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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.02.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-02-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990202013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899020201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899020201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-02
- Tag1899-02-02
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Der national liberale Abgeordnete Möller wies die „Begeisterung" des socialdemokratischenAbgeordneten Wurm für weibliche Aufsichts beamte zurück und äußerte sich sehr skeptisch dahin: man solle doch erst einige Jahre die Erfahrungen aus dem in Süd deutschland gemachten Versuch abwarten. Er möchte den weib lichen Aufsichtsbeamten eine objective Thätigkeit nie zutrauen. Das warme Herz gehe ihnen oft mit dem Verstände durch. Es genüge vollständig, wenn weibliche Vertrauenspersonen den Fabrikinspectoren zur Seite stehen, die sie zu Rathe ziehen und durch die sic Vernehmungen veranlassen können. Aber Herrn Möller widersprach scharf sein Fractionscollege Freiherr Hehl zu Herrnsheim, welcher darlegte, er könne Möller's Ausführungen über die weiblichen Aufsichtsbeamte durchaus nicht billigen, und bemerkte, daß in den Reichstagsverhandlungen der letzten Jahre die Anstellung solcher von der großen Mehrzahl des Hauses gewünscht und gebilligt worden sei. In dem Bundesstaate, dem Redner angehörr, in Hessen, seien es gerade nationalliberale Großindustrielle gewesen, die dort die Einrichtung weiblicher Aufsichtsbeamten gewünscht und auch er reicht haben. Er könne constatiren, „daß wir bereits die Freud« gehabt haben, solche weiblich« Aufsichtsbeamte in unseren Be trieben zu begrüßen, daß sich dieselben äußerst tactvoll und sach verständig eingeführt haben und daß wir die Hoffnung hegen, diesem Beispiele werde man demnächst auch in Bayern, wo ähn liche Beschlüsse gefaßt sind, und auch in Preußen folgen." (Sehr gut! links.) Staatssecretair Graf Posadowsky verhielt sich recht kühl zur Sache. Er berief sich darauf, daß in den letzten Berichten der Fabrikinspectoren, abgesehen von Bayern, eine An stellung solcher Beamten nicht als nöthig, teilweise sogar als recht bedenklich bezeichnet werde und daß auch im vorigen Jahre ein Bedürfniß hierzu nicht anerkannt worden sei. Jedenfalls sei die Sache noch sehr zweifelhaft. Recurrirt man nun auch »die Berichte der Gewerbebeamten selbst, so wird in der Einleitung zu den bayerischen ausgeführt, daß die Staatsregierung bei einer abermaligen geplanten Ver mehrung des Aufsichtspersonals auch «in oder zwei weibliche Beamte anzustellen beabsichtige und dem Landtage schon eine dahingehende Vorlage gemacht habe. Im Vorjahre war das Bedürfniß noch nicht anerkannt worden. Die übrigen Bericht erstatter gelangen, soweit sie die Frage der Zuziehung weiblicher Kräfte erörtern — wie die vom Reichsamte des Innern heraus gegebenen „Amtlichen Mittheilungen aus den Jahresberichten der Aufsichtsbeamten" constatiren —, zu dem Ergebnisse, daß jeden falls deren Einstellung als staatliche Beamte bedenklich oder un- nöthig sei. (Baden, Oldenburg, Sachsen-Meiningen, Schwarz burg-Rudolstadt, Ober-Elsaß.) Es wird hervorgehoben, daß der männliche Beamte sehr wohl in der Lage sei, jedem Arbeiter gegen