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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.03.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-03-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990301012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899030101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899030101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-03
- Tag1899-03-01
- Monat1899-03
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Größere Schriften laut unserem Prei^- verzeichnt-. Tabellarischer und Ziffernm^ nach höherem Taris. —»Ä—o* - GLtra-veilage« (geialzt), nur Mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbe,ördcrun.; 4 60.—, m,t Postbesörderung .4! 70 - . Ännahmtschlnß für Änzeigeu: Abend-Ausgabe: LonnittagS 10 Uhr. Morge»-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein, halbe Stund« früher. Anzeige» sind stets an die tkrpebitia» zu richte». Druck und Verlag von L. Polz in Leipzig. los. 93. Jahrgang. Mittwoch den 1. März 1899. Für AlÄi'L kann da» Leipziger Tageblatt durch alle Postanftalten des deutschen Reiches und Oesterreich-Ungarns zum Preise von 2 bezogen werden. In Leipzig abonnirt man für 1 «5 ^s, mit Bringerlohn 2 und nehmen Bestellungen entgegen sümmtliche Zeitungsspediteure, die Hauptexpedition: Johannisgafse 8, die Filialen; Katharinenstratze 14, Königsplatz V und Universitätsstratze 3, sowie nachfolgende Ausgabestellen: Arndtstraste 35 Herr R. 0. Kittkl, Colonialwaarenhandlung, Beethovenstrahe L Herr ^Iieoü. Roter, Colonialwaarenhandlung, Brühl 53 0. R. 8ellul)tzrt'8 Xaelttolxer, Colonialwaarenhandlung, Frankfurter Straste(Thomasiusstraßen-Ecke) Herr OttoRranx, Colonialwaarenhandlung, Löhrstraste 15 Herr Lüuarü Retter, Colonialwaarenhandlung, Nafchmarkt 3 Herr R. 6. 8elm!lre, Nürnberger Straste 45 Herr 2l. R. ^IdreeRt, Colonialwaarenhandlung, in Anger-Crottendorf Herr Rodert Orelnor, Zweinaundorfer Straße 18, - Connewitz Frau Rl8elier, Hermannstraße 23, - Entritzfkh Herr Robert Bitner. Buchhandlung, Delitzscher Straße 5, » Gohlis Herr Robert Bitner, Buchhandlung, Lindenthaler Straße 5, - Lindenan Herr Albert I,!ii6iier, Wettiner Str. 51, Ecke Waldstr., Buchbinderei, - Neustadt Raul Luck, ^uuoneeu-Lxpetlitioii, Cisenbabnstraße 3, Ranftfche Gaffe 6 Herr Rrleilr. Rl86ker, Colonialwaarenhandlung, Ranstädter Steinweg 1 Herr 0. 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Professor Hermann Schell in Würzburg stellt auf dem Index und nicht nur mit den kleineren Schriften der züngsten Zeit, die seinen Namen weit hin bekannt gemacht, sondern auch mit seinen älteren wissen schaftlichen Werken über Dogmatik und Apologetik. Die Formel, durch welche die vatikanische Eongregativn des Index den Katholiken daS Lesen dieser Schriften verbietet, lautet: „Niemand also, weh Ranges und Standes er immer sei, soll es wagen, die genannten verurtheiltcn, namentlich bezeichneten Werke irgendwo oder in irgend einer Sprache herauszugcben oder zu lesen oder bei sich zu behalten, sondern Jeder ist unter der im Index ver zeichneten Strafe verpflichtet, dieselben den Bischöfen oder den In- qnisitionen zu übergeben. Diesen Beschluß hat Se. Heiligkeit nach dem Bortrage des unterzeichneten Sekretärs bestätigt und zu ver öffentlichen befohlen." Der erwähnte Sekretär ist der Italiener Cie og n an o, seinem Namen voraus aber geht der deutsche des Eardinalö Andreas St ein Huber als der des Präfekten der „Heiligen Con- gregation" zur Tödtung der Geister. Also: Noma Icrcnta ost. Die zweite Hälfte des berüchtigten Satzes, cau«a tiuita ost, wird man wohl auch bald niederschreiben dürfen. Schell wird sich unterwerfen oder einen großen Schritt weiter tbun müssen, wenn er nicht gänzlich unverständlich werden will. Er hat in seinen Schriften »Der K.nbolicismuS als Princip de- Fortschrittes" und „Die neue Zeit und der alte Glaube" lehren zu dürfen geglaubt, wahre wissenschaft liche Forschung sei nickt unvereinbar mit der Lehre der Kircke, der Rechtgläubigkeit. Diesem Wahne war der Würz burger Tbrologieprofessor sonderbarer Weise verfallen, obwohl er auf dem Boden