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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.02.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-02-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189902127
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18990212
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18990212
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-02
- Tag1899-02-12
- Monat1899-02
- Jahr1899
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.02.1899
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Größere Schriften laut unserem Preis« v>r^ichuist. Tabellarischer und Zisserusah nach höherem Tarif. —-o—o« ^ytra-Veilage» (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderuuß ./L 00.—, mit Postbcförderung >/t 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 UHL Bei den Filialen und Annabmestellen je elne halbe Stunde früher. Anzeige«» sind stets an die vxpedition zu richten. - Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 78. Sonntag den 12. Februar 1899. 83. Jahrgang. Aus -er Woche. Es wird bei unS wohl kaum Jemandem beisallen, sich an Ziffern zu berauschen, weil anstatt der Zweihundert million en-An leihe, die das deutsche Reich und Preußen aufgelegt haben, so ungefähr vier Milliarden gezeichnet werden sind. Das Ausland ist, waS an sich ganz erfreulich, an dieser Credilgewährung betheiligt und auf die Masse der Zeichner mag der Umstand von Einfluß gewesen sein, daß beide Staaten seit fünf Jahren nicht mehr öffentlich an den (Geldmarkt appellirt hatten. Anleihen wurden auch in diesem Zeiträume ausgebracht, jedoch im Stillen bei den Banken. Daß diese „Elassirung" diesmal nicht empfehlenSwerth er- ichien, ist keineswegs ein schlimmes Zeichen, Handel und In dustrie ziehen das Capital mit verstärkter Kraft an. Daß aber die öffentliche Subscription einen ausgezeichneten Er folg hatte, ist geradezu ein günstiges Symptom. Nicht so sehr, weil sich dabei die keine» Beweise» mehr bedürftige Creditfähigkeit des Reiches und Preußens gezeigt hat, sondern vor allen Dingen, weil sich herauSgestellt, daß im großen Publicum die Neigung, der Sicherheit der Geldanlagen auf Kosten des Zinserträgnisses Gewicht beizulegen, noch vor handen ist. So hat sich denn auch der dreiprocentige „TypuS" wieder bewährt. Der UnterbringungScur» ist zwar niedriger, als er bis vor Kurzem gewesen, aber das hängt gleich falls mit der guten Laße der Industrie zusammen. Er ist zudem sehr bedeutend höher, als er bei den Subscriptionen zum Beginn des Jahrzehntes gewesen ist, wo freilich viel größere Summen in Betracht kamen. Schließlich hat sich auch die Befürchtung nicht gerechtfertigt, die Uebertragung der ganzen Anleihe an eine einzige Bank könnte den Erfolg ge fährden. Die andern großen Banken haben sich mit einer einzigen Ausnahme an der Unterbringung mittelbar betheiligt. Herr v. Miquel bat, wie bei finanziellen Operationen ge wöhnlich, wieder einmal das Rechte getroffen. Die politischen Combinationen, die sich an die Bevorzugung der Deutschen Bank, eigentlich §n .die Person ihres Leiters knüpften, sind natürlich grundlos, dagegen ist eS wahrscheinlich, daß biese große Geldinstitut deutschen überseeischen Unternehmungen künftighin noch größere Aufmerksamkeit schenken werde als bisher. Gegen die Militärvorlage war die Lage der Volks- wirlhschaft und der Staatsfinanzen von keiner ernsthaft zu nehmenden Seite ernsthaft in» Treffen geführt worden, auf die Bewilligung des Haupttheits des Entwurfs, die Ver mehrung der Feldartillerie, in der Commission des Reichstag» ist also der Erfolg der Anleihe nicht von Einfluß gewesen. Diese Bewilligung