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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.02.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-02-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990223010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899022301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899022301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-02
- Tag1899-02-23
- Monat1899-02
- Jahr1899
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etleu i. IX i. v. i. IX Xv. t. 0. I. t». X v X 0. Xv. X 0 Xv. X o. xo. i. I). W.6p-b8 XI). Xv. i. v. <»Its) i. 0. Xv »UV» XIX j. o. X o. X v. XI) xo. XI» »»v». s k. r. <Lsi:X v d/: s102,2o6. tte». i tl-irk »2200-x xo. xo xv. X 0. ' 21. X 0. 7bbr X 0 X 0. Xv v 0. 0. 0. 0 X 0 X 0. X8«t v X v X 0 Xkirit-0. iL»,tv. -U.rlc X v X 0 Bezugs-PreiS in der Hauptexpedition oder den im Stadt« bnirk and den Vororten errichteten Aus gabestellen abgeholt: vierteljährlich ^4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins Haus 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Lestrrreich: vierteljährlich ^i 6.—. Directe tägliche Kreuzbandiendung tu» Ausland: monaUtch 7.50. Di« Morgen-Nusgab« erscheint mn '/,? Uhr. dir Abend-AuSgabe Wochentag- um 5 Uhr. > 0—- I Uedactilm »d Lrye-itis«: 8. Die Tkpedition ist Wochentag» anunterbrochen geöffnet »0» früh 8 bl» Abend» 7 Uhr. Filialen: cito Ale NI IN'S Torttm. (Alfred Hahn). Univrrsitätssrraße 3 (Paulinum), Lont» Lösche. Katharinenstr. Ich Part, und König-Platz 7. Morgen-Ausgabe. MMer TagMM Anzeiger. Amtsölatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Mathes und Polizei-Amtes -er Ltadt Leipzig. Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reclamen unter dem NedactioiiSstrich (4ge- spalten) 50vor den Familiennachrichten (6gespalten) 40/^. Größere Schristrn laut unserem Preis« Verzeichnis. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen «Au-gabe, ohne Postbesörderung SO.-, mit Postbesörderung 70.-. Äkuahmeschluß für Aszeigea: Ab «nd »Au-gab«: vormittag» 10 Uhr. Morgen-Luögab«: Nachmittag» »Uhr. Bei den Filialen und Annahmestelle» je eine halb« Stund« früher. Anzeigen sind stet- an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 88. Donnerstag den 23. Februar 1899. 83. Jahrgang. Rußland, Frankreich und England am Persischen Meere. V. 8. Erst wenige Monate sind fort der Beilegung des scurkzöstsch-englischen Conflictes um Faschoda verstrichen, und schon wieder ist ein Streitfall zwischen Paris und London aus- gcbrochen, der dieses Mal einen ernsteren Charakter trägt. Das Abkommen Frankreichs mit dem Sultan von Omam, wegen Abtretung eines Hafens an der Küste von Maskat, hat in London und Bombay Unruhe hervorgerufen und den Dicekönig Curzon sofort zu kriegerischen Maßregeln veranlaßt. Die Angelegenheit gewinnt aber dadurch noch besondere Bedeutung, daß, dem Anscheine nach, nicht Frankreich und England die allein und ausschließlich handelnden Mächte sind, sondern offenbar Ruh la nd, der gefährlichste Nebenbuhler der britischen Macht, im Hintergründe steht. Rußland hat lange vergeblich versucht, einen Stützpunkt für seine Flott« am Persischen Meere zu erwerben; es war noch kürzlich eifrig bemüht, Raheita, ein kleines un abhängiges Sultanat an der Osiküste Afrikas, gegenüber der englischen Insel Perim, in „Pacht zu