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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.02.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-02-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990220024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899022002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899022002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-02
- Tag1899-02-20
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Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich ^ll 6.—. Direct« tägliche Kreuzbandsendung ins Ausland: monatlich 7.50. Dte Morgen-Ausgabe erscheint um '/,? Uhr, die Abend-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr. Nedaclion und Expedition: IohanntSgaffe 8. Dir Expedition ist Wochentag- ununterbrochen gröffnrt von früh 8 bi- Abend» 7 Uhr. Filialen: Dtt« Klemms Lo.tim. (Alfred Hahn), Universitätsstraße 3 (Paulinum). Louis Lösche, Katharinenstr. 14, Part, und KSnigSplatz 7. Abend-Ausgabe. MpMer TaMalt Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Ratljes und Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Montag den 20. Februar 1899. Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reclamen unter dem RedactionSsirick läge- spalten- 00,^, vor den Familiennackrichlen ibgespalten) 40^. Gröbere Schriften laut unserem Preis- vcrzeichniß. Tabellarischer und Zissernjap nach höherem Tarif. Ext»«-Beilagen (gesalzt), nur mrt der Morgen-Ausgabe, ohne Postbrsörderuuz 60.—, mit Postbesörderung 70.—. — —— Ännahmeschluß für Anzeigen: Ab end-Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen.Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Ex-edition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 93. Jahrgang. Präsident Emil Loubet. Die PräsidentschaftSwahl in Versailles ist ausfallend ruhig verlaufen; denn wenn auch das Für oder Wider DreyfuS die Geister beherrschte, prädominirend war doch die Erkenntniß, daß die Republik auf dem Spiele stehe, und in dieser Erkennt- niß waren alle entschiedenen Republikaner bis zu den Vor posten auf der äußersten socialen Linken einig. Daher erfolgte die Wahl Loubet'S, von dem man wußte, daß er Republikaner vom Scheitel dis zur Sohle ist und nicht wie Meline jeden Augenblick zu Compromissrn mit den Gegnern der Republik bereit, mit großer Mehrheit sofort im ersten Wahlgang. Die Rechte war überrascht, ob ihrer Niederlage consternirt und im Augenblicke actionS- unfähig. Aber kaum hat sich Schreck und Verwirrung gelegt, so wallt das Blut den aufgeregten Kämpfern wieder zum Hirn, und gewappnet springen die Parteileidenschaften, welche Frankreich mit wildem Getöse erfüllen, auS dem Haupte der Unversöhnlichen wieder auf den Plan. Schon als Loubet am Abende der Wahl in Paris eintraf, ließen vereinzelte Rufe erkennen, daß das Gewitter sich keineswegs verzogen habe, sondern noch in der Nacht wiederkehren werde. Kund gebung auf Kundgebung folgte, und noch bis spät in die Nacht zum heutigen Montag war die Straße in bedrohlicher Erregung. Uns gehen darüber folgende Meldungen zu: * Paris, 19. Februar. Wie es heißt, wird die Liga „I-apatrle franyLise", deren Ehrenpräsident Coppv« gestern während der Demonstrationen auf den Boulevards öffentlich mit Döroulsde sraternisirte, demnächst ein Manifest erlassen, um gegen die Wahl Loubet'S zu protrstirrn. Ferner verlautet, die Liga werde eine Agitation in plebiscitärem Sinne ins Werk setzen.