ist trotz der Herren Gröber, Müller-Fulda, und LingenS die Vorläuferin der Genehmigung im Plenum. Daß daö Centrnm getheilt stimmen würde, wurde voraus gesehen. Der Bayer Schädler, der bei der Abstimmung nicht zugegen war, hätte ohne Zweifel gleichfalls mit der Opposition gestimmt. Die bayerischen Klerikalen werden sich über- baupt mit sehr wenigen Ausnahmen gegen die Vorlage erklären, von der Gesammtheit des CentrumS aber nur eine Anzahl, welche das Zustandekommen einer endgiltigen Mehrheit nicht gefährdet. Herr Gröber hat übrigens aus drücklich nur für seine Person mit Nein votirt und diese Stellungnahme damit begründet, daß noch kein Ueberblick über die politische Lage gegeben worden sei. Das kann noch nachgebolt werden. Vielleicht überzeugt sich der württem- bcrgische CentrumSmann sogar noch von der vorläufig von ihm bezweifelten Hinlänglichkeit des von der Regierung bei gebrachten technischen Materials. Daß Deutschland nach dieser Vermehrung der Feldartillerie Frankreichs oder Ruß lands etwas überlegen sein wird, ist so lange kein Grund zur Ablehnung, als die Möglichkeit, die französische und die russische Armee abwehren zu müssen, nicht geschwunden ist. Daß die Ueberlegenheit in der wichtigen Waffe nicht nur eine Friedensgarantie, sondern auch ein bedeutender mora lischer Factor im Kriege ist, hat der Kriegsminister in der Commission überzeugend dargethan. Er äußerte, man müsse sich immer im Respect zu erhalten suchen. Dies sei zum Theil schon durch die technische Ueberlegenheit der neuen Geschütze erreicht. Der Vorsprung, der jetzt zu gewinnen sei, könne in den nächsten Jahren weder von Frankreich noch von Rußland eingeholt werden. Das Bewußtsein der Ueberlegenheit gewähre aber die beste Chance für den Sieg. UebrigenS ist es von nicht geringer Bedeutung, daß selbst der Abgeordnete Müller-Fulda die Artillerieverhällnisse Oesterreichs und Italiens als unzureichend bezeichnen mußte. Vielleicht bekehrt er, der Freund Oesterreichs, sich schon deshalb noch zur Vorlage. Da» preußische Abgeordnetenhaus hat mehrere Sitz ungen mit einer ganz Deutschland interessirenden De batte über die Leutenoth ausgefüllt. Sehr fruchtbar ist sie nicht gewesen und konnte sie kaum sein. Denn die Cala- mität ist eine alle hochcivilisirten Völker heimsuchende, ver- hältnißmäßig neue und voraussichtlich vorübergehende Erschei nung. Wie lange ist es her, seit die Socialdemokratie mit der Theorie von der Arbeiterreserve-Armee als einer naturnothwendigen Folge der bestehenden Gesellschaftsordnung Geschäfte machen konnte! Einschneidende Gesetzänderunsten auf einen augenblicklichen Zustand zu appliciren, geht also nicht an. Die vorgeschlagenen „kleinen Mittel", wozu eine Beschränkung der Freizügigkeit in irgend einer Form natürlich nicht gehört, werden, wenn überhaupt, erst wirksam werden, wenn die herrschende Arbeiternoth vorübergegangen sein wird. Herr v. Miquel scheint das Festhalten der jungen Leute auf dem Lande durch Erhöhung de» schulpflichtigen Alters nicht für eine Beschränkung der Freizügigkeit anzusehen. Si- wäre es aber, weil sie keinen andern Zweck als eben jene» Festhatten hätte. Mit der Verbesserung deS Unterrichts hätte eine solche Maßregel nichts zu thun, sondern mit dem Gegentheil. Selbst der LandwirthschaftSminister von Hammerstein hat sich nur in recht bedingt unterrichtsfreundlicher Weise ausgesprochen, obwohl er die auch hinsichtlich der Arbeiterfrage weit besser gestellte Landwirthschafl des Westens der östlichen als Muster hinstellte. Der preußische Westen ist aber im Landschulwesen dem Osten weit überlegen. Was gestern und vorgestern in Berlin über oder gegen den Unterricht auf