nehmen", um von dort aus Actionen nach Indien und die angrenzenden Gebiete zu unter nehmen, und gcichzeitig einen Rückhalt an Abessinien zu ge winnen, falls ein Mal die Abrechnung mit England sich nicht mehr vermeiden läßt. Doch mußte diese Absicht aufgegeben werden. Für die directe Betherligung der zarischen Regierung am Zwischenfall von Maskat sprechen einerseits der Umstand, daß Rußland einen Consul dorthin entsendet, obwohl es dort gar keine Handelsintrressen hat, andererseits ferner die hart näckigen Bestrebungen, sich irgendwo zwischen Afrika und Asien festzusetzen, und endlich eine Meldung der Londoner Blätter, daß Rußland und nicht Frankreich der eigentlich vertrag schließende Staat mit Omam sei. Daraus erklärt sich jedenfalls die Thatsache, daß auf Befehl deS Dicekönigs Curzon zwei Kanonenboote sofort nach Maskat abgegangenen sind und ebenso daß drei weitere Kriegsschiffe nach Karadschi dampfen, um das JnduSdelta al» künftige OperationSbasie festzuhalten. Das wären Maßnahmen, die in der Haltung der französischen Re publik nicht begründet sind und die Annahme rechtfertigen, daß die Londoner Staatsmänner die Ereignisse in Maskat als einen Schlag ihre» alten und mächtigsten Feinde», nämlich Rußland-, empfinden. In der That hat dieses das größte Interesse, eine Kohlen station im Süden Arabiens zu gewinnen. Die Möglichkeit, von dort den Versuch eines Vorstoßes nach Indien zu wagen, dessen wir bereits Erwähnung thaten, liegt auf der Hand. Für den Seekrieg mit England wäre ein Hafen bei Maskat für Rußland von ganz unschätzbarem Werthe. Sodann aber kommt noch ein neues und bemerkrnswerthes Moment in Betracht. England trägt sich schon lange mit dem kühnen Gedanken, einen großen Theil des südlichen Arabien unter sein Protectorat zu bringen. Nach den russischen Blättern handelt es sich um ein bedeutendes Gebiet, welches an Ausdehnung dem der französischen Republik entspricht, und von Babel-Mandcb bis zum Golfe von Omam reichen soll. Me weit diese Gelüste der ehrgeizigen Briten Wirklichkeit geworden, »die weit die Zeitungen in Petersburg und Moskau übertrieben haben, läßt sich im Augenblick noch nicht fcststellen. Officiell giebt man in London die Sache nicht ru; aber gleichwohl darf eS al» Thatsache gelten, daß der britische Einfluß im Süden Arabiens weit genug reicht und daß zahl reiche Herrscher der verschiedenen Sultanate in Wahrheit die Engländer als Oberherrrn erkennen. Besonders war dieses in Maskat der Fall, und da» an drssrn Sultan jetzt gestellte Ulti matum mit der Forderung, das Abkommen zu vernichten, entbehrt, wenn auch der rechtlich formellen, so doch nicht der Grundlage, auf welcher nun einmal dl« dortigen Verhältnisse in Wirklichkeit ruhen.*) *) Mittlrrwril« hat der Sultan dem Ultimatum sich gefügt und den Vertrag vernichtet. Da- Londoner „Daily Mail" schreibt: Da» britische Vorgehen in Ma»kat war prompt, wirkungsvoll und durchs»- befriedigend. WaS Frankreich dort wollte, ist schwer er« kindlich, fall- e» nicht wünschte, England einen neuen Nadel« stich zu»ufüg«n. Aber di« Zeit d«r Nadelstich« ist vorüber. Frankreich habe keinen Handel und keinerlei Interessen (?) im Di« Festsetzung des Zweibunides am Golfe von Omam würde dem englischen Vordringen im Süden Arabiens fühlbar« Hinder nisse entgegensetzen, wenn nicht überhaupt Erfolge daselbst in Zukunft in Frage