— Zwischen 6'/, und 7 Ubr Abend- sand im Faubourg Montmartre vor dem Hause der vonSebastian Faure geleiteten Zeitung „ Le Peuple"eine ziemlich bedeutende Kundgebung statt. Zahlreiche Nativ na- listen stießen Drohrufe gegen die Juden auS und Schmäh, rufe gegen Loubet, was das Personal der Zeitung mit dem Rufe: „Nieder mit der Geistlichkeit!" erwiderte. Ai« von anderer Seite eine Gegenkundgrbnng rintrat, welche Hochrufe auf Loubet und Rufe gegen die Geistlichkeit auSstieß, kam es zu einem Handgemenge, bei dem zwei Nationalisten verletzt wurden. Die Nationalisten wurden zurückgedrängt und zogen nach dem CafS BrSbant, um dort zu manifestiren, wurden aber wieder durch die Theilnehmer der Gegen, kundgebung vertrieben. Einige Verhaftungen wurden vor- genommen. — Der Ausschuß der Liga „I-n patrie kran<Ms" hielt heute eine außerordentliche Sitzung ab und nahm einstimmig eine Tagesordnung an, in welcher gegen die parlamentarischen Jntriguen einer Partei Einspruch erhoben wird, die aus der Präsidentenwahl rin neues Element antinationaler Anschläge zu machen suche. Sodann wird der Wunsch ausgedrückt, daß das neue Staatsober haupt sich von allen Compromissen fernhalte und ein klares Bewußtsein seiner Pflichten gegen das Vaterland und die Armee empfangen und fest entschlossen sein möge, alle Machtbefugnisse, die die Verfassung ihm verleihe, dazu zu gebrauchen, um der schlimmen Agitation, unter der das Land leide, ein Ende zu machen. * Paris, 20. Februar. (Telegramm.) In den späten Abend, stunden des gestrigen Tages erneuerten sich die Kund» gedungen auf den Boulevards hauptsächlich zwischen 9 und 9'/, Uhr, wo es zum Handgemenge zwischen Parteigängern und Gegnern Loubet'S kam. Mehrere Frauen wurden nieder» getreten und mußten zum Theile nach den nächst, gelegenen Apotheken geschafft werden. Allmählich gelang eS der Polizei indessen, durch nachdrückliches Eingreifen die Ruhe wieder herzustellen. An mehreren Stellen kam es dagegen wiederum zu lärmenden Scenrn. So wurden vor der „Libre Parole" gegen Loubet feindselige Rufe ausgestoßen, während vor dem „Journal" Freunde Zola's diesem eine Kundgebung darbrachten. Auch in den an die Boulevard- stoßenden Straßen wurden die Kundgebungen für und gegen Loubet fortgesetzt, ohne daß eS jedoch zu ernstereren Zwischenfällen kam. Gegen 11 Uhr mußte vor den Bureaux der Rotbschild'schen Bank in der Rue Lafitte eine Ansammlung von der Polizei zerstreut werden, da die Ruhestörer die Fensterscheiben im Erdgeschosse der Bank zertrümmerten. Späterhin sammelten sich vor den Redaktionen des „Petit Journal" und des „Antijoif" große Menschenmassen an, die unaufhörlich lärmten und Scheiben und Thüren zertrümmerten. Zu besonder- aufgeregten Scenen kam e- vor den zuerst erwähnten Blättern, wo Anhänger DreyfuS' sich den Eintritt erzwingen wollten. Als dann die Thüren geschlossen wurden, zertrümmerten die Ruhestörer alle Fenster scheiben des Gebäudes mit Stockschlägen und Steinwürfen. Auf den „Boulevards des Italiens" versuchten etwa 50 roya- listische Studenten eine Kundgebung; zwei Studenten wurden fest genommen. Bald darauf wurde eine Versamm lung von etwa 100 Personen, die scharfe Worte gegen Rochefort ausstieben, ebenfalls von der Polizei zerstreut, und 1b Verhaf tungen wurden vorgenommen. Um Mitternacht war die Ruhe überall wieder hergestellt. Di« Zahl der im Verlaufe Les gestrigen Abends insgesammt sestgenommenen Personen beträgt etwa 100. Man ersieht auS diesen Kundgebungen, daß die royalistische Opposition, obwohl sie nicht ganz fehlt, etwa- zurücktritt und die alte Parole wieder dominirt: „Nieder mit