dem Lande vorgebracht wurde, war in den siebziger und achtziger Jahren unzählige Male in München, in der Kammer, zu hören. Die Wortführer der Verringerung der Schulleistungen waren damals vorzugsweise vie Vertreter des Elements, das jetzt dem Bauernbunde zugefallen ist. Und Führer eben diese» Bauernbundes sind es heute, die im Interesse der Bauernkinder über ungenügende» Profanunterricht klagen. Darüber sollte man nachdenken und ebenso über de» Umstand, daß der Redner, der sich am gleichgiltigsten gegen die Ueberfluthung durch da» Slawentbum äußerte, ein Nationalpole ist. Die Presse des Herrn v. Miquel zeigt sich sehr ungehalten darüber, daß die nationalliberale Presse Preußens die braunschweigische Eisenbahnangelegenheit vom deutschen Standpunkte betrachtet, und über die Ankündigung, daß das Gleiche im Landtage von Seiten der nationalliberalen Fraktion geschehen werde. Der Vorwurf gipfelt darin, daß man Braunschweig nicht als Ausland betrachte, und wird deshalb gerade von unseren Freunden leicht ertragen werden. Auffallend aber ist es, einer solchen Auffassung im Lager des Herrn v. Miquel zu begegnen, der dieser Tage in der Dänen debatte warme nationale Töne anzuschlagen verstanden hat. Zur Dänen Politik ist wieder eine großartige Desavouirung des Freisinns durch Schleswig-Holsteiner zu verzeichnen. Während eine Kieler Versammlung, die die Barth und Genossen entschuldigen sollte, nicht 100 Theilnehmer zählte, hatte eine Versammlung von gegen 1500 Männern das Ver halten deS Herrn v. Köller gebilligt. An« 7. Februar ist der bayerische Landtag zu einer außerordentlichen Tagung zusammengetreteu. Er soll Großes leisten, nämlich die particularen Iustizgesetze dem Bürgerlichen Gesetzbuch anpassen und sodann das directe Steuerwesen refor- miren. Ersteres wird gelingen, schon weil eS gelingen muß, die Aussichten der Steuergesetze hingegen sind nicht glänzend. Der, wie dies in Bayern möglich und bei großen Aufgaben üblich, außerhalb der Session arbeitende Finanzausschuß hat eine nicht gerade willkommen geheißene Regierungsvorlage in einer Weise modificirt, die den Widerspruch aller Nichtlandwirthe herausfordern muß. Bayern hat keine all gemeine Einkommensteuer, sondern Ertragssteuern und dazu eine Steuer von Einkommen, das nicht au» Grund und Ge bäudebesitz, oder auS Gewerbe- oder auS Capitalrente ge zogen wird. Die Grund- und Haussteuer soll nun er mäßigt, die übrigen Steuern aber bedeutend erhöht werden. Am ungerechtesten empfindet man die dem Gewerbe zugedachte Mehrbelastung. Diese Actio» wird politisch sehr complicirt durch den Umstand, daß in diesem Sommer die sechsjährige Legislaturperiode des Landtages abläuft, die delicaten Steuerfragen also in die Wahl bewegung, oder die Wablbewegung in die Steuergesetzgebung hineinragen. Der Regierung scheint dies nicht unangenehm zu sein, doch ist ihr kaum zuzutrauen, daß sie die Steuerreform- Angelegenheit auS Furcht vor dem angekündigten ultramon tanen Mlnistersturz-Rummel besonder» schädigt; der klerikale Ansturm wird be« der Errichtung eine» bayerischen Senat- beim Neichsmilitärgericht in Berlin einsetzen, und von dem preußenfeindlichen Tone der dabei angeschlagen werden wird, giebt die Weigerung deö Kammercentrums, sich an einer Ehrung des Andenken» des Fürsten Bismarck zu betheiligen, einen Vorgeschmack. Nach verübtem Lärm wird aber der Degen wieder eingesteckt werden. Deutsches Reich. /S. Berlin, 11. Februar. (Ein nachahmenswerthe» Beispiel.) Die Berliner Rechtsanwälte sind im Begriffe, eine Einrichtung inS Leben zu rufen, die von be deutendem sociale», Nutzen sein kann nnd Nachahmung ver dient. Eine Commission des Berliner Anwaltsvereins