stellen. Die Gefahr, welche den Engländern nach dieser Seite droht, ist nicht zu verkennen uckd wird von ihnen sicher nicht unterschätzt. Sie müßten sich aber außerdem von Abessinien abwenden, wo sie gerade in jüngster Zeit be- achtenswerthc Fortschritte gemacht haben und den Russen und Franzosen in wirksamer Weise entgegentreten konnten. Es sei nur an die Linie erinnert, welche die Engländer mit Ge nehmigung des NeguS Menelik von Harrar nach Zeika zu bauen gedenken und die ihrem Welthandel neue und ergiebige Gebiete eröffnen soll. Diese Bahn ist bestimmt, die Erzeugnisse Abessiniens den Weg nach Europa zu ebnen und dürfte den Fran zosen und der von diesen geplanten Linie von Djibuti nach Abessinien eine empfindliche und schwerwiegende Concurrrnz be reiten. Vielleicht ist auch hierin der Anlaß zu suchen, der Frankreich bewog, gerade jetzt durch ein Abkommen mit dem Sultan von Omam am Persischen Meere Fuß zu fassen. Ium Glück für die Engländer ist Rußland in dieser Frage auffallend zurückhaltend und scheint einstweilen den Franzosen die diplo matische Regelung der Sache allein überlassen zu wollen. Dazu kommt der Wechsel auf dem Präsidentenstuhl in Paris, von dem Niemand noch weiß, welche Folgen für Frankreich und di« Welt politik überhaupt, er mit sich bringen wird. DaS könnte däe Franzosen gefügiger machen, als es auf den ersten Blick möglich erscheint. Schwerlich aber wird man annehmen können, daß der Zwischenfall in Maskat ebenso rühmlos für Frankreich vertäust, wie die „Besetzung Faschodas". Dazu stehen schon für Ruß land zu wichtige Interessen und Pläne auf dem Spiele. Höchstens könnte ein Aufschub möglich sein, bis Frankreichs Re gierung sich aufs Neue consolidirt und die Abrüstungskonferenz ihre Arbeit gethan hat. Ist dieses geschehen, dann wird die Frage der Festsetzung des Zwerbundrs am Indischen Ocean -inen neuen und acuten Charakter annehmen, deren günstige Lösung den Engländern diese» Mal sicher nicht leicht gelingen wird. Die Lismarckehrrmg. Ein dem Fürsten Bismarck besonder» nahe stehender Ver wandler bat einmal bei dessen Lebzeiten geäußert: Für den Fürsten gäbe e» kein schönere» Denkmal al» die große Ausgabe der Reden durch Horst Kohl. Eia schöne» und stolze» Wortl Die Nation al» Ganze» würde sich wohl ein noch schönere» Monument denken können: da» energische Forllebea de» BiSmarck'schen Geiste» — freilich aber nicht bloßer BiSmarck'scher Au-sprüche — in unserer nationalen Politik innerhalb und außerhalb der Reichsgrenzen. Allein auch in der Richtung, welche die Kohl'sche Ausgabe der Lismarckreden innehält, wird sich, wenn der Gedanke an die Nation als Ganze- berantritt, noch ein schönere» Monument denken lassen: ein wissenschaftliche» Institut, in dessen Räumen sorgsam zusammengevracbt und gepflegt wird, wa» Bismarck nur irgendwie Bedeutsames gesagt und geschrieben, und nicht minder, WaS Über ihn von Zeitgenossen und Späteren Wich tigeres gesagt und geschrieben worden ist. Der Gedanke eine» solchen Institutes, eine» Bi-marckhause» in diesem Sinne, ist nicht neu; in Eombination mit der Errichtung eines wirklichen BiSmarckarchiv», da» auch Oritzinalien von der Hand de» großen Kanzler» entkalken sollte, ist er wohl zuerst in Leipzig im Anfang des Jahre« 1895 au»gesprochrn worden. Jetzt ist er nun mit vermehrter Wucht aufgrtaucht: nicht mehr bloS die, die