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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.02.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-02-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189902050
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18990205
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18990205
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-02
- Tag1899-02-05
- Monat1899-02
- Jahr1899
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.02.1899
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Die Morgen-Ausgabe erscheint um '/-? Uhr. die Abend-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr. Filialen: LttB Klemm's Lor tim. (Alfred Hahn), Universitütsstraße 3 (Paulinmn), LsniS Lösche, Ikatharinenstr. 14, part. und AönigSplatz 7. Lr-artion und Expedition: AahanneSgaffe 8. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Bezugs-Preis A» Ur tzemptexpedttion oder den im Stadt- bezirk und den Bororten errichteten Au^- gobestellen ab geholt: vierteljährlich ^l4.ö<>, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins Haus >K b.ül). Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich 6.—. Direkte tägliche Kreuzbandjendung in< Ausland: monatlich 7-öO. MMer TllMalt Anzeiger. NmtsölaLt des Kömgüchen Land- «nd Ämtsgerichles Leipzig, des Aathes und Naiizei-Nmtes der Ltadl Leipzig. Anzeigen Preis die 6 gespaltene Petitzelle 20 Pig. Reklamen unter dem Redaclionsslrich ^ge spalten) 50»), vor den Familiennnchrichteu (Ogeipalten) 40 Größere Schriften laut unserem Preis« vcrzeichniß. Tabellarischer und Züsermad nach höherem Tarif. 6rtra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Poslbeförderung 60.—, mit Postbeförderung >4 70—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Marge n-Ausgabe: Nachmittags 4 UhL Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 85. Sonntag den 5. Februar 1899. 83. Jahrgang. Aus -er Woche. Während daS Plenum des Reichstags, wofür es in der Presse sebr belobt worden ist, den Etat für Kiautschau obnc vieles Sträuben bewilligt hat, hielt die Bud getcom miss io n mit ihm in der Erledigungen des Militäretats Schritt. Es bandelt sich vorläufig noch nicht um die Organisationsforte- rungen, die unter dem Namen „Militärvorlage" zusammengefaßt werden,sondern um Aufwendungen innerhalb deS alten Rahmens, worunter aber, wie alljährlich, viele „einmalige" Ausgaben. „Politik" spielt in diese Commissionsverhandlungen über den Etat selten hinein, eber KirchthurmSpolitik, sintemalen auch ein Herz, daS dem „Militarismus" gewöhnlich nicht freudig enl- gegenschlägt, sich gerührt fühlt, wenn im Wohnorte oder in einem Orte deS Wahlkreises ein militärischer Neubau aufgeführt werden soll. Diesmal aber ließ sich die Politik leise vernehmen, und wenn sie auch nicht in die Commission ein trat, so gab sie doch ihre Visitenkarte ab. Eine Anfrage, was an der Nachricht sei, daß Detmold seine Garnison verlieren solle, beantwortete der Kriegsminister nach dem unS wie den meisten Zeitungen zugegangencn Berichte dahin, er, der Minister, Halle diese Meldung für falsch. Der »Freis. Ztg." zufolge hat Herr v. Goßler gesagt, ihm sei von der Absicht einer Verlegung nichts bekannt. Beide Versionen stimmen darin überein, daß sic den Minister eine objective