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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 31.01.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-01-31
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990131026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899013102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899013102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-01
- Tag1899-01-31
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Lieber, das Bedürsuiß gefühlt hätten, ihre in dieser Commission gehaltenen Reden zu wiederholen. Die socialdemokratische Fraction zeigte sich klüger als ibre Presse, indem sie cs unterließ, gleich dem „Vorwärts" rie haltlosen Gerüchte über neue große Flottenplänc der Marineverwaltung aufzuwärmen, über die Vorliebe fürSchlacht- ichjsse :c. zu nörgeln und sich dadurch einer sicheren Niederlage auszusetzeu. Für diesen klugen Verzicht auf einen zwecklosen Vorstoß gegen die Flottenpolitik der Regierung suchte sich Herr Singer dadurch zu entschädigen, daß er einen Fall von Wahlbeeinslussung zur Sprache brachte und heftige Anklagen gegen den Oberwerftdirector in Danzig erhob, rcc s. Z. die ihm unterstehenden Werftarbeiter unter Androhungen gewarnt hatte, für einen svcialdemokratischen ReichStazscandidaten zu stimmen. Aber auch dieses Thema würde rasch erledigt worden sein, da StaatSsecretair Tirpitz die vollständig correcte Erklärung abgab, daß zwar ter maßlosen umstürzlerischen Verhetzung und Lügenverbreitung gegenüber alle berufenen Vertreter der bestehenden Staats- ordnung ibre belehrende und warnende Stimme zu erbeben ebenso berechtigt wie verpflichtet feien, ter betreffende Erlaß, rcS Danziger Oberwersttircctors aber nicht gebilligt werden könne: — durch diese Erklärung würde das Thema erschöpft gewesen sein, wenn nicht der Abg. v. Stumm Len Oberwerftdirector gegen Leu Tadel seines Vorgesetzten in Schutz genommen und einen principiellen Streit über die Grenzen des Rechtes der Arbeitgeber, auf ibre Angestellten bei Wahlen einen Einfluß auS- zuübcn, entfesselt hätte, bei dem die die Abgg. Rickert, Basser manu und Gröber sich aus denselben Standpuuct stellten, den StaatSsecretär Tirpitz eingenommen batte, während der conservative Graf Klinckowströin den des Herrn v. Stumm theilte. Für die Socialdemokratie sprang freilich auch bei diesem Streite nichts heraus, da selbst der Abg. Rickert zugab, daß die Marineverwaltung in Danzig in keiner Beziehung rigoros vorzegangen sei. Noch weniger Glück hatte der social demokratische Abg. Molkenbubr mit seinen Klagen über die ganze Lage der Werftarbeiter. Der Direclor im Reichs- mariueamk Eontrc-Armiral Büchsel konnte darauf er widern, daß die Marineverwaltung ernsthaft bestrebt sei, die Lage der Arbeiter, gestützt auf den kaiserlichen Erlaß von 1890, so gut wie möglich zu gestalten. Es werde um so eher gelinge», die Arbeiter zusrieden zu machen, je weniger von anderer Seile Alles, was geschieht, schlecht ge macht werde. In wirksamer Weise bestätigte dies auf Grund der Verhandlungen der Budgetcommissivn deren Vorsitzender, Fer»rHetsn. Onkel Wilhelm s Gäste. Roman von A. von der Elb«. Nachdruck »ndcun. Zwciundzwanzigstes Capitel. Vier Wochen später, als der Frühling schon mit vollen Hänocn seine Blüihenreichlhümer ausgestreut hatte, wanderte