den Juden!" auf der einen, „Hoch Zola und die Revision!" auf der anderen Seite. Der „GauloiS" hat Recht gehabt, als er im Falle der Wahl Loubet'S Unruhen voraussagte, und sollte Loubet'S Ver gangenheit, wie seine Gegner ihm vorwerfen, thatsäcklich den einen oder anderen dunklen Punct — viäs Panamaaffäre — auf weisen, so wird er keine ruhige Stunde erleben und QueSnay de Beaurepaire und Genossen werden dafür sorgen, daß der Hexentanz, der inPariS Tag für Tag aufgeführtwird, so bald nicht vom Repertoire der Kammer und der Straße verschwindet. Es müßte denn sein, daß man sich in Loubet getäuscht hätte und er entschlossen wäre, die Dreyfusangclegenbeit den Gang weitergehen zu lassen, den Ministerpräsident Dupuy ihr noch kurz vor dem Hinscheiden Faure's gewiesen hat. DaS ist eben die Frage. Noch sind die Lcbel- gewehre nicht von selbst losgegangen, waS der „Jntransigeant" für den Fall angekündigt hatte, daß ein Dreyfusfreundlicher Präsident gewählt werden sollte. Man ist sich im antirevisionistischen Lager über Loubet'S Stellung in der Cardinalfrage offenbar noch nicht völlig klar. Die Wutb, mit welcher die Generalstabspartei, die Nationalisten und Antisemiten ihn bekämpfen, sollte aller dings kaum einen Zweifel darüber lassen, daß Loubet für ein Compromiß mit den Rechtsbeugern nicht zu haben ist. Allein der Umstand, daß Loubet die, wie üblich, ihm angetragene Demission des CabinetS Dupuy nicht angenommen hat, erweckt andererseits den Anschein, daß er auf die Seite Derer sich zu stellen beabsichtigt, die, um mit dem Euphemismus Dupuy s zu reden, eine Beruhigung der öffentlichen Meinung nur von einem durch den gejammten Eassationsbof gefällten UrtbeilSspruch erwarten, in Wahrheit aber wieder die Staatsraison über' Alles stellen und er hoffen, unter dem erweiterten Richtercollegium werde die genügende Anzahl ebenso denken. In der Panamaaffäre hat Loubet als Minister präsident sich auf den Standpunkt gestellt, daß die Trennung der Gewalten, als eine- der ersten republi kanischen Gesetze, aufs Strengste durckzusühren sei und daß die Regierung den Gerichtsbehörden über haupt keine Weisungen zn ertheilrn habe. Seitdem sind sechs Jahre vergangen. Sollte Loubet in dieser Zeit umzelernt haben? Man kann es nicht glauben, nachdem er eben erst wieder auf das Entschiedenste betont bat, er werde ein stark republikanischer Präsident sein. Jedenfalls muß man sich in der Beurtheilung Loubet'S nach dieser Richtung hin im Augenblicke noch bescheiden. Bald, sehr bald wird er ja Farbe bekennen müssen. Neber den Lebensgang Loubet'S, namentlich über seine Haltung in der Carmaux-Angelegenheit, wo er der revo lutionären Socialdemokratie gegenüber eine ziemlich nachgiebige Rolle gespielt hat, sowie in der Panamaaffäre, wo ihm auch die Staatsraison höher gestanden zu haben scheint, als die Gerechtigkeit, geben wir Ausführliches an anderer Stelle. Politische Tagesschau. * Leipzig, 20. Februar. „Nicht erwünscht und nicht zweckmäßig" hat der national liberale Abgeordnete I)r. Sattler die Besprechung der Däneninterpellation im Reichstage genannt. DaS Urtbcil trifft zu, aber wenn sie nicht selbst vor ihren ewigen Wiederholungen Widerwillen empfunden hätten, würden jene Eigenschaften der Erörterung Freisinnige, Socialdemo kraten rc. nicht abgehalten haben, noch einen vierten und einen fünften Tag einer „Anregung" des Dänen Johannsen zu widmen. Es bleibt noch immer die Frage bestehen, warum sich Nationalliberale und (konservative trotz ihrer vom Abgeordneten Sattler