hat beschlossen, dem Vereine die Errichtung eines RechtSschutz- bureau» für Unbemittelte zu empfehlen; und cs ist wohl anzunebmen, daß der Verein dem Vorschläge zustimmen wird. Das Schutzbureau soll zunächst die Ertheilung von Rath und den Entwurf von Eingaben an gerichtliche Behörden gewähren; vielleicht wird späterhin, wenn die Ein richtung sich bewährt, die Thätigkeit deS BureauS sich noch erweitern. Durch die Errichtung eines der artigen BureauS kann einmal armen Leuten, die auch in dei« einfachsten Sachen nicht mit den Schritten, die sie zu thun haben, Bescheid wissen, zu ihrem Rechte verholfen werden; sie kann zweitens dem Treiben der Winkelconsulenten erwünschten Abbruch thun. Bei dem geplanten Bureau kann man sich darauf verlassen, daß es den Rath in streng ob jectiver Weise geben und daß es oft genug nutzlose Streitig leiten verhindern wird. Die Winkelconsulenten lassen sich nicht nur die Eingaben, die sie entwerfen, entgelten, sondern sie werden, wenn sie um Rath gefragt werden, ob ein Proceß angestrengt werden soll, wohl regelmäßig dazu zureden, weit sie selbst von Unbemittelten etwas herauszudrücken wissen. Schließlich ist eS natürlich noch ein großer Unterschied, ob der Rath von einem wirklichen Juristen ertheilt wird oder von einer Persönlichkeit von durchaus unregelmäßiger Bildung und von einem sehr lückenhaften Wissen. Die gerichtlichen Behörden können die Errichtung deS BureauS nur mit Dank begrüßen, denn es bedeutet für sie eine große Ersparniß an Zeit und Mühe, wenn Eingaben sachgemäß abgefaßt sind. Ist die Begründung des Bureaus höchst nachahmenswerlh, so muß man allerdings zugeben, daß das Beispiel nicht überall so leicht nackgeabmt und so erfolgreich benutzt werden kann, wie in Berlin. Tie Sprechzeit der in das Bureau deputirten Anwälte soll zwischen 7'/r und 9>/r Uhr Abends stattfinden, gewiß ein sehr rühmliches Opfer, wenn man bedenkt, daß die Anwälte ost bis 3 Uhr Nachmittags und noch länger Termine auf dem Gerichte wahrnehmen und dann wieder vor« */z5 Uhr bis nach 7 Uhr Sprechstunde für ihre Clienten abhalten müssen. In Berlin ist aber der Plan deshalb leichter durchführbar, weil die Zahl der Anwälte eine so große ist, daß der einzelne An walt nicht allzu häufig seine Zeit zwischen 7»/r und 9^/, Uhr- Abends wird opfern müssen. Wo die Ueberfüllung der An waltschaft nicht so groß ist wie in Berlin, würde natürlich der einzelne Anwalt verhältnißmäßig häufiger seine freie Zeit daran geben müssen. Bei Landgerichten init einem weit ausgedehnten Sprengel ist außerdem einerseits die Organisation eines derartigen BureauS eine schwierige, andererseits die Benutzung eines solchen Bureaus für daS rechtsuchende Publicum eine unbequemere und zeit raubendere. Bei gutem Willen wird sich aber daS Beispiel, das die Berliner Anwaltschaft geben will, sicherlich auch ander wärts nachahmen lassen. Man sollte daran denken, daß gerade dieses Beispiel geeignet ist, daS socialistische Schlag wort von der „Classenjusiiz" zu widerlegen, weil es zeigt, daß auch solche Juristen, die nicht vom Staate besoldet werden, sondern selbst in freier Thätigkeit ihren Erwerb suchen müssen, der« Armen und Aerinsten ebenso zu ihrem Rechte verhelfen wollen, wie Denjenigen, die hohe Gebühren für eine Consultation oder für die Einleitung eine» Processeö zu zahlen im Stande sind. Es ist dies wieder ein erfreu liches Beispiel dafür, daß der sociale Sinn ganz und gar nicht von der Zugehörigkeit von der socialistischen Partei ab hängig ist. 6. ll. Berlin, 11. Februar. Den kaiserlichen Civil- beamten in Deutschostasrika soll bekanntlich ein mili tärischer Rang nicht mehr beigelegt werden. Die