ein junger Mann, etwas ausländisch an Haarschnitt und Tracht aus sehend, der eben auf dem Bahnhöfe angekommen war, raschen Schrittes zum Rusteberge hinaus. Es war Kurt, der, endlich seiner Hcimath zurückgcgeben, mit einem Herzen voll Sehnsucht sich beeilte, die-Geschwister'wieder- zusehOi. Besonders drängte es ihn, Nella, die liebe, tapfere Schwester, in die Arme zu schließen. Als Kurt der Höhe nahe kam, spähten seine Blicke umher, ob er nichts von den Seinen entdecken könne. Hier und da saß eine Gesellschaft im Grünen um ihren Kaffeetisch, Kinder spielten um her, Onkel Wilhelm's Hühner gackerten und pickten hier und do, und die beiden Hunde, die er kannte, lagen vor der Hausihür friedlich in der Sonne. Schon wollte Kurt darauf zugehen, weil er Nella in der Küche vermuthete, als er, zufällig seinen Blick erhebend, ihre liebe Ge stalt oben in der Ruine in einem leeren Fensterbogen entdeckte. Sie waren früher, in den wenigen Tagen seines Hierseins, einige Male zusammen in der Ruine gewesen, und jetzt schien es ihm sehr möglich, daß sie von der freien Höhe nach ihm ausschaue. Aber sie schien ihn nicht zu bemerken, sie erwiderte sein Hinauffwinken nicht. Ruhig saß die lichte junge Gestalt, halb seitlich gewandt, in der Fensterbank des leeren Bogens und schaute weit ins Land hinaus. Er eilte hinauf, vielleicht konnte er sie überraschen. Leise schlich er hinter ihrem Rücken herbei. Sie rührte sich nicht. Er mochte sie nicht anrufen, nicht erschrecken, der Platz war nicht ganz ungefährlich. Da legte er, auf den Fußspitzen ganz nahe herankommend, ihr von rückwärts beide Hände vor die Augen und sagte zärtlich: „Wer ist dies, Nella?" Das junge Mädchen stieß einen kleinen Schrei aus, glitt von ihrem Sitz herunter, befreite ihre Augen von seinen Händen und stand ihm mit erschrockenem fragenden Ausdruck gegenüber. Aber das war ja nicht Nella! Einen Augenblick sahen sich die Beiden stumm und fragend an. Dann ging- ein Erkennen, etwas wie ein freundliches Be grüßen, über ihre Züge. „Fräulein Hanna Fillberger! Ist es möglich? Das eine Schwälbchen — aber eine solche Veränderung in wenigen Fahren, ist das denkbar? — Ist das glaublich?" „Ich erkannte Sir auch nicht gleich, Herr von Rusteberg, ich war so sehr erschrocken." vr. Lieber, mit der Bemerkung, daß die kaiserlichen Werften bezüglich der Arbeiterfürsorge Musteranslalten seien. So endete die Marinedebatte mit einem vollen Siege der Marine verwaltung, den sich der StaatSsecretair Tirpitz durch den Tadel des Herrn v. Stumm nicht verkümmern lassen wird. In Köln hat sich kürzlich ein Verein der nationaUiberalen Fugen- gebildet, der hoffentlich den Anstoß zu ähnlichen Bildungen in recht vielen anderen Städten des Reiches giebt. Schon im Jabre 1882, als unter außerordentlich starker Betheiligung der nationalliberalen Männer des Rheinlandes der erste Parteitag der Provinz in Köln abgchaltcn wurde, hielt der Führer der Partei, Herr v. Ben nigscn, unter leb hafter ZustimmungderVersammlnng eine Rede auf die Jugend, auf deren nationalem Sinn und liberalen Streben und Arbeiten die Ankunft des Vaterlandes beruhen werde, Aber seine Anregung, die Jugend zur regeren Betbeilizung an den Bestrebungen der uakionalliberalen Partei zu veran- lassenz, blieb lange Jahre hindurch ohne Erfolg. In den harten Kämpfen der