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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.02.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-02-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990224012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899022401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899022401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-02
- Tag1899-02-24
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Reklamen unter dem Nedoctüm-strich (sge- spalten- vor den Familiennachrichten l6geipaueu, Größere Schris.en lau: uu'erem Preis-> verzeickniß. Tadellurischei und Zisseriisatz nach höherem Toni. »<—c». Extra-veila»ea (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung SO.—, mit Postbefördernng 70.—. Annahmeschluß fiir Anzeigen: Abend-Au-gabe: vormittag- 10 Uhr. ) Margen-Au-gabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzei-en find stets an die Expedition zu richten. —--r—v-— Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 93. Jahrgang. grn. Ausflügler z. B. werden häufig den Besuch von Wirthschaf- ten zu umgehen nicht in der Lage sein und oft geistige Getränke überhaupt mcht zu sich nehmen. Soll in diesen Fällen >der schul entlassenen Jugend die heilsame Wanderung in der Natur ver leidet werden? I Wenn wir aus den angeführten Gründen einem vollständigen Verbote des Besuches von Schankstätten nicht bcipflichten, so er scheint es uns doch rathsam, den jungen Leuten den Besuch von A n i m i r kn e i pe n mit weiblicher Bedienung zu untersagen und ihnen ein« Polizeistunde festzu'setzen. Erst am letzten Sonnabend hat in Bersin bei der Verhandlung gegen einen Lauf- I burschen der Gerichtshof darüber geklagt, daß die Fälle sich meh- l ren, in denen junge Leute in Animirknripen zur Böllern sich ver- I leiten (assen und oft genug muß man in später Nachtstunde den l widerwärtigen Anblick erdulden, den die trotz offenbarer Anqe- I trunkenheit fortzrchenden jungen Burschen gewähren. Hierin auf I gesetzgeberischem Wege Abhilfe zu schaffen, sollte unbedenklich ver- I sucht werden. I Mit vollem Rechte aber begnügt sich der in Rede stehende An- I trag nicht mit einem negativen Vorgehen, er macht einen positiven I socialpolitifchen Vorschag. Man mag es bedauern, daß Familie, I Schule und Kirche nicht im Stande gewesen sind, die schulent- I lassene Jugend an eine angemessen« Pflege der Geselligkeit zu ge- l wohnen; die Thatsache selbst bleibt deswegen unbestreitbar. Und i Ebenso unbestreitbar ist, daß bisher die Bestrebungen von Privat- I leuten und gemeinnützigen Vereinen zur Veredelung der Geselligkeit jder Jugend nicht den erwünschten Erfolg gehabt haben. Man I braucht keineswegs di« Leistungen der Jünglingsvercine, der „Der- jeinigung für deutsche Jugend- uno Festspiele", zahlreicher indu strieller und landwirthschäftlicher Unternehmer u. s. w. zu unter schätzen, und wird doch die Unzulänglichkeit des bisher Erreichten zugestehen müssen. Deshalb kann das Eingreifen des Staates auf diesem Gebiete, auf dem er sich bisher ganz zurückhaltend ge zeigt hat, nicht als überflüssig bezeichnet werden. Fragt man, in «welcher Weist die Communen vorzugehen haben «würden, so muß man sich des Ziels: Körper und Gei st der Jugend gesund zu erhalten, erinnern. Für Vie Ausbreitung des Turnens, Spie