am nächsten zur Sache stehen, die Historiker, hegen ibn, er gehört dem Empfinden der nationalen Kreis« überhaupt an. Und schon bat landSmännische Liebe ihn localisirt: Stendal, meinen die Altmärker, meinen Allen vorweg die Stendaler selbst, sei der würdigste Ort für ein solche- BiSmarckhauS. Der Sachverständige wird, so sehr er Persischen Golf, während die dortigen Interessen England- und Indien» außerordentlich groß seien. England könne keiner fremden Macht gestatten, so nahe an Indien festen Fuß zu fassen. Di« „Time-" urtheilrn ähnlich. Die „Morning Post" neuerdings muth« maßt, daß hinter dem Schritt« Frankreich« tu «atkat Rußland stand. (Anm. d. Red.) die einer solchen Localisirung zu Grunde liegendeu Empfindungen achtet, doch gegen eine Ausführung deS Gedanken» in diesem Sinne die wichtigsten Bedenken geltend machen müssen. Zu nächst: Warum soll daS BiSmarckhauS gerade nach Stendal kommen? Warum denn nicht lieber nach Schönhausen, daS ja nicht weit von Stendal liegt und schon da- BiSmarckmuseum besitzt, oder wenn man nun einmal die ältere Vergangenheit de« Geschlecht» Bismarck in Betracht ziehen will, nach Bismarck selbst, einem kleinen Städtchen, daS nur um einige Bahnstationen von Stendal entfernt ist? Man wird entgegnen: DaS heißt daS BiSmarckhauS vergraben, wie daS Museum schon ver graben ist, ja, da» heißt den Gedanken diese» Hause» noch mehr schädigen, wie der de» Museum» schon geschädigt ist; denn da» Museum ist schließlich eia Ort, den nur besondere Liebhaber aufsuche», da- BiSmarckhauS aber soll der allgemeinen historischen Forschung, soll der deutschen Zukunft »»gehören. Ja, glaubt man denn, da- sei in Stendal der Fall? Eben dieselben Gründe, die gegen ein BiSmarck- bau» iu Bismarck oder Schönhausen sprechen, sprechen auch gegen ein BiSmarckhauS in Stendal. Mau wendet wohl ein, Stendal sei Knotenpunct von so und so viel Eisenbahnen. Allein Hand aufs Herz: wer, außer den Angehörigen de» LocalverkehrS, steigt denn in Stendal nicht blo» um, sondern auch aus — so viel de» SebenSwerthen die alte Stadt mit ihrem Dom und ihren Thoren, mit ihrem Roland und ihrer Marienkirche auch bietet? Und wenn nun der künftige Historiker auch ausstiege und da» BiSmarckhauS aufsuchte: würde er denn in Stendal auch arbeite» können? Keineswegs! Er würde hierzu einer Bibliothek bedürfen, wie sie nur die größten Städte, vor allen die Universitätsstädte bieten, und wie sie njemals von einem auch noch so reich dotirten BiSmarckhauS beschafft und auf dem Laufende» erhalten werden kann. DaS BiSmarckhauS gehört darum iu eine große, am besten in eine Universitätsstadt; und da empfiehlt sich auS tausend Gründen, nicht zum Wenigsten auch auf Grund biSmarckischer Familientradition — die Mutter BiSmarck'S, eine geborene Mencken, gehörte bekanntlich einem Leipziger Gelehrten geschlechte an — Leipzig. Ei« ViSmarckhau» in Stendal ist eine lobenSwerthe, aber durchaus unpraktische, ja romantische Idee; rin BiSmarckhauS in Leipzig würde eiue That sein, dir dem Leben ebenso sehr wie der Wissenschaft zu Gute käme, und nur damit wäre den Manen de» großen Kanzler» ein würdige» Drnkmal gesetzt. Deutsches Reich. * Leipzig, 23. Februar. Unter dem Titel: „Wegweiser durch BiSmarck'S Gedanken und Erinnerungen' ist heute ein im Verlage von G- I. Göschen in Leipzig erschienene» Buch zur Ausgabe gelangt, daS