bora wollte er diese Absicht verwirklichen. Aber als Heiraths- vermittlcr hatte Luther wenig Glück. Die Liebe des trefflichen jungen Hieronymus Baumgärtner aus Nürnberg zu Katharina war nicht von Dauer, und zu dem vr. Kaspar Glatz, der ihr einen förmlichen Heirathsantrag machte, hatte sie keine Herzens neigung. Sie ging zu Luther's Freund, Nikolaus von Amsdorf, und bat ihn, er möge Luther bewegen, von dieser Heiraths- vermittelung abzustehen; „würde jedoch er oder Luther sie zur Gattin begehren, so wollte sie sich nicht weigern." Luther freilich trug sich damals durchaus nicht mit Heiraths- gedanken. Es lag ihm noch gänzlich fern, selbst in die Ehe treten zu wollen. Daß er es schließlich that, war wohl nicht in erster Linie die Folge einer Herzensneiung. Das verräth er selbst einmal später: „Wenn ich vor dreizehn Jahren hätte wollen freien, so hätte ich Eva Schönfeld genommen. Meine Käthe hatte ich dazumal nicht lieb; denn ich hielt sie verdächtig, als wäre sie stolz und hoffärtig. Aber" — setzt er hinzu (das Wort ist bei Tische in Käthe's Gegenwart gesprochen) — „Gott gefiel es also wohl, der wollte, daß ich mich ihrer erbarmte, und ist mir Gott Lob! wohl gerathen; denn ich hab' ein fromm, getreues Weib, auf welche sich des Mannes Herz verlassen kann." Wenn Luther den Entschluß faßte, sich zu verehelichen, so sind es zunächst reformatorische, grundsätzliche Erwägungen gewesen, die ihn dazu veranlaßten. Anfang Juni 1525 hatte Luther die Kühnheit ge habt, den Erzbischof Albrecht von Mainz aufzufordern, in den Ehestand zu treten und sein Bisthum in ein weltliches Fürsten- thum zu verwandeln. Er erklärte: „Wo meine Ehe Sr. Kf. Gn. eine Stärkung sein möchte, wollt ich gar bereit sein, Seiner Gnaden zum Exempel vorher zu traben." Als Luther's Absicht, sich zu verehelichen, ruchbar wurde, erschraken Luther's Freunde geradezu, nicht zum Mindesten Melanchthon. Der Jurist Hiero nymus Schurs aber erklärte geradezu: „Wenn dieser Mönch ein Weib nimmt, wird alle Welt und der Teufel selbst lachen, und Jener wird sein ganzes bisheriges Werk zu Nichte machen." Solche Worte konnten jedoch Luther nur in seinem Entschlüsse bestärken. Er wollte und mußte durch die eigene That öffentlich Zeugniß davon ablegen, daß er die Ehe als heilige Gottesordming an sah, wie er sie oft in Rede und Schrift als solche gepriesen und verthcidigt hatte. Es war am Abend des 13. Juni 1525, als sich im Kloster, der Wohnstätte Luther's, der berühmteMaler Lucas Kranach mit seiner Frau, der Professor der Rechte vr. Apel, der Stadtpfarrer Jo hann Bugenhagen und Justus Jonas, der Propst des Aller- heiligenftifts, zusammenfanden. Im Gefolge des Kranach'schen Ehepaares erschien Katharina von Bora. Vor den Genannten als Zeugen schloß Luther mit Katharina in den üblichen Formen unter Gebet und Segen des Stadtpfarrers seine Ehe. Da hat's geheißen in jener schlichten Weise, wie sie Luthers Traubüchlein uns vergegenwärtigt: „Martin (Luther), willst Du Käthe (von Bora) zum ehelichen Gemahl haben?" und „Käthe, willst Du Martin zum ehelichen Gemahl haben?", und nach dem „Ja" haben sie einander die Trauringe gegeben, und Bugenhagen hat di? Hände ineinander gelegt und gesprochen: „Was Gott zusammen fügt, soll kein Mensch scheiden." Vierzehn Tage später fand der festliche Hochzeitsschmauc- stau. Nicht weniger als sieben Briefe sind uns noch erhalten, darin Luther Freunde zur Thcilnahme einlädt. „Ich hab' denen, noft' ich, das Maul gestopft", schreibt er an Spalatin, „die mich mit meiner vertrauten Jungfrau Katharina von Bora austragen und berüchtigen. Mein lieber Herr Spalatin, giebt Gott, daß es fortgeht, daß ich Hochzeit mache, meinen angefangenen Ehestand damit öffentlich zu bezeugen, so müßt Ihr nicht allein dabei