lens u. s. f. ist noch unendlich viel zu thun übrig. Aber man wird dabei nicht stehen bleiben dürfen. Das Bedürfnis; nach Erholung wurzelt nicht nur in der Nothwendigkeit, dir verbrauchten Kräfte wieder herzustellen, sondern auch in dem Verlangen, die währ- renb der Berufsarbeit nicht gebrauchten Kräfte zu" bethätiqrn. I Daher pflegt Derjenige, dessen Beruf vorzugsweise die geistigen Kräfte in Anspruch nimmt, di- Bethätiauna körperlicher Kräfte lim Spiel, im Wandern, in mechanischer Thätigkeit als Erholung Izu betrachten. Für Diejenigen dagegen, deren Arbeit wesentlich !die Körperkräfte in Anspruch nimmt, sollte geistige Thätigkeit !das Gegengewicht bilden, als Erholung betrachtet weiden. Ge- Irade an Sonn- uNv Feiertagen aber ist für die schulentlassene ! Jugend die Möglichkeit zu geistiger Bethätigung bei Weitem nicht ! im wünschenswertsten Umfang« gegeben. Ganz abgesehen von der I Einschränkung des Fortbildungs-Schulunterrichtes an Sonn- ! tagen, fehlt «8 an Volkslsschallen, an Volksbibliotheken, an Volks- lconcerten, an Volkststeatern. Gerade an Sonn- und -Feiertagen «müßten Volkslesehollen und Volksbibliothrken Nachmittags und I Abends zur Benutzung offen stehen und der Besuch volkststüm- ! sicher Concerte und Theatervorstellungen ermöglicht werden. Es > dürften gar nicht so ungeheure Mittel notbwendiq sein, um in I dieser Richtung vonuaehen. Wie empfänglich die breit« Masse Ides Volkes sowohl für Lectllre als auch für musikalische und thea- I irakische Darbietungen ist,szeiqt sich an den Orten, wo man soge- ) nannte Volksunterhaltungsabende veranstaltet und Volkslesthallen I zweckmäßig leitet. l Ob d'e Antragsteller des preußischen Herrenhauses gleich beim fersten Anlauf «inen praktischen Erfolg davontraaen werden, steht ! dahin. Die Anregung aber, die sie mit ihrem Antrag« gen eben lulben, wird nickt verloren gebm und im Laufe der Zeit hofstnt- LocialpolMK im preußischen Herrenhause. I; L Das preußische Herrenhaus wird sich demnächst mit einem wichtigen socialpolitischen An- I trage zu beschäftigen haben, dessen Kern auch« Derjenige rückhaltlos zustimmen kann, der seine voll- I kommen« Uebereinstimmung mit dem Antrag« nicht auszusprechen I vermag. Der Antrag lautet: Die kvnigl. Staatsregstrung auf- I zufordern, dahin zu wirken, daß 1) für die s ch u l en t la s s e n e I männliche Jugend bis zum 18. Lebensjahre Verl Aufenthalt in Schankstätten verboten werde; 2) diel Communen bei gleichzeitrger Gewährung oin«s Zuschusses aus I Staatsmitteln dazu angehalten werden, Einrichtungen zu treffen, I um den genannten jungen Leuten es zu ermöglichen, an Sonn- I und Festtagen in angemessener Weise «ine erfrischend rund I veredelnd« Unterhaltung zu erlangen. Dem Antrag ist folgende Begründung hinzuyefügt: „Die zunehmende Verrohung der Jugend kann sowohl nach allgemeiner Wahrnehmung, al» auch nach den Feststellungen der Statistik nicht mehr bestritten werden. ES erscheint daher — zumal beim gleichzeitigen Anwachsen der Staat und Gesellschaft ge fährdenden Umtriebe einer großen politischen Partei — al- unbedingt geboten, der Jugend die Leben-ideale zu schützen, di« Körper und Geist gesund erhalten. Liegt auch die Erfüllung dieser hohen Aufgabe vornehmlich innerhalb der Familie, der Schule und der Kirche, so hat der Staat doch die unabweisbare Pflicht, ein« Abwehr