über die Beachtung der gesetzlichen Schutzvorschriften zu prüfen. Der männliche Beamte sei auch vermöge seiner Kenntniß der Betriebseinrichtungen mehr als eine Frau dazu berufen, die Durchführbarkeit von Schuhmastregeln jedesmal unter Berück sichtigung der Betriebsverhältniffe zu beurtheilen. Sodann sei aber, insofern Fragen des sittlichen Gefühls in Betracht kommen, der männliche Beamte ebensogut wie ein« Frau zur Gewährung des Schuhes befähigt, unter der einzigen Voraussetzung, daß er sich das Vertrauen der Arbeiter zu erwerben wisse. Dafür, daß weibliche Beamte auch in peinlicher Lage sich nicht scheuten, die Hilfe männlicher Beamten anzurufen, wird als Beispiel ein Vorfall aus Chemnitz angeführt. Der Aufsichtsbeamte für Oldenburg ist auf Grund der von ihm gemachten Er fahrungen der Ueberzeugung, daß sich geeignete Persönlichkeiten leicht finden lassen, wenn einmal die Vermittelung einer Frau erforderlich sein sollte. Auch in Sauzsen-Meiningen sind weibliche Bertrauensperfonen (die natürlich nirgends Beamte sind) mit gutem Erfolge zugezogen worden, und im Berichte für Hessen II wird auSgesührt, daß durch die allgemeine Be stellung derartiger Mittelspersonen für kleinere Bezirke der Fabrik aufsicht im Interesse der Frauen mehr gedient werden würde, als durch Anstellung einer Assistentin für den ganzen Bezirk. Man sieht, die Erklärungen de» Abgeordneten Heyl v. Herrns heim lauten der Sache der weiblichen Aufsichtsbeamten erheblich günstiger, als die der hessischen Fabrikinspection. Ohne den Gewerbeaufsichtsbeamten irgendwie zu nahe treten zu wollen, mag unwillkürlich bei ihrer Ansicht das Gefühl einer vielleicht nicht angenehmen Concurrenz Mitwirken, wie sich ja auch der deutsche Aerztetag gegen die Zulassung werblicher Aerzte aus gesprochen hat. Was übrigen» die Bestellung weiblicher Der- trauenSpersonen anlangt, so wird die Zuziehung von Mittels personen überhaupt von den Aufsichtsbeamten verschieden be- urtheilt. Von den Beamten für Unterfranken, die Pfalz und Bremen wird daS Eintreten von Mittelspersonen oder Organisationen als sachdienlich be zeichnet, andererseits werden in den Berichten für Dresden, Chemnitz und Unter-Elsaß mehrer« Gegengründe angeführt. ES wird h«rvorg«hoben, daß für den Arbeiter die Gefahr, sich einer Maßregelung auszusetzen, nur wenig in Betracht kommen könne, da der Jnspectionsbeamte die strengste Verschwiegenheit wahre rc. Auch werde der Vermittler vielfach nicht in der Lage sein, eine sachlich erschöpfende Dar stellung zu geben, oder sein Eintreten trage nicht selten — wie in dem Berichte für Chemnitz durch mehrere Beispiele erhärtet wird — zur Förderung falscher Anschuldigungen oder wenigstens zu Uebertreibungen bei. Aus Württemberg wird mitgetheilt, daß für die Aufstellung weiblicher Bertrauensperfonen erhebliche Schwierigkeiten aus der Personenfrage erwuchsen; doch läßt sich d«r Bericht für Württemberg III lobend über die Einrichtung und ihre Erfolge auS; der bisherige Verkehr mit den weiblichen Bertrauensperfonen habe schon manche Anregung zur Be seitigung von Mißständen, unter welchen vornehmlich Arbeite rinnen in einzelnen Fällen zu leiden hatten, gegeben. Auf jeden Fall scheint es nach alledem, daß die allgemein« Einführung wÄblicher Äufsichtsbeamten in den deutschen Staaten noch in weitem Felde liegt. Ein Vorspiel zur