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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.02.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-02-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990216015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899021601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899021601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-02
- Tag1899-02-16
- Monat1899-02
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Morgen-Ausgabe. MpMcr TGtblM Anzeiger*. Amtsblatt des Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, -es Rathes nnd Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Die Morgen-Ausgabe erscheint um '/,7 Uhr. die Abend-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr. Filialen: Otto Klemm's Sortim. (Alfred Hahn), Universitätsstraße 3 (Paulinum), Lottis Lösche, Katharinenstr. 14, pari, und KönigSplatz 7. Ue-action und Erpedition: Johannisgasse 8. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von friih 8 bis Abends 7 Uhr. Bezugs-Preis 1» der Hauptexpedition oder den im Stadt bezirk und den Vororten errichteten Aus gabestellen abgeholt: vierteljährlich^ 4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins Hans ^5.50. Durch die Post bezogen i'iir Deutschland und Oesterreich: viertrstährlicy ^l 8.—. Direkte tägliche Kreuzbandsendung ins Ausland: monatlich 7.50. Anzeigeu-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 20 Psg. 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Merkwürdiger als diese unheilbare Krankheit ist die Erscheinung, daß, wenn eS sich nicht gerade um LandeSvertheidigungSfragen handelt, immer einige nationalliberale Stimmen in den freisinnigen Lärm sich mischen. Dies scheint auch diesmal der Fall, ohne daß ein vernünftiger Anlaß ersichtlich wäre. Frhr. v. Hammerstcin- Loxtcn ist conservativ, aber daS sind alle preußischen Minister, und jedenfalls ist jene Eigenschaft gar kein Grund, den Herrn vr. Bosse, den Handreicher der Ultramontanen, gegen ihn auSzuspielen, wie eS jetzt geschieht. Noch weniger ist cs zu begreifen, wie nationale Blätter den Landwirthschaftsminister daran erinnern können, daß er, der Hanoveraner, vor einem Menschenalter welfisch gesinnt gewesen sei. Auch in der Politik hat man Ursache, sich über den Bekehrten mebr zu freuen, als über den von Hause auS Gerechten. UeberdieS nimmt sich der Vorwurf deS verwichenen Welfenthums besonders absonderlich auS demMunde vonLeuten aus, die mittelbar oder unmittelbar einem sehr „aktuellen" Polentbum Vorschub leisten. Herr v. Hammerstein, das ist richtig, hat soeben sehr wenig ausgereifte Gedanke» über daS preußische Landschulweseo zum Besten gegeben. Aber der nationalliberale Abgeordnete vr. Sattler, ter ibn dafür im Abgeordnetenhause recht un sanft anfaßte, hat sich auf die Zurückweisung eben dieser pädagogischen Einfälle beschränkt und eS vermieden, den Land wirthschaftsminister als solchen anzugreifen. Dazu halte er auch keinen Anlaß; denn es widerspricht durchaus den Thatsachen, wenn die demokratische Presse die Be ruhigung dcS extremen AgrarierthumS dadurch erklärt, daß Herr von Hammerstein und die preußische Regierung überhaupt sich der Berliner Leitung deS Bundes der Land- wirthe unterworfen hätten. Im Gegcntbeil, der Bund hat sich auf den Boden der Regierung gestellt. Der Bund war davon auSgegangen, die Regierung zur Anwendung „großer Mittel" zur Bekämpfung der landwirthschaftlichen Krisis zu drängen. Die Regierung widerstand und von dem Anträge Kanitz, der Doppelwährung u. s. w. ist beute so gut wie gar nicht mehr die Rede. Dagegen hat die Bundesleitung eben erst auf der Hauptversammlung des Bundes der Landwirthe im Wider spruche mit ihrer früheren