bekundeten Einsicht an dieser Debatte betheiligt haben. Doch wohl nicht in der Hoffnung, den Herren Lenzmann und Munckel nationale Empfindungsweise beizubringen—Herrn Lenzmann,der die in der Thal um ihre Sprache ringenden, aber von dem Gedanken des Anschlusses an einen andern Staat als Ungarn himmelweit entfernten Siebenbürger Sachsen mit den für Dänemark in Deutschland wühlenden Agitatoren auf eine Stufe gestellt und die deutsche Abwehr in der Nordmark selbstsüchtige Jnteressenpolitik undDünkelbaftigkeit gescholten hat, oder Herrn Munckel, der, nachdem Johannsen'-Treiben auch im Reichstag richtig charakterisirt worden war,es über sich brachte, in Anknüpfung an das bekannte thörickte Wort des zweiten Reichskanzlers zu sagen: „Auch der College Johannsen ist national". Wenn die Debatte einen Zweck gehabt bat, so wäre er höchstens darin zu finden, daß sie den Anlaß bietet, die Ansicht über die Nothwendigkeit des Zusammengehens aller bürgerlichen Parteien gegen die Socialdemokratie, soweit die Freisinnigen in Betracht kommen, einer Revision zu unter ziehen und sich zu fragen, ob es Deutscher würdig ist, einer Partei, die mit der Socialdemokratie in der Verhöhnung aller deutschen Ideale wetteifert, den Vorzug zu geben, nur weil die Socialdemokratie auch das Eigenthum bekämpft. Tie freisinnig Wählenden in Schleswig-Holstein stehen aller dings zum größeren Theile nicht auf der Stufe der Herren Munckel und Richter, aber dieser Umstand ist doch für die Wahlen wenigstens von gar keiner praktischen Be deutung. Die Herabwürdigung des Deutschthums, der sick die freisinnigen Gewählten schuldig machen, wird dadurch nickt belangloser. Ebensowenig war eS mehr als platonische Gerechtig keit, wenn Herr Hänel, wie wir nachzutragen haben, das Treiben der dänischen Agitatoren „illegal und bösartig" ge nannt hat; denn der Herr Professor will die so gekennzeichnete Agitation nicht gehindert, sondern ihr im Gegentheil den Boden in den nordschleSwigschen Schulen geebnet wissen. Bei Beginn der Erörterung dieser Interpellation haben wir sie das Werk einer welsischen Coalition genannt und ein Welfe, d. h. ein Politiker, der ehrlich genug ist, sich zu seiner Feindschaft gegen die Ordnung der Dinge in Deutsck- land zu bekennen, hat der Debatte die Etikette aufgcklebt. Herr v. Ho den berg will nicht preußisch fühlen, er „hat es Gott sei Dank nicht nöthig". DaS ist nicht neu, neu ist nur, daß er diese Gesinnung gegen Preußen und damit gegen daS Reich unter Berufung auf Aussprüche des jetzigen Königs von Preußen und deutschen Kaisers bekunden durfte. Außer den Berliner Hofkreisen hat sich also in der Thal Niemand über die Wirkung der hannoverschen Parade-Ansprache des Kaisers getäuscht. Herrn v. Hoden- berg'S Erklärung gehörte, weil sie eine der dänischen parallel laufende Bewegung rechtfertigte, zur Sache. Etwas Fremdes hingegen war e-, WaS Fürst Bismarck heranzog, daS Ver- bältniß zuOesterreich. Wir gebe« nach dem stenographischen Berichte die dazu gemachte Bemerkung deS Abgeordneten im Wortlaute wieder. Fürst Bismarck sagte: „Wir haben ein feste- Gefüge im deutschen Reich und haben die Anlehnung gesucht an das große, uns theiweise stammverwandte Nachbarland, welches die alten großdeutschen Bestrebungen mit herreinnehmrn wollten. Au den Politikern dieses großen br- freundeten Nachbarlandes Oesterreich-Ungarn hat es 1879 gelegen, daß die damals von uns gesuchte und angebahnte Verbindung, welche schon 1866 in- Auge gefaßt war, keine dauernde und organische wurde. Unsere