Abrüstungskonferenz. Wie die sogenannte AbrüstungSconferenz dereinst zu classi- ficiren sein wird, weiß man nicht. Gewiß aber paßt auf da», wa- ihr dieser Tage in Berlin vorangegangen, die Be zeichnung .Satyrspiel". Die dortige „Frieden-gesell- schaft" kielt eine Versammlung, in der Frau v. Suttner sprach. Wir geben den Bericht in der Hauptsache nach der „Kreuzztg.", weil unS eigene Erkundigung und die offen kundige Verlegenheit der demokratischen Zeitungen — ein Theil derselben schämt sich, die Veranstaltung überhaupt zu er wähnen — die Gewißheit giebt, daß daS konservative Blatt photographische Momentaufnahmen und keine Caricaluren darbietet. Die „Kreuzztg." also reserirt: Um Stimmung zu machen für die Idee der Abrüstung, hotte die Berliner FrirdenSgesellschaft am Montag Abend eine versamm« lung veranstaltet, die in einem Saale de» Hotel» „Bier Jahre»- zelten" tagte und von etwa LOO Personen besucht war. Bon den Anwesenden waren wohl mehr al» die Hälfte „deutsche Staatsbürger jüdischen Glauben»". Der Vorsitzende vr. Max Hirsch erNärte, daß es zu seinem Schmerze nicht möglich gewesen sei, einen anderen Saal zu bekommen, sonst wären noch viel mehr gekommen. Er hielt einen Vortrag über di« bekannten Ziele dieser FriedenSgesellschaft. Ohne irgendwie Partelbestrebungen in die Versammlung tragen zu wollen, fuhr er dann fort, haben wir natürlich auch den Mann eingeladen, der bei un» der Friedensbotschaft de» Zaren vorangegangen ist: Rudolf Virchow! (Bravo!) — vr. Virchow hatte sogar ein Schreiben an vr. Hirsch geschickt, worin er diesen beauftragt, der Versammlung sein» „herzlichste Sympathie" auSzusprrcheu. Sehr bezeichnend für Virchow ist eine Stelle in seinem Briefe: „Meine Auffassung hat sich seit dreißig Jahren, seit ich den Abrüstung»- Antrag im preußischen Abgeordneteuhause stellt«, nicht geändert. La dieser Antrag von den Gegnern stets ver- dreht worden ist, füg« ich eine Abschrift bei...." vr. Max Hirsch erklärt« sich jedoch augenblicklich nicht in der Loge dazu, den „berühmten" Antrag verlesen zu können — von wegen der schlechten Handschrift Virchow'». Lr wollte ihn am Schluss» der Versammlung verlesen, vergaß es ober darauf. „Wir sind Rudolf Virchow dankbar, daß er unserem heutigen Unternehmen gleichsam di» Sanktion »rtheilt Hot." (Bravo!) Dann gedachte vr. Hirsch der Bestrebungen zur „vermeuschlichung unsere- Ge schlecht»" und feierte den 23. August 1898 al» »iurn welthistorischen Lag, wenn eS je einen solchen gegeben habe. (Beifall.) Hierauf trug der Humoristiker Schmidt-Tabani», der „Ulk"- Dichter de- „Berliner Tageblatt»" ein von ihm verfaßte- „stim mungsvolle-" Gedicht gegen den Krieg vor. Er sprach da viel von Massenmorden: „rin Tigerheer wär ihrer satt geworden". Doch nun sei e» genug damit, Krieg dem Kriege! (Lebhafter Beifall.) DaS Uebrige würde „ein schönrrr Mund, beredtere Lippen" sagen. Diese „beredtrren Lippen" waren die der bekannten Romanschrift stellerin Frau Baronin v. Sattteer, die mit ihrem Gemahl nach Berlin gekommen war und nun unter Händeklatschen da» Wort er- griff. Sie widmete Herrn v. Egidy einen Nachruf. Wie kein Anderer habe dieser ehemalige preußische Arieg-mann eS ver standen, „Krieg gegen de» Krieg" zu führen — „wie unser talentvoller Dichter eben gesagt hat". Sodann nahm die Rednerin wieder Platz und las ihren Vortrag ab. Neues