Kritik den Werth der sogenannten kleinen Mittel anerkannt, und wenn Herr von Hammerstein solche unausgesetzt anordnet, so kann er damit keine vernünftige nationalliberale Opposition Her vorrufen; denn Alles, was für die Landwirthschaft geschehen ist und geschieht, ist von den Nationalliberalen unterstützt und wird noch von ihnen unterstützt. Es hat nie etwas getaugt, sich in der Nähe der freisinnigen Zelte sehen zu lassen, und im vorliegenden Falle ist eS erst recht thöricht. Die freisinnige Demokratie mag sich mit ihrem Geschrei, daß „Preußen gegen daS Reich mobil mache", allein blainiren. Am allerwenigsten entspricht eS nationalliberalem Brauch, das Manchcfterthum zu unterstützen, wenn eS bei Donnerstag den Differenzen mit dem Ausland» diese-Trümpfe in die Hand zu spielen versucht. Herr v. Hammerstein soll einmal im Abgeordnetenbause elwaS gesagt haben, waS sich wie der Ausdruck der Nicht- übereinstimmung mit dem NeichSschatzsekretär v. Thiel- mann und wie eine Unfreundlichkeit gegen Amerika anbörte. Wie daS gelautet haben soll, wissen die frei sinnigen Ankläger nicht und nickt einmal über den Tag der Unthat sind sie im Reinen. Erwiesen ist weiter nichts, als daß einmal das Stenogramm einer Rede deS Herrn v. Hammerstein eine Aenderung erfahren hat. Den „B. N. N." zufolge ist das durch den Minister selbst bewerkstelligt worden. Ist daS richtig, so hat man es mit einem alltäglichen Vorgänge zu tbun. Und wenn zwischen dem Gesagten und dem im stenographischen Berichte Gegebenen kein anderer Unterschied besteht, als der, der auS einem von der freisinnigen Presse angestelltenVergleiche zwischen einem steno graphischen und einem Parlamentsberichte der „Kreuntg." er sichtlich wird, so begreift man zwar die Aeußerung deS Ministers, nicht aber die Vornahme einer Aenderung. Herr v. Hammer stein hat nämlich bemerkt, die amerikanische (90tägige) Quarantäne für Pferde sei gleichbedeutend mit einem Ein fuhrverbot, und er hat daran erinnert, daß bei der Aus stellung von Chicago die Amerikaner der Ausstellung deutscher Pferde große Schwierigkeiten bereiteten, weil sie nicht wollten, daß unser besseres Thiermaterial in ihrem Lande gesehen würde. Wenn man in Berlin sich daS nicht mehr getagt zu haben getraut, dann dürfte eS mit den deutschen Chancen bei den Verhandlungen mit Amerika, dessen Acker bausekretär erst kürzlich viel stärkere und noch dazu unwahre Dinge gegen Deutschland vorgebracht hat, trotz der schönen Rede deS Herrn v. Bülow herzlich schlecht stehen. Zu internationalen Unterhandlungen gehört zweierlei: Concilianz und Festigkeit. Wie die Berliner RegierungS- verhältniffe nun einmal beschaffen sind, thut die Presse gut, auf die zweit genannte Eigenschaft stärkend einzuwirken. Von der deutschen Händlerpresse läßt sich daS bei wirtbschast- lichen Fragen nicht erwarten. Die nationalen Organe sollten sich aber durch den neuesten Exceß der — sehr bedeutungs los gewordenen — Vereinigung der Steuer- und Wirth- sckaftSreformer nicht abhalten lassen, Angesichts der Verhandlungen mit Amerika lediglich das deutsche Interesse wahrzunehmen. Die „Reformer" verlangen, wie schon mit- getheilt, ein Gesetz, welches „unverehelichten Personen unter zwanzig Jahren den Wechsel ihres Wohnsitzes nur in Be gleitung ihrer Eltern, oder mit Genehmigung derselben oder ihres Vormundes und der OrtSpolizeibehörde gestattet." Daß eine derartige Beschneidung der Freizügigkeit jemals Wirklichkeit werden würde, kann kein Mensch im Ernste befürchten. Die Volkspartei in ihren beiden Gruppen und die Social demokratie sind in der Angelegenheit des Hauptpunctes der Militärvorlage nunmehr so gut wie gänzlich isolirt, nach dem der Centrumsabgeordnete Müller-Fulda in der Budget commission die