Verneinung vermeiden lassen, und das ent spricht auch dem Sachverballe. Mit anderen Worten, Herr v. Goßler weiß nichts. Daß ist verständlich. Sehr auffällig aber ist es, daß der preußisch- Kriegsminister im Tone der Beschwerde festgestellt bat, das lippische Mini sterium habe ihm überhaupt noch niemals geschrieben, ein Bedauern, welches sich Herr vr. Lieber sofort aneignelc. Ter Centrumsführer erläuterte den Minister dahin, wenn Lippe geschrieben hätte, so wären solche unwahren Zeitungsmeldungen vermieden worden. Das Wort „unwahr" scheint uns etwas wie eine xotitio principii zu enthalten. Wie dem aber auch fei, kann es ein billig Denkender Lippe verargen, wenn es ängstlich vermeidet, sich Berliner Antworten auszusetzen? Daß die Unkenntniß eines Ministers über die sachliche Berechtigung einer Meldung deren Unwahrheit noch nicht beweist, haben die letzten Tage wieder gezeigt. Der Reichs kanzler hat gewiß nichts davon gewußt, daß die „Nordd. Allg. Ztg." Auftrag erhalten hatte, den Staatssekretär Tirpitz wegen der nicht rühmenden Erwähnung eines amt lichen Eingriffs in die Wahlbewegung zu verwarnen. Dennoch war ein solcher Auftrag ergangen, und damit nicht genug. Während irgend eine verantwort liche Stelle daS genannte, immeryin nur halbamtliche Blatt zu einem Widerrufe vermocht hat, ertbeilt die amtliche „Berliner Corr." Herrn Tirpitz nochmals einen Verweis. Dieses Spiel und Gegenspiel ist als ein Symptom der Regierungswirthschaft nichts weniger als erfreulich. 2n der Sache selbst aber braucht man sich weder I für noch gegen zu erhitzen. Vom Staatssekretär Tirpitz j ist keine Regel über das Verhalten der Beamten bei Wabkn ausgestellt worden. Der nicht belobigte Danziger Ober- irerftdirector andererseits hatte, wie sich berausistellt, mit seiner Aufforderung zur Wahl eines nicht social demokratischen Candibaten keineswegs einen Hinweis auf das Untergebenheitsverlältniß der angereveten Arbeiter verbunden, sondern lediglich patriotische Gesichts punkte geltend gemacht. Herr v. Stumm, der ihn vcr- lheidigte, mag Unrecht gehabt haben, noch weniger jedenfalls batte aber Herr Singer ein Recht, den Danziger Vorfall als ein Beispiel culturwidrigcr Sklaverei, bei dem „daS Wahlrecht zum Teufel geht", hinzustellen. Tie schlimmste, die einzige in größerem Umfange wirksame Wahlbeeinflnssung geht von der Socialdemokratie auS, die den von ihr Ab- bängigen nicht einmal in Dingen des Erwerbslebens, des Verbrauches, die Emancipation gewährt hat, geschweige denn bei politischen Handlungen. Und selbst wenn die Social demokratie ungehöriger Beeinflussung überführt ist, wird man von ihren parlamentarischen und publicistischen Vertretern niemals ein Wort des Bedauerns über eine Ungebörigkeit vernehmen, wie es der Staatssekretär des MarineamteS, weil er das Verhalten eines ihm Untergebenen nicht correct zu finden vermochte, nicht zurückhielt. Bei der Wahldeeinsluffungs-Debatte ist auch die alte Frage nach der geeignetsten Stelle für die Wa bl- fi rüsun gen gestreift worden und ist es natürlich ein Cen- trumSmitglied, Herr Gröber, gewesen, das sich gegen die Prüfung durch bestehende oder all üoo einzusetzende Gerichte mit dem größten Eifer erklärt bat. Das Centrum hat in diesem Puncie daS leichteste Gewissen und trüge bei einer Aenderung des Gerichtsstandes das