sagte sie nicht. Sie erwähnte sehr ausführlich ihre Be- sprechung mit Graf Murawjew. In der Stunde, die ich mit ihm zugebracht habe — er hat außer mir in Wien Nie mand empfangen —, hat er mir viel Interessante« erzählt. Da ich ihn über die Friedensbewegung aus dem Laufenden erhalten soll, wrrde ich ihm auch über diese stattliche (!) Versammlung in der deutschen Reichshauptstadt berichten. Die Frau Baronin steht auch mit dem Grasen Leo Tolstoi in reger Verbindung, der dem rus sischen Kaiser versprochen habe, ihn schriftstellerisch zu unterstützen. Er habe dem Kaiser gesagt: „Majestät, e» wäre gut, wenn Sie mit dem Beispiele onfingen!" (Große Heiterkeit.) Der Kaiser habe ge- antwortet: „Er allein dürfe die Waffen nicht auS der Hand legen, dazu sollten sich die Mächte vereinigen." Frau Baronin will beim Grase» Tolstoi ansragen, ob da- wahr sei. . . . Die Regierungen haben aus die Friedensbotschaft ja schon geantwortet, jetzt fehlt blos noch „die Antwort der Völker". Der Krieg soll eine unheil bare Kraukbrit sein? Nein! er darf eS nicht! Im Namen GotteS und der Menschheit ist es unsere Pflicht, einen Kreuzzug zu ver anstalten durch die ganze Welt für den Frieden. — Die Versamm lung erhob sich von den Sitzen und spendete lebhaften Beifall, den aber Frau v. Suttner ablehnte: „wir sind ja keine Künstler!" vr. Max Hirsch bezog aber den Beifall nicht nur ans die Person, sondern auf die Sache und dankte. Er hoffe, auch für Berlin ein ComitS mit vornehmen Namen zusammenzubekommen. Jetzt werde sich doch wohl Niemand mehr durch zaghafte, engherzige Rücksichten zurückhalten lassen! 40—50 hervorragende Namen seien schon vor handen. Aus Aufforderung nahm in der Besprechung der freisinnige LaudtagS-Abgeordnrte vr. Barth das Wort, der mehrfach unter Heiterkeit sprach. Man werde versuchen, auch ohne daß eS nach außen bemerkbar wird, die Bestrebungen der Friedenskonferenz zu Nichte zu machen. Man lasse sich nicht durch die schönen Worte der Regierungen täuschen. WaS sie gesagt haben, wissen wir; aber was sie denken — ach, daS ist ja ganz was Anderes! (Heiterkeit.) „Eine ganz unpraktische Idee, bei der nichts herauskommt!" Darum spannen wir unsere Erwartungen nicht zu hoch und denken wir nicht gleich an Abrüstung. Wir müssen der Dessentlichkeit die Sache vertraulich machen. Da müssen die betitelten Herren uns helfen. Es genügt ja heute nicht, ein anständiger Mensch zu sein — man muß auch einen Titel haben. (Heiterkeit.) Gehen wir heute nicht aus diesem Saale heraus (schallende Heiterkeit) — bitte, hören Sie doch noch den Nachsatz —, ohne zu zeigen, wie ungeheuer praktisch (?) wir sind, indem wir durch eine tüchtige Volksbewegung die Regierung zwingen, auch mit dem Herzen zu bekennen, was ihr Mund gesagt hat. (veisall.) Darauf wurde die Versammlung geschlossen. Jeder Besucher hatte auf seinem Platze ein Exemplar der von der anwesenden Frau Lina Morgenstern herauSgcgebenen „Zeitung für HauS- frauen" gefunden. Ein anderer Bericht, für den wir aber keine Verant wortung übernehmen, betrifft den Zaren. Von ihm sagte Frau v. Suttner nach dem Berichte der „Berl. N. N", Graf Murawjew habe ihr erklärt, nickt er, sondern der Zar habe das Manifest verfaßt und schriftlich fixirt. Dann fuhr sie fort: „Weiterhin erzählte mir rin englischer Journalist William Stead Vieles über seine mehrstündigen