gegen hier schädigende äußere Einflüsse nach Kräften zu schassen. Zu diesen gefährdenden Einflüssen gehört mit in erster Linie der für die Jugend uneingeschränkte Aufenthalt in der Echankstätte mit ihrem Körper und Geist schädigenden Getreide. Mit dem Verbot« de- Besuchen- der Schank stätte allein ist indeß für vorliegenden Zweck wenig gethan! Da- Bedürfniß nach Unterhaltung und Zerstreuung bleibt auch bei der l Jngend bestehen — die- umsomehr, je früher sie Lurch des Leben- I Forderungen an schwere Wochenarbeit gebunden ist. Dieserhalb ist I hier gewissermaßen ein Ersatz zu schaffen, der geeignet ist, die jungen I Leute uicht nur zu zerstreue», sondern der erzieherisch — kräftigend I und veredelnd — di« vielen Mußestunden an Feiertagen auSsüllt. I Die Veranstaltungen Gleichgesinnter in Jünglingsvereineu, in der I „Vereinigung für deutsche Jugend- und Festspiele", wie bei zahl- I reiche» ersten Bersucheu im Anschlüsse an industrielle und landwirth. schaftlichr Betriebe rc., weise» hierbei auf die rechten Wege." Wir würden in dem beantragten Verbote, bas natürlich keine Anw«ndung auf solche jugendliche Arbeiter finden dürfte, die ihre regelmäßigen Mahlzeiten in Schankstätten einm-hmen müssen, kein« unerhörte Beschränkung der persönlichen Freiheit erblicken; denn -was den Zöglingen höherer Lehranstalten von Schulwegen recht ist, darf der schulentlassenen männlichen Jugend ! bis zmn 18. Jahre von Ges«deswegen billig fein. Aber fraglich erscheint es, ob ein derartiges Verbot in der That wirksam sein würde. Da steht nun zu befürchten, -Laß in noch weit größerem Umfange, als es den Schülern möglich ist, das Verbot von der schulentlassenen Jügend «würde umgangen werden, Wie nur zu häufig di« älteren Schüler sich in Winkelkneipen xurückziehen, in denen Ausschreitungen erst recht vorkommen, so würde die schul entlassene Jugend all«r Orten derartig« Mirkelkneipen aufsuchen und finden. Gefitzt aber auch, eS gelänge vollständig, die Jugend von den Schankstätten selbst firn zu halten: würden nicht in vielen Fällen geistig« Getränke von jungen Leuten beschafft und außerhalb von Schankstätten unter Umständen vertilgt .»oerden, die noch größere Excesse, als sie in den Schankstätten selbst mög lich sind, zeitigen? Andererseits kann auch für die schulentlassene fugend der Besuch von Schankstätten einem durchaus gerecht- i haben, wird nickt verloren gevm und im Laufe der Zeit hoffe fertigten, sonst gar nicht zu befriedigenden Bedürfnisse entsprin-1 lich Früchte zeitigen, dir der Gesammtheit zum Segen kirnen. Deutsches Reich. tt. Leipzig, 23. Februar. Laut Anhang am schwarzen Bret des Reichsgerichts findet, wie schon kurz gemeldet, am Donnerstag, den 2. März, vor dem vereinigten 2. und 3. Strafsenate des Reichsgerichts Hauptverhandlung in dem Spionage-Proceß statt gegen Alfred DesirS Gold- hurmer, ulius Karl Gundel, angeblichen Goldwaaren- Händler aus Paris. Beschuldigt sst derselbe deS Verbrechen- gegen 88 1 nnd 3 des Reichsgesetzes gegen den Verrath militärischer Geheimnisse vom 3. Juli 1893 und deS Ver gehens gegen 8 257 Str.-G.