größte Risico. Die Rechtsbeugungen, die zum Zwecke der Giltigkeitserklärung genehmer und zur Ungiltigkeitserklärung mittelparteilicher Mandate von Centrumsjuristen im Reichstag plaidirt und durchgesetzt worden sind, sind zahllos und schreien zum Himmel. Kein Gericht hätte solche Entscheidungen gefällt. Freilich, sagt Herr Gröber, auch Richter sind Menschen. Gewiß, aber bei Wahlprüfungen würden RiH er wenigstens nicht in eigener Sache entscheiden und der Ausfall deS Erkenntnisses würde nicht eine Machtfraze sein, wie cs im Reichstage so ost der Fall gewesen. Auch englische Richter sind Menschen und—was schwerer ins Gewicht fällt — bas englische Parlament ist auf seine Befugnisse eifersüchtiger, als irgend ein anderes. Dennoch hat sich dieses Parlament frei willig und um der Gerechtigkeit willen das Recht der Wahl prüfungen entzogen und einem Gerichtshöfe abgetreten, auf dessen Verfahren eS nicht den mindesten Einfluß zu üben ver mag — laut Parlamentsbesckluß. Der Reichstag wird demnächst die erste Lesung deS Reichsbankgesetzes beginnen. Die bisher gepflogenen Vorberathungen haben die Stellung der einzelnen Parteien noch nicht vollkommen geklärt, überdies dürfte der Schwer punkt der Berathnng in die Commission fallen. Es ist nicht ausgeschlossen, daß von Abgeordneten, die sich principiell rückhaltlos auf den Boden der Regierungsvorlage stellen, nicht unwesentliche Abänderungen derselben angestrebl werden. Das wird sich finden. Heute sei nur signalisirt, daß die Antisemiten und, wie es scheint, auch die Ber liner Leitung deS Bundes der Landwirlhe mit dem „Gedanken" der Verstaatlichung hervorzutreten ent schlossen sind. Das ist, vom Standpunkte der Taktik, nickt von einem höheren, auch sehr erklärlich. Die Herren haben bei den Wahlen wider die Gegner der Verstaatlichung so viele niedrige Verdächtigungen ausgestreut, daß die über die Frage noch heute in irrthümlichen Auffassungen Gebliebenen es nicht verstehen würden, wenn die Antisemiten u. f. w. nickt jetzt gegen die Erhaltung der Reichsbank als einer formell privaten Anstalt wenigstens etwas s a g t en. Herr Liebermann v. Sonnenberg hat sogar bereits angesangen, in der „Staatsbürger-Ztg." zu toben, vor Allem natürlich gegen die Conservativcn. Man darf neugierig sein, ob sich diese Partei auch nach den bei der Fleischnoth-Interpellation gemachten günstigen Erfahrungen einschüchlern lassen wird. Die preußischen Conservativen werden sich jedenfalls sagen müssen, daß die Zeiten der Tivoli-Tonart vorbei sind, und was die „Kreuzzeitung" zu dem Chemnitzer Parteitag der Nationalliberalen Sachsens bemerkt, zeugt von dieser Erkenntniß. Das Blatt spricht sich im Allgemeinen recht maßvoll und verständig auS. Hoffentlich äußern sich auch die National-Socialen, nachdem ihr Herr v. Gerlach hier in Leipzig seine tiefgründigen Betrachtungen über die National liberalen an den Mann gekrackt, über den im besten Sinne auf „Sammlung" gerichteten Chcmuitzer Parteitag. Der Freisinn, der Berliner Freisinn gegen die Freizügig keit! Tas ist kein Scherz. Der dortige Magistrat beschäftigt sich zur Zeit mit einem in der Stadtverordnetenversammlung angekündigten Anträge, wonach sämmtliche Beamten und Lehrer der Stadt Berlin fortan gezwungen werden sollen, innerhalb des eigentlichen Weichbildes der Stadt zu