Unterredungen mit dem Zaren in Livadia. Dir Mittheilungen sind authentisch, da sie veröffentlicht und vom Zaren gelesen wurden, ohne Laß ein Dementi erfolgte. Mr. Stead erzählte, der Zar sei keineswegs stolz und hossährtig, sondern tiefreligiöS und bescheiden und empfinde sein Amt als eine schwere Last. Er gab auch die Gründe an, die ihn zur Abfassung des Friedensmanifestes führten. Der Zar äußerte, er habe sich in der Welt umgesehen und erkenne, daß die jetzige Civilisaiion nicht gut ist. In fremden eroberten Ländern bringe die an gebliche „Civilisation" den Eingeborenen Alkohol, Opium und allerlei Krankheiten. Ueberall liege eine tiefe Kluft zwischen den Eingeborenen und den Herrschenden. Die Eingeborenen würden durch Steuern bedrückt und revoltirten. Aus diesen Gründen würden immer mehr Flotten und Heere erforderlich, die mit kolossalen Kosten aufgestellt und unterhalten würden, statt daß diese Gelder sür fried liche und wirklich kulturelle Zwecke der Völker verwendet würden. Sogar rin siegreicher Krieg werde für die betreffende Nation ein Unglück sein, wie viel mehr eine Reihe von Niederlagen, und daher solle man die Möglichkeit herbeiführen, die Kriege ans der Welt zu schaffen. Gehofft habe man schon lange auf Frieden und Abrüstung, jetzt müsse man endlich anfangen, Ernst zu machen". Es ist charakteristisch für die Rednerin und ihre Zuhörer, daß sie die angebliche Acußerung des Zaren für authentisch hielten, weil sie nicht dementirl worden ist. Deutsches Reich. * Leipzig, 1. Februar. Im „Fleischbeschauer", dem Organ des Bundes deutscher Trichinen- und Fleischbesckauer, wird von einer großen Anzahl Vorsitzender deutscher Fleisch- besckauervereinigungen ein Aufruf zu einer „Allgemeinen Conferenz aller deutschen Fleisch- und Trichinen schauer in Berlin" am 12. März d. I. erlassen. Lie Conferenz soll den bi- dahin jedenfalls veröffentlichten Ent wurf des neuen ReichS-FleisckbeschaugesetzeS beralhen, um dann die Gestaltung des Gesetzes möglichst in einer die Interessen der Fleischbeschauer wahrenden Weise zu beeinflussen. /?. Berlin, I. Februar. (KlerikaliSmnSundNational- gefübl.) Die „Köln. Dolksztg." nimmt die Ausweisungen aus NordschleSwig zum Anlasse, uni sich gegen „jede Ueber- spannung des Nationalgefühls" zu wenden. Deutschland scheine sich einer „ungesunden Uebertreibung" des National gefühls hiugeben zu wollen, insbesondere gehe die Ausweisungs politik „über den berechtigten Schutz der eigenen Nationalität weit hinaus". Das klerikale Blatt beruft sich für seine Aus- Feuilleton. Ernst Moritz Ärndt und Leipzig. Nachdem! verboten. Nachdem der vierte voltsthümlichc Dichterabend das Andenken Ernst Moritz Arndt's auch in weiteren Kreisen wieder belebt hat, mag es vielleicht von Interesse sein, den Beziehungen nachzu forschen, die den Dichter mit unserer Stadt verknüpft haben, denn daß das allezeit gut deutsch gesinnte Leipzig und der Wort führer des nationalen 'Gedankens sich einander nicht fremd bleiben konnten, wird man nur natürlich finden. Freilich verging längere Zeit darüber, ehe Beide sich näher traten. Der 1769 auf der damals noch schwedischen Insel Rügen geborene Arndt verlebte seine ganze Jugendzeit in seiner Heimath. Seinen ersten Flug in die Welt unternahm er, als er im Jahre 1793 die Universität Jena bezog, und von hier aus besuchte er dann Leipzig, als