Jahre seit 1882 bis heule wurden die sich immer mehr lichtenden Reihen der alten Streiter nur sehr spärlich ergänzt, und immer lauter ertönten die Mahn rufe, unsere Jugend aus den WirthShäuseru, den Tanzsalvns, den Theater- und Musikballen zu ernster Mitarbeit im Dienste des Vaterlandes heranzuziehen. Endlich ist ein erster Schritt zur Besserung durch die Gründung des genannten Vereins geschehen. In einer zahlreich besuchten Versammlung junger Männer aus allen Ständen wurden die Satzungen, die durch einen unter der Leitung deS Vorsitzenden dcS nationalliberalen Vereins Köln, Pros. Moldeuhauer, tagenden Ausschuß auSgearbeitet waren, einstimmig angenommen. Nach denselben wird als der Zweck des Vereins hingestellt, die Gleichgiltigkeit der Jugend gegenüber den Ausgaben des politischen Lebens zu bekämpfen und seine Mitglieder zu praktischer Mitarbeit im Dienste der nationalliberalen Partei heranzubilden. Diese Bestrebungen sollen erreicht werden durch regelmäßige Versammlungen, worin durch die Mitglieder über politische Tagesfragen Vorträge gehalten sowie Berichte erstattet werden, durch daran sich anschließende Erörterung in Form einer parlamentarischen Debatte und durch die Pflege der Geselligkeit. Damit dem Vereine nicht der Rath und die Unterstützung älterer erfahrener Partei genossen fehlen, hat derselbe sich das Recht Vorbehalten, solche Männer zu außerordentlichen Mitgliedern zu ernennen. So ist die sichere Grundlage geschaffen, auf der dieses schöne Werk aufgebaut werden kann. Es zeigte sich schon in den Verhandlungen dieses ersten Abcndö, welche reiche Fülle deS Wissens und Verständnisses in der Versammlung enthalten war, die nur der richtigen Pflege bedarf, um zu einer wahr haft fruchtbaren und segensreichen Tbätigkeit für die national liberale Partei und durch sie für das Vaterland nutzbar gemacht zu werden. Denn das muß auch für die Jugend, wie Professor Moldenhauer es in seinen, die Versammlung einleitenden Worten unter der begeisterten Zustimmung aller Anwesenden hevorhob, das Endziel aller ihrer Arbeit und so auch der politische» bleiben, dem Vaterlande ihre Kraft zu weihen und die Güter, die es von ihm empfangen hat, die unsere Vorfahren geschaffen „Bitte tausend Mal um Berzeihung! Ich dachte, von unten gesehen, ganz sicher, die junge Dame hier oben müsse meine Schwester Nella sein." „Kommen Sic, Nella sehnt sich nach Ihnen, aber sie hat jetzt unten für ihre Gäste zu sorgen." Sie stiegen mit einander hinunter, ein paar Mal nahm Kurt Gelegenheit, seiner jungen Begleiterin an unbequemen Stellen die Hand zur Stütze zu bieten. Wie wunderbar sich das kleine, un bedeutende Ding, über das er sonst eigentlich hinweggesehen, herausgemacht hatte! Ja, das waren noch die früheren, eben mäßigen Züge, die ihm immer so leer vorgekommen waren»aber nun, wie belebt, wie schön gefärbt, und welch' reiches Haar, welch' biegsame, schlanke Gestalt das Mädchen jetzt hatte! Hanna war auch gar nicht mehr so stumm und blöde wie sonst. Sie plauderte ganz unbefangen mit ihm über Nella'S Glück als Braut, und wie sie hier Alles hübsch und praktisch ein gerichtet habe. Kurt, der nach seinen Erfahrungen in dem vorurtheilsfreien Amerika Nella's Handlungsweise durchaus billigte, stimmte freu dig in das Lob seiner Schwester ein. Langsam gingen sie miteinander weiter. Kurt