damalig« politische Leitung hatte eS sich zur Aufgabe gemacht, zunächst da- Gefüge deS deutschen Reiches, wie wir es heute haben, zu festigen und dann in bessere Verbindung mit Oesterreich. Ungarn zu treten, al- der deutsche Bund sie ge. boten hatte. Ich will nicht in die hohe Politik eingehen; die Thatsache, glaube ich, ist bekannt, daß diese Bestrebungen unserer damaligen politischen Leitung kein Entgegenkommen in Oesterreich fanden. Immerhin haben wir mit diesem Lande eine so sichere Freundschaft, daß sie allgemein als unerschütterlich angesehen wird. Ich habe einmal Gelegenheit gehabt, in meiner früheren amtlichen Thätigkeit, als ich vertraulich von einem hohen Mitgliede des österreichischen Kaiserhauses über diese Beziehungen gefragt wurde, in scherzender Weise, aber aus voller Ueberzeugung zu sagen: Das Berhältniß mit Oesterreich fasse ich auf wie eine FrrrNletsn. Gräfin Marie. 11s Roman von Woldemar Urban. Nachdruck verboten. Sie war im Begriff, einen Mord zu begehen. Im Fieber oder nicht, ein Mord war ein Mord und sie eine Mörderin dadurch, sie, das harmlose, ursprüngliche Naturkind, das die Welt in die Schule genommen, seitdem sie schütz- und haltlos hinausgeflohen war, seitdem Derjenige dahingegangen war, der sie geliebt und beschützt. Und was war in dieser Schule aus ihr geworden? Fröstelnd, zitternd und wie ein furchtsames Kind sich um sehend, suchte sie nach Hilfe, nach Trost. Nichts rührte sich um sie. Nur ihr Mann schnarchte noch immer im tiefen Schlaf im Nebenzimmer. Da sank sie langsam in den Sessel zusammen und weinte bitterlich. War denn das Alles möglich? fragte sie sich in ihren Thronen. War das Alles wahr und wirklich, nicht blos ein häßlicher, widerlicher Traum, ersonnen von einem verrückten Menschen, um die Leute zu schrecken? Sie hätte das gern an nehmen mögen, aber sie kam damit nicht weiter. Sie mußte Mittel und Wege finden, um aus dieser fürchterlichen Lage heraus zu kommen. Sie versuchte zu überlegen, aber lange vergeblich. ES mußte doch auch noch andere Leute in Neapel geben, sagte sie sich endlich, es konnten doch nicht lauter Spitz buben hier sein. Wenn sie einen Proceß machte, einen Scheidungsproceß gegen den Mann, der sich jetzt ihren Mann nannte. Mußte sie mit einem Schurken, einem Gauner zu sammen leben, nur weil sie seine Gaunereien nicht durchschaut? Sie wurde sich in ihrem Zustande natürlich über diese Sache nicht klar. Sie war nach katholischem Ritus getraut, ihre Ehe also unauflöslich. So lange ober ihre Ehe bestand, mußte auch der Ehecontract bestehen und demnach Stars» im Fall ihres Todes Erbe bleiben. Das war ihr vor Allem das Fürchterlichste. Sie haßte diesen Menschen jetzt mit der ganzen Kraft ihrer Seele, aber — sie fürchtete sich auch gleichzeitig vor ihm wie ein Kind. Sie nahm die Arzneiflasche von ihrem Nachttischchen und goß davon etwas weg. Man sollte meinen, sie habe davon ge nommen. Keine Macht der Erde hätte sie dazu bringen können, von einem Arzt etwas zu nehmen, den ihr Starace zugewiesen. Konnte er nicht mit ihm heimlich abgekartet haben, sie gegen eine runde Summe unter die Erde zu curiren? In Neapel war Alles möglich, und nach den Erfahrungen, die sie gemacht hatte, mußte sie auf Alles gefaßt sein. Ging es doch nicht vom Eigen thum Starace's, sondern von dem ihren, und sich selbst den Tod zu bezahlen, das war wohl fürchterlich und gräßlich, aber wenig tröstlich. Dann ging sie hinaus zum Zimmer und tappte sich leise und im Finstern nach dem Schlafraum ihres Kammermädchens