besonders im Kreise der Leser des „Leipziger Tageblattes" auf zahlreiche Freunde rechnen darf. Die» ergiebt sich schon au» der Vor rede de» Verfasser», Prof. Or. Horst Kohl, in der e» heißt: „D«r Wegweiser durch die Gedanken und Erinnerungen deS Fürsten Otto von Bismarck" verdankt seine Entstehung einer An- rrgung, di« mir die Rrdaction dr» „Leipziger Tageblattes" grg«b«n hat. Sie bat mich, di« L«ser diese» Blatte- mit drm Inhalte dr» bedeutenden Werke» bekannt zu machen, und so schrieb ich rin« größer« Anzahl von Aussätzen zur Ein- führung in die Lektüre. Sie fanden mehr Anklang, al» ich selbst erwartet hatte: von vielen Seiten, darunter auch von Männern, drren Urtheil ich besondere- Gewicht beilege, wurde ich anfgefordert, die Aussätze zu erweitern und zum Buch« zusammen« zufassrn und dadurch d«n zahlreichen Lesern der „Gedanken und Er« inneruugen", dir dem erlauchten Geschicht-schrriber nicht überall zu folgen vermögen, weil ihnen di« vorausgesetzt« Krnntniß der historisch«« Entwickelung fehlt, «in«n L«itsad«a in bi« Hand zu gebt«, der «» ihnen ermöglicht, da» Werk mit drm Gewinn zu studir««, den e» für di« Erziehung de» deutschen Volke» zu historischem und politischem Denken bringen soll. Au dits«« GrsichtSpunctr will da» Buch betrachtet sei». ES bietet i« > knapper Zusammenfassung da- Dissen-würdigste de» großen Werke-, überbrückt durch historische Erzählung gewisse Lücken, die Fürst Bismarck mit vollem Bewußtsein gelassen hat, weil er die Geschichte seiner Zeit überhaupt nicht schreiben wollte, nimmt Stellung zu den mancherlei gehässigen Angriffen, die Les Fürsten Werk durch seine politischen Gegner erfahren Hal, nnd bekräftigt durch die eingeschalteten Beweisstücke die Darstellung Les Fürsten, wo ihre geschichtlich« Wahrhaftigkeit angezweiselt wurde. Indem da- Buch so mancherlei Neue» bringt, wird es für die Be sitzer der „Gedanken und Erinnerungen" eine erwünschte Ergänzung sei«. Der großen Masse derjenigen aber, die nicht im Stande sind, sich da- Werk d«S Fürsten zu kaufeo, wird der „Wegweiser" zu einem „Schatzkästleiu" der politischen Weisheit, .die iu den „Ge danken u»d Erinnerungen" oiedergelegt ist." Unsere Leser begrüßen also in dem Buche einen lieben Bekannten, der seit der letzten Begegnung noch wesentlich zu genommen hat an Erfahrung und Bclehrungsgabe. Mit Gcnugthuung werden sie in dem Werke manches inter essante historische Actenstück, daS in den vor Weib- nachten von un» abgedruckten Artikeln nicht mitgetheilc werden konnte, sowie manche andere Ergänzung sindcu, die helleres Licht auf den Inhalt der „Gedanken und Erinnerungen" wirft. Besonders willkommen dürfte ihnen auch di« dem „Wegweiser" als Anbang beigegebene Uebersetzung der fremdsprachlichen Ausdrücke und Stücke in dem politischen Testamente deS großen Kanzlers sein. Weiteren Kreisen ist das Werk ebenso zu empfehlen. Besonders bat der Verfasser bei der Herausgabe an die Jünglinge unserer Gymnasien und Hochschulen gedacht und an die große Zabl junger Kaufleute, die sich nach der Arbeit des Tages gern auch einmal an ernster Lectüre erfreuen, wenn sie ihnen in einer dem Maße ihrer wissenschaftlichen Bildung entsprechen den Form geboten wird. In jeder Hand wird das Buch Segen stiften. Berlin, 22. Februar. (Wahrheit und Dichtung über die Strafzumessung in Strafsachen.) Es ließ sich vorher sehen, daß