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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.02.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-02-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990220012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899022001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899022001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-02
- Tag1899-02-20
- Monat1899-02
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Uhr. di« Abead-Ausgab« Wochentag- um b Uhr. » NedarNo« und Erpedittoa: J»hll«nt»gaff« 8. Di« Erpedittoa ist Wochentag» «nuaterbrochra geöffnet voa früh 8 bi» Abend» ? Uhr. Filialen: ktts Klemm'» Sorttm. (Alfred Hahn), Universitätsstraße 3 (Paulinum), Loni» Lösche, Katharinevstr. 14, Part, und König-Platz 7. Morgen-Ausgabe. MpMcrIaMatt Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, des Rathes und Nolizei-Amtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-PreiS die ttgespaltme Petitzeile 20 Pfg. Reklamen unter dem Redaction-strich (»ge spalten) üO^z, vor den Famstieniiachrichten (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut uiiserem PreiS- verzticknib. Tabellarischer und Zisserujatz nach höherem Tarif. Extra-Beilage» (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung W.—, mit Postbeförderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Montag den 20. Februar 1899. 93. Jahrgang. Moritz' von Sachsen Jugendjahre. i. Wir beschäjtigen un» an dieser Stelle mit Vorliebe mit der Geschichte Sachsen- und eS freut uns, heute unfern Lesern von einem Buche*) Kenntniß geben zu können, da- nicht nur des Beifalls der Fachgelehrten sicher ist, sondern das auch von Laien und allen GcschichtSfreunden mit großem Genuß gelesen werden wird. Der Verfasser, Erich Brandenburg, Privatdocent an unserer Universität, hat selbstverständlich sein Werk streng wissenschaftlich gehalten, er verbindet aber mit ter wissenschaftlichen eine so geistvolle, glänzende, klare Dar stellung wie man sie selten findet. Vom wissenschaftlichen Standpunkte aus können wir hier das bedeutende Werk nicht besprechen, Wohl aber wollen wir versuchen an der Hand der Ausführungen Brandenburg'« ein Bild Moritz' von Sachsen zu geben und insbesondere wollen wir seine Jugend ins Auge fassen, da hierin der Schlüssel für den Charakter des Fürsten liegt. Moritz von Sachsen ist eine der anziehendsten Persönlich keiten der sächsischen Geschichte. Er erscheint uns immer als ein Held, als ein Weltmann, auf der einen Seite als ein rauher Krieger, auf der andern als ein hervorragender Diplomat. Die mannigfachen Fehler, die Moritz' Vorfahren begingen, scheinen in ihm wettgemacht werden zu sollen, das sächsische Land scheint einer neuen Phase entgegengehen zu sollen, der junge Herzog nimmt einen Anlauf, der zu den kühnsten Hoffnungen berechtigt. So steht Moritz von Sachsen vor unS. Der Geschichtsforscher freilich läßt sich von der blendenden Erscheinung nicht beeinflussen, er geht kritisch seinen Weg, er sucht den Charakter des Mannes zu ergründen, seine Handlungen zu erklären, er will jede Thal mit Gründen belegt wissen. Moritz von Sachsen, so sagt der Verfasser, ist von der Zeit seines Lebens an bis heute ver schieden beurtheilt, bald als Verräther des deutschen Protestantismus gebrandmarkt, bald als sein Reiter gefeiert worden, die einen sahen in ihm einen Gauner und Glücks ritter, die anderen einen kalten, schlauen, skrupellos rechnenden Diplomaten im Stile Macchiavclli'S oder Karl's V., noch andere endlich einen von den höchsten Zielen und Gedanken erfüllten nationalen Helden. Kein