Erklärung abgegeben, er sei von der Noth- wendigkeit der Vermehrung der Feldartillerie überzeugt und würde, wenn er gewußt hatte, was er jetzt weiß, schon bei der ersten Lesung für die Forderung gestimmt haben. Herr Richter spricht denn auch ganz traurig von der Geschlossenheit deS 16. Februar 1899. CentrumS gegenüber der Militärvorlage. Bis auf die Neige wird erden Kelck dieses Anblickes freilich nicht zu leeren haben, denn die als Centrumsmitglieder im FractionSverzeichniß stehenden bayerischen Particularisten werden sich möglicher weise an seiner Seite überstimmen lassen. Er will schon Alles gekannt haben, WaS der Krieasminister v. Goßler über die französische und die russische Armee sagte. Glauben findet er mit dieser Versickerung jedoch nicht. Allen Nicht sachmännern — und Herr Richter gehört zu ihnen — war eS in vieler Hinsicht ein neues Bild, das Minister v. Goßler entwarf. Danach ist die französische Armee besser geworden gegen früher in Marschleistungen und DiSciplin. In Zukunft werden wir es nicht mit einer geringwerthigen Armee zu tbun haben. Auch der innere Werth der russischen Armee hat gewaltig zugenommen. An den Grenzen ist nicht ein Mann zurückgezogen. Mit dem Geschützmaterial ist man aber in Rußland noch nicht zu Stande gekommen. Der deutsche Vorsprung in Bezug auf das Feldgeschütz ist so be deutend, daß wir für die nächste Zeit nichts zu befürchten haben. Die Ausrüstung mit dem neuen Gewehr in Rußland ist durchgeführt. Die Schießausbildung daselbst hat zugenom men. Die Feuerdisciplin bei dem französischen Heere ist eine ganz vorzügliche. In Frankreich steht das Ledelgewebr dem unsrigen in der Schnelligkeit des Schießens nack, aber im Großen und Ganzen leisten alle klcincalibrigen Gewehre dasselbe. An der Dienstzeit wird in Frankreich schwerlich etwas geändert werden, weil die einjährige Dienstzeit eine Vergünstigung für große Classen bildet und mit der zwei jährigen Dienstzeit in Fortfall kommen würde. Für die Ausbildung der höheren Führer ist in Frankreich sehr viel gethan. Man kann mit Sicherheit annehmen, daß die Franzosen demnächst um 100 bis 120 Batterien ihre Feld-, artillerie verstärken werden. In Rußland sind seil einem Decennium große Umformungen vorgenommen. 1897 hat man neue Reservebrigaden gebildet. Der Abgeordnete von Tiedemann vervollständigte diese Schilderung noch durch einen Hinweis auf die Neuorganisation der russischen Armee in Finland. Daß für Herrn Bebel so wenig wie für Herrn Richter diese Rüstungen der Nachbarn stark genug sind, um seine patriotische Zuversicht zu erschüttern, versteht sich von selbst. Deutsches Reich. Verkitt, lö.Februar. (Militarismus und Ueber- production.) „Genosse" Schippe! fährt fort, den Bannstrahl-Automaten der socialdemokratischen Parteipäpste in Bewegung zu setzen. Hat er auf dem letzten Parteitage in Stuttgart daS Dogma von der unbedingten Verwerflichkeit der Schutzzölle über den Haufen geworfen und hat er in den „Socialistischen Monatsheften", später in der „Neuen Zeit", die socialdemokratische Lehre vom alleinseligmachenden Milizsystem kritisch vernichtet, so erklimmt er jetzt den Gipfel der Ketzerei, indem er dem „Moloch Militarismus" feine Reverenz erweist. „Genosse" Schippel nämlich, anstatt besagten Moloch als die Quelle alles Elends zu verdammen, schreibt in der „Neuen Zeit" wörtlich: „Die großen Aufwendungen in allen modernen Gesellschaften zu unproductiven, vor Allem auch seitens des Staates zu militärischen Zwecken sind keine Verstärkung, sondern eine Erleichterung des all gemeinen ökonomischen Druckes. Jede Gesellschaft der „Ueberproduction" wird nicht belastet, sondern ent lastet, wenn die Production relativ gesckwächt, die Consumtion relativ vermehrt wird . . . Natürlich