wohnen. Außerdem sollen diejenigen Beamten und Lehrer, die bisher außerhalb Berlins ihre Wohnung hatten, innerhalb einer bestimmten Frist gezwungen werden, ihre Wohnung in Berlin zu nehmen. Also um der „Rente" der lieben Hausbesitzer, Viktualienhändler u. s. w. willen sollen große Kategorien von „Consumentcn" an ihrem Wohnorte sestgehalten werden. Genau daS, was extreme Agrarier deS OstenS um ihrer Rente willen anstreben, nur daß diese wenigstens die schon Weg gezogenen nicht wieder zurücktranSportiren lassen wollen. Daß die Wahl deS Wohnortes mit den dienstlichen Ob liegenheiten der Beamten und Lehrer nichts zu thun hat, braucht nicht gesagt zu werden. Deutsches Reich. 6. II. Berlin, 4. Februar. General v. Werder als „kommender Mann". Obgleich bekanntlich die Nachrichten von dem Rücktritt des Fürsten Hohenlohe voni Kanzlerposten auf das Bündigste demenlirt worden sind, ge fallen sich einige Zeitungen darin, nach dem „kommenden Manne" zu suchen. Jetzt glauben sie ihn in dem General v. Werder, ehemaligem Militärbevollmächtigten in Petersburg und von 1892—l89.7 Botschafter daselbst, gefunden zu haben. Wir wissen, daß General v. Werder, der einst an der Newa als Vertrauensmann Alexander's II. eine sebr bedeutende Nolle gespielt hat, nicht die geringste Lust verspürt, aus seiner jetzigen Jnactivilät berauszulreten. Der General steht kurz vor dem Abschluß ceS 76. Lebensjahres und hegt keinen anderen Wunsch, als den, in Rübe den Rest seines Lebens zu verbringen. Es hat auck, wie wir versichern können. Niemand in den maßgebenden Kreisen an den General als „kommenden Mann" gedacht. /?. Berlin, 4. Februar. (Haß über das Grab hin aus!) Zu der Bismarckgedenkrede des Reichstagspräsidenten Grasen Ballestrem haben die Klerikalen in Ravens burg einen lehrreichen Commentar geliefert: sie haben es als Taktlosigkeit angesehen, daß am letzten Geburtslage des Kaisers nach dem Schluß des officiellen Programms ein Oberförster Namens Magenau dem Fürsten Bismarck ein stilles Glaö weihte. Herr Magenau hat infolge dessen, wie wir aus der „Württemb. VolkSztg." ersehen, im „Ober schwäbischen Anzeiger" folgende Erklärung erlassen: „Meine Taktlosigkeit am letzten Sonntag ist darin bestanden, daß ick, nachdem das Programm längst vorüber und Redefreiheit eingetreten war, den Manen des Fürsten Bismarck, obne dessen Verdienst wir keinen Kaiser und kein Reick hätlen, ein stilles Glas geweiht habe. Ich brdaure, wenn ich dadurch verletzt haben sollte. Magenau, Oberförster." — Offenbar enthält die vorstehende Erklärung einen Druckfehler. Ohne Zweifel hat Herr Magenau erklären wollen: „Ich bedaure Die, welche ich dadurch verletzt haben sollte." * Berlin, 4. Februar. Ein Erlaß des Ministers vr. Bosse vom 13. v. M. behandelt die aus der Aerztewclt lautgewordencu Wünsche wegen Beseitigung der Curir freiheit und Wiedereinführung des Cnrpfuscherei- verbots. Der Erlaß ist an den Ausschuß der preußischen Aerzlekammer z. H. des Geh. Raths vr. Lent in Köln gerichtet und lautet: „Wiederholte Kundgebungen aus ärztlichen Kreisen haben in den letzten Jahren der Nothwendigkeit einer Beßerung der Verhältnisse des ärztlichen Standes gefordert und darauf hingewicsen, daß die vor handencn Mißstände in erster Reihe in der durch die Reichsgewerbe ordnung zur Einführung gelangten Freiheit der