er nach anderthalb Jahren zu Fuh die Rückreise nach Hause antrat. „In Leipzig", schreibt er seiner Mutter, „bleibe ich wohl einige Tage stecken, weil ich mir da gern einen neuen Rock lausen möchte, den ich mir diesen Sommer erspart habe. Lange freilich kann man sich da nicht halten, wenn man nicht eine stramme Börse hat." Auf seiner großen Reise, die ihn 1798—1799 durch Deutschland, Oesterreich, Ungarn, Oberitalien und Frankreich führte, berührte Arndt auch Leipzig wieder, und hier fand er in dem Buchhändler Heinrich Gräff, einem Jugendfreund, den Verleger seines ersten größeren Werkes, der vierbändigen Be schreibung eben jener Reise, die, wie ein Kritiker jener Zeit rühmt, eine so liebenswürdige Individualität, eine so frische originelle Lebensansicht und eine so große Menge der interessantesten Be- merkungen und Schilderungen offenbarte, daß bald eine zweite Auflage nöthig wurde. Trine kühnen Angriffe, die er im „Geist der Zeit" gegen Napoleon richtete, trieben Arndt, der inzwischen in Greifswald zum Professor der Geschichte ernannt war, von Neuem auf die Wanderschaft, machten aber auch den Frriherrn vom Stein auf ihn aufmerksam und veranlaßten im Jahre 1812 seine Berufung nach Petersburg. In der Begleitung Stein'S folgte er dann 1813 den siegreichen Heeren der Verbündeten; bald nach der Völkerschlacht kam er in Leipzig an und fand hier noch den ganzen Jammer der Verwüstung. „Es lagen hier", heißt eS in seinen Erinnerungen, „30000 Kranke und Verwundete in Lazarethen, Freunde und Feinde, die Leichenwagen knarrten täglich durch die Straßen und viele der Einwohner wurden mit von den Seuchen fortgerafft. Doch ermüdete hier die Menschlichkeit und Wohlthätigkeit nimmer, und die Leipziger vergaßen die Aengste und Nöthe und sich selbst und halfen und retteten, so viel sie konnten." Trotz der Schrecken und Greuel, die Arndt hier zu schauen bekam, war sein Jubel über den errungenen Erfolg doch groß. „Mein Herz schwimmt in Wonne", schrieb er seiner Freundin Johanna Motherby, „wir haben in diesen Tagen einen Sieg gewonnen, der das Vaterland befreien wird. Wir sind frei, unsere Kinder sind Freie. Laß un» beten, mein süßes Kind!" Mehrere Monate bis zum Januar 1814 blieb Arndt hier in Leipzig. Er trieb eifrig seine „buchlichen Künste und pamphletirte dabei recht fleißig", besonder» gelang ihm in dieser Zeit sein Bücklein „Der Rhein, Deutschland» Strom, nicht Deutschland» Grenze", worin er schon damal» Elsaß und Lothringen von Frankreich zurück forderte. Hier entstand auch sein schöne» Lied auf di« Leipziger Schlacht und zahlreiche andere Gedichte und Flugschriften. Al» dann nach einem Jahre die Wiederkehr der Völkerschlachttage bevorstand, veröffentlichte Arndt „ EinWort über die Feier der Leipziger Schlackt", worin er zu einer würdigen Begehung jener „ewig denkwürdigen Tage aufforderte, denen wir e» verdanken, daß wir wieder ein ganze! Volk werden können und daß unser Name von den Rollen der Weltgeschichte nicht mit Schande weggelöscht worden". Er wollte den 18. Oktober für eine Vorfeier bestimmt wissen, an dem Freudenfeuer von allen Bergen und Höhen aufflammen und die Glocken mit ihren Klängen den folgenden Tag einläuten sollten, der als der Hauptfesttag mit Gottesdienst und großen Volks festlichkeiten begangen werden sollte. Dann aber mahnt er sein Volk an eine Ehrenpflicht, an