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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.02.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-02-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990222017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899022201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899022201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-02
- Tag1899-02-22
- Monat1899-02
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Größere Schriften laut unserem Preis- verzeicbniß. Tnbellarijcher und Zisfernsap nach höheren» Taris. —»-o—— Extra-Beilagen (gesalzt), nur init der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Pvstbesörderung ^tl 70.—. Xnnahmelchluk für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets au die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Mittwoch den 22. Februar 1899. W 93. Jahrgang. Zur Wiedereinführung der Berufung in Strafsachen. Aus juristischen Kreisen schreibt man uns: Bei der zweiten Lesung der Justiznovelle im Herbste 1896 ergab sich das merk würdige Schauspiel, daß, nachdem die Wiedereinführung der Berufung ein Jahrzehnt hindurch auf das Dringlichste verlangt worden war, die meisten Redner erklärten, der Berufung recht kühl gegenüber zu stehen, besonders wenn das und das — was eben ein Jeder gerade für Wünschenswerth hielt — nicht in die Vorlage hineingebracht würde. Kaum aber war die Justiz novelle gescheitert, so erhob sich aufs Neue die Forderung nach der Einführung der Berufung und jetzt scheint es fast, als wenn die Freunde der Wiedereinführung trotz der vielen noch be stehenden Meinungsverschiedenheiten bald zum Ziele gelangen sollten. In solchem Augenblicke ist es doppelt wichtig, wenn ein Berufener das Wort ergreift und Bedenken geltend macht, die auch von den Freunden der Berufung insofern berücksichtigt werden sollten, als sie Veranlassung geben können, Fehler bei der Wiedereinführung zu unterlassen. Freiherr v. Bülow, Senatspräsident beim Reichsgericht, weist, wie wir bereits er wähnt haben, als entschiedener Gegner der Berufung in der . Deutschen Juristenzeitung" auf die Gefahren hin, die sich aus einer mangelhaft durchgeführten Berufung ergeben würden. Er verwirft in erster Reihe die Verringerung der Richterzähl der Strafkammern, in zweiter die „detachirten" Berufungsgericht« bei den Landgerichten, schließlich, und zwar mit ganz besonderer Schärfe, die Beweiserhebung vor dem Berufungsgerichte in der Weise, daß die Zeugen nicht nochmals vernommen, sondern ihre erstinstanzlichen Aussagen verlesen werden. Was die Richterzahl bei den Strafkammern anlangt, so weist Herr v. Bülow darauf hin, daß der Umstand, ob drei oder fünf Richter die Strafkammer bilden, nicht sowohl deshalb von Bedeutung sei, weil fünf Richter besser über eine Frage entscheiden könnten als drei, sondern um des Stimmenverhält nisses willen, mit dem die Verurteilung erfolgen kann. Bei dem Fünfmännergerichte sind zur Verurteilung vier Stimmen, also eine Majorität von drei, erforderlich, bei dem Dreimänner gerichte entscheidet schon eine Majorität von einer Stimme. Der Streit, ob fünf oder drei Richter, der bekanntlich hauptsächlich oazu beigetragen hat, daß die Justiznovelle im Herbste 1896 zu Falle kam, würde seine einfachste und beste Lösung finden, wenn, wie auch v. Bülow am Schlüsse seines Aufsatzes vorschlägt, Vas Laienelement für alle Strafgerichte hinzugezogen würde. Dann würde wohl auch die Regierung gegen die Besetzung der Strafkammern mit fünf Richtern nichts einzuwenden haben. Vollständig zustimmen kann man der Ablehnung der Bildung „fliegender" Strafsenate, die zum Zwecke der Entscheidung über