durch, das sie weckte. „Concetta!" rief sie leise, „fürchte Dich nicht. Ich bin's, die Gräfin. Komm', steh' auf. Ich habe mit Dir zu reden. Ich warte auf Dich in meinem Schlafzimmer. Hörst Du?" „Barmherziger Himmel, Frau Gräfin", fuhr das Mädchen erschrocken auf, „wie sehen Sie aus?" „Sei still, sage nichts. Kleide Dich an und komme zu mir." Dann ging sie nach ihrem Zimmer zurück und wartete. Ihre heute Morgen verschwundene Geldtasche war ihr ein gefallen. Wenn Concetta ehrlich war, dann mußte der Graf selbst der Dieb sein. Sie war sich noch nicht klar, was sie daraus für Capital für sich schlagen konnte, aber sie wollte jedenfalls seststellen, wohin die Tasche gekommen sei. Sie meinte vielleicht, daß, wenn sie den Grafen des Diebstahls überführen könne, sie ihn einsperren lassen konnte, um sich so wenigstens für einige Zeit Ruhe vor ihm gu schaffen. Wenige Minuten später kam Concetta, die sich rasch ange kleidet, zu ihr. Leise, um im Nebenzimmer nicht gehört zu werden, führten sie ihre Unterhaltung. „Concetta", sagte Gräfin Marie fast bittend, „Du weißt, ich habe es immer gut gemeint mit Dir, habe es an nichts fehlen lassen, wenn Du in Noth warst und war immer gut zu Dir. Darf ich mich jetzt, wo ich krank und hilflos bin, auf Dich ver- lassen?" „Gewiß, gnädige Frau Gräfin, weshalb sollten Sie nicht? Ich werde thun, was in meinen Kräften steht." „Es handelt sich zunächst darum, die Wahrheit zu sagen. Du weißt, daß mir heute Morgen meine Geldtasche weggekommen M. Willst Du mir sagen, klar und wahr, was Du davon weißt." „Nichts weiß ich davon, Frau Gräfin, bei der maäonnu ssntissima." „Du hast sie nicht genommen?" „So wahr Gott mir iu meiner letzten Stunde helfe. — Frau Gräfin, ich bin ein ehrliches Mädchen, das sich noch nie etwa» hat zu Schulden kommen lassen." „Ich weiß. Ich habe auch nicht geglaubt, daß Du sie hast, sondern wollte nur aus Deinem Munde hören, daß Du sie nicht hast. Willst Du darauf schwören?" „Mit dem reinsten Gewissen, Frau Gräfin, und auf das Crucifix beschwöre ich, daß ich nichts von der Tasche weiß." Gräfin Marie suchte irgend etwas, das sie dem Mädchen schenken könnte, um dadurch ihre Verschwiegenheit und Treue zu erkaufen. Endlich gab sie ihr einen echten Tartaruga-Haarkamm, wie ihn die Neapolitanerinnen mit Vorliebe tragen. „Da, nimm, Concetta", sagte sic, „und wenn Du treu und ehrlich ausführst, was ich Dir jetzt sage, so soll es Dein Schaden nicht sein. Ich werde immer an Dich denken, wenn Du zu mir stehen willst." „Frau Gräfin, ich werde stets thun, was in meinen Kräften steht, und es wird mich freuen, wenn ich Ihre Zufriedenheit damit erlange." „Ich glaube Dir, Concetta. Jetzt höre zu. Ich werde Dir etwas ausschreiben, was Du sofort auf das nächste Telegraphen- Amt tragen sollst. Niemand darf davon wissen, auch nicht mein Gemahl. Dieser ganz besonders nicht. Hast Du mich ver standen?" „Ja, Frau Gräfin." „Gut. Rücke mir den Stuhl dort an den Tisch. Ich will Dir die Depesche sofort aussetzen." Sie setzte sich hin und schrieb mit hastigen, aber sehr deut lichen Buchstaben auf einen Briefbogen: „Doctor Zander, Berlin. Kommen Sie sofort an mein Krankenbett. Sonst sterbe ich Eilen Sie. ES steht Alle» auf dem Spiele. Draht- Antwort bezahlt. Marie Wasmuth, Napoli-Pofillipo, Villa Monrepos." Sie hatte absichtlich keinen Vornamen zur Adresse gesetzt. Verlangen wollte sie den jungen Doctor Felix Zander nicht, aber erwünscht wäre es ihr doch gewesen, wenn der alte Doctor nicht von seiner Praxis in Berlin fort konnte und