Ausübung der Heil kunde ihren Grund hätten. Es wird darüber geklagt, daß durch die FeuöHrton. Reisegeschenke. Plauderei von Mari« Schramm-Macdonlald. -.'lachvrua md^cn. Ein« sehr gescheckte, sogar für genial geltende Frau, die sich mir verpflichtet glaubte, begrüßte mich, als mich nach ihrer Rück kehr .von der Sdmmerreise eine schleunig zu erledigende An gelegenheit zu ihr führte, mit den lebhaft geäußerten Worten: „O schon, schön, daß Sie kommen! Ich -wollte eben zu Ihnen eilen. Ich habe Ihnen etwas mitgebracht und konnte es kaum erwarten, es Ihnen zu zeigen." Fort war sie aus dem Zimmer wie ein Wirbelwind. , ,sJch habe Ihnen etwas mitgebracht . . . ." Man kann es sich, trotz der Jahrzehnte, die schon an Einem vorbeigelaufen sind, wahrhaftig nicht abgewöhnen, ein kindlich frohes Gefühl in seinem Herzen «ufsteigen zu taffen, wenn Einem ein Geschenk angskündigt wind, nach all' den schon im Leben gemachten Er fahrungen über die weitverbreitete Talentlosigkeit beim Geschenk geben im Allgemeinen und beim Re feg schenkgeben im Besi nderen gewiß eine Thorheit, die bei einem ernsten, allem Zweckwidrigen und Zwecklosen unsympathisch gegenüberstehenlden Menschen fast unverständlich erscheint. Und doch auch wieder nicht. Denn zwischen jenen Zeiten, in denen wir, trotz strengen Verbotes der zartsinnigenMutter, jede ankommende „auSwärt ge" Tante mit der inquisitorischen Frage „stellten": „Hast Du mir auch 'was mit gebracht?" und den gespendeten Süßigkeiten einen entschieden höheren Rang anwiesen, als den süßesten Liebesworten, liegt eine Schult, Vie es uns gelehrt hat, die Gesinnung des Gebers weit über s«in Geschenk zu stellen. Die liebenswürdige Frau, die mit freudestrahlenden Blicken soeben einen kostbaren hochstehenden Stuartkragen aus echter, zart mit Gold durchwobener Spitze aus einer Seidenpapierhülle l>attr emportauchen und vor meinen Augen schweben lassen, mußte wohl glauben, ich sei in jener Schule nicht gerade immer Classen- erste gewesen. „Gefällt's Ihnen nicht?" fragte sie enttäuscht und fügte schnell hinzu: „Es ist rin ganz „altes" Kraqerl, und eine Rarität; es stammt aus einem schweizerischen Museum. Ich weiß ja, Sie sind verwöhnt. Aber mich für meine Person freut's schon, tvenn mir*Einer einen Bleistift von der Reis« mitbringt. Ich mein': man steht doch, daß an Emen gedacht worden ist." Ich fühlte mich tief beschämt über den Verdacht, Len meine Stummheit über mich heraufbsschworen hatte. Man steckt trotz Allem doch noch tiefer.in den Kinderschuhen, als man in seinem V'.ldungr!b«wußts«in sich trälumen laßt! Ich hörte mich jetzt im Geiste als „Dreikäsehoch" zlu einer „entfernten" Tante, die mir triumphirend LiqueurbonbonS als Antrittsgeschenk ankündigt, empört sagen: „Aber so dumm, Litör ess' ich ja gar nis!" — sah eS vor mir, wie ich mich in tiefer Verachtung von TantenS in beispielloser Unwissenheit begangenen Mißgriff kurz auf meinen rot-hen Schühchen u-wdrehte, um meine Weisheit ins Kinder- zimtmer zu flüchten, und fühlte den scharfen „Klitsch", den Mütterchen al» «ilig strafend« Justitia gleich darauf aus meinen kurzen dicken Arm hatte niedersausen lasten und der entsetzlich brannte. Meinen Klitsch hatte ich ja auch jetzt weg, wenn auch nur einen moralischen. Verdient oder unverdient weg? Hm. Ver dient und unverdient. Gestehen