die Berufungen aus Mitgliedern des Landgerichtes und einem abgeordnetem Mitgliede des Oberlandesgerichtes als Vorsitzendem gebildet werden. Manche kleine Landgerichte, die aus sieben bis acht Mitgliedern bestehen, würden überhaupt kaum die nöthige Zahl von Richtern für diese Strafsenate zusammenbringen können. Abgesehen davon abbr hat diese Art der Besetzung ihre Nachtheile sowohl aus collegialen Gründen, wie aus Gründen des Eindrucks auf das rechtsuchende Publicum: aus collegialen Gründen, weil es Richter ein und desselben Gerichts und eines und desselben Ranges unangenehm berühren muß, wenn ihre Kollegen über die von ihnen getroffenen Entscheidungen als obere Instanz zu Gericht sitzen und gegebenen Falles durch Abänderung der Entscheidung Kritik an den Leistungen ihrer sonst gleich gestellten Kollegen üben; mit Rücksicht auf das Publicum, weil der Laie, und durchaus nicht mit Unrecht, nicht den Eindruck hat, von einer höheren Instanz abgeurtheilt zu werden, wenn Richter vom Range der Mitglieder des erstinstanz lichen Gerichtes in der Berufungsinstanz entscheiden. Ob in dem einen Falle ein Obcrlandesgerichtsrath, in dem anderen ein Landgerichtsdirector den Vorsitz führt, ist dem Laien gleich- giltig, übrigens auch wieder mit Recht, da beide Persönlichkeiten in dem gleichen Dienstrange stehen. Wer in der Praxis steht oder gestanden hat, dem ist jedes der wuchtigen Worte v. Bülow's gegen die Verlesung der erst instanzlichen Protokolle an Stelle der mündlichen Zeugen vernehmung aus der Seele geschrieben. Hat doch jeder Jurist selbst einst als junger Referendar Protokolle geschrieben und weiß, wie mangelhaft seine Leistungen dabei gewesen sind. In Preußen wenigstens sind die Referendare, die bei den Straf kammern beschäftigt werden, noch sehr jung im Dienst, denn sie haben in der Regel kaum ein Viertel ihrer Dienstzeit hinter sich. Aus diesem Grunde haben sie als Anfänger schon Mühe genug, allen formalen Anforderungen, die das Protokoll stellt, gerecht zu werden, damit nicht etwa aus einer Fortlassung ein Revisionsgrund hergeleitet werden kann. Wie soll da, wenn ein Zeuge seine Aussage rasch hersagt, ein getreues Bild der that- sächlich wesentlichen Puncte der Zeugenaussage gegeben werden? Man kann nicht verlangen, daß ein junger Jurist sofort die wichtigen Momente einer Aussage herauserkenne und sie wort getreu niederlege; unter Umständen kommt es aber auf jedes einzelne Wort an. Ein gewissenhafter Vorsitzender prüft zwar das Protokoll nach, aber auch er wird nach einer anstrengenden Sitzung nicht wohl im Stande sein, sich genau zu erinnern, was die 40 oder 50 Zeugen, die in einer Reihe verschiedener Strafsachen vernommen worden sind, ausgesagt haben. Auch kann man ihm nicht wohl zumuthen, womöglich das ganze Protokoll noch einmal umzuschreiben. Wenn also die Berufung in der Weise gehandhabt werden stillte, daß der Regel nach, oder auch nur des Oefteren, die Zeugen nicht nochmals vorgeladen würden, sondern daß man sich mit der Verlesung ihrer erst instanzlichen Vernehmung begnügte, so würde die ganze Be rufung nicht nur werthlos, sondern geradezu schädlich sein. Wenn es nun unangängig ist, einmal, daß Mitglieder des Landgerichts die Berufungsinstanz bilden, und zweitens, daß statt der mündlichen Vernehmung der Zeugen die Verlesung der Protokolle erster Instanz stattfindet, so ergeben sich von selbst die folgenden beiden Forderungen: 1) die Berufungsinstanz muß durch das Oberlandesgericht gebildet werden; 2) die Zeugen erster Instanz sind noch einmal zu vernehmen, und zwar neben den für die Berufungsinstanz noch namhaft gemachten, in der ersten Instanz noch nicht vernommenen Zeugen. Aus diesen