-B. (Begünstigung). Die Der- tbeidigung ist dem Rechtsanwalt am Reichsgerichte Justizrath vr. Klöppel übertragen worden. — Einlaßkarten werden zu dieser Verhandlung nicht auSgegeben. Wie wir hören, wird der Ausschluß der Oeffentlichkeit sogleich bei Beginn der Verhandlung beantragt werden. Berlin, 23. Februar. (Ein Triumph des Kleri kal SmuS.) Vor einigen Wochen brachte die „Köln. Volks zeitung" einen triumphirenden Artikel über die „Niederlage" der Jtalianissimi. In diesem Artikel wurde erzählt, daß die antiklerikale italienische Presse eine Einladung Rußlands an den Papst zur Betheiligung an der FriedenSconferenz zu hintertreiben gesucht habe, daß aber Rußland trotzdem die Einladung an den Papst habe ergehen lassen. Nun sähen sich die antiklerikalen Kreise in Italien gcnöthigt, zum Rück züge zu blasen, weil sonst die italienische Regierung in eine schiefe Stellung gerathen würde. Durch eine Unklugbeit der italienischen Regierung ist der Triumph der Klerikalen ein noch größerer geworden, al- diese selbst erwartet hatten. Die italienische Regierung hat erklärt, die Einladung zur FriedenSconferenz ablehnen zu müssen, wofern auch der Papst eingeladen würde, und zwar nicht sowohl deshalb, weil ihr die gleichzeitige Einladung an den Papst unangenehm wäre, al- vielmehr wegen der Herausforderung der vati- canischen Presse. Nun ist schon vor Wochen von hochgestellter klerikaler Seite versichert worden, daß russischerseitS Schritte zur Einladung an den Papst bereit- geschehen seien. Ist bie der Fall und hat man es nicht mit einer kecken Lüge zu thun, so ist eS für Rußland kaum möglich, die Einladung an den Papst zurückzuziehen. In jedem Falle aber muß dann in Rußland -ine Verstimmung gegen die italienische Regierung, die solcher maßen der russischen Regierung die Pistole auf die Brust setzt, entstehen. Ist schon die- für Italien unbequem, so wird die Sachlage eine noch fatalere, wenn eS Rußland ablehnt, sich Vorschriften über die Einladung oder Nichteinladung des PapsteS machen zu lassen. Daun wird Italien die einzige Großmacht sein, die auf dem Congresse uicht vertreten ist, was zur Förderung des Ansehens Italien- nicht beitragen kann. Schließlich muß man die Motivirung de- Vor gehens der italienischen Regierung als unglücklich bezeichnen. Hätte die italienische Regierung erklärt, e- sei mit dem Principe der geschlossenen Einheit der Appeninen-Halbinsel nicht vereinbar sei, daß neben dem Vertreter der italienischen Regierung auch ein Vertreter de- Papste- sitze, so würde vielleicht die völkerrechtliche Berechtigung dieser Auffassung bestreitbar gewesen sein, aber man würde die Auffassung haben begreifen und würdigen können. Wie fick aber die vaticanische Presse beträgt, das geht einen dritten Staat gar nichts an und daS darf auf die auswärtigen Beziehungen Italiens keinen Einfluß auSüben. Damit wird der Macht und Bedeutung der vaticanischenPresse eine Wichtigkeit bcigelegt, die den Einfluß dieser Presse nur steigern kann. Rußland würde mit Recht sagen können, daß eS eine innere Angelegen heit Italiens sei, Abwehrmaßregeln gegen die Zügellosigkeit der valicanischen Presse zu ergreifen. Denn wenn auch der Papst völkerrechtlich als Souverän anzusehen und deshalb unan ¬ tastbar sei, so erstreckt sich diese Unverletzlichkeit doch nickt auf die vom Vatican au- beeinflußte Presse. Im klebrigen wird der Schritt der italienischen Regierung den schon vo« etwa N/L Jahren entbrannten Eulturkampf in Italien ins Ungemessene steigern. Es ist nur zu wünschen, daß die italienische Regierung ihre Kraft nicht überschätze