macht mir das den Militarismus nicht angenehmer, sondern um so unau- genehmer(l). Nur kann ich von diesem Standpunct aus auch nicht in daS kleinbürgerlich-freisinnige Geschrei überdenwirthschaftlichenRuindurchdieunproduc- tiven Militärausgaben ei «stimm en." —Die „Sächs. Arbeiterzeitung" nennt die vorstehenden Ausführungen in Heller Wuth ungenießbar wie schimmliges Commißbrod. „Man muß eS wirklich zweimal lesen", schreibt sie wörtlich, „um zu glauben, daß ein Socialdemokrat diese Ansicht aue- gesprochen hat. Aber so stebt'S geschrieben und gedruckt." Das Sündenregister deS „Genossen" Schippel schwillt immer mehr an; wie lange noch, und die socialdcmokratischc Vebme tritt, wenn auch nicht auf rother Erde, so doch „rolher" Ge danken voll, zusammen, um dem „Genossen" Schippel partei politisch den tödtlichen Dolchstoß zu versetzen. * Berlin, 15. Februar. („Xod1e88o odlige/') Unter dieser Ueberschrift veröffentlicht daS „Militär-Wochen blatt" einen Artikel, der nicht nur an den Stellen, an die er sich richtet, Beherzigung verdient, sondern auch weiteren Kreisen den erfreulichen Beweis liefert, daß die das Blatt beeinflussenden Männer redlich bemübt sind, dem deutschen Ossicierstand den Charakter eines Pflegers edler Sitte zu erhalten. Er lautet: „Für keinen Stand gilt dies Wort in höherem Grade als für den deutschen Ossicierstand, welcher als der erste Stand seit Hunderten von Jahren bei unS geachtet wird und, so Gott will, auch ferner gelten soll. Diese Stellung hat der Ossicierstand sich zuerst in Preußen errungen, dank der Gnade seiner Könige; sie wurde aber auch bereitwillig anerkannt durch das Volk, nachdem die preußischen und die deutschen Heere die Frei heit, Größe und Einigkeit deS Vaterlandes unter der helden- müthigen Führung der Ossiciere geschaffen hatten. In kriegerischen Zeiten oder wenn die Erinnerung an Groß- thaten der Heere noch im frischen Bewußtsein des Volkes lebt, ist jene Empfindung leicht erklärlich; verlausen aber viele Jahrzehnte friedlich, so würde dies Gefühl deS Dankes allein nicht binreichen, das Volk bei seiner hohen Meinung von der Bedeutung des Ofsicierstandes zu erhalten, wenn zu der mehr verblassenden Erinnerung an früher dem Vaterland« geleistete Dienste sich nicht die Achtung gesellte, welche das OfsiciercorpS in der allgemeinen Meinung dadurch genießt, daß eS nickt nur in treuer Pflichterfüllung seines Berufes waltet, sondern auch ein Vorbild aller ritterlichen Tugenden ist. Ein hohes Maß von Werthschätzung des Osficier- corps liegt in der Thatsache, Laß allgemein an den Officier in Bezug auf seine außerdienstliche Lebens führung und an sein Auftreten in der Oeffentlichkeit wie in der Gesellschaft überhaupt die höchsten Ansprüche gestellt werden, und daß auch geringere Verstöße gegen die gesellschaftlichen Formen und Pflichten, wie sie nun einmal in Geltung sind, wenn sie von einem Officier begangen werden, eine besonders unliebsame Aufmerksamkeit erregen. Man verlangt ausnahmslos von dem Officier daS, was man „eine gute Kinderstube" zu nennen pflegt, und will eS nicht Fer»illetsir. Von einem Könige gehaßt. Eine Erinnerung an Friedrich v. Trenck. Nachdruck vcrboien. Wir leben im Zeitalter der Humanität. Sie thut sich nicht nur in der Socialpolitik und im Armenwesen, sondern auch in der Justizpflegc kund. Selbst den scheußlichsten, selbst den bestialischen Verbrechen gegenüber beharrt ckie Gerichtsbarkeit auf dem Standpuncte rücksichtsvoller Menschlichkeit, so daß in vielen Fällen die Strafe milder erscheint, als die That des ent menschten Verbrechers. Da ist es wohl angebracht, einmal die Erinnerung an eine minder weichmüthige Epoche wachzurufen, wo umgekehrt oft die Sühne in gar keinem Verhältniß zu der