Zweifel aber kann daran bestehen, daß seine Wirksamkeit, so kurz sie war, füx die Ver hältnisse Deutschlands wie seines engeren sächsischen Vater landes von großer Bedeutung gewesen ist. Als die unglückliche Theilunz Sachsens 1485 vor sich ging, waren sich die beauftragten Herren der Ritterschaft, waren die Stände und die Prälaten einig, daß sie eine Theilung vornähmen, die Sachsen immer noch als Ganzes vorstellen sollte, die seinen politischen Einfluß nicht zerstörte. Sie faßten die Theilung mehr als eine Gütertrennung auf und die Fürsten sollten stets fühlen, daß sie nur Tb eile eines Lan.cS in gesonderter Verwaltung und Nutzung hätten. DaS Herzogthum Sachsen siel als untheilbareö Kurland vor weg an Ernst: von der Landgrafschaft Thüringen aber und der Markgrasschaft Meißen erhielt jede Linie ein Stück, während die Lausitzischen Herrschaften unaetheilt blieben. Die jüngere Linie besaß seitdem außer dem Antheil an jenen gemeinsamen Besitzungen zwei von einander ganz getrennte Stücke: das eine erstreckte sich vom Erzgebirge an beiden Ufern der Elbe abwärts bis etwa eine Meile unterhalb *) Moritz von Sachsen von Erich Brandenburg. Erster Band. Bis zur Wittenberger Capitulation 1547. Mit Titelbild. Leipzig. B. G. Teubner. Mühlberg; Dresden, Chemnitz, Freiberg, Meißen, Großen hain lagen darin; daS andere umfaßte den nördlichen Theil der Landgrafschaft Thüringen; eS bildete einen schmalen Streifen von der Werra bis über die Pleiße reichend mit einem nördlich Bitterfeld einschließenden Zipfel; hier lagen Langensalza, Weißenfels, Leipzig, Sangerhausen; die nördlich in die Thäler Les Har-eS sich erstreckenden Gebiete der Grafen gehörten dazu. Die beiden Stücke wurden getrennt durch einen mehrere Meilen breiten Streifen Ernestinischen Landes mit Zwickau, Altenburg, Grimma, Eilenburg, Torgau. Man konnte von Dresden nicht nach Leipzig oder Thüringen gelangen, ohne diesen Streifen zu passiren und ohne die ihn durchfließende Mulde zu überschreiten. Daher waren die Muldepässe für die jüngere Linie von der größten Wichtigkeit; aber nur einer davon, Rochlitz, war den Albertinern zugefallen; Grimma und Eilenburg waren ernestinisch, Wurzen bischöflich meißnisch. Die Gebiete der drei LandeSbiSthümcr waren derartig unter beide Linien vertheilt worden, das; Naumburg dem Schutze der älteren, Merseburg dem der jüngeren, Meißen aber beiden gemeinsam unterstehen sollte. Gemeinsam blieben auch die Erträge sämmtlicher Bergwerke, mochten sie auf diesem oder jenem Gebiete liegen; ebenso die Erträge auS der nur für die Mark Meißen bewilligten Getränkfteuer, der Schutz über die Städte Görlitz, Nordbausen und Mühlhausen nebst den damit verbundenen Einkünften. So lagen also Gebietstheile beider Linien bunt durch- einanderzewürselt; die meisten Vasallen hatten Lehen in beiden Fürstentbümern; die Klöster des einen Theils hatten Güter und Einkünfte im Gebiete des anderen. Tausend Fäden verbanden die Bewohner hüben und drüben. ES schien unmöglich, daß die Fürsten sich je über diese Verhält nisse hinwegsetzen, sich verfeinden oder gar bekriegen könnten; die Art der Theilung sollte sie zur Eintracht zwingen. Aber was man mit klugem Vorbedacht geschaffen, daS wurde gerade eine Quelle von Verdrießlichkeiten. Denn so schoben sich zwischen die einzelnen Landestheile die Gerecht same von anderen Fürsten, Zölle, Pässe, Gebiete ein und führten zu fortwährenden kleinen Häkeleien und Streitigkeiten. Wenn sie auch im Anfang nicht von Bedeutung waren, so kamen doch nach und nach größere Differenzen auf. Leipzig mit seiner Universität gehörte der jüngeren Linie nnd schon 