beiden Forderungen zusammen ergiebt sich aber ein höchst unangenehmes Resultat, nämlich eine ganz gewaltige Kostenbelastung. Man nehme nur einen ausgedehnten Ober landesgerichtsbezirk, wie beispielsweise Breslau. Wenn da z. B. in Hultschin im Süden der Provinz oder in Rothenburg im Norden große Banvendiebstähle stattgefunden haben, und wenn dann zur Berufungsoerhandlung in Breslau ein halbes Dutzend Angeklagte und ein halbes Hundert Zeugen erscheinen sollten, so würden die Kosten ganz enorme werden. Wenn man Reisekosten, eventuelles Nachtlager und Tageszehrung zusammen rechnet, so würde der einzelne Zeuge gut und gern 20 bis 25 <-L Kosten verursachen. Es ist also nicht übertrieben, wenn man behauptet, daß eine Berufungsverhandlung unter Umständen allein 1000 Kosten für Zeugengebühren verursachen kann. Da nun in neun von zehn Fällen diese Kosten von den An geklagten nicht beigetrieben werden können, so würde eine außer ordentlich hohe Belastung des Staatssäckels eintreten. Wenn dafür keine Regierung zu haben ist, so kann man es ihr schließlich nicht verübeln. Wie lassen sich nun die Forderungen, die im Interesse einer guten Rechtsprechung gestellt werden müssen, mit den berechtigten fiscalischen Interessen vereinigen? Man richte in größeren Ober- landesgerichtsbezirken die Berufungssenate so ein, daß ein Senat am Sitze des Oberlandesgerichts selbst, zwei bis drei Senate in so geschickter Vertheilung an Landesgerichtssitzen constituirt werden, daß von keinem Orte der Provinz bis zu dem be treffenden Senatssitze eine größere Entfernung als 75 bis allen falls 100 Kilometer vorhanden ist. In Schlesien würden, um bei dem angeführten Beispiele zu bleiben, dann außer in Breslau etwa in Gleiwitz, Glogau und Hirschberg Berufungs verhandlungen stattzufinden haben. Führt man — und ohne dies wird die Einführung der Berufung immer nur ein Torso bleiben — die Betheiligung des Laienelements bei allen Strafgerichten durch und besetzt man die Strafkammern mit zwei Berufsrichtern und drei Laien, so wird man sich damit begnügen können, die Berufungssenate ebenfalls nur mit fünf Richtern zu besetzen, nämlich mit drei Mitgliedern des Oberlandesgerichts und zwei Laien. Dann steht der Berufungssenat zwar nicht quantitativ über der Straf kammer, wohl aber qualitativ, indem den beiden Mitgliedern der Strafkammer drei Mitglieder des Oberlandesgerichts gegen über stehen. Es würden dann, ähnlich wie bei den Schwur gerichten, nicht einzelne Verhandlungs t a g e, sondern Ver handlungsperioden einzurichten sein, so daß die Reisekosten für die Oberlandesgerichtsräthe in jeder Periode nur einmal aufzuwenden sein würden. Diese Perioden hätten je nach dem Bedürfniß alle zwei oder alle drei oder alle vier Monate statt zufinden. Die 'Angeklagten würden dann allerdings unter Um ständen einige Monate auf die definitive Entscheidung zu warten haben, aber das wird ihnen ja auch bei den Schwurgerichten, wo es noch mehr um Kopf und Kragen geht, nicht erspart. Wie wird es nun mit der Bedürfnißfrag«, d. h. mit der Häufigkeit der Berufungsverhandlungen bezw. Perioden stehen? Wir möchten da doch nicht ganz den pessimistischen Standpunkt v. Bülow'S einnehmen, der da meint, das Gros der Angeklagten, insbesondere der Gewohnheitsverbrecher, würde von dem Rechte der Berufung Gebrauch machen. Erstens macht man gerade bei Gewohnheitsverbrechern oft die Erfahrung, daß sie sich mit philosophischer Gelassenheit in ihr Schicksal ergeben. Die meisten Geständigen findet man nicht unter denen, die sich zum ersten Male zu verantworten haben, sondern unter denen, die recht oft die Anklagebank zieren. Zum Zweiten giebt es doch ein Mittel, frivole Berufungen