Versündigung stand, wo an Stelle der maßvoll abwägenden Gerechtigkeit Härte und Willkür ihr grausames Richteramt aus übten. Ein Fall besonders lehrt den Unterschied zwischen Einst und Jetzt erkennen, denn er zeigt, wie vor noch gar nicht allzu langer Zeit eines König« Willkür nicht nur den Forderungen der Menschlichkeit, sondern selbst denen von Gesetz und Recht Hohn sprach. Es ist dies der Fall Trenck, der un« von eines großen Königs großem Haß berichtet und von einer un erbittlichen Härte und Grausamkeit, die einen häßlichen Schatten auf das Bild Friedrichs II. Wersen. lieber das Vergehen Trenck's und über die unsäglichen Leiden, mit denen er jene über alles Maß gerechter und weiser Ver geltung hinaus gesühnt hat, ist viel geschrieben und viel gefabelt worden. Zuverlässiges bietet wohl nur die von ihm selbst ver faßte Geschichte seines Lebens, in der er ein« detaillirte Schil derung der über ihn verhängten Leiden giebt, die eigentliche Ursache, wenigstens die allgemein dafür angenommene, seiner un ermüdlichen Verfolgung durch den König Friedrich II. jedoch nur leise streift. Beredtes Zeugniß aber wiederum legen diese Auf zeichnungen ab für Trenck's geradezu fiaunenSwerthe moralische und physische Standhaftigkeit. Die „Merkwürdige LebensgeschichtedeS Frei herrn von Trenck, von ihm selbst als rin Lehrbuch für Menschen geschrieben, die wirklich unglücklich sind, oder noch gut« Vorbilder für alle Fälle zur Nachfolge bedürfen" (in dem Berlage von W. Spemann erschienen) enthält über das vom Bolte vielfach cornmentirte Berhältniß Trenck's zu der Schwester des Königs nur die Bemerkung, „daß eine große Dame den damaligen jungen Officier zu dem glücklichsten Mann« in Berlin gemacht habe." Doch den Namen der Dame wie die Art des Verhältnisses übergeht er mit Stillschweigen: „Das Geheimniß folgt mir sicher zum Grabe", so seine Worte. Die Ungnade deS Königs führt er lediglich auf den brieflichen Verkehr mit seinem Detter Franz von Trenck, dem damaligen österreichischen Pandurenoberst, zurück. Dieser Briefwechsel fiel gerade in die Zeit des öster reichischen Erbfolgekrieyes, somit konnten die Beziehungen zwischen dem Oesterreich«! und dem preußischen Officier leicht Verdacht erregen. Speciell ei n Brief an seinen Vetter war es, der nach Trenck's eigenen Worten zu „der einzigen Quelle aller seiner bis zum grauen Haare erlittenen Drangsale wurde." DeS Königs so lange stets deutlich gezeigte Vorliebe für Trenck wandelte sich nun in Zorn gegen ihn: er wurde ohne Verhör und Kriegsrecht verhaftet und in die Festung Glatz abgeführt. Doch hier war di« ihm zu Theil werdende Behandlung noch eine sehr glimpfliche und auch die Bewachung eine so oberflächliche, daß es ihm bei seiner Tollkühnheit und Stärke verhältnißmäßig leicht gelang, zu entfliehen. Diese Flucht war aber von um so schlimmeren Folgen für ihn, als er nur noch kurze Zeit sollte in Haft bleiben, drei Wochen noch, und er würde freigelassen worden sein. Natürlich war der König nun doppelt entrüstet über den Voreiligen und sein Haß verfolgte von nun an den Unglücklichen in alle Winkel der Erde. Trenck ging nach Rußland, wo er eine sehr glanzvolle Zeit verlebte, dann nach Wien, um hier die Erb schaft seines inzwischen verstorbenen Vetters zu erheben und überall stieß er auf Spuren von des Königs wachsamer Be obachtung seines Treibens. Endlich gelang es Letzterem auch, seiner Beute habhaft zu werden. Trenck's Blutter war gestorben und die dadurch nöthig gewordene Auseinandersetzung mit seinen Geschwistern führte ihn nach Danzig. Das war sofort von Wien nach Berlin berichtet worden, sogar mit dem Zusatz, daß Trenck dem König nach dem Leben trachte, und des Unvorsichtigen leidenSreicheS Schicksal war besiegelt. Trenck