betreffende CabinetSordre ist auf verschiedene Berichte des Gouverneurs zurückzuführen, die von den Unzuträglichkeiten, welche die militärische Uniformirung aller Beamten zur Folge hat, nichts verschwiegen. Generalmajor Liebert hat damit allen Europäern, die in Deutschostafrika leben und wirken, ohne Beamte zu sein, einen großen Dienst geleistet; denn sie mußten voi» den naiven Eingeborenen erfahren, daß nur blanke Knöpfe und ein Schleppsäbel Ansehen geben. Nur wer mit dieser Zier auftreten konnte, war in den Augen der Ein geborenen ein „großer Herr", selbst der Unterofficier; jeder Andere dagegen, selbst der meerbeherrschende Kaufmann nnd FeuiHetsn. Die Lleichsucht und ihre Heilung. Bon Vr. «neck. H. Koch. Nachdruck «»roten. In einer Zeit, da der wissenschaftlichen Medicin. freilich von unberufener Seite, aber zu ihrem Schaden wie zum Schaden des Publikums, der Vorwurf gemacht wird, daß sie nur mit giftigen Medikamenten die Krankheiten zu heilen sich bestrebe, oürfte es wohl von Interesse sein, zu zeigen, wie gerade in neuester Zeit die Heilkunde eine Reihe von Behandlungsmethoden unter wissenschaftlicher Begründung erfolgreich anwendet, die auf ganz anderen Gebieten gelegen find, als auf denjenigen der Pharmakologie. Zu keiner Zeit könnten die unberechtigten An griffe, die sich gerade am Ende des für die Entwickelung der Medicin so segensreichen Jahrhunderts nicht ohne Erfolg unter Ser Zahl der Unwissenden breit machen, in höherem Maße als unberechtigt verurtheilt werden, als heutzutage, da die so genannten physikalisch-diätetischen Heilmethoden zu einem be sonderen umfangreichen Eapitel der Therapie erhoben worden sind. Zu diesen Heilmethoden gehört die Wasserbehandlung, sie Massage, die Gymnastik und die Diätetik, d. h. die rationelle Ernährung, die Zuführung von Luft und Licht und reichlichem Schlafe, Maßnahmen, die stets angewendet wurden, auf die aber neuerdings nicht im Gegensatz zu den Medicamenten, sondern unter Gleichstellung mit ihnen ein besonderer Werth gelegt wird. Zu den zahlreichen Erkrankungen, gegen welche diese Be- handlungsweise besonders neuerdings empfohlen worden ist, ge bärt eine Affection, welche unter den modernen kulturellen Ein flüssen sich in Stadt und Land besonders ausbreitet, nämlich die Bleichsucht. ES dürfte geeignet erscheinen, gerade an diesem Beispiele der Bleichsucht zu zeigen, wie vielseitig, wie wenig mit „giftigen Medicamenten" arbeitend und wie sehr gestützt auf die physikalisch-diätetischen Methoden'die moderne Schulmedicin dieser Krankheit erfolgreich zu Leibe geht. Die Bleichsucht ist eine Krankheit, die fast vorwiegend da weibliche Geschlecht befällt, im jugendlichen Alter, am häufigsten '.wischen dem 15. und 20. Lebensjahre. Aeußerlich sichtbar ist sie, auch für den Laien, durch eine überaus blasse, oft gelblich« Farbe der Haut und durch Blässe der Lippen und der Innen fläche der Augenlider. Mit diesem krankhaften Aussehrn sind nun eine große Reih« von Beschwerden verbunden. Hierzu ge hören vor Allem: Kopfschmerzen, Mattigkeit, Schlafsucht, Herz klopfen, Appetitlosigkeit und träge Verdauung. Aber di« Bleich sucht ist auch eine schmerzhafte Krankheit, denn sie ist meist begleitet von oft sehr quälenden Muskelschmerzen, welch« an den Seiten des Brustkorbes oder an den Schultern ihren häufigsten Sitz haben und wahrscheinlich auf die Schwäche der Numpfmuskulatur zurückzuführen sind, die infolge von llcber- müdung schmerzt, «ine Uebermüdung, die auf die Unfähigkeit zurückzuführen ist, längere Zeit den eigenen Brustkorb zu tragen. Neben diesen körperlichen Beschwerden pflegen Bleichsüchtige auch Störungen in ihrer Stimmung zu erleiden. Nach