1502 gründete Kurfürst Friedrich der Weise die Universität Wittenberg. Derselbe Kurfürst schlug sich auf die Seite des Erzbischofs von Mainz, der den kurfürstlichen Einfluß gegen über dem Kaiser gestärkt haben wollte, während sein Onkel Albrecht treu zu dem Habsburger hielt. Zn Dresden regierte die jüngere Linie, in Torgau die ältere. Immerhin blieb der Verkehr zwischen den Fürstenhäusern wie zuvor, bis Luther auftrat und sich durch die Inschutznahme des Reformators die ältere Linie mehr von der jüngeren oder umgekehrt absonderte. Aus Herzog Albrecht folgt Herzog Georg in der jüngeren Linie, auf Friedrich dem Weisen (152k) Johann der Beständige. Jetzt wird die Religionssache immer mehr der Keil, der sich zwischen die Fürstenhäuser schiebt. Herzog Georg erkannte an, daß Mißbräuche in der Kirche vorhanden seien, daß ihre Beseitigung erforderlich sei. Aber auf gesetzmäßigem Wege, durch geistliche und weltliche Obrig- keit, sollte eS geschehen, durch Zusammenwirken von Papst und Kaiser, Concil und Reichstag. Die Auflehnung eines Einzelnen aber gegen diese Obrigkeiten, mochte er auch in manchen Dingen recht haben, erschien dem Herzoge als ein Verbrechen, LaS man nicht schwer genug bestrafen könne. Mußte eS nicht jeden Sinn für Autorität und Ordnung beim Volke ersticken, wenn eS ungestraft Gelübde brechen sah und Alles schmähen hörte, waS ihm bisher als heilig gegolten halte? Mußte eS nicht schließlich zu der Lehre führen, daß Jeder glauben könne, was er wolle, wenn man den Einzelnen sich gegen die Satzung der Kirche auflehnen ließ? Georg, so führt Brandenburg aus, hatte zuerst Luther gar nicht un freundlich beurtheilt, so lange er in ihm einen Manu sah, der zu Reformen innerhalb der Kirche aufrief. Sobald aber der Mönch es wagte, die Autorität des Papstes und die Unfehlbarkeit der Concilien anzugreifen, konnte der Herzog in ihm nichts Anderes mehr sehen wie einen gemeingefährlichen Aufrührer. Aufs Dringendste verlangte er wiederholt von seinen Vettern die Auslieferung deS Rebellen an daS Reich, die Lossagung von dem Ketzer. Immer gereizter ward der Briefwechsel, und Georg erwog ernstlich, ob eS nicht seine Pflicht sei, gegen die Beschützer des Ketzers ebepso vorzugehen wie gegen diesen selbst; schon damals tauchte der Plan einer Aechtung des Kurfürsten und einer Uebertragung der Kur an die Albertiner auf. Der Zwist der Herren übertrug sich auf daS Volk, auf die Universitäten. Herzog Georg mußte eS schmerzlich berühren, daß sogar einige Glieder seiner Familie zu seinem Petter in nahe Be ziehung traten. Zuerst war es sein Schwiegersohn, Landgraf Philipp von Hessen, der Gemahl seiner Tochter Christine, der trotz aller Abmachungen offen die Lehre Lulher's annahm und sogar neben dem sächsischen Kurfürsten an die Spitze des Schmalkaldischen Bundes trat. Dann aber machte sich auch bei Georg's jüngerem Bruder Heinrich allmählich eine Hinneigung zur Lehre deS Reformators und zu den Ernestinern bemerkbar. DaS war, wie die Familienverhältnisse in der albertinischen Linie lagen, von höchster Bedeutung. Die Erbfolge innerhalb dieser Linie war geregelt durch ein Hausgesetz Herzog Albrecht'S, das seinerzeit von Kaiser Max bestätigt worden war, die sogenannte «väterliche Ordnung". Danach sollte zur Vermeidung jeder weiteren Zertheilung daö ganze Herzogthum an Albrecht'S ältesten Sohn Georg »fallen, der neu erworbene Besitz Friesland dagegen an den jüngeren, Heinrich. Falls jedoch Friesland nicht dauernd z» behaupten sei, so sollte Heinrich vie beiden Aemter Freiberg und Wolkenstein mit allen Hoheitsrechten und Einkünften von seinem Bruder erhalten