wurde gefangen genommen und nach Magdeburg übergeführt. DaS erste Gefängniß, das ihn aufnahm, war in einer Kasematte gelegen. Der Raum war sechs Fuß breit und zehn Fuß lang, das Fenster in der sieben Schuh dicken Mauer oben am Gewölbe derart angebracht, daß der Gefangene zwar Licht hatte, aber weder den Himmel noch die Erde sehen konnte. Ein an den Fußboden befestigter Bett und «in eiserner Ofen bildeten da» Mobiliar de» engen, aber immerhin noch erträglichen Raume». Mehr als die äußere Umgebung quälte den Unglücklichen hier der Hunger. Seine Kost bestand nur in einem und einem halben Pfund Commisbrod täglich und einem Krug« Wasser. DaS Brod, außerdem so verschimmelt, daß e» nur zur Hälfte genieß bar war, genügte dem Appetit des starken und damals noch sehr gesunden Manne» keineswegs, und rin furchtbares Hungergefühl verschärfte seine Gefangenschaft in grausamster Weise. „Für den hartnäckigsten Bösewicht wäre diese Folter zu arg", schreibt er selbst darüber. „Man kann acht Tage Mangel erdulden, drei Tag« Hunger. Aber wie ich, eilf Monate lang sich nicht einmal halb satt gegessen haben, da» hat wohl noch kein Mensch auf Erden ertragen. Diese eilf Monate waren in meinem ganzen Leben die grausamsten Büttel meiner Standhaftigkeit." Doch letztere erlahmte darum nicht, wie sie sich auch im jahre langen Verlauf der unerhörten Leiden, die Trenck zu erdulden hatte, stets sieghaft erwiesen hat. Jetzt regte sie den Unglücklichen wieder zu einem Fluchtversuch an, der im Einverständniß mit einem Posten stehenden Soldaten, den Trenck für sich gewonnen hatte, mit außerordentlicher Kühnheit geplant und mit eben solcher Kraft und Ausdauer unternommen wurde. Der Plan ging darauf hinaus, daß Trenck sich durch die Eide «inen Weg bis zur nächsten, leer stehenden Kasematte bahnen sollte und von hier aus die Elbe und mit einem Kahne oder schwimmend das Ufer erreichen, von dem die sächsische Grenze nur eine Meile entfernt war. Die mit unendlicher Schwierigkeit verbundene Arbeit des Durchbruches bis zu der in Frage kommenden Kase matte hatte sechs Monate gedauert. Als sie endlich beendet war, und Trenck bereit zur Flucht, traten Officiere bei ihm ein, die ihn in «in anderes Gefängniß, das der König extra für ihn und zwar auf Kosten seiner (Trenck's) Schwester hatte erbauen lassen, schaffen sollten. Dieser neue Käfig lag in der Sternschanze und war ungefähr so groß wie die Kasematte. Aber zur grausamsten Maner wurde die neue Wendung seines Geschickes für Trenck dadurch daß ihm jetzt Fesseln angelegt wurden. Herzbewegend liingt seine Schilderung: „O Gott, wie regte sich mein Gefühl, da mir zwei schwarze, dem Teufel ähnliche Schmiede mit einer Gluthpfanne und mit Hammer bewaffnet und der ganze Boden mit raffelnden Ketten bedeckt, in die Augen fielen." Die beiden Füße Trenck's wurden nun mit schweren Holz ketten an einem eisernen Ringe in der Mauer festgeschmiedet. Dieser Ring war drei Schuh vom Boden angebracht, so daß der Gefangene recht- und links etwa drei Schritt weit sich bewegen konnte. Dann wurde ihm um den nackten Leib ein handbreiter Ring geschmiedet, mit dem vermittelst einer Kette «ine eiserne Stange verbunden Ivar. An den Enden dieser Stange wurden die Hände des Gefesselten befestigt. Vier in «ine Ecke des Käfigs gemauerte Ziegelsteine gestatteten ihm, sich zu setzen und den Kopf anzulehnen. Zwei Umstände kamen noch hinzu, um den Aufenthalt in diesem elenden Raume zu einem entsetzlichen für den Ein geschloffenen zu machen. Einmal kam durch daS sehr hoch an gebrachte und dreifach vergittert« Fenster so wenig Licht herein, daß selbst an Hellen Sommertagen Dämmerung, im Winter aber zumeist völlige Nacht in dem Kerker herrschte. Außerdem war letzterer in elf