und daß sie siegreich au- diesem Kampfe hervorgehen möge. Einstweilen aber hat sie jedenfalls den Klerikalen einen Vorsprung ge geben, indem sie den Kampf auf einen» Gebiete führte, aus dem er nicht hatte geführt werden dürfen. Man kann sicher sein, daß auch die deutschen Klerikalen von der Gelezenbeit, ihrem Hasse gegen daS Königreich Italien Luft zu macken und ihre Anhänglichkeit an den Papst zu betonen, reichlich Gebrauch machen werden. -^Berlin, 23. Februar. (Ein ehemaliger „Ge nosse" über die „Genossen".) Bekanntlich hat Herr von Vo Ilmar in Stuttgart auf dem letzten Parteitag dec Socialdemokratie offenherzig erklärt: „Es könnte der deutschen Socialdemokrat'e gar nichts Unglücklicheres passiren, als daß wir fitzt genöthigt wären, die politische Macht zu übernehmen." — Einen interessanten Grund hierfür giebt der ehemalige Social demokrat Em i I Z i m m e r m a n n cm, der in der Monatsschrift „D«r Thürmer" unter d«m Titel „Schein und Sein im demokra tischen Socialismus" Betrachtungen und Erfahrungen mittheil», die er früher, u. A. als Redocteur d«s „Chemnitzer Beobachter-", gemacht hat. Anknüpfend an das im Eingang wiedergegebene Wort von Vollmar's, schreibt Zimmerinann: „Es würde eine Vettern Wirth schäft geben, wie sie toller gar nicht zu den ken wäre, und ein u n au s st e h l i ch e s Jagen nach Arm t e r n u n d S t e l l e n. Schon heute ist es in der Socialoeino kratie leider eine nicht selten« Erscheinung, daß die tüchtigsten und opfermuthigsten Leute öffentlich angegriffen, heruntergerilsen und nach allen Regeln der Kunst in den Versammlungen abge schlachtet werden; weshalb? Lediglich deshalb, iveil sie irgend einen Posten in der Partei bekleiden und weil sehr viel Andere da sind, die ihn glauben ebensogut oder noch besser ausfüllen zu können. Gewerbsmäßige Nörgler giebt es in fiorm socialdemo kratischen Verein« und Vereinchen; die jeweiligen Vereinsleiter wissen schon die Mittel, den Kläffer still zu machen: wir wollen ihn zum zweiten stellvertretenden Revisor machen! heißt es. Sein- Wahl wird dann wirklich durchgesetzt und — der Kläffer ist still, er hat ja das ersehnt« Amt. Diese Aemterfiiger sind di: schr-cklickst-n Discusstonsredner. Mit breitem Behagen kauen sie nach, toas die Anderen schon gesagt haben, oder sie machen Opposition; fast stets aber sprechen sie nicht der Sache wegen, zu der meist nichts mehr zu sagen ist, sondern nur, weil sie ihre Person bei den Partei genossen wieder in empfehlende Erinnerung bringen wollen, da mit sie bei einer Wahl nicht vergessen werten." — Zimmermann kommt dann auf das bei den Socialdemokraten „ungeheuer große" Mißtrauen zu sprechen, das er auf die Zeit des Socialistenge fitzes zurückführt; er schreibt in dieser Beziehung wörtlich: „Das Mißtrauen der Arbeiter gegen Freierdenkende geht so weit, daß sie nun ihrerseits einen förmlichen Be wachungsdienst «inrichten, daß sie Personen, von welchen sie meinen, sie seien nicht ganz sicher, aufs Peinlichste beobach ten lassen und Vertrauensleute und Untervertrauensleute, deren es ein« große Anzahl giebt, haben die Pflicht, das Treiben der ihnen unterstellten Genossen zu beobachten. Leider ist das nicht der Weg, auf dem man zu einer freieren Auffassung der Verhältnisse gelangt, und zuletzt artet dieses Treiben in eine wahre Vereinsspielerei und Spitzelschnllffelei aus, die jedem Vernünftigen zuwider sein muß." — Im Zukunftsstaake würde die Arnree der Vertrauensleute und Untervertrauensleuke, di« Dereinsspielerei und Spitzelschnüffel«s natürlich noch ganz andere Dimensionen annehmen als jetzt! 