sein, sondern auch mit zurathen, sonderlich, wo es uns an»,Wildpret mangeln würde. Jndeß wollt Ihr uns Glück und Segen wün schen! Ich bin in so großen Abfall und Verachtung kommen durch diese mein« Heirath, daß ich hoffe, es sollen sich die Engel darüber freuen und die Teufel weinen. Die Welt mit ihren Klüglingen kennt, noch versteht dies Wort nicht, daß es göttlich und heilig sei; ja, sie machen's an meiner Person teuflisch. Der halb ich großen Gefallen daran habe, daß Ihr Urtheil und Richten durch meinen Ehestand verdammt wird, daß sich dran stoßen und ärgern, so ohne Gottes Erkenntniß zu bleiben, muthiglich fort fahren. Gehabt Euch Wohl und betet für mich!" An den kurfürstlichen Marschall Hans von Dölzig schrieb Luther: „Es ist ohne Zweifel mein abenteuerlich Geschrei vor Euch kommen, als sollt ich ein Ehemann worden sein. Wie wohl mir aber dasselbige fast seltsam ist, und selbst kaum glaube, so sind doch die Zeugen so stark, daß ich's densrlben zu Dienst und Ehren glauben muß, und mir vorgenommen, auf nächsten Dienstag mit Vater und Mutter sammtanderen gutenFreunden in einer Kollation dasselbe zu versiegeln und gewiß zu macken. Bitte derbalben gar freund lich, wo es nicht beschwerlich ist, wollt mich treulich berathen mit «inem Wildpret und selbst dabei sein." So mag es denn mit«n in einer stürmisch bewegten Zeit ein herrliches Fest gewesen sein, das am 27. Juni 1525 im Kloster gebäude zu Wittenberg gefeiert wurde. Auch die Universität gab ihrer Theilnahme Ausdruck. Sie stiftete als Hochzeitsgeschenk einen stattlichen silbernen Becher. Der Rath sandte ein Faß Eimbecker Bi«r und zwanzig Gulden. Etwas später kam noch eine Brautgabe nach — sonderbarer Weise vom Erzbischof Albrecht von Mainz: zwanzig Goldgulden! Luther wies sie ab, Käthe behielt sie trotzdem — sie glaubte mit Recht, sie gut im Haushalt brauchen zu können. Welch? ein« Windung war jetzt in Luther's Leben eingetreten! Eine neue Welt ging ihm auf in seinem Hause. Und wie be durfte gerade dieser Mann in seinen heißen Kämvsen, in seiner rastlosen Arbeit des stillen Friedens in einem trauten Heim! Erne treue Seele waltete hinfort an seiner Seite. Immer mehr ward sich Luther deß bewußt, daß seine Käthe eine „Gottesgabe" war, und immer tiefer und dankbarer schaute er in den Reick- thum, der ihm mit seiner Gattin geschenkt war. Wer eine Frau studiren will, der studire im Stillen ihr Haus! Und wenn er sie selbst nie zu Gesicht bekäme: aus dem Charakter des HauseS könnte er den Charakter der Frau bestimmen. Wollen mir Luther's Käthe kennen lernen, so brauchen wir nur das Leben Japanische Ringkämpfer. Eine Skizze auS dem Sportleben des fernen Ostens. Nachdruck verbeten. Japan kann als das Liliput der Natur und der Kunst be zeichnet werden. Alles ist dort klein, niedlich, reizend; es ist rin Miniaturland. Selbst di« Menschen sind hier von einer Statur, die hinter dem Durchschnitte der menschlichen Raffe zurück bleibt. Aber zwei Ausnahmen von dieser Regel giebt es: die kolossale Statue des Buddha zu Nara, die Daibutfu genannt wird, und die schrecklichen Ringkämpfer, die man mtt dem Namen Sumo bezeichnet. Di« Japaner sind auf diese von ihnen so verschiedenen Ungeheuer sehr stolz, und auS dieser Bewunderung für die Ringkämpfer ist zweifellos jene Liebe zum Ringkampf« im Lande des Mikado entstanden, die zu den schwachen Gliedern seiner Bewohner eigentlich so wenig paßt. Nun muß man aber Lei d«n japanischen Ringkämpfern nicht an ihre europäischen Collegen denken. Bei diesen ist, wie man wohl sagen darf, ohne ihnen zu nahe zu treten, die Entwickelung des Gehirnes hinter der der Muskeln zurückgeblieben. Uebrigens scheint es auch im grauen Alterthume nicht anders gewesen zu sein, dessen mythologische und heroische Athleten, den