die Socialdemokratie daS Dresdener Schwurgericht-urtbeil nicht nur zu Angriffen gegen dies Urtheil selbst, sondern auch zu allgemeinen Angriffen gegen die Strafjustiz überhaupt ausnutzen würde. So schreibt ein „prak tischer Jurist" in der „Leipziger Bolkszeitg.": „Eta raergischer Borsitzender, dem in den zuin Thcil gewöhnlich mit anstellungslustigen Hilf-richtern besetzten Kammern ost Las nöthige moralische Gleichgewicht gcgeuübcrsleht, ja ein eifriger Land« gerichtSpräsident Übthier ost einen uugcahn ten Einfluß auf die Strafthätigkeit seiner Kammer oder Kammern aus. Nur hieraus ist r» z. B. erklärlich, daß selbst bei uns in Sachsen notorisch von den v«rschiedeuen Landgerichten ganz verschiedenartige Strafen gc« fällt werden. Wir könnten sächsische Landgerichte namhaft machen, di« da- RenommS« sogenannter „Blntgrrichte" haben und die cr- sahrungsmäßig regelmäßig ungleich schärfer strafen als andere. So hängt r» von einem reinen Zufall selbst auf dem Boden unsere- kleinen Land«- davon ab, ob ein Angeklagter einige Jahre mehr oder weniger, ob er Zuchthaus oder Gesängniß zudictirt erhält u. s. w." E» ist eine falsch« und gehässige Unterstellung, die Ver schiedenheit der StrafgerichtSurtbeile daraus herzuleiten, daß der Vorsitzende auf die „zum Thcil gewöhnlich mit anstellungs lustigen Hilfsrichtern besetzten Kammern" Einfluß auSübe. Erstens sind die Strafkammern nicht gewöhnlich, sondern nur ausnahmsweise mit Hilfsrichtern besetzt, 2. sind sie auch dann nicht „zum Theil" mit Hilftrichtern besetzt, sondern von 5 Richtern ist einer ein Assessor, so daß der Vorsitzende, da zur Berurtbeilung 4 Stimmen erforderlich sind, nicht nur diesen Assessor, sondern auch noch 2 festangestellte Richter, denen die Stimmung und Gesinnung d«S Vorsitzenden ganz gleichgiltig sein kann, auf seine Seite herüberziehen muß; 3. aber thut der „praktische Jurist" de« HilfSrichlern bitteres Unrecht, wenn er annimmt, daß sie ihre Ueberzeugung durch die Rücksicht auf daS Wohlwollen deS Vorsitzenven beeinflussen lassen. Ja der socialdemokratischeu Part« fliegen ja freilich diejenigen hinau», die den Parteihäuptlingeu zu widersprechen Feuilleton. Lin gesalzener Jubilar, von tzrrman» Pilz. Kann eS um die Zeit, da der Fasching zu Ende ging und Aschermittwoch der tollen Lust und Laune em bußfertiges Ziel gesetzt hat, einen zeitgemäßeren Jubilar grben als den — Hering, von dem in einer tiefsinnigen Carnevalsrede zu Köln behauptet wurde, daß er lediglich um Aschermittwochswillen ge schaffen warden sei- Er spielte tn der That in diesen Tagen als „HtrrtngSschlot" tn der FaschingSmetropole am Rhein ein« groß« Rolle und wird nicht nur von denen, die sich in Sack und Asch« ob ihrrr CarnevalSlüste hüllen möchten, »«rsprist, sondern von Allen vertilgt, die dem Fasching «inen würdigen Abschluß geben wollen. Hering mit weißen Dohnen bildet in Belgien am Ascher. Mittwoch eine allgemein« Fastensptise und am Fastrnsonntag werden inGeeraerdSberge(Grammont) vor der Kirche unheimlich« QuanttMten Heringe unter das Volk verthrilt. Auf den tollen Fasching folgt naturgemäß „Katzenjammer", und gegen ihn ist nun einmal seit alten Zetten der beliebte Schlundblasenfisch das radicalste Heilmittel. Schon die alten Klosterbrüder wußten das, und der Hering hat die Ehre gehabt, in dt« lüarrrünn lüericoruw mit ausgenommen zu werdrn, Wit