di« Errichtung eines Denkmals, „diaS dem spätesten Enkel noch sage, was bei Leipzig im October des Jahre» 1813 geschehen". Nach der Beendigung der Freiheitskriege wurde Arndt an der neugegründeten Universität Bonn als Professor angestellt, jedoch schon wenige Jahre darauf in die Demagogenverfolgungen hinein gezogen und am 10. November 1820 von seinem Amte suspendirt. In denselben Verdacht war auch sein treuer Freund, der Buch händler Georg Andreas Reimer, aerathen, bei dem bis dahin die meisten von Arndt's Schriften erjchienen waren. Darum mußte er sich nach einem anderen Verleger umsehen, der ihm die Mög lichkeit bot, seine Selbstvertheidigung vor seinem Volke zu führen. Er fand ihn in dem tapferen Friedrich Arnold Brockhaus, dem Begründer der berühmten Leipziger Firma, dem er im Sommer 1819 nahe getreten war, als dieser auf einer Reise nach Paris auch Bonn besuchte. Bei ihm erschien 1820 Arndt'» „Abgenöthigte» Wort aus feiner Sache", worin er gegen das ungesetzliche Verfahren der Mainzer Bunde« - CentralcommWon protestrrte und vor da» zu ständige Gericht gestellt zu werden verlangt«. Umsonst. Ein« Verurtheilung konnte nicht stattfinden, doch er langte der Baschuldigte auch keine förmliche Freisprechung und blieb seine» Amtes enthoben. Wer Arndt kannte, wußte, daß ihm Unrecht, geschehen war, darum wurde auch Niemand von seinen Freunden an ihm irr«, und al» ihm endlich 1840 Friedrich Wilhelm IV. bei seinem Re« aierungtantriit die Genugthuung gewährte, ihn wieder in sein Amt «inzusetzen, gingen dem Schwergeprüften von Fern und Nah, au» Deutschland und auS dem Ausland«, zahllose Glückwunschschreiben zu, darunter auch solch« au» Leipzig, denn hier lebten dem greisen Patrioten treue Freunde, vor Allen der Sohn und der Schwiegersohn seine» alten Freundes Reimer, di» Inhaber der Weidmann'schen Buch handlung, Karl Reimer und Salomon Hirzel, mit denen er in regem Briefwechsel stand, und in deren Verlage mehrere seiner Schriften erschienen sind, so z. B. „Die Frage über die Niederlande und die Rheinland«", seine „Er innerungen" und die „Schwedische Geschichte unter Gustav III. undGustav IV. Adolf". War Arndt schon längst ein Liebling seines Volkes gewest.:, so war seine Popularität im Jahre 1848 noch gewachsen, wo er, von fünf Wahlkreisen in das Frankfurter Parlament gewäh!., mit der preußischen Erbkaiserpartei für die Wahl Friedrich W:i helm's IV. zum deutschen Kaiser gestimmt und mit zu der De putation gehört hatte, die dem Könige die Kron« anbot. Als er daher im folgenden Jahre seinen achtzigsten Geburtstag feierte, gestaltete sich dieser Tag zu einem nationalen Festtag, und auch aus Leipzig wurde dem Greise eine besondere Ehrung zu Theil, indem ihm eine Anzahl Leipziger Männer einen goldenen Becher mit folgendem schönen Gedichte übersandten: Ten Samen, den du streutest, Verwehre nicht der Wind. Die Glocken, die du läutest, Hört Kind und KindeStind; Die jungen Herzen schlagen O Vater Arndt, dir zu, Die weißen Locken zu tragen Mit Ehren, so wie du Wie sich die Geschicke wenden, Wie auch da« Glück unk log, ES wehte In deiarn Händen DaS deutsche Panner hoch; Er scholl in böser Stunde, Wo alle» schien vorbei, Tie Loosung au» deinem Mund», TaS deutsch« Feldgeschrel. Al» alle Sterne sanken, Al» jeder Her, verzagt,
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