einzigen Herkules ausgenommen, sich al» recht mittelmäßig« Denker dar stellen. Ganz anders steht eS in Japan. Die Ringkämpfer sind, wie die Geisha's, Wesen der Freude und Heiterkeit. Sie sind temperamentvolle Erzähler, brav« Leute, sanft, wie die Tapferen gewöhnlich, im höchsten Grade amüsant und bilden das Ent zücken der Gesellschaften, zu denen sie eingeladen sind. Merkwürdig ist e», daß di« Ringkämpfer in Japan daS letzte Asyl der konservativen Ideen sind. Noch tragen sie auf ihren Köpfen die alte Mage-Frifur, die sonst schon seit lange allgemein aufgegeben ist. Di« Regeln und Gesetze ihrer Gilde sind seit undenklicher Zeit unverändert geblieben, trotz d«S Neuerung!- und Umsturzfiebers, dessen Beute daS gegenwärtige Japan ist. Nicht, daß sie sich mehr al» Andere gegen die euro päische Civiltsanon abschlossen, deren Wohlthaten sie ebenso wie all' ihre anderen Landsleute würdigen. Aber waS ihre Pro fession anlangt, so verharren sie in einer unangreifbaren Ortho doxie. UebrigenS nimmt ja ihr Gewerbe an den Fortschritten der Künste und Wissenschaften auch nicht Theil. Im Gegentheile können sich die japanischen Ringkämpfer von heute nicht mit ihren Kameraden von einst messen, da sie unter ungünstigeren Bedingungen leben. Denn jene waren von den Daimio» fest angrstellt und beschäftigt, während sich heutzutage bei den Ring kämpfern ihr berufsmäßiger Kampf mit dem oft recht harten Kampfe ums Leben vereinigt. Feierlicher Trommelschlag ertönt zu Tokio am Thurme Aakoin nahe der Brücke Riogoku. Seit der Morgendämmerung machen die Tambour» hier ihre Musik, und sie fahren damit fort, bi» da! Schauspiel de» Tage» sein Ende erreicht hat. Sofort kaffen die Liebhaber des Ringkampfes nicht nur ihren Schlaf, nein, auch ihr Frühstück im Stiche, um nur ja zeitig genug zu kommen und sich »inen guten Platz zu sichern. Die Trommelwirbel sind aber nicht der Laune des Tambours anheim gestellt. Vielmehr giebt es dafür einen orthodoxen, durch eine Praxis von Jahrhunderten geheiligten Rhythmus. Während der Saison ertönt in den Straßen der Stadt allabendlich die Trommel, um die Kämpfe des nächsten Tages anzukündigen. Um keinen Preis würde ein Amateur die Homba Sumo ver säumen, — di« feierlichen Veranstaltungen, die zweimal im Jahre, im Mai und im November, im Tempel Uakoin, nahe der Brücke Riogoku, stattfinden. Nirgend» auf der Erde findet man wohl etwas AehnlichrS. Darin liegt insofern nichts Ueber- raschende», als der Rang eines Ringers in der Standes- hierarchie davon abhängt, wie er sich hier beträgt. Der Erfolg oder die Niederlage an diesen großen Tagen entscheiden sein Geschick; daher thut natürlich Jeder da» Unmögliche, um 4U triumphiren. Da zwei Vorstellungen im Jahr«, jede von zehn Tagen, nicht genügen würden, um diesen Künstlern für den Rest deS Jahres Lebensunterhalt zu verschaffen, so theilen sie sich nach ihrer Beendigung in Gruppen, die dann Vorstellungen in der Provinz veranstalten. Aber da kann sich ein Ringkämpfer ruhig schlagen kaffen; dar schadet seiner Reputation nicht im Geringsten. Zur Zeit der großen Veranstaltungen bietet die Brücke Riogoku «in unbeschreibliche» Schauspiel. Ein Menschenstrom rollt zum Thurme Uakoin, und auf allen Gesichtern kann man die Furcht lesen, daß der Favoritkämpfer heute etwa eine Nieder lage erleiden könne. Nach Ueberschreitung der Brücke werden die Augen geblendet von den glänzenden Farben der Banner, auf denen die Namen der Kämpfer stehen, — wahrscheinlich Geschenke ihrer Patrone. Im Theater selbst übersteigt der Lärm und die Verwirrung alles Maß. Eine riesige Menge strömt nach Bezahlung d«S Eintrittes durch da» Gitter und sieht sich nun auf einem weiten Felde, in deren Mtte sich die Arena befindet, während sich auf allen Seiten