mit Ausnahme der Bergregierung und Landfolge, die auch hier dem älteren verbleiben sollten; dazu ward ihm ein Iahrgeld aus der herzoglichen Kammer in Höhe von einem Viertel der Landes einkünfte nach Abzug der Verwaltungskosten bestimmt. Nach Georg's Tode sollte alsdann der älteste aller Albertiner als regierender Herzog folgen, falls er nicht nach dem Urtheile von Land und Leuten regierungsunfähig sei; damit war das Seniorat eingefübrt. Alle jüngeren Prinzen zusammen sollten einige Schlösser und, je nach der vorhandenen Anzahl, Zahrgelver in Höhe von einem Drittel bis zur Hälfte der Landeseinkünfte erhalten; heimsallende Lehen sollten jedoch in gleiche Theile gehen. Für Streitigkeiten unter den Familien gliedern war ein Schiedsgericht auS Bischöfen, Aebten, Grafen, Rittern und Städten des Landes vorgesehen. Als nun Friesland tbatsächlich nicht behauptet werden konnte und gegen eine Geldentschädigung den HabSburgern abgetreten war, schloß zur Ausführung der für diesen Fall getroffenen Anordnungen Georg im Jahre 1505 mit seinem Bruder den sogenannten „brüderlichen Vertrag". Durch ihn wurden dem jüngeren die beiden Aemter zugewiesen nebst einer jährlichen Rente von 12 500 Gulden und 12 Fudern Wein. Eine Aenderung an den Festsetzungen der väterlichen Ordnung ward aber insofern vorgenommen, als Heinrich ans jeden weiteren Anspruch verzichtete, so lange einer der Brüder lebe. Wenn also Georg starb, so sollte diesem sein ältester Cobn Johann und nicht Heinrich nachfolgen, vielmehr zwischen den Söhnen Georg's und ihrem Oheime der brüderliche Vertrag in Kraft bleiben. Seien aber beide Brüder tobt, so ließ es ausdrücklich, dann solle es mit Regierung der Lande wieder nach der väterlichen Ordnung gehalten werden. Auch dieses Abkommen erhielt die kaiserliche Bestätigung. Herzog Heinrich war 39 Jahre als er die 22jährige energische Katharina von Mecklenburg heirathete. Sie schenkie ihm drei Töchter und drei Söhne. Der älteste war Moritz, geboren am 21. März 1521. Herzog Georg hatte zwei Söhne, den ältesten Johann, vermählt mit des Landgrafen Philipp Schwester Elisabeth, die später als Wittwe in Roch litz residirte, und den geistesschwachen Friedrich. Johanns Ehe war kinderlos. Friedrich unverheiratbet, somit lag es nahe, daß einst Moritz der Aelteste der albertinischen Linie werden würde. Auf ihn, auf seine Erziehung mußte Herzog Georg Einfluß gewinnen, umsomehr als Moritz Mutter Katharina der neuen Lehre zuneigte. Nun beginnt ein Ränkespiel, ein Hin- und Herschieben des jungen Moritz, eine Auswechselung des Prinzen zwischen ernestinischer und albertinischer Linie, zwischen den Höfen Dresden und Torgau, zwischen FreibergundWittenberg, daß sich eigentlich der Charakter deS jungen Prinzen nicht bilden konnte. Wenn auch Katharinen's Herz auf ernestinischer Seite war, so wagte sie selbstverständlich keinen Bruch und räumte dem Chef der Linie das Bestimmungsrecht ein. Herzog Georg nahm sich denn auch deS Prinzen an, um ihn der protestantischen Mutter zu entfremden. Aber es war eine merkwürdige Wahl, die der ernste und strenge Fürst traf. Er that ihn, zwölf Jahre alt, an den Hof seines Nachbarn, deS Cardinals Albrecht von Hohenzollern nach Halle. Der Hof deS Cardinals war aber wohl am wenigsten dazu an- gethan, aus dem Knaben einen überzeugten Katholiken zu machen. Albrecht war sehr jung zu seinen hohen Würden ge kommen. Vor dem Auftreten Lutber'S war sein Hof der Sammelpunct für die Humanisten Deutschlands gewesen, ein freilich stark verkleinertes Abbild des päpstlichen Medicäer- hofeS in Rom. Dann hatte jder Cardinal eine Zeit lang mit Luther