zwar nicht unmöglich, aber doch unwahrscheinlich zu machen. Die Staatsanwallschaft würde anzuweisen sein, in allen Fällen, in denen in der Haupt Verhandlung erster Instanz die Schuld des Angeklagten durch die Zeugenaussagen klar erwiesen war und in denen trotzdem vom Angeklagten Berufung eingelegt wird, auch ihrerseits Br rufung einzulegen. In der ersten Instanz Pflegt nur selten aus das höcksste Strafmaß, das in dem betreffenden Falle denkbar ist, erkannt zu werden. Durch die von der Staatsanwaltschaft eingelegte Berufung wäre dem Berufungssenale die Möglichkeit gegeben, für den Fall, daß auch er aus der Beweisverhandlung die Ueberzeugung der frivolen Einlegung der Berufung erhäll, das Strafmaß der ersten Instanz beträchtlich zu erhöhen. Wenn dies zur conftanten Praxis der Gerichte wird, so werden die Verbrecher davon schon Wind bekommen und sich davor hüten, aus purem Uebermuthe Berufung einzulegen. Wir verkennen nicht, daß auch bei der von uns vorgeschlagenen Organisation der Berufungsgerichte immerhin noch erhebliche Mehrkosten für den Staat entstehen. Aber man darf auch nickn vergessen, daß, wenn die Berufungsgerichte sachgemäß functio niren und wenn die Einführung der Berufung nicht etwa mit einer Verschlechterung der ersten Instanz Hand in Hand geht, die Berufung doch sehr segensreich wirken und das Vertrauen zur Justiz steigern kann. Und dies ist doch ein Vortheil, den man nicht außer Acht lassen sollte. Deutsches Reich. L Berlin, 2l. Februar. (Der Traum eines Jesuiten gymnasium S in Berlin.) In den Kreisen des Centruins fühlt man sich dadurch beschwert, daß cS in Berlin keine böbere katholische Knabenschule giebt. Zwar hat früher in der Hedwig" gemeinde eine Art katholischen Progymnasiums bestanden, aber diese Anstalt bat wieder eingeben müssen. Zum Ersätze wurde jüngst in der „Köln. ZolkSztg." die Gründung einer katholische^ RectoratSschule empfohlen. Hiergegen wendet sich ein klerikaler Politiker, der sich offenbar für sehr „Helle" ball, indem er der Ansicht Ausdruck giebt, die Berliner hätten zu einer bescheidenen Rcctoratssckule kein Zutrauen, sie ver langten Gymnasien mit stolzen Namen, wie z. B. Leibniz- und Lessing-Gymnasium. Unser klerikaler Menschenkenner fährt dann fort: „Bestände bier Unterrichtsfreiheit wie in Nord amerika, so könnten die Jesu iten in Berlin cin Collcg errichten, und wenn für ein prächtiges Schnllocal gesorgt würde, mit Riesenfenstern wie bei dem Waaren- hause Wertheim, so würde eS im ersten Anläufe l OOO Zöglinge bekommen, auch Protestanten und Juden würden sich hinzudrängcn. Aus den Schein kommt in der Großstadt eben mehr an als auf das Sein, und die Parole für den GlückSjäger beißt: Nur nicht zu bescheiden auftreten! . . . Erfolg könnte man wohl nur mit einem glänzend eingeführten Bollgymnasium haben, an Schülern könnte es nicht fehlen — man muß denken, daß es sich um V« Million Katholiken handelt. Aber der Stau I will nicht, und die Jesuiten dürfen in dem „freien" Preußen kein Gymnasium gründen." — Gegen den Vergleich dcö Feuilleton. Warum beginnt unser Schuljahr mit der Okerzeit? Won E. Glaser. In der Osterzeit gab es im Mittelalter für alle Schulen ein Hauptfest, das GreqoriuSfest. 