beeilte sich gar nicht mehr, zu den Seinen zu kommen, er hörte hier ja von ihnen. Sie blieben noch an zwei anderen Aussichtspuncten stehen und wußten immer genug zu plaudern. Jetzt werde zum ersten Juli ein Pächter für die Wirthschaft dcsRustcbergsgesucht, fuhrHamra fort, es hätten sich 'chon mehrere Leute gemeldet, man wähle und unterhandle! Nella wolle ihr Weck nur in ganz sichere Hände legen, und ihr — Hanna's Vater — stehe Nella in allen geschäftlichen Fragen bei. Endlich kamen die Beiden unten an, und Kurt gehörte nun seiner Familie. Fillberger war mit seinen Töchtern heraufgekommen, und bald wanderte Kurt an der Seite seines Principals den Terrassen weg entlang, auf dem er vor vielen inhaltreichen Jahren zuerst um des Fabrikanten Rath und Beistand gebeten hatte. Welch' lehrreiche Zeit lag zwischen damals und heute. Wie hatten sich die Anschauungen des einstigen sorglosen jungen Offi- ciers über Welt und Leben erweitert, geklärt und befestigt. Großartige Verkehrsverhältnisse und fremde Länder hatten sich vor ihm aufgethan, er hatte Einblicke gewonnen in Handel und Wandel, es schien- ihm, als sei er aus dumpfer Enge in die Weite, aus der Beschränkung, durch Vorurtheile und alte Ge wohnheiten, in ein junges, rege pulsirendes Leben eingetreten. Er kam sich, wenn er an sein früheres Ich dachte, wie ver wandelt vor. Indeß er fühlte mit Bestimmtheit, daß er nicht verloren, sondern gewonnen habe, und daß sein neuer Beruf ihm nicht allein lieb geworden war, sondern daß er auch im Stande sei, etwas Tüchtiges in demselben zu leisten. Die beiden Männer vertieften sich alsbald in geschäftlich« Fragen. Kurt berichtete über die Verhältnisse des Hauses in New Aork. Fillberger lauschte befriedigt. Aus jedem Worte des jungen haben, nicht nur zu erhalten, sondern immer weiter zu fördern und zu vergrößern. In einigen Wochen wirb mit der Vereinsarbeit begonnen werden, nachdem die Zwischenzeit Lazu benutzt worben ist, noch recht viele Mitglieder zu ge winnen. Möge dem jungen Vereine eine glückliche Zukunft und erfolgreiche Wirksamkeit beschicken sein, damit er mit derselben vaterländischen Begeisterung, in der er diesen be- veutsamen Schritt gcthan, seinen vorgcschricbenen Weg ver folgen und fein Ziel erreichen kann. Das widerliche Spiel der Recktsverwirrung und der Rechtsvergewaltigung, wie eS der TreysuShandcl mit sich gebracht bat, wird coram wuuäo mit möglichst viel Auf wand von Phrase, Gestikulation und Spcctakel fortgesetzt. Wie schon in einem Tbeil der Auflage unseres heutigen Morzenblattes mitgetbeilt wurde, rst, um dem Gesetz entwurf betr. die Competenzen deS Cassationü- boses in RevisionS fachen das Odium eines Gesetzes -ul bov möglichst zu nehmen, der ursprüngliche Entwurf dahin abgeändert worden, daß an Stelle der Bestimmung, nach der die Aburtheilung dem ganzen Cassationshofe nur in bestimm ten Fällen übertragen werden soll, die andere tritt, daß die Aburtheilung in allen Fällen dem CassationSbofe zu übertragen ist. Die Begründung deS Gesetzentwurfs geht von langen juristischen Erwägungen aus und schließt: „Der neue Gesetzentwurf wird sofort auf eine Angelegenheit An wendung finden, die eine tiefe Spaltung in allen Gemüthern hervor ruft. Man wird ohne Zweifel einwenden, daß dies ein Gelegen heitsgesetz sei, es ist aber vor Allem ein Gesetz