mußte ich mir, daß ich beim Anblick des Reisegeschenkes Aehnliches wenigstens gedacht, wie ich es damals bei der Aussicht auf Liqueurbonbons ausgesprochen. Der Bann der Gesellschaftsform allein war es, der mich zurück gehalten, auszurufen: „Wie unüberlegt, mir so 'was mitzu bringen, das ich gar nicht tragen kann." Denn so wenig die Gast tante von damals, laut vieler dafür sprechenvcr Gründe, wissen konnte, daß Klein-Mieze „Litör" nicht liebte, so gut meinte ich, hätte die mit Künstüeraugen Menschen und Dinge betrachtende Frau wissen müssen, daß «in hoher, breit abstehender Stuart kragen nicht vortheilhaft für meine Erscheinung war. Aber Undankbarkeit war es wahrlich nicht gewesen, die mir beim Anblick des Reisegeschenkes die Zunge fesselte. Am aller wenigsten hatte ich — o, welche Gemeinheit wäre das gewesen! — auch nlur mit einem Ackhemzuge an den Werth derselben in meinem eigenen Interesse gedacht. D-as vollkommen Unnütze vielmehr gerade der hohenAusgabe, welche die Geberinsichgemacht, war es, das mich nicht sofort ein warmes Wort des schuldigen DankeS finden ließ. Ja, deS Dankes, den ich in jeder Beziehung der Geberin schuldete. Denn wi« es sich gleich darauf heraus stellte: die freundlche Dame war gerade der Meinung gewesen, Äaß bas „Kroger!" mir „zum Entzücken" sichen müsse. Somit war die vornehmste Bedingung für ein Reisegeschenk: das liebenswürdig« Versenken in die Eigenart des zu Beschenken den vor und bei der Erwerbung desselben erfüllt Wochen. Daß dieses Versenken eine mich unbefriedigende Folgerung gezeitigt hatte, war mein persönliches Pech, das ich lediglich einem mir lange bekannten, boshaften, kleinen Schicksalskobold zur Last legen durfte. Reuig, unter herzlichen Dankesworten, drückt« ich der rasch versöhnten jungen Frau die Hand und trug später da- „Krogerl" mit liebevoller Sorgfalt nach Hause. Hier versenkte ich es in mein« Raritätenlade, in der eS noch heute ruht als ein Zeichen bester Absicht, deren Werth nicht dadurch geschmälert wird, daß sie für mich ohne praktische Bedeutung geblieben ist. Eine Folge hatte übrigens meine Enttäuschungsverblüfftheit noch. ES war mir von der Kragenspenderin noch ein, wie sie einer gemeinsamen Freundin später erzählte, „großartiges spa nisches Iackerl" als zweites Angebinde zugedacht gewesen, sie 'hatte sich aber nicht getraut, es mir zu geben, weil möglicher Weise auch das nicht „nach meinem Gusto gewesen wäre". Ich selbst würde allerdings 0uch für das Iackerl keine Ver wendung gehabt haben, aber heute, nach Jahren, fliegt zuweilen — -wir sind ja doch Alle mehr oder minder Evatöchter — ein mit einer unbefriedigten kleinen Reuaier gepaarter Gedanke des Be dauern» zu dem verscherztenAngebinde, dar jetzt meiner inzwischen zur Jungfrau erblühten Tochter ein eigenartiges, kostbares Toilettenstück sein könnte. Leider ist der Seidenstoff, der mir vor einiger Zeit in engels guter Absicht „mitgebracht" wurde, canariengekb — und deshalb weder für mich, noch meine Tochter tragbar. Färbt man di« wunderbare, weiche Seide, dann ist ihr Werth, wie ihre, glanz volle Schönheit dahin. So ruht denn auch dielst» Reisegeschenk in dem erwähnten Rüritätenschrein. In ihm langweilt sich u. A. noch ein japanischer Fächer von so überzarter Schnitzerei, daß er beim ersten Anfassen durch eine fremde