'Der Patron de» Festes war Gregor I. (der Große). Er ließ die Erziehung der Jugend sich besonders angelegen sein, errichtete auch eine Schule für Kirchen sänger, in welcher er selbst Unterricht gab. Sein Biograph Johannes Diaconus, welcher -im neunten Jahrhundert lebte, be richtet: Noch heute zeigt man in Rom die 'Bank, auf welcher er sitzend vorfang, und die Ruthe, welche er in der Gesangstunde seines Kirchenchores benutzte. Er erfand selbst eigene Melodien und suchte den Gottesdienst durch Bilder und durch guten Gesang zu heben. Einer seiner Nachfolger, Papst Gregor IV., welcher gleich ihm ein Freund der Jugend, der Schulen und Festlichkeiten ivar, stiftete im Jahre 830 zum Andenken Gregor's des Großen ein Schulfest am 12. März. Einige leiten dieses Fest auch aus dem altrömischen Kalender ab, welcher auf den 20. März gleich falls ein Schülerfest anzeigt. Die Verschiedenheit der Zeit, wo eS sich nur um die Differenz von einigen Tagen handelt, thut der Parallele schwerlich Eintrag. Vom 19. März an, fünf Tage hinter einander, feierte man in Rom die Quinquatrien. Dieses Hauptfest der Minerva, der Göttin der Weisheit, des Verstandes und Nachdenkens, der Künste und Wissenschaften, war auch ein Fest für die Schuljugend und bezeichnete zugleich den Schluß des alten und den Anfang des neuen Schuljahres. Am ersten Tage des Festes zogen Lehrer und Schüler in die Tempel der Minerva und brachten der Göttin Opfer. Während dieser Zeit waren die Schulen geschlossen und die Jugend überließ sich der Freude. Dieses Fest, Quinquatrus, war das Hauptfest der Schuljugend. Und nicht allein die Schuljugend, sondern auch die weibliche Arbeiten lernenden Mädchen, die Handwerker und Künstler der verschiedensten Art, ja ganz Rom nahm an diesem Feste Antheil, und mit Vergnügen erinnerten Erwachsene sich der Freuden des schönsten Festes der Jugend. An diesem Schulfest wurde Zuckerwerk und Kuchen an die Schüler vertheslt. Horaz erwähnt in den Satiren I, 1, 25 diese Sitte, wenn er sagt, daß freundliche Lehrer den Knaben Backwerk reichten, damit sie Lust bekämen, das ABT besser zu lernen. Daher scheinen unsere Zuckerdüten, welche die neu eintretenden Schüler wohl noch be kommen, sehr alt und der classischrn Zeit anzugehören. Auch der Schüler brachte beim Eintritt in die Schule dem Lehrer ein Geschenk, man nannte eS Minerval, es bestand eben falls au» Eßwaaren und dergleichen Sachen. Beide, Lehrer und Schüler, suchten sich also die. Schule zu versüßen. Dieses römische Schulfest wurde nun auf den Boden de» Christenthums verpflanzt zu Ehren Gregor's I., dem Schul freunde , der so viel Einfluß auf den Zustand der Wissenschaften hatte und diese Gedächtnißfeier seines Wirkens und Waltens wohl verdiente. Vielleicht war der alte Beginn oder das Ende des Schuljahres für die Wahl des Festes von Einfluß. Auf den Todestag Gregor's I-, den 12. März, der im Kalender noch heute seinen Namen führt, wurde die Feier des Festes gelegt. Wie einst das Bild der Minerva dem Zuge vorangetragen wurde, so erschien jetzt ein Schüler im päpstlichen Ornat, den Bischof Gregorius darstellend, und von zwei anderen Schülern, als seinen assistirenden Geistlichen, begleitet. Wie einst nach dem Tempel der Minerva, so zog man nun in die Kirche zu einer auch reli giösen Feier des Festes. Einige Zeit vor dem Feste wurden drei Knaben in der Schule gewählt, der eine zum Bischof, die beiden anderen zu seinen Pfarrern, und der erste mußte eine sogenannte Bischofspredigt, gewöhnlich in Versen, einstudiren. Kam nun der Gregoriustag herbei, so erschienen die Knaben beliebig verkleidet in der Schule. So zogen sie nun, ihren Bischof in der Mitte, zur Kirche, in der sich dieser mit seinen Pfarrern vor dem Altäre auf bereit stehende Bänkchen niederließ. Nach dem Liede: Veni suncts Spiritus und der vom Prediger gehaltenen Schulpredigt wurde das Gregoriuslied: Hört ihr Eltern, Christus spricht: Ten Kindern sollt ihr wehren nicht,' Sondern sie lassen zu ihm iomm'n, Daß sie von ihm werd'n aufgenomm'n. Dann trat der vermeinte kleine Bischof hervor und hielt seine Rede. Mit dem Heimzuge aus der Kirche verband sich der zweite Act des Festes, die