Tagen mit Kalk und Typs fertrggeftellt worden und daher so feucht, daß Trenck seiner eigenen Angabe nach sechs Monate beständig im Wasser saß. Doch wenigstens brauchte er nicht mehr zu hungern. Gleich am ersten Tage wurden ihm sechs Pfund TommiSbrod gegeben, über die er denn auch mit aller Gier seine» Heißhunger, herfiel. „Gott, wie kann ich die Wollust schildern, die ich im ersten Augenblicke empfand, da ich nach eilfmonatlichem, wüthendem Hunger mich zum ersten Male satt essen konnte. Kein Glück erschien mir vollkommener al» diese», und keine Mühle zermalmt die harten Körner geschwinder, als damals meine Zähne im KommiSbrode wühlten", so beschreibt er diese erste Mahlzeit in seinem furchtbaren Kerker. Infolge dieser Unmäßigkeit wurde Trenck krank, aber seine kräftige Natur unterlag nicht lange, ebenso wenig erlahmte seine wahrhaft heldenmüthige Widerstandskraft an dem jetzt so viel furchtbarer auf ihm lastenden Mißgeschick. Wenige Tage nach seiner Ueberführung in die Sternschanze trug er sich sckon wieder mit Fluckrplänen, die an den Umstand anknüpften, daß die vier Thüren, die seinen Kerker von der Außenwelt abscklossen, nur von Holz waren. Da es nun Trenck gelungen war, ein Messer vor Len Augen seiner Häscher versteckt zu halten, so konnte er daran denken, mit 'dessen Hilfe die Schlösser aus den Thüren zu schneiden und derart sich einen Ausgang ins Freie zu bahnen. Dieser Plan versprach um so medr Er'.-la als dem Gefängniß keine Schildwachen beigegeben waren. Der König hatte das selbst so angeordnet, damit Trenck nickt Gelegenheit haben solle, seine Soldaten zu verführen. Ehe Trenck jedoch an seine Arbeit gehen konnte, mußte er fick seiner Fesseln zu entledigen suchen, und das anscheinend Unausführbare gelang ihm thatsächlich. Erst brachte er die rechte Hand — allerdings mit unsäglichen Qualen und so, daß ihm das Blut unter den Nägeln hervorrann — aus der Schelle, dann wetzte er mit Stückchen Ziegelsteinen, die er von oem Sitze in dem Gemache losgeschlagen hatte, die Stifte der anderen Handschelle los, so daß er bald auch die Linke frei hatte. Die Hauptkette zwischen Mauer und Fuß drehte er mit seiner Riesen kraft so lange übereinander, bis einige Gelenke davon abgesprengt waren und er sich nun frei bewegen konnte. Nun begann die Arbeit an den Thüren, die eine schier übermenschliche Kraft erforderte und dem Unglücklichen wahre Folterqualen anferlegte. Seine Hände waren bald nur noch Klumpen rohen Fleisches und Blut und Schweiß rannen an seinem Körper in Bächen nieder. Trotz aller Ermattung war Trenck doch endlich bis zur vierten Thür gelangt, schon hatte er einen Ausblick auf den Wall, als sein« Messerklinge zerbrach und er damit der Möglich keit beraubt war, fein Werk zu vollenden. Er mußte in seinen Kerker zurückkehren, die Spuren seiner Fluchtversuch« wurden an demselben Tage noch entdeckt, und die unmittelbare Folge davon war, daß der Commandant etwas wie Mitleid mit dem unglücklichen Mann empfand, und ge stattete, daß er in seinem erschöpften und fiebrigen Zustande mit größerer Rücksicht behandelt wurde. Seine Wunden wurden von einem Feldscheerer verbunden, er bekam Wein zur Stillung eines quälenden Durstes und auch täglich eine Fleischsuppe. Während der Zeit, etwa fünf Tage, wurden aber auch die Thüren seines Gefängnisses mit Blech beschlagen, und als man damit fertig war und Trenck sich wieder erholt hatte, wurde er wie zuvor in Eisen geschmiedet und aufs Neue dem Elend und der Einsamkeit preisgegeben, die beide noch verschärft wurden durch die Rückerinnerungen an seine früheren glänzenden Tage, die er als Liebling einst Friedrich'S H. in Berlin und später in s Moskau verlebt hatte.
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