sympathisirt. Solche Anwandlungen lagen freilich längst hinter ihm, und er war äußerlich wieder gut katholisch. Aber nach wie vor herrschte in seiner Umgebung der heid nische Geist der Renaissance, mit dem sich die vorlutherisckie Kirche so gut vertrug, wenn man sich nur äußerlich zu ibr bekannte. An diesem Hofe hieß die Losung: genießen! Ein prächtiges Fest folgte dem anderen; ein Kreis gebildeter, dem Herrn geistesverwandter Männer fand sich noch immer hier zusammen. Während der Erzbischof Schulden auf Schulden häufte, ohne je ans Bezahlen zu denken, seufzte das Volk unter Steuerdruck und dem AuSsaugesystcm einiger Günstlinge. Der Gegensatz dieses Lebens und der beschränkten »und klein lichen Freiberger Verhältnisse war der denkbar größte. Der Cardinal wußte, daß er auS seinem jungen Zögling einen guten Katholiken machen sollte. Er kümmerte sich darum, daß unter seinen Begleitern Niemand sei, der Neigung für die „Lutherei" zeige; aber sonst that er nicht viel für seine geistige Ausbildung. Lesen und Schreiben konnte Moritz schon, als er nach Halle kam, und viel mehr wird er hier nicht gelernt haben. Einen Lehrer des Lateinischen hatte Albrecht nicht für ihn zur Hand. Etwa rin Jahr blieb Moritz, ohne von seiner religiösen k» 0,01). >wpk«r„Ors- U Nsmdure; insLlleiupfer. » cd 1 fk- rteu milileu vuell vieler »cliekteu uls- sü, iills v^r vonle». Die seit dek»iir>t, >psctr«it ee- n!« der be ul 2«ik liile ieaubec sein vucbe Aucb- <j«r LIbe ist ii Iieltenäeu I>t«nw»>KD» vom eiste» teil einen eo «trieb veiler können. Du» >icil rnr /eit r beut« fol- Uilartiiiel in 1V «t, nscil >»fen 23 bis in 29-30 !»en - /rueii-r Oie con iiotlune er- »cli Uuxkie- uns nucb »eben klütr« i« Verlixinux «Ni tlmtunx; r 100 kx, je >Nb«i>I«itren vertlx oacli . Di« Sasle- lulruvej»«». 32 «d, vncb Mr IM k« ltenllbnililme krnckteat» rnren in ,1er neck Deriin, kiiüut beben, lllicb io ilen 10V bx bei Xucd nseii l> vielter «i rsrerdtunx- r IVO kx xe nor v«v>« lcbtoox«xut »I« vorerel Feuilleton. Geborgen. Novellen« von Gerhard Walter. Nachdruck »krdotrn. Ein schweres Jahr lag hinter ihm. Als die warme Herbst sonne am Himmel stand, da hatten sie seine geliebte Frau hinausgetragen auf den Friedhof. Der kleine Fritz hatte damals mit den schönen Kränzen spielen wollen, die auf dem Sarg lagen, aber nachher weinte er tagtäglich nach seiner lieben Mutter. „Sie müssen 'mal hinaus!" hatten ihm, dem Amtsrichter, alle College» und alle Freunde wohlmeinend gerathen. Und schließlich, es war jetzt im Hochsommer, hatte er sich bereden lassen und hatte seine Koffer gepackt und war auf die Reise gegangen. Ihm waren viele Sommerfrischen in Vorschlag gebracht; endlich hatte er sich für ein Dorf entschieden, das still und abgelegen mitten in Wald und Wiesen liegen sollte. Das schien ihm das Rechte zu sein. Da wohnte er einsam genug. Eines TageS hatte er sich wieder zu einem langen Marsch gerüstet. Eben besprach er sich mit der WirthSfrau über den besten Weg. ,,Ja", sagte die, „wenn Sie über Schlangendorf gehen, ist's ja ein bischen weiter, aber Sie gehen fast ununterbrochen durch Buchenwald." „Schlangendorf? Schlangendorf?" fragte er sich im Wandern; „der Name kommt mir so seltsam bekannt vor"; und er zerbrach sich den Kopf, wo er den Namen schon früher gehört und grlesen; und mit einem Male blitzte es erleuchtend durch sein Gehirn, das war ja der Ort, au» dem seine verstorbene Frau jahrelang die Butter hatte kommen lassen. „Meierei Schlangen dorf" stand ja auf jeder Kiste. Und noch jetzt ließ die Schwester von dort schicken. Ja, so war's! „Da könnte ich ja einmal Einkehr halten", dachte