Person kläglich zerbrach. Ich kann ihn nur in Japan wieder Herstellen lassen, und warte seit zehn Jahren auf eine Gelegenheit, dahin zu kommen, weil ich nicht der Fächerreparatur wegen allein die weite Fahrt unter nehmen möchte. Zeigen mag ich das seltene Stück auch nicht gern, weil jedesmal, wenn dies geschieht, die Vernichtung größerer Kreise um dasselbe zieht. Weit praktischer an sich ist ein Reisetintensaß, mit dem ich kürzlich überrascht worven bin. Wer wollte es leugnen, daß be sonders ein zum „Federvieh" — schreckliche Bezeichnung! — ge hörendes weibliches Wesen genau so gut wie ein mänuliches bei einer langen wie einer kurzen Weltwanderung gern ein in tadel- losem Zustände befindliches Tintengelaß mit sich führt, in dessen schwarzer Fluth sich die gedankenvcrkörperungsvurstige Feder stürzen kann, ohne mit verderblichen Anhängseln aller Art wieder heraustzukommen? Aber da in unserer aus drei Personen be stehenden Familie schon vier Reisetintenfässer, drei Füllfedern und zwei Tintenstifte ein außer der kurzen Ferienzeit entschieden thakenlcses Dasein fristen, so war meine Ueberzeugung: es ist unbedingt bei Ankauf dieses netten Reisetintenfasses Deiner herz lich gedacht worden nicht überflüssig, um den als Tribut für dieses Gedenken fälligen Enthusiasmus rechtzeitig zu zeigen. Orientalische Pantöffelchen 'sind gewiß ganz reizend, wenn sie so aussehen, wie die ganz unten im rechten Abtheil meines Raritätewma-ufoleums. Wer lieber wäre es mir doch gewesen, wenn der rührend liebe alte Grobetrotter, der sie mir einmal mit gebracht, meine Spazierhölzer nicht in seiner Phantasie ungalant als Seitenstück zu Aschenbrödel's märchenhaften Füßchen gesehen hätte. Zum Andenken an den Besuch einer weltberühmten schlesischen Glashütte wurde mein Hauswesen eines Tages durch eine pracht volle, krystallene zweitheilige Salatschüssel und sechs für die Auf nahme einzelner langstieligerBlumenbestimmtereizendeMiniatur- vasen zum Tafelschmuck bereichert. Leider erwies sich die erstere nicht allein für ihre Bestimmung ganz untauglich, sondern auch für jeden anderen Zweck, den ich, voll Erbarmen mit mir selbst, krampfhaft ins Auge faßte. Die Väschen aber nehmen eigen sinnig nur solch« Blumen in ihrem überengen Hoffe auf, die nicht decorativ genug sind, um als Tafeldecoration gelten zu können. Wenn ich bekenne, daß diesen Einkauf ebenfalls ein männliches Wesen gemacht hat, so darf dies nicht etwa zu der Ansicht ver leiten, ich wolle damit die besonder« Unfähigkeit des starken Ge schlechtes beim Einkauf von Reisegeschenken betonen. Wenn irgend eine Leserin di« Meinung hegt, die Männer sollten, wobei natür lich Ausnahmen die Regel nur bkgriinden, von der Reise wenig stens niemals Toiletten oder Wirthschaftsqegenstände mitbringen, >io ist das ihre Sache, für die ich jede Verantwortung ablehne. Ich für meinen Theil denke: „Irren ist menschlich", und Mann wie Weib sind ihm auch hierbei unterthan. Einmal bekam ich von einer englischen Dame fünf Pfund schwarzen Thees. „ES sein dieselbe Thee, uelche uir trinken jede Tage", sagte sie mir mit gehobenem Gefühl, das ich mit einer kleinen verbindlichen Verneigung quittirte. „Es sein eine ganser seltene Thee, man kann ihm bloi haben durch persönliche Be ¬ ziehung. Uir sind an diese Thee so geuohnt, daß uir mögen