amphitheatralischr Sitzreihen erheben. Kein Dach schützt dir Kämpfer und die Zuschauer, woraus e» sich erklärt, warum die Kämpf« nie während der Regenzeit stattfinden. Die Bänke sind mit Kiffen versehen, deren Härt« sprichwörtlich ist; di« Zuschauer müssen also die Be geisterung weit treiben, um einen ganzen Tag auf diesen wenig bequemen Sitzen zuzubringen. Die Arena — Dohyo genannt — ist von kreisrunder Form und hat einen Durchmesser von 14 bi» 15 Fuß; an ihren Seiten befindet sich eine doppelte Reihe von Stroh- oder Reirsäcken, die mit Sand gefüllt sind und zur Verhütung gefährlicher Stürze dienen. Der Boden der Arena id mit feinem Sande bestreut; an ihrer Peripherie erheben sich in gleichem Abstand mit weißen und orangefarbenen Stoffen dreorirte Hvlzpfeilrr. Früher war der nach Osten gerichtete Pfeiler in grünen Stoff gehüllt, der westliche in weißen, der Südpfeifer prangt« in Roth und der Nordpfeiler in Schwarz; diese vier Farben symbolisirten die Jahreszeiten. Zwei sauber«, mit frischem Wasser gefüllte Holz kübel befinden sich beim Ost- und beim Westpfeiler; ihren Zweck werden wir bald kennen lernen. Unterdeß hat der Herold, der eine sehr wichtige Persönlich keit ist, mit lauter verständlicher Stimme die Kämpfer Higashi Konishiki und Nischi Hoo — das sind: der von Osten und der vom Westen kommt — angekündigt. Bei dieser Anzeige er scheinen die Athleten, von den Zurufen der Menge begrüßt. Von diesem Augenblick bildet das Publicum «in ebenso inter essantes Brobachtungsobject, wir die Kämpfer selbst, denn auf diesen Tausenden von Gesichtern sieht man nun alle Zufälle des Kampfes sich wiederspiegeln. Alle bemühen sich, durch Gesten und Schreie ihre Lieblinge anzufeuern, und so groß ist die Erregung, daß die Zuschauer oft, ohne es selbst zu wissen, ihre Nachbarn in einem eingebildeten Kampfe am Kragen fassen. Ist aber der Lorbeer auf das Haupt des sie interessirenden Kriegers gefallen, dann wird di« Leidenschaft geradezu phan- tasisch. Sie werfen dem Triumphator ihren Tabaksbeutel, ihre Kleider, ihre Brieftaschen, kurz, was sie gerade zu fassen be kommen, zu. Ja, es ist gar nicht so selten, daß ein frenetischer Amateur, der nichts mehr zu opfern hat, den Hut oder Fächer seines Nachbars ergreift und ihn d«m bejubelten Sieger zuwirft. Zur Beruhigung mag indeß hinzugefügt sein, daß man am Ende der Vorstellung all' diese Toilettengegenstände gegen Geld summen, gewöhnlich ein Uen oder zwei Mark pro Gegenstand, auslöst. Gewettet wird bei diesen Anlässen reichlich, doch ins geheim, da das Wetten gesetzlich verboten ist. ES giebt bei diesen Festen eine Classe von Leuten, die eine ebenso wichtige Stellung wie di« Ringer selbst einnehmen. Das sind die Giojis, die Schiedsrichter. Durch langjährig« Studien unter den Toshiyoris oder Ehrenringern haben sre das Spiel in all' seinen Eigenthümlichkeiten kennen und beurtheilen gelernt. Di« beiden alten Familien Kimura und Aoshide sind seit Generationen in dieser Specialität berühmt, und ihre Vertreter rangiren mit den berühmtesten Ringkämpfern gleich. Ihr Gesetz buch enthält tausend strenge Bestimmungen, und die Uebertretung einer einzigen genügt, um einen Sieg zu annulliren. Beispiels weise muß ein Neuling barfuß in die Arena steigen; nach einigen Fortschritten erlaubt man ihm Strümpfe, und , zu Ehren ge langt, darf er endlich auch Sandalen tragen. Die Schiedsrichter höchsten Ranges (davon giebt eS nur drei) urtheilen nur über die Kämpft von Ringern, die ihnen im Range gleich stehen. Jeder von ihnen trägt rin« Gumbai, einen Holzfächer, wie ihn früher die commandirenden Generäl« trugen. Dieser Fächer ist mit den prachtvoll lackirten Bildern de» Monde» und der Sonne decorirt; am Griffe befindet sich eine seidene Quaste, die aber nur bei zwei