stärkeren Anstrengungen und Aufregungen können sich oft vollkommene Ohnmachtsanfälle einstellen. Bleichsüchtige haben auch in Bezug auf die Nahrungsaufnahmen eigenthiimliche Abneigung und eigenthümliche Vorliebe. Fleisch, oftmals auch Milch, wird verabscheut, saure Speisen und Getränke und Obst mit Vorliebe, oft mit Leidenschaft genossen. Die Krankheit besteht nicht selten jahrelang, besonders wenn sie gar nicht oder unregelmäßig und ohne Energie behandelt wird, doch pflegt sie zur warmen Jahreszeit weniger intensiv zu sein als im Winter, an dessen Schlüsse sie meist den höchsten Grad erreicht. Die Bleich süchtigen haben übrigens ein ganz besonderes Wärmebedürsniß. Die Affection beruht, wie jetzt allgemein anerkannt wird, auf einer Erkrankung der blutbereitenden Organe. Das Blur besteht bekanntlich auS einer hellgelben Flüssigkeit, in welcher mikroskopisch kleine, zahllose, gleichmäßig große, gelb gefärbte Scheibchen schwimmen, zwischen denen auch einzelne farblose Kügelchen eingestreut sind. Dies sind die rothen und die weißen Blutkörperchen. Die rothen Blutkörperchen, von denen in einem Kubikmillimeter Blut etwa vier Millionen sich befinden, machen di« rothe Farbe des Blutes auS. Bei der Bleichsucht finden sich nun oft nur ein bis zwei Millionen rvther Blutkörperchen, und jede» einzelne ist noch besonder- blaß gefärbt. Das Blut nun ist der Träger der Nahrungsstoffe für den menschlichen Körper. Jedes einzelne Blutkörperchen hat seine Aufgabe in dieser Hinsicht, und wenn da» Blut in seiner Zu sammensetzung leidet, so muß auch die Ernährung des Körpers leiden. So entsteht die Bleichsucht und ihre Beschwerden. Weshalb aber gerade Mädchen in dem betreffenden Alter vor zugsweise davon befallen werden, das kann nur vermuthet w«rd«n, entzieht sich aber vorläufig noch der genauen wissen schaftlichen Erkenntniß. Wie behandelt nun die moderne Medicin die Bleichsucht? Man muß diese Frage folgendermaßen beantworten: mit einer solchen Fülle verschiedenartiger Maßnahmen, daß wahrlich die Behauptung aller der Gegner der ärztlichen Wissenschaft, welche das Publicum mit der Behauptung zu bethören sucht, daß die Schulmedicin nur giftige Arzneien anwende, auf das Schlagendste widerlegt werden können. Wir wollen zunächst auf die Diätetik der Bleichsucht ein gehen. Dieselbe geht neuerdings auf möglichste Befriedigung der Bedürfnisse ein, die der bleichsüchtige Organismus oft auf eigenartige Weise äußert. Zunächst wird dem großen Schlaf- «rforderniß der Bleichsüchtigen in reichlichem Maße Rechnung getragen, wobei auf den Schlaf vor Mitternacht besonderer Werth gelegt wird. Usberhaupt aber sucht man die stets vor handene Mattigkeit und Müdigkeit durch die Anempfehlung von Ruhe und durch das Verbot ermüdender Bewegung und Arbeit zu erleichtern. Die Patientinnen sollen mehr spazieren sitzen als gehen. Luft und Licht soll ihnen aber in reichem Maße zu Theil werden; die Wcchnräume sollen hell und durchlüftet sein, und der Aufenthalt im Freien soll in möglichst guter Lust und möglichst im hellsten Sonnenlicht, freilich unter Abhaltung d«r heißesten Strahlen durch einen Schirm, vorgenommrn werden. Wie die Pflanz« im Lichte ergrünt, so röthet sich der Blutfarbstoff. Das dem grünen Chlorophyll der Pflanzen gleich- werthige Hämoglobin gedeiht im Lichte besser, als in den oft -düsteren Räumen sowohl der Kellerwohnungen der Armen, wie der durch Vorhänge kostbarster Art verhängten Prachträume der Reichen. Die Bleichsüchtigen müssen ferner stets warm gekleidet sein, besonders auch an den Füßen; man befriedigt damit «in weiteres Bedürfniß derselben neben dem Schlaf- bedürfniß, das Wärmebedürsniß. Eigenartig