niemals leinen anderen." Lecker konnten wir unsererseits uns an die gewiß sehr thruere, aber ganz eigenthümlich schmeckenve Sorte Thee absolu: nichl ge wöhnen, und unsere Dienerschaft brachte derselben sogar en: schieden eine Abneigung entgegen. Zur Liebe, selbst für eine be stimmte Sorte Thee, kann man eben nicht gezwungen werven. So war denn meine Freude über die Einlastung de? wirtschaft lichen Budgets unrettbar ins Wasser gefallen. Solche und ähnliche Erfahrungen hat wohl Jeder, der diese Zeilen liest, schon gemacht, und kann sie, wie ich, gewiß durch zwanzig weitere ergänzen. Sind wir Alle denn aber durch sie gewitzigt worden, unsererseits lediglich etwas zu schenken, das unter allen Umständen — soweit ein Sterblicher solche zu be rechnen vermag — willkommen sein muß? Kann uns das Den ken, ja, das Kopfzerbrechen geradezu wohl unbedingt zu einem wirklich praktischen oder doch unbedingt willkommenen Reise geschenk für Jemand verhelfen? Kann es nicht Vorkommen, daß man z. B. einem „heftigen" Kilometerbezwinger das neueste Velo mil'brinyt, das er sich „brennend" gewünscht und man dann vernehmen muß, der Arzt habe ihm wegen Anzeichen von beginnender Herzerweiterung das Radeln ein für allemal strengstens untersagt? Allerdings dürfen wir in solchen Fällen weit eher mit den Selbstvorwürfen sparen, als die Tante mit den Liqueurbonbons und die englische Dame mit dem absonderlichen Thee. Aber wenn wir nun 'auch unsere Pflicht redlich gethan, indem wir bei dem Ankauf eines Reisegeschenkes persönlich« Eigenart und äußere, ja selbst innere Lcbensverhältnisse des zu Beschenkenden aufs Hingebendste in Betracht ziehen, ja, wenn wir, um ganz sicher zu yehen, nur einen Gegenstand ins Auge fassen, der selbst, wenn er doppelt und dreifach im Haushalt vorhanden wäre, noch nützlich oder erfreulich sein könnte und nun vergnügt ausrufen zu dürfen glauben: „Heureka, ich hab's gefunden!" so sehen doch gar oft Zeit und Örtsverbältnissc allein schon der Ausführung unserer Pläne ein Ziel. Was die erstere anbelangt, so können wir sie bändigen, indem wir sie nicht allzu spät beim Schopfe nehmen, um unser« „Mitbringsel" einkaufen zu gehen. Können wir nun aber durchaus das nicht finden, was sich in unsere Pläne einfügen, unserem Geschmack anpasscn läßt, dann ist es an der Zeit, mit dem vielleicht bis dahin noch bewahrten Vor- urtheil zu brechen, daß ein Reiseandenken unter allen Umständen von dem Orte stam-mcn muß, von welchem aus unsere liebenden Gedanken so ost sehnsuchtsbeflügelt d«r trauten Heimath zucilien. Ehe män eine werthlose — o. h. im kunstgewerblichen wie prak tischen Sinne werthlvse — Sache erwirbt — und das sei für Vie „größte Kleinigkeit" Gesetz —, kaufe man lieber gar nichts und sage daheim offen und ehrlich: „Ihr Lieben, mein Herz ist voll, aber meine Hand ist leer. Daß ich an Euch gedacht, dafür haben meine Briefe — wenn auch lange nicht genug — ge sprochen, und Euer Herz muß es Euch sagen. Hier sind ge trocknete Blumen von der Waldwiese, wo ich so oft, im Geiste ganz bei Euch, verträumt gesessen, hier sind Muscheln, die mir die Meerjungfrau zugeworfen, wenn der Sturm den Wellen zum Tanze aufspielte. Euer Reisegeschenk kaufe ich Euch hier. Ich konnte aus der Reise da» Rechte nicht finden."
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