4t Berlin, 22. Februar. ( F l e i s ch c o n f u in in Deutschland.) Dem Gesetzentwurf, betreffend die Schlacht Umgebung gehört in der Hauptsache den Kreisen der ostelbifchen Grundbesitzer an; Pommern und die Insel Rügen sind die Statte, wo sich viele seiner Romane abspielen. In alle hinein aber rauscht da- baltische Meer mit seinen Stürmen und ämettiaaen I Sturmfluthen. Wandert seine Muse einmal in einen " I fashionabela Badeort in den süddeutschen Alpen oder gar Friedrich Spielhagen feiert heute seinen siebenzigsten I in- sonnige Italien, so ist dies uur ein auSnahmSweiser Geburtstag, Die große literarische Gemeinde Berlins und I Ferienbesuch, durch den das eigentliche Heim seiner Muse da- Publicum der Reich-Hauptstadt nicht nur, sondern die I nicht berührt wird. Geboren in Magdeburg am 24. Februar ganze deutiche Leserwelt wird diesen Tag nicht vorübergehen I 1829, bat er doch seine Knabenzeit in Stralsund verlebt, wo lassen, ohne dem hervorragenden Romanschriftsteller verdiente I sein Vater eine andere beamtliche Stellung gefunden hatte, Huldigungen darzubringen. I und durch die Bilder aus dieser Knabenzeit üben die ersten Spielhagrn ist kein Autor, der nur von der vorüber-1 Capitel seine« Roman-: „Wa- soll da- werden?" einen gehenden Mode de- Tage- getragen wird — da ist Mancher I besonderen Reiz au«. Doch dann blieb er nicht in seiner mit siebrnzig Jahren schon verschollen, der vielleicht im Alter > provinziellen Universitätsstadt Greifswald, wenn er auch von dreißrg und vierzig Jahren als eine literarische Große I einige Semester dort verlebte; er studirte in Berlin und gefeiert wurde. Nicht nur ist Spielhagrn noch immer I Bonn, anfang- Rechtswissenschaft, später Pbilologie und tbatig uad bereichert die Literatur mit stet« neuen Spenden; I Literatur, und fand dann 1854 in Leipzig «ine bescheidene auch die neuen Au-aabr» und Gesammtausgaben seiner I Lehrerstelluug an dem Hauschild'schen modernen Gymnasium. Werk« beweisru, daß seine frühere« Schöpfungen nicht I Durch den Tod seines Vater- daraus angewiesen, seinen au- dem Gesichtskreise der Zeitgenosse» verschwunden sind I eigenen Erwerb zu vermehren, versuchte er sich auf dem uad uicht dem Bereiche jener Belletristik angeboren, di« nur I Gebiete der Novellistik, und seine ersten Novellen: „Clara für da- Lese- uad Unterhaltung-bedürfuiß von Tag zu Tag I Bere" (1857) und „Auf der Düne" (1858), fanden Anklang arbeitet. Spielhagen ist rin geistvoller Autor — und diese I beim Lesepublicum — mau hört« schon au» ihnen den Wogen baben di« Zukunft für sich, denn der Geist in der Literatur I schlag der Ostsee heraus, die später in seinen größeren ist kein vrrdampfiudrr Spiritus; er conservirt die Schöpfungen, I Romanen eine in die Geschicke der Helden tiefeingreifende di« vo» ihm durchdrungen sind, für die Nachwelt. Auch da« I Rolle spiele» sollte. Von Leipzig siedelte Spielhagen 1860 liebenswürdigste Talent der Erzählung wird uur Bergang-1 nach Hannover über, wo er zwei Jahre lang da- liche« schaffe», wenn seinen Erzeugnissen nicht der Stempel I Feuilleton der „Zeitung für