r» ja heute noch in der rührenden Ballade „Tin Hering liebt' eine Auster" im Commersbuch der deutschen Studenten, die alle Ursache haben, ihm besonders dankbar zu sein, fortltbt. Im Kreuzgang des alten Paulinerklosters in Leipzig halt« einer der Mönche, welche bei den FreSken daselbst beschäftigt waren, ebenfalls, in dank barer Erinnerung aN tintN Überstandenen Klostrrbräu-Kater, eine Reihe von Heringen an dem Gewölbe abconterftit. „Saurer Hering!" dachte er ber sich, „Du bist der Wohlthätkr der leidenden Menschheit!" Und dieser Wohlthäter, der in dreifacher Anzahl auch im Wappen von Norwegen prangt, soll eia Jubiläum feiern? Man sagt, dast es jetzt gerade fünfhundert Jahre her sei, seit der Hering zum ersten Male in seiner eigentlichen Bedeutung al» „Salzhering" gewürdigt wurde. Seit undenklichen Zeiten kommt der Hering jedes Jahr in ungeheuren Zügen aus dem Eismeer an die Küsten Schottlands, Norwegens und Holland», um dort zu laichen, wobei er von den Heringsfischern, di« ihn sehnsüchtig erwarten, gefangen wird. Die ältesten HeringS- fischer waren die Schotten, denen sich vom S. Jahrhundert an die Bewohner Flanderns, Seeland», Hollands und Frieslands anschlossen. Die Deute war lohnend, aber die Heringe hielten sich nicht. Da verfiel im Jahr« 1398 Wilhelm Bökel (Buckhold), ein Fischer tn Biervliet, auf den erhabenen Gedankrn, den Hering einzusalzen. Nach Monaten, al» seine Genossen längst kein« Heringe mehr aufzuweisen hatten, öffnete er seine Tonnen und staunend kostete man von den gesalzenen Fischen. Seit 1398 kam nun Bökel's Methode allgemein in Aufnahme und der Heringshandel kann in der That jetzt sein fünf- hundrrtjährigeS Jubiläum feiern. Noch heute wurden di« Heringe zum Bersandt gebracht, wie es Bökel vor einem halben Jahrtausend zuerst gethan hat. Flandern, See- land, Holland, Friesland wurden reich durch den Heringshandel, und Amsterdam, sagte man, fei „auf Heringen aufgrbaut". Wilhelm Bökel wurde gleichfall- reich um> starb hochge«hrt im hohen Alter 1449. Die dankbaren Fischer vergaben nicht, was sie ihm schuldeten, und setzten ihm auf seinem Grabe tn Birr- dliet ein Denkmal. Kaiser Karl V. hielt eS, als er im Jahre 1886 daS Fort Biervliet besichtigte, nicht unter seiner Würde, sich an das Grab de» armen Fischers führen zu lassen und da» Andenken desselben dadurch zu ehren. Seine Schwester Maria, Königin zu Ungarn, soll dabei Thränen brr Rührung geweint haben. Di« Vedtutung de» Hering» al» Volksnakrun,»mittel ist all« brkann, E» werden jährlich rund 10 000 Millionen dieser Fisch, gefangen und gegessen und der HeringSfang beschäftigt jede» Jahr 300 000 Menschen. In Holland heißt die lustige Person, wie in Frankreich Jean Potage, in England Jack Pudding, in Italien Signor Maccaroni und in Deutschland Hanswurst, — Pickrlhering, ein Beweis, tn welchem hohen Ansehen der „Schneiderkarpfen", wie man iha spöttisch nennt, dort immer gestanden hat, denn es pflegen die Lieblingsgrricht« zu sein, nach denen die Völker ihre Possenreißer benennen. Bei den Angelsachsen und Normannen bildete der Hering ein HaUptnahrung»mittel, und man behauptet, daß die Angelsachsen auch schon vor Bökel, im achten, spätestens zwölfte« Jahrhundert, daS Einsalzen der Hering« verstanden hätten. Thatsächlich find«n wir später bei de« Angelsachsen den „Ein salzer" al» «inen besonderen „GewerbSmann" aufgeführt. Der Schotten Wohlstand ruht« im Heringshandel und man pflegt« zu sagen: oo darrin« — no vackckin«! Eduard I. ließ sich 1286 zu einer Landoerleihung in Carlton für di« Lieferung von 24 Pasteten von frischen Heringen herbei, di« ihm gl«ich «ach dem Fang überbracht wrrdrn mußten, worauf die Brlrhnung drr Fischer vor sich ging. D«r König hatte sehr wohl di« Be deutung der Heringsfischerei «rkannt. Bei der Einsetzung de» Erzbischofs von Canterbury 1604, die gerade auf einen Fasttag fiel, wurde da» Volt von ihm mit 12 000 Stück Heringen be- wirihrt. Am grünen Donneritagr, der in England auch der KorbdonnerStag oder Ltauack? Tfturaolav (maunckslt --- sächsisch ----- Korb) genannt wird, w«rd«n m d«r Capelle von Whiteholl so viel Korb« Heringe veröhrilt, als der Kö«lg oder die Königin Jahr« zahl«». In Frankreich war der gesalzrne Hering von d«n Küsten der Normandie sicherlich schon im 1L. Jahrhundert bekannt und beliebt, so daß man Bökel seinen Ruhm leicht streitig machen könnt«. Ludwig der Heilige vrrtheilte alyährlich 7V 000 Hering« an di« Klöster und Spitaler. Untrr Ludwig IV. wurde« die französischen Fischhändler in pviaavniar» und dar»u^ara rin- gethiilt. In Part» wurde di« oa»cklBeia ckaa ü-aradanck» ge gründet, um auch den Handel mit gesalzene« Heringen zu regeln, und ein besonderer Henugsmartt, üaiAnguriss, wurve eingerichtet. Wie wohlfeil Üe Heringe waren, weiß man aus einer Rechnung, welche im Jahre 1462 in Saalfelden für den Kanzler Herzog Wilhelm'» von Sachsen ausgestellt wurde und in welcher unter Anderem aufgeführt wird: „1 Schock Heringe 10 Groschen." In dem sächsischen Grsinderecht alter Zeit spiel: darum der Hering keine kleine Roll« bei der Festsetzung drr Mal,! zeitr« de» Gesinde-. Schon die älteste sächsisch-thüringische LandeLordnuna von 1446 schreibt vor, wieviel Heringe dem Gesinde zum Nachtmahl zu gewähren find. E» stuft sich dac ganz nach dem Range ab, den das Gesinde eünrimmt, und Groß knecht und Käsemutter erhalten mehr av Kuhmagd und Schweinehirt. Zu Vater August'» Zeile« wurde die Speise ordnung genau geregelt. Darin kommt der Hering als Ersatz für Fleischspeisen wiederholt vor. Die Heringe wurde« mit den Käsen an den Sonntagen für die ganze Woche ausgegeben. Luch bei vornehme» Festlichkeiten verschmähte man den ge salzenen Freund nicht, dessen Augen als e« Heilmittel gegen allerhand Krankheiten, kalte» Fieber u. s. w„ angesehen wurden. Bei Herrn Günther'», Grafen zu Scl>warzburg, Ann» 1560 zu Arnstadt abgehaltenrn Beilager, den Donnerstag nach Martin-, wurden unter den verschiedenen Delicatessru auch drei Tonne.: gesalzrne Heringe mit verspeist, welche d«n Durst auf Breyhau und Mumme rege machen sollte«. Al» 1308 die Pfarrkirche in Weißrnfrl» «ingeweiht wurde, gab e» bei d«m großen Feftmakl untrr Anderem auch ,G«r«hster Hering mitt Lypziger Senfs", und auch am zweite» Loge fehlte e» bei der Tafel nicht an ge bratene« Heringen. Der Hering war vor Allem immer ein Segen für die nöcd- lichen Küstenländer. In drr Hetm-kringla wird schon im 10 Jahrhundert de» HeringSfang«» erwähnt und tn den nordischen Sagen spielt der sonst s» prosaisch« Kisch keine kleine Rolle Rach einer alten Aufzeichnung fing man in einem Jahre einmal 3000 Millionen Stück, wozu man L »00 000 Eestnrr Gal, b«-
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