ist ferner die Neigung der Bleichsüchtigen nach sauren Speisen und Getränken, wiewohl noch andere Neigungen seltener zu Tage treten, z. V. die Liebhaberei für rohen gebrannten Kaffee. Dieser Hang nach Saurem entspricht hier entschieden einem natürlichen Bedürfniß, dem Säurebedürfniß der Bleichsüchtigen, das offenbar einer Lücke in ihrem Stoffwechsel aushelfen will. Es ist allerdings bei Laien und sogar unter Aerzten, die an alten nicht begründeten Ueberlirferungen festhalten, zum Theil die Ansicht noch verbreitet, daß es sich um einen bösen Trieb der Bleichsüchtigen handele, der nicht befriedigt werden dürfe, oder daß der Magen der Patienten, besonders bei Eisengebrauch, auch die Säure nicht vertrage, aber die moderne Erfahrung hat gelehrt, daß diese veraltete Anschauung unberechtigt ist, und daß der Genuß von Limonaden, marinirten Gerichten und Salzgurken nicht nur nicht schadet, sondern seinerseits mithilkt an der Genesung der Kranken. Andererseits soll man di« oft Appetitlosen und zuweilen von Magenschmerzen Geplagten nicht zu Speisen nöthigen, gegen welch« sie Widerwillen empfinde». Fleisch und Milch gehören hierzu, bedauerkicherweise, da hier mit vorzügliche Nahrungsmittel von hohein diätetischen Werth: unter Umständen nahezu ausgeschaltet werden. Neben diesen diätetischen Maßnahmen kommen aber auch physikalische in Betracht, und hierher gehören zunächst die Bade und Schwitzcuren, deren Auswahl in individueller Weise nach dem Urtheile des behandelnden Arztes erfolgen muß. Merkwürdigerweise haben sich in gewissen Fällen von Bleich sucht ganz kurz dauernde, nur wenige Minuten lange, kalte Bäder und Uebergießungen bewährt, allerdings nur dann, wenn gleich darauf die sogenannte Wärmereaction des Organismus aufgetreten war, d. h. eine Röthung und Erwarmung der ganzen Körperhout, aber nur ein Theil der Fälle wird durch Kalt wassercuren gebessert und geheilt. Die Mehrzahl ist für Wärme mehr empfänglich, Schwitzcuren und heiß« Bäder von 32 Grad zwei- bis dreimal in der Woche angewendet, sind in den Heilschatz der Bleichsuchtsbehandlung ausgenommen und haben unerwartet günstige Erfolge erzielt. Dazu kommt noch die Massage de- ganzen Körpers, besonders auch des Leibes, welche die träge, oft unzulänglich« Circulation im Körper anregt und, meist in Verbindung mit der Bäderbehandlung, di« darniederliegende Thätigkeit der blutbereitenden Organe wieder herstellt. Man sieht, welch« Fälle nicht medicamentöser Maßnahmen dem Arzte zur Behandlung der Bleichsucht zu Gebote stehen und wie wenig dieselben in ihrer Art von denen abweichen, die die sogenannten Naturärzte als ihre alleinige Domäne be trachtet wissen wollen. Allerdings, der wissenschaftlich gebildet« und wissenschaftlich handelnde Arzt ist nicht einseitig, auch bei der Bleichsucht empfiehlt er jene altbewährten Medicamente, die schon so oft allein oder mit Unterstützung obiger Euren die Bleichsucht hergestellt und zahllosen Leidenden die ersehnte Heilung gebracht haben. Hierher gehört das Eisen in seinen verschiedenen Anwendungsformen und das Arsen in jener un giftigen Dosis, welche noch da günstig auf die blutbereitenden -Organe einwirkt, wo das Eisen im Stiche gelassen hat. Auch die Eombination von Eisen und Arsen, die selbst in der Natur in den berühmten Quellen von Levico und Roncegno, sowie in der Guber-Quelle sich findet, Hot sich erfolgreich erwiesen. Oft genug aber bleiben die letztgenannten Medicamente alle erfolglos und werden nicht vertragen, und dann bleibt dem Arzte noch in der sorgsamen Anwendung aller oben beschriebenen Maßnahmen der Weg, der zur Heilung führt.
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