Aufnahme der neuen Schüler. Von Straße zu Straße ziehend, holte man nämlich jetzt alle diejenigen Knaben aus ihren Häusern ab, welche beim Schulmeister als neue Scholaren angemeldet worden waren, warf ihnen als „Gregorianern" ein weißes Lhorhemd über und führte sie so in Procession in die Schule ein. Der heiter - festliche Aufzug sollte sowohl die Eltern mahnen und aufmuntern, da Schul zwang noch nicht bestand, ihre Kinder in die Schule zu schicken, als auch den Kindern Lust machen, sich in dieselbe ausgenommen zu sehen. Die übrigen Schüler Pflegten hierbei von den Bürgern, besonder» aber von den neuen Mitschülern, mit allerhand Back- werk, zumal mit Bretzeln, beschenkt zu werden. Aber auch für den Lehrer sollte dieser Tag ein Festtag sein. Er durfte an diesem und den folgenden Tagen mit den singenden Schülern einen Umgang halten, d. h. von Haus zu Hau» gehend freiwillige Gaben von der Bürgerschaft einsammeln. Galt doch dlesest noch bi» in die neueste Zeit al» eine der natürlichsten Formen der Lehrerbesoldung. Dieses GregoriuSsingen kam ver- einzelt noch 1869 vor. Man suchte auch noch auf andere Weise für die Schule Reclame zu machen. An einigen Orten gab e» eine Schul komödie, welche Philipp Melanchthon sehr liebte und auch einen GregoriuSfestgesang dichtete, der so lange gesungen wurde, als dieses Fest gefeiert wurde. Don den Schulkomödien wird be richtet, daß in Bautzen (1418) die heilige Dorothea, in Grimma (1543) die heilige Susanna und ebendaselbst (1582) die Komödie vom verlorenen Sohne aufgeführt wurde. Der Rath der Stadt Grimma verehrte dem Lehrer, „da er die Komedie agiret", 24 Groschen. Nach der Reformation erlitt das GregoriuSfest keine wesent lichen Veränderungen, man freute sich der unschuldigen Jugend- lust und war dem Brauche gewogen. So spielte (1599) die Kantorei-Gesellschaft zu Grimma auf öffentlichem Markte mit ihren Adjuvanten und Schülern eine geistliche Komödie, einem wohlweisen und ehrbaren Rathe zu gefallen, der christlichen Jugend zur gottseligen Uebung, auch der ganzen gemeinen Bürgerschaft zur Lehre, Trost und Vermahnung, von der Aus führung Lot's und dem endlichen Untergange von Sodom und Gomorha. Damit auch Alles natürlich zuging, so brannte man zu dem Endzwecke ein kleines Feuerwerk ab. Neben den biblischen Stoffen wurden auch die Götter und Göttinnen des Olymp und allerhand allegorische Personen dar gestellt. Nach dieser neuen Richtung wurde von dem Gymnasium zu Görlitz (1585) das Gregvriusfest abgehalten.*) Den Zug eröffneten die Schüler der vier untersten Klassen, „alle in Weißen Kitteln mit silbern Gürteln, kreuzweiS über die Achseln gelegt", jeder ein Fähnlein in der Hand. Von Schülern der zweiten Klasse wurden neun Musen, die sieben freien Künste und die sieben Cardinaltugenden in Frauentracht dargestellt. Die Haupt personen wurden von Schülern der ersten Klasse repräsentirt. Da erschien zuerst der Papst mit 18 Bischöfen, 4 Kirchenvätern, 4 Doctoren der Theologie, 4 Juristen, 4 Medicinern, 4 Philo sophen; alsdann der Kaiser („einer vom Adel") mit der Reichs fahne, „roth und weiß" (kostete II Thlr. 18 Gr."), gefolgt von den sieben Kurfürsten, deren jeder seine Insignien trug und von zahlreichem Hofgesinde. 