Norddeutschland" redigirte. geistiger Bedeutung ausgeprägt ist. Und Friedrich Spielhagen, l Dann nahm er 1862 seinen Aufenthalt in Berlin — der über de» geschichtkchea Roma» sehr ketzerische I und bis zum heutigen Tage ist er der Hauptstadt Ansichten hegt, hat alle seine Werke au» dem Geiste der Zeit I Preußen«, die inzwischen zur Reich«hauptstadt geworden, treu berau-grschaffrn, dessen Tendenzen sich i» ihnen spiegeln. Be-1 geblieben. Nur einmal «och übte er von hier an« eine sonder- in seinen ersten Romanen mochten dieselben bisweilen i redaktionell« Thätigkeit au«, indem er al« Herausgeber der etwa« Aufdringliche« habe»; es lag in ihnen oft «in heftiger I in Braunschweig erscheinenden „Illustrirten Monatshefte" Prvtest gegen de» Druck, den unberechtigt« Gewalten uni von Westermann zeichnete, von 1878 bi« 1884. Sonst lebte Staat«lede» au«übe», und dieser Protest mochte bi«weile» I er nur feinem dichterischen Schaffen, doch nicht, ohne nach die Harmonie des Kunstwerkes störe», aber durch ihn wurde» I der Art unserer Classiker sich über di« Grundrüge derselben di« Farben auf dem Zeit- und Enlturgemälde um so intensiver. I und di« Grundsätze, die ihn leiteten, in ästhetischen Abhand. Spielhage» ist eia echter Norddeutscher. — aber »h», jede l lunae» Rechenschaft zu gebe». Während seine« Aufenthalt« stark« provinzielle Färbung, er ist i» seiner I»g«ad vi«l I in Hannover ließ Spielhagen seinen ersten größeren Roman bernmgekvmmr» »ad so kn» gleda« »äerlptltlu, geworden. I „Problematisch« Natur«»" (3 Bände, 1861) erscheinen, dem Doch di« Denkart und Lrbrnswtisr s«m«r Hilden uad ihrer 1 1862 als Fortsetzung ein zweiter Theil, „Durch Nacht zum Licht", folgte. Damit verschaffte er sich rasch den Ruf eine- talentvollen und hervorragenden Romanschriftstellers. Seit den großen Romanen Carl Gutzkow's, diesen umfassenden Zeitgemälden, war, außer den einer anderen Richtung angehörigen Freytag- schen Romanen, kein Werk von gleicher Bedeutung erschienen. Der Schlesier Max Waldau, der durch seine Romane „Nach der Natur" und „Auö der Iunkerwelt" Aufsehen erregt hatte, war in noch jungen Jahren gestorben. Ohne Frage waren eS diese beiden Dichter, von denen Spielhage» für sein erstes größeres Werk die bedeutendsten Anregungen empfing; einzelne Charaktere der problematischen Naturen erinnern lebhaft an Max Waldau - „Nach der Natur". Da- Ganze war ei» Protest gegen da« ostelbische Iunkerthum vom Standpuoct eine- gebildeten und in seiner Art ritterlichen Proletarier- au- der Welt de- Geiste». Dieser Hauslehrer, vr. Stein, zeigte sich den Junkern in jeder Hi. -hl gewachsen: durch tölpertiche und geistige Vorzüge und vurch ein selbstbewußte-, mutbige« Auftreten; er war überdies ein Don Juan,«in HerzeuS- bezwinger, wie sie Spielhagen mit Vorliebe zeichnet; ist doch auch der junge Held in „Plattland" ein solcher unwidersteh licher Frauenbesieger. Wie schnell sich solche Frauen, wie die Melanie von Berkow, besiegen lassen — das scheint fast unwahrscheinlich, dock schon Hamlet sagt ja: „b'railtzc, tk? »Lms i» vvman". Neben dem vr. Stein, der sich für seine bevorzugte Geliebte Emilie von Breesen mit ihrem Vetter und Bräutigam Felix duellirt und in dem Duell schwer ver wundet wird, ist der zweit« Held des Romans der Welt fahrer Oldenburg, der eine abenteuerliche Vorgeschichte mit