er, „und mich oorstellen und um einen Trunk frische Milch bitten, den werden sie mir wohl nicht versagen." Und nun lag das Dörfchen dort friedlich unterm Wald zwischen weiten Wiesen flächen. „Wo geht's denn zur Meierei hinunter?" fragte er ein alte» Holzweiblein. Sie deutete nach einem hochragenden Gebäude mit rothrn Mauern und sah den Fremden blinzelnd an. „Ja, da kriegen's nix!" sagte sie und humpelte ins Unter holz. Erstaunt sah ihr der Amtsrichter nach. „Nanu? Seh' ich denn wie ein Vagabund aus?" fragte er sich und besah sich im klaren Spiegel des Weihers am Wege. Aber er sah ganz standesgemäß aus und wie ein sehr stattlicher Herr. „Die ist wohl verdreht!" dachte er und ging fürbaß. Nun stand er in dem hohen Thorbogen, der auf den Hof führte. Still und einsam lag er da im Mittagssonnenschein. Ein zottiger Hund kroch aus seiner Hütte, bellte ein paar Mal und kroch wieder, mit der Kette rasselnd, hinein. Sonst war Niemand zu sehen. Aus einer Hofthür drang weißer Dampf hervor. Da wurde wohl gewaschen; folglich mußte da auch Jemand sein. Er ging auf die Thür zu und schaute hinein. Erst sah er nicht viel; endlich aber entdeckte er eine weibliche Gestalt, die am Waschfaß stand, umwellt von den wirbelnden Schwaden. „Guten Tag!" rief er laut hinein, „könnte ich hier wohl ein Glas Milch bekommen?" Die Gestalt löste sich aus dem Dampf und kam auf ihn zu, die Hände und bloßen Arme an der blauen Schürze abtrocknend. „Sie wünschen?" fragte sie. Der Fremde zog den Hut. Das war ja eine Dame, die vor ihm stand, trotzdem sie vom Waschfaß kam! Und eine junge Dame war'». Und eine ganz auffällig hübsche junge Dame dazu. Und die Hände, die sie noch abtrocknete, waren klein, und ihre Arme weiß. .Ich bin der Amtsrichter Doctor Bertram aus Blenkenberg", stellte er sich mit Haltung vor, „und komme als alter Kunde, um eine Wegzehrung zu bitten." Jetzt sah er daS Gesicht deS jungen Mädchens dicht vor sich. Es lag tiefe Trauer darauf. Sie versuchte zu lächeln; aber es gelang ihr schlecht. „Treten Sie näher!" sagte sie höflich; „ich will Ihnen geben, was ich vermag." Sie ging neben ihm her, eine schöne, gleichmäßige Gestalt im einfachen Trauerkleid. Wie sie ihm im Sprechen da» Gesicht zuwandte, sah er, daß sie stark verweinte Augen hatte. „Sie tragen Leid", sagte er unwillkürlich und barmherzig zu ihr. Sie senkte das Haupt: „Vor drei Tagen haben sie mir den Vater begraben!" „Um Gotteswillen!" rief er und blieb stehen. „Dann der» zeihen Sie mein Eindringen. Ich gehe schon!" „Bleiben Sie nur!" bat sie und schlug die braunen Augen zu ihm auf, „mein Vater hätte Sie auch nicht unerquickt vom Hofe gehen lassen. Und ich bin seine Erbin!" Es kam unendlich wehmüthig heraus. „Sie gerade sind mir kein Fremder dem Namen und der Gewohnheit nach; ich habe seit Jahren Alles an Sie abgesandt, waS von uns kam! Treten Sie ein! Noch ist's mein Haus!" „Noch?" sagte er in finsterer Theilnahme. „Ja, bis zum Nachmittag; dann kommt die Gerichts commission" — sie schluckte — „und — versiegelt Alles!" Sie lehnte sich gegen die Säule der Veranda und rang die Hände. — Plötzlich hob sie das thränenüberströmte Gesicht und die Hände gegen ihn auf. „Herr Amtsrichter — vielleicht hat Gott Sie mir gesandt, ich bin ja ganz, ganz allein — und mir graut ja vor dem Tage: bleiben Sie heute bei mir. Ich habe Vertrauen zu Ihnen; helfen Sie mir diesen Tag überstehen! Ich habe keinen Menschen!" Er richtete sich hoch auf, und fest waren seine Züge: „Schön, ich bleibe hier, und vielleicht kann ich hier und da helfen. Kann ich im Krug wohnen?" Sie sah ihn dankbar an: „Haben Sie tausend Dank! Es