der Nothwendigkeit und der Beruhigung. Wir meinen, der Beschluß, den der voll ständige Cassationshof fassen wird, wird sich allen Geistern mit unwiderstehlicher Kraft al- zwingend aufdrängen und den Spaltungen und der Agitation, die seit langer Zeit das Land beunruhigen, ein Ende machen." Das wäre sehr zu wünsche», allein die Befürchtung liegt doch zu nahe, daß, uackidem die Regierung einmal — wenn sie eS auch nicht zugestehen will — mit Denen den gleichen Weg eingescklageu hat, welche die Unparteilichkeit eines TheilS der Mitglieder des höchsten Gerichts verdächtigen, es nicht ausbleibcn wird, daß auch der gesammte Cassationshof, wenn er sich für die Revision ausspricht, den gleichen Verdächtigungen ausgesetzt wird. Der richterlichen Autorität ist eben ein schwerer Schlag versetzt worden, den sie nicht mehr verwinden wird. In diesem Sinne ergreift auch die französische Liga zur Vertheidigung der Menschen- und Bürgerrechte das Wort: Sie veröffentlicht ein Manifest, in welchem sie erklärt, von der offenbaren Unschuld Dreysus' überzeugt, erhebe sie mit allen Kräften gegen die beabsichtigte Verletzung der Grundsätze der Ge rechtigkeit und des Rechtes Einspruch. Weiter heißt eS, einer Ge- richtsbehocde am Vorabende der Urtheilsfällung die Recht sprechung aus Len Händen nehmen, sei gleichbedeutend damit, daß man einen Burger seinem gesetzmäßigen Richter entziehe und einen wesentlichen Artikel der Menschen- und Bürgerrechte, sowie d e Mannes sprach vollste Sachkcnntniß und geschäftliche Umsicht. Das war ein Mitarbeiter, wie der Fabrikant sich immer für die Zeit, in der ihm die Last der Geschäfte zu viel werden würde, gewünscht hatte. Warum besaß er nicht einen solchen Sohn? Kurt arbeitete sich auf Fillberger's Comptoir ein und wurde auch in der Familie seines Chefs, in der er sich sehr wohl fühlte, freundlich ausgenommen. Für die Wirthschaft auf dem Rusteberge fand man bald einen zuverlässigen Pächter, und Nella hatte alle Hände voll zu thun, ihre llebersiedelung in die Rectorei zu bewerkstelligen. Und nun kam bald ein freundlicher Sommertag, an welchem Nella und Johannes zusammen in der Kirche von Neustadt vor dem Altar standen und für den Bund ihrer Herzen die Weihe und den Segen der Religion erbaten. Für ein frohes Hochzeitsmahl hatten Fillbergers gesorgt, und dann zog der junge Rector mit seiner Frau Rectorin in das alte Kloster ein, in dem Onkel Wilhelm sich schon in seiner behaglichen Weise eingenistet hatte. Eine ungetrübt glückliche Zeit begann für das-ffunge Paar. Es waren nicht die Flitterwochen im landläufigen Begriff, in denen man meint, daß zwei Menschen von Luft und Liebe leben und sich kaum aus den Armen lassen, nein, dazu hatten Johannes und Nella ein zu weites Arbeitsfeld. Er mußte sich in die Geschäfte seines neuen Amtes hinein finden und die große Aufgabe ernst erfassen. Sie hatte nach wie vor für Viele zu sorgen. Onkel, Brüder, Mann und Wirthschaft erhoben Ansprüche an sie, und doch sprach sie schon davon, daß man eigentlich, um einen Zuschuß zu der be scheidenen Einnahme zu gewinnen, Pensionaire nehmen könne. Sie verleugnete sich auch jetzt nicht in ihrer rührigen Thatkraft. Es war an einem schönen Septembertage, um die Zeit der Freiviertelstunde. In dem weitläuftigen alten Klostergarten grünte und blühte es noch wie im