zigeunerhaften Episode» hinter sich hat, dessen Bedeutung aber in seiner sarkastischen Ueberlegenheit und einer vor- «rtheilsfreien Weltanschauung besteht, die sich uicht sehr von der weltbürgerlichen Moral de- Grafen Trast in Suder mann'- „Ehre" unterscheidet. Die Verhältnisse auf den Rittergütern in Pommern sind in eine satirisch« Be leuchtung gerückt, ohne daß sich die Menschen dabei in Eari- caturen verwandeln, wa« der satirischen Darstellung nur zu leicht begegnet; der Dialog ist pikant, nicht im Sinne einer Pointenhascherei, welche manchen Lustspielen zu einem großen Bühnenerfolg verbisst, sondern er ist vom Geist durchdrungen; die Charakter« sind lebeu«wahr, oft mit Humor gezeichnet, und r« fehlt dem Ganzen auch nicht der Beisatz jener romantischen Abenteuer, der spannenden Verdunkelungen und Enthüllungen, welche selbst di« Elassikrr der Romanvichtung, wie Goethe und Jean Paul, nicht verschmähten. Der zweite Theil bat allerdings nicht ganz die Frische de« erste»; die Spannkraft der Handlung läßt etwa- nach und der Schluß, der Tod deS vr. Stein auf den Barrikaden der März revolution, besiegelt nicht gerade die Eigenart eines pröble matiscken Charakter». Ein solcher Tod paßte eher für den vr.Münzer, denHelden des Romans „Die von Hohenstein"( l 864», der ein Demokrat cke pur 8aug ist, wenn auch der Don Juan dem Freiheit-Helden die Waage hält. In diesem Werke ist aber Spielhagrn über da- Ziel binauSgeschossen. Die Farben sind zu brennend und grell. Der Haß gegen daS Junker- thum dictirt die Charakterzeichnung; ein verbitterter Zug geht durch daS Ganze; e- fehlt jedes Gegengewicht, wie es in den problematischen Naturen doch in dem Charakter des Oldenburg liegt, der ja selbst aus der Iunkerwelt hervor gegangen. Hier wird Alle- schwarz in schwarz gemalt; lever diesem Kreise Zugehörige verfällt der gleichen Verdammniß, und auch der blutrothe vr. Münzer vermag unsere Sympathien nicht zu gewinnen, viele« iu dem Roman erinnert an em schreckhaftes Iahrmarkt-bild. Wenn diese ersten Romane al« politische Fehdebriefe zu betrachten waren, in welche die Märztage ihren blutigen Widerschein werfen, so stad die beiden nächsten geradezu al- sociale Romane zu bezeichne». In der Zeit trüber politischer Reaction hatte di« Arbeiterbewegung große Fortschritte ge macht; der Name eine« Agitator«, wie Ferdinand Lassalle, war mit dieser Beweguna eng verknüpft. Die großen Romane Spielhagen's „In Reih und Glied" (5 Bände, 1866) und „Hammer und Ambo«" (3 Bände, 1869) behandeln ein schlägige Fragen: der erste den Gegensatz zwischen Staat-bilfe und Selbsthilfe, der zweite da- Verhaltniß von- Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Nun kann aber ein Roman nicht ans einem mathematischen Liniennetz bestehen, da« die Bewegung und Gegenbewegung von Principira darstellt: er muß den ganzen Reichtbum de« Leben« umfassen nnd nur ganz ver lieren dürfen sich jene Leittöne nicht. Leo, der Held des Roman« „In Reib und Glied", ist der Vertreter der Staats» Hilfe und er gewinnt Einfluß auf «inen mächtigen Fürsten; doch mit dem Tode desselben hört dieser Einfluß ans und schon früher kann Leo der Gegenbestrebungen bei -Hofe und im Volk« nicht Herr werden. Er geht unter, aber nicht in Folg« seiner von oben herab die Gesellschaft Umstürze»-«»
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