seinen Sohn schickte. Würde überhaupt Einer kommen? E» mußte Hilfe geschaffen werden. Sie dachte an eine Flucht aus der Villa Monrepos, überhaupt aus Neapel. Hier war sie ja vollständig in den Händen dieses Menschen. Wenn sie erst die Berliner Luft athmete, konnte sie ihre Processe gegen das neapolitanische Spitzbuben gelichter beginnen. Aber bis dahin hatte es noch gute Weile. So rasch ging das nicht. Sie war krank und mußte obendrein klug ihre Absichten verheimlichen, denn sonst würde sie ihr Mann eher vergiftet haben, al» sie abreisen zu lassen. Hundert Pläne und Ideen schossen ihr durch den Kopf, al» sie, schlaflos auf ihrem Bette liegend den Kopf in die Hand gestützt, ihre Lage überdachte. Auch ihr Bruder Wilhelm fiel ihr ein, der Tisckler. Grob und un geschlacht, versoffen wie er war, war er doch ein Goldmensch gegen diesen tückisch schleichenden, herzlosen Starace. Ihr Bruder wäre ein Mann für Starace gewesen. Er hatte tüchtige Fäuste, und es kam ihm aus ein paar blaue „Fensterladen" oder ein paar Backenzähne nicht an. Aber das ging nicht. Ihr Bruder wäre mit der neapolitanischen Polizei zusammengercuhen und hätte Alles verdorben. Nein. Das Einzige, was ihr blieb, war Flucht, und daß sie diese sicher und verschwiegen durchführen konnte, das war jetzt ihr ganzes Sinnen und Streben. Der Morgen dämmerte langsam herauf und Gräfin Marie trat, in einen Shawl gehüllt, aus ihrem Schlafzimmer hinaus auf die Terrasse, um frische Luft zu schöpfen. Auf dem Meere lag ein dicker weißlicher Nebel, wogend und wallend, in kleine runde Wolken zusammengerollt, so daß von der Fluth gar nichts zu sehen war. Die Ufer des Golfes und die Inseln traten aber in scharfen, kräftigen Conturen hervor — ein herrliches Bild von stiller Harmonie und reiner hehrer Schönheit. Im Osten und Süden, wo die kommende Sonne schon ihre strahlenden roth und goldig leuchtenden Vorboten des Tages hervorsandte, zeichneten sich der Vesuv, die in blaue Nebelschleier gehüllten Küstenstädte, die Sorrentiner Halbinsel mit dem malerischen Monte Sant'- Angelo und das Sireneneiland Capri scharf und kräftig von dem glühenden Firmament ob, während im Westen nach Ischia, Pro- crda und dem freien Meere zu noch die Schat ten der Nacht in dunlkes Gewölk sielen — ein riesiges Panorama von erhabener, ruhiger Majestät, die auch durch den TageSlärm der Stadt Neapel noch nicht gestört wurde. Wie trüumend lag die weit ausgedehnte Stadt noch da, das Fort Sant' Elmo, das mächtige Castello del novo, das seine grauen mittelalterlichen Mauern weit hinaus in das Meer legte, das alte Castello del Carmine ragten gespenstisch romantisch wie graue Weiser der Zeit aus dem Häuser meer heraus. Von den Ufern der Villa Monrepos plätscherten geheimnißvoll die Wogen herauf und die Palmen bewegten ihre langen Gespensterarme grotesk und eigenthümlick, raschelnd und rauschend im Morgenwinde. Das war noch immer derselbe Zauber, der Tausende von Generationen entzückt, der schon Odysseus bethört und nach ihm Millionen und Millionen ver führt. Gräfin Marie schauerte beim Anblick dieser uralten, ewig neuen Naturreize zusammen. Ihre lebhafte Empfindsamkeit, ihr für alleHerrlichkeitender weiten, schönen Goiteswelt empfängliches und eindrucksvolles Gemüth regte sich, und Thränen traten in ihre Augen. Diese» Parodie», das sich da vor ihren Augen end los entrollte, sollte sie verlaffen? Flieden? War es denkbar, daß in dieser glücklichen Natur solche Schurken lebten? Daß
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