Sommer. Auf den Obstbäumen schimmerten reisende Früchte mit den sich gelb und roth färbenden Blättern um die Wette. Einzelne Bäume waren sogar gestützt. Johannes holte Nella aus ihrem Zimmer, um, wie es jeden Morgen geschah, mit ihr durch den Garten zu schlendern. Freudig eilte sie ihm entgegen, und nun schritten sie Arm in Arm mitein ander die Allee entlang. Das fröhliche Geschrei der Knaben auf dem Schulhofe und das der Spatzen im abgeernteten Erbsenfelde tönte zu ihnen herüber. „Wir wollen Onkel Wilhelm aufsuchen", sagte Nella zu ihrem Gatten. „Ich habe ihm vor einer Viertelstunde sein Frühstück gebracht, das er gern in der Weinlaube nimmt, er war aber mit Hahnewinkel so vertieft in das Zwetschenpflücken, daß ich fürchte, er vergißt, sich auszuruhen." „Ja, er ist ganz glücklich über den Obstreichthum, den wir hier haben", erwiderte Johannes lächelnd. „Ah, da geht Hahne- winkel dem Hause zu." „Und da sitzt auch -Onkel Wilhelm in seiner Laube." Sie waren noch ziemlich weif von dem Frühstückenden ent fernt, gingen jetzt aber langsam auf ihn zu. Rechte der Vertheidigung verletze. Gerechtigkeit würde es dann nicht mehr geben. OueSnay de Beaurepaire sucht die Sache dagegen so darzustellen, als verfolge die Regierung mit der Ein bringung des Gesetzentwurfs nur die Absicht, die Richter, welche sich schwere Pflichtwidrigkeiten zu Schulden kommen ließen, zu schonen, indem sie eine princrpielle Aenderung deS Bersahrens Vorschläge und dadurch der Nothwendigkeit enthoben sei, einzelne Richter zu tadeln und damit dem ganzen Stand zu schaden. Der Gesetzentwurf sei somit nur ein AuSfluchtsmittel. Dieser Spiegelfechterei muß ein Ende gemacht werden. In der Kammer wird darauf gedrungen werden, daß der Commission, welche sich mit rem RegierungSentwurf zu befassen hat, das ganze gegen die Richter der Criminalkammer gesammelte Enquete material vorgelegt werde und gegen diese strengste Maßnahmen ergriffen werden, wenn sie wirklich schuldig sein sollten. Von Neuem hat Justizminister Lebret versichert, die Schluß folgerungen der Untersuchung berührten nicht die Ehren haftigkeit und Aufrichtigkeit der Richter. Also heraus mit dem vernichtenden Material deS Herrn OueSnay de Beau repaire! Sind aber die Richter unschuldig, dann bedarf eS auch der neuen Gesetzesvorlage nicht und man darf erwarten, daß das Parlament sie verwirft. Die Krrsis im englischen Baugewerbe steht vor ihrer entscheidenden Wendung. Der Bund der Arbeitgeber hat das Ultimatum sestzesetzt, welches den Stuckarbeiterzewerk- schaften im ganzen Bereinigten Königreiche behufs Aunahmc oder Ablehnung vorgelegt werden soll. Im ersteren Falle bleibt Rübe und Frieden im Baugewerbe erhalten, im letzteren wird ein etwaiger tradeunionislischer Vorstoß sofort mit dem allgemeinen Ausschluß aller tradeunionistischc» Stuckarbeitcr beantwortet werden. Es ist den Arbeit gebern mit ihrem Entschluß, reine Bahn zu machen, bitterer Ernst. WaS das Verlangen der tradeunionistischen Drahtzieher, die Werkmeister sollen ihrer LerbandSorganisation angehören, betrifft, so ist dies weder der einzige, noch auch der wichtigste unler den controversen Puncten, wohl aber bildet er den Tropfen, der den bis zum Rande gefüllten Becher der Langmuth auf Seiten der Arbeitgeber endlich zum Ueberlausen brachte. Seit Jahren sind die Arbeitgeber des