Richtern, den vornehmsten der Gilde, roth sein darf. So ausgerüstet, umkreist der Schiedsrichter unausgesetzt die Kämpfenden, beobachtet ihre Bewegungen und macht sie sogar zuweilen auf ihre Fehler und auf die ihnen drohenden Gefahren aufmerksam. Ist der Kampf beendet, so bezeichnet der Richter mit der Spitze seine» Fächer» den Sieger. An den vier Pfeilern der Arena sitzen vier Personen. DaS sind die Ehrenringer (Loshiyon), dieselben, die die professionelle Ausbildung der sich vorbereitenden Kämpfer leiten. In einer Versammlung im Januar wählen sie au» ihrer Mitte die Prä sidenten der Corporation. Unglücklicherweise spielt dabei, wie überall, heute da» Geld seine unheilvolle Rolle. Die Ringer sind Kaufleute, wie die Anderen auch, geworden, und man be hauptet sogar, daß di« Würde des Ehrenringers wiederholt dem Meistbietenden übertragen worden sei. Eine gewisse Großartigkeit wohnt der Ceremonie des Ein trittes in die Arena inne. Alle Ringer nehmen an diesem Defilirzuge Theil; ihr gesticktes Schurzfell ausgenommen, sinv sie dabei nackt. Nur der Champion, der eine zu große Per sönlichkeit ist, um sich so zur Schau zu stellen, bleibt zurück. Er kommt dann allein, begleitet von zwei Herolden, deren einer einen ungeheuren Säbel trägt. Nach dem Vorbeimarsch« schlagen di« Ringer dreimal zugleich auf den Fußboden, strecken dann die Arme aus und klatschen zweimal in die Hände. Hierauf ziehen sie sich zurück. Die Kämpf« beginnen stets in aller Frühe; aber Vormittags sieht man nur untergeordnete, „sooonä alags", Ringer. Erst am Nachmittag« finden die sensationellen Ereignisse statt. Die Kämpfe folgen sich so den ganzen Tag, während das Interesse von Minute zu Minute wächst, bis man endlich den entscheiden den Match zwischen dem Champion und dem, der ihn aus dieser Würde zu verdrängen strebt, ankllndigt. Der Champion ist Aokozuna Konishiki; er ist Prächtig gekleidet und strahlt von Stärke, Majestät und Siegeszuversicht. Hoo seinerseits zeigt sich voller Kaltblütigkeit. Beide schreiten zur Arena und nehm.n dort au» den früher erwähnten Kübeln einen Schluck frische Wasser, womit sie sich den Mund auSspllken. Darauf knieen si indem sie mit den verschlungenen Händen den Boden berühren, auf Armeslänge von einander entfernt nieder, bereit, beim erst, ., Zeichen aufzuspringen. Der Schiedsrichter steht zwischen ihnen. Plötzlich hebt er seinen Fächer, was „Los!" bedeutet, und die Gegner stürzen aufeinander los. Die Ringerhierarchie umfaßt außer dem Champion die einen Rang bildenden drei besten Ringer der ersten Classe; sodann ein erste bis fünfte Classe. Um in eine höhere Classe aufzusteigen muß man mit vier von fünf Kämpfern gewonnen haben. Jeder Ringer schuldet den Kämpfern der höheren Llassen Achtung und Gehorsam. Die Mitglieder der letzten Clajftn von der dritten abwärts haben kein Anrecht auf seidene Gewänder. Erst nach vielen Jahren der Arbeit und Anstrengung erlaubt man dem Novizen den Zutritt zur Arena. Es giebt eine Art Schule, auf der die zukünftigen Ringer studiren. Man lehrt den Neuling zuerst seine Kaltblütigkeit bewahren, ohne die er nie einen Sieg erringen kann. Hat er seine ersten Studien voll endet, so erlaubt man ihm, mit einem anderen Anfänger zu kämpfen. Zwei Erfolge über zwei verschiedene Gegner be rechtigen ihn, seinen Namen mit einem Stern zu bezeichnen. Erlebt er vier Tage lang kein« Niederlage, so gelangt er unter die, deren Namen auf den Programmen aufgezählt werden. Tie Liste, die die Namen aller Ringer enthält, nennt sich Baniuke und wurde zum ersten Male von «inem Tokianer Kaufmann« Namens Jyemon Negishi gedruckt. Seine Nachkommen besitzen noch bi» zum heutigen Tage das Monopol dieses Druckes. vr. L. r.
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