haben mich Alle verlassen. Wenn Sie die Leute hier kennten! Ich war in Verzweiflung! Sie haben fast Alle an uns verloren, und darum sind mir Alle feind." Vier Wochen nachher. ES war Aller vorbei auf Hof Schlangendorf. — Das Fräulein saß am Tisch im fast leeren Zimmer und schrieb: „Nun nehmen Sie noch meinen Dank, meinen Herzensdank für Alles, wa» Sie an dem fremden Mädchen in jenen schrecklichen Tagen und nachher gethan. Sie sind mir wie ein Brunnen in der Wüste gewesen. Ich finde keine Worte dafür. Ich gehe über morgen hinaus, einer alten lahmen Tante Haus zu kalten; wie ich Sie damals bat in meiner Angst, mir zu helfen, so bitte ich Sie jetzt, den Mann, den ich kenne und dem ich rückhaltlos vertraue: bleiben Sie mir ferner nah, denn ich bedarf Ihrer! Auch Sie haben Leid erfahren, da wissen Sie, wie's einer Leid tragenden zu Muth ist! Ihre dankbare Adele." Vor der Thür stand rin einfach«, Wäglein, und ein Koffer wurde hinauf gelegt. Tief im Trauerschleier verhüllt trat Adele hinauS: da fuhr noch ein anderer Wagen durch das runde Hof- thor. Sie kannte den, der darin saß, und neben ihm ein Knäblein; ihre Hände thaten sich auseinander, um ihn zu em pfangen. Der Wagen hielt; der Amtsrichter sprang heraus. Schweifend bot er Adele den Arm. So gingen sie ins Hau», da» Fräulein tirf gesenkten Haupte«. Der Kutscher zeigt mit der Peitsch« hinterher. Im Wohnzimmer ließ er ihren Arm los. „Schlagen Sie den Schleier zurück!" bat er, „Wissen Sie, weshalb ich komme und was mich hertreibt?" Sie war sehr blaß. „Das Mitleid", sagte sie leise, „und Ihr barmherziges Herz." „Jawobl, mein Herz, Adele! Nur die Liebe zu Dir. Adele, willst Du mit mir gehen und bei mir geborgen sein?" Er reichte ihr die Hände hin. Das Mädchen lichtere sich auf. Sie warf den Schleier von der Stirn weit nach hinten zurück mit beiden Händen. „Doch, cs ist Mitleid, nur Mitleid, und Ihr ritterliches Herz sollt' ich mißbrauchen? Nein! Ein blutarmes Mädchen, die sollte in Ihr Heim einziehen? Und die Leute auf Sie und auf mich mit Fingern zeigen, und ich sollte die Leute zischeln hören: „Der hätte eine ganz andere Frau bekommen können.'" Jetzt war flammende Rothe auf ihrem Gesicht, wie sie da vor ihm stand. Er trat ans Fenster und rief hinaus: „Friedrich, bringen Sie mir mal den kleinen Jungen!" „WaS soll daS?" fragt« sie ängstlich. — Der Amtsrichrer schwieg. Da trat das Kind schon ein und ging zutraulich auf die schwarze Dame lo». „Wer ist daS?" fragte der Amtsrichter das Büblein. „Meine neue Mama!" sagte das Kind. „Das hat Papa gesagt." Da kniete sie vor ihm nieder und zog eS an sich und iiißie es. Und so, eS fest tm Arm haltend, sagte sie, zu dem ernsten Manne aufblickend: „Lassen Sie mir ein halb Jahr Zeit — nein: das halbe Jahr soll für Sie sein, nicht für mich —" „Komm, Willy", sagte er kurz. „Und Sie, Adele, leben Sie in Frieden; betteln will ich nicht!" Sie hielt das Kind fest umfangen: „Nun denn — ehe Sie im Zorn von mir gehen — lieber Alles ertragen! Ja, hicr bin ich; nehmen Sie mich, heute, morgen, alle Tage!" Sic hielt eine Hand nach ihm ausgestreckt und sah flehend auf ihn. Er neigte sich und umfaßte sie Beide. „So halte ich denn mein Glück, und segne Gott Euch Beide!" sagte er in HerzenStönen. „Uns Dreien geht die Sonne aus!" „Geborgen! — Geborgen!" sagte sie halb flüsternd; und er fühlt«, wie es zitternd durch ihre Glieder lief. „Mein Gott, ich fasse eS nicht!" - Sie weinte laut auf. Draußen knallte der Kutscher mit d«r Peitsche und die Pferd« stampften. Und die Sonne schien so hell in» Zimmer auf die Drei!
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