englischen Baugewerbes durch die Frivolität, mit welcher sich die von den socialdcmokratischen Führern aufgehetzten Arbeiter über Verpflichtungen, die von ihnen in bindendster Form freiwillig eingcgangen waren, hinwegsetzten, schwer geschädigt worden ; insbesondere wurde ihnen die Innehaltung vertrags mäßig übernommener Abmachungen und Fristen infolge des unberechenbaren launenhaften Gebührens ihrer Leute so gut wie unmöglich gemacht. Das Ziel der ganzen Agitation ist die Zertrümmerung der Autorität des Arbeitgebers, seine geschäftliche Depossedirung und die Herstellung deS tra deunionistischen Absolutismus. Das vorerwähnte Ulti matum der Arbeitgeber, das aus acht Einzelpuncten besteht, geht übrigens keineswegs^ auf „Zerschmetterung" der Arbeiterorganisation aus. Es will nur die Her stellung eines auf gegenseitiger Rechtsachtung beruhenden woäu^ Der alle Herr hakle neben sich auf der Gartenbank ein Häuf- lein Zwekschen und den Teller mit Butterbroden. Nella wußte schon, daß er mit seinen Hunden theilte und rechnete eine doppelte Portion. Die Hunde schwänzelten um ihn herum. „Er kann sich in seiner Gutmülhigkeit kaum dieser ver zogenen Thiere wehren", rief Nella lachend. „Aber sieh, da kommt Kurt!" Mit freudestrahlendem Gesicht eilte der Bruder aus einem Seitenwege auf das junge Paar zu. „Ich bin glücklich, ich bin überselig!" rief er ihnen schon von ferne entgegen. „Hanna ist mein, und Papa Fillberger nimmt mich gern als Schwiegersohn und Geschäftstheilhaber auf. —" Nella warf sich jubelnd in feine Arme! „Das ist recht, Herzensbruder, das habe ich immer gehofft! Hanna ist ein liebes, treffliches Mädchen." Auch Johannes sprach dem Bräutigam feine Glück wünsche aus. Nach der erst«» Freude wurden sie Mc ernster. „Wie gnädig hat Gott es mit uns gemeint. In welch' sicheren Hafen hat er unser Lebcnsschifflein geführt", sprach Nella bewegt, und dann schritten sic in- gehobencer Stimmung aus Onkel Wilhelm zu. Innerlich beschäftigten sic sich mit den trüben Stunden der Vergangenheit, aus denen heraus, wie die Blume aus dem dunklen Ichooß der Erde, ihr jetziges Glück erwachsen war. „Unser armer Vater hat schwer gelitten", sagte Nella mit tiefer Empfindung. „Uns aber hat der Glückswechsel nicht ge schadet, Kurt, oder meinst Du?" Sie schmiegte sich an deS Gatten Arm. Kurt «rwiderte ernst: „Wir sind aus der Reihe der Genießen den in die der Arbeitenden „herabgestiegen" — wie die Welt es meint. Nachdem ich alles Beides gekostet habe, meine ich aber: unS ist, gegen unseren Willen, der bessere Theil zugefallen." Johannes fügte liebevoll hinzu: „Alle großartigen Ding« dieser Welt: Adel, Geld, Gelehrsamkeit, wie schrumpft alles Dieses in seinem Werthe zusammen, verglichen mit dem Geschick und der Anpassungsfähigkeit, die solch ein kleines, rühriges, prak tisches Fraueinimmer im Leben zu bethätigen vermag." „Still, sti^, Johannes!" rief Nella beschämt. „Was wäre Wohl aus uns geworden, wenn Onkel Wilhelm uns nicht, aus der Fülle seines liebevollen Herzens, als sein« Gäste ausgenom men hätte?" Die beiden Männer gaben der Sprecherin recht, und-^von Dankbarkeit erfüllt und bewegten Gemüths schritten sie auf den gutherzigen alten Herrn zu, der eben seinem unverschämten Ro- sinchen eine Strafpredigt hielt. Ende.
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