1591 ging der Papst unter einem Thronhimmel, den 4 Stu denten hielten. Dem Kaiser trug man die Reichsfahne und das bloße Reichsschwert vor, und die Stadtpfeifer mußten trommeln und blasen, und war sonst eine schöne nausioa von Harfen, Zit tern, Geigen, Lauten, auch allerhand Narrentand. Ganz besonders aber war der Aufzug von 1646, wo nach langer Pause während des Dreißigjährigen Krieges zuerst wieder das Fest gefeiert wurde. Diesen Aufzug hat ein Schulmeister aus Markersdorf bei Görlitz, Michael Wehlt, der zu diesem Zwecke in die Stadt gegangen, in seiner handschriftlichen Chronik (p. 341) ausführlich beschrieben: Früh um 9 Uhr kam der Zug aus dem Kloster heraus, bewegte sich über den Markt bis ans Neißthor, von da nach der PrterSkirch« und über den Herings markt nach dem Obermarkte, wo ein Kreis gebildet und gesungen ward. Dann kehrte er wieder in daS Kloster zurück. Gtadtdtener gingen voran und bahnten den Weg durch die von allen Seiten *) S. tknothe, zur Geschichte de» Eregoriurseste». herbeigeströmte Volksmenge. Ein Engel mit einer Fahne öffnet« den Zug. Ihm folgten 40 Knaben in weißen Hemden mit Fähn chen. Dann kamen die 7 freien Künste und die 7 Tugenden, darauf 12 Bischöfe mit Bischofsmützen und kaselen (Gewand der katholischen Priester). Hinter ihnen der Papst mit großen grauem Barte, in einem Buche lesend. Auf der Tiara (der dreifachen Papstkrone) war die Mutter Gottes gemalt. Darauf erschienen die gelehrten Stände, begleitet von kleinen Trabanten. Berg knechte, Jägermeister mit Hunden, Waffenträger in Harnischen, Ritter, Musikanten, Kurfürsten, von vielen Fahnen begleitet, schritten nun voran dem Kaiser, der mit Krone und Scepter hock zu Rosse saß. Unmittelbar vor ihm ging die Gerechtigkeit und die Reichsfahne, hinter ihm ein Zwerg und ein Mohr, neben ibm „trefflich viel kleine Trabanten". Den Zug beschlossen Hand werker, Fuhrleute, Bauern, die allerhand Muthwillen trieben, ja mit ihren Dreschflegeln das Volk „über die Köppe traschen". Um die Schule recht angenehm zu machen, beschenkte man die neu eingetretenen Schüler mit Süßigkeiten. Der Superintendent Crato zu kalbe lud mit folgenden Worten zu dem Gregoriusfeste ein: „Diese Woche, geliebt's Gott, wird unser Schulmeister nach guter alter Gewohnheit das Schulfest halten für die Knaben, und junge Schülerlein einholen lasten. Gleichwie Braut und Bräu tigam ihren Ehestand mit Trumme! und Pfeifen anfangen, al' > werden die Kinderlein mit Honigkuchen, Zucker, Rosinicken u-.a Mandelkern, die sie gerne essen, in die Schul' gelockt und ein geführt, und haben denselbigen Tag frei, ehrliche Freude und Spiel zu halten." Reich« Leute, zumal Adelige, ließen ihre Söhne sogar in die Schule einreiten. Dieses war in Zittau Brauch. Bei dem Um gange wurden die Scholaren zu Pferde von den übrigen Schülern durch die Stadt herumgeführt. Voran ging ein Mann, der eine Stange trug, die aufs Zierlichste geschmückt und mit allerhand Eßwaaren behangen war. Als sie zur Schule eingeritten, behieli der Rector die Victualien, die an der Stange hingen, und mit den übrigen Schulcollegen tractirte er die Knaben mit eine: Mahlzeit. AuS Görlitz melden die Schulnachrichien vom Jahre 1584: „Dabei hat Junker von Nostiz zum Schönborn seinen Sohn zu Görlitz lassen in die Schule reiten mit großer Pracht und Schmuck und hat vier Borreiter gehabt, alle mit güldenen Ketten gc schmückt, so des Edelmanns Reitknechte gewesen. Es haben auch die Stadtpfeifer vor dem Knaben her geblasen mit dem Dro meten, so vorher nie gewesen. Des Abends war Schmaus beim Rector. Auch die Herren des Raths und andere Honoratioren wurden dazu eingeladen. Daß cs dabei heiter hergehen mockte, sieht man daraus, daß z. B. 1587 in Görlitz 53 Kannen Wein dabei verbraucht wurden. 1620 verehrte der Rath daselbst dem Rector zum oonviviurn 18 Kannen Wein, und Jeder aus der Bürgerschaft, der dazu geladen war, brachte eine oder zwei Kannen mit. Seit 1666 ward dem Rector „zum gewöhnlichen oonvivio" bei dem GregoriSfeste 10 Thaler gereicht. Als cs aber 1690 dabei zwischen dem GcabinuS Besser und dem konrrcw,
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