der UnfthlbarkeitSlehre stand. Nun er von berufenster Seite seines Jrrthums überführt ist, wird er entweder die vatikanische Lehre von 1870 oder seine seit 1897 vorgelragene Lehre von der Vereinbarkeit wissenschaftlicher Freiheit und päpstlicher Infallibililät fallen lasten müssen. Daß die Denkgesctze bisher nicht auf seiner Seite waren, liegt auf der Hand und wird zum Ueberfluste soeben vom Papste ausgeführt in einem Schreiben an den amerikanischen Cardinal Gibbon-, daS den sogenannten Amerikanismus in der Kirche verurtbeilt, eine Richtung, die größere Freiheit in der Kirche, also dasselbe will, was Professor Schell anstrebt. Der Papst befindet: „Bei der in Red« stehenden Sache aber, geliebter Cohn, bringt noch mehr Gefahr mit sich und ist mit der katholischen Lebre und DiSciplin noch mehr unverträglich die Ansicht der Anhänger Ler neuen Meinungen, es müsse in der Kirche «ine gewisse Freiheit eingesührt werden, so daß unter Einschränkung der kirchlichen Ge walt ood Aussicht jedem Gläubigen gestattet sri, seinem subjektiven Geiste und Triebe einen weiten Spielraum zu gewähren Man sagt: nach dem feierlichen Ausspruche der vatikanischen Synode über das unfehlbare Lehramt deS römischen Papstes brauche man um dasselbe nicht mehr besorgt zu sein; nachdem diese» sichergrstrllt sei, könne Jedem eine größere Freiheit des Denkens und Handelns jngestandrn weiden. DaS ist wahrlich «ine verkehrte Argumentation; denn vernünftigerweise kann man auS dem un- sehlbar«» Lehramt« der Kirche nur schließen, daß Niemand von ihm abweichen darf, ja, daß Alle sich ganz und gar von ihm durchdringen und lrit«n lassen müssen, um sich d«sto leicht« von jedem Privatirrthum frei zu erhalten." Diese Logik ist unanfechtbar. Dem Papste kann di« Un fehlbarkeit nicht beigclegt worden sein, um größere Freiheit, al- sie vor dem vatikanischen Concil herrschte, zu verleihen, sondern im Gegentheil, um jede bis dahin etwa noch gewährte oder gewahrte Freiheit zu vernichten. DaS an erkannte unfehlbare Lehramt eine- Einzelnen schließt die Zulässigkeit jeder von diesem Einzelnen nicht gebilligten Meinung auS. Einer der Zugehörigen de- Amerikani-snuS, der Erz bischof Ireland, bat sich auch bereit- in einem Schreiben an Leo XIII. unterworfen. Nach dem „ReichSboten" bestände freilich „gar kein Zweifel, daß die geriebenen Amerikaner von ihren Unabhängigkrit-bestrebungen nicht lasten werden". Mag sein, die wenigen deutschen Priester und Laien, die (ich «brlich für Schell erklärt haben, werden jedenfalls nicht »sf ihrem Srandlpunct« beharren. Und diejenigen, die wider illre Ueberzeugnng um politischer Vortbeile willen, zum Tbeii vielleicht auch, weil sie eine ungefährliche Mode mit- zu^..achcu wähnten, in den Fußstapsen Schcll's mit einer ge wissen Wissenschaftlichkeit koketlirt hatten, diese Herren ballen sich bereits wieder auf die andere Seite geschlagen. Natür lich auch die „Germania", die jetzt nicht mehr zweifelt, daß Schcll's Schriften Jrrtlliimer enthalten, und die „hofft", daß Sckell sich mit der Jnrexcongrcgalion „auseinander- sctzcn" werde und „daß dann daS Verbot seiner Bücher baldmöglichst gegenstandslos werden wird". Aus dem Jesuitischen ins Deutsche übertragen, beißt daS, man erwartet von Schell, daß er die Punkte, wegen deren die Vcrurtheilung seiner Schriften erfolgt ist, aus merzen werde. Diese Punkte sind noch nickt be kannt, aber die „Germania" läßt schon von berufener Seite — auS Würzburg — die Vcrurtheilung im Einzelnen rechtfertigen Wcß Geistes Kind ihr Gewährsmann ist, er hellt daraus, daß er die Noblesse der Jesuiten rühmt, die Sckell'S Schriften, obwohl sie darin scharf angegriffen worden waren, unbeantwortet gelassen. Daß diese „Noblesse" des Schweigens vor der Oeffentlichkeit nicht mit Schweigen überhaupt zusammensiel, erfährt man aber so gleich. Man arbeitete in Rom gegen den damaligen Bischof von Würzburg, Josef v. Stein, uuv setzte seine „Beförderung" zum Erzbischof von München durch, um an der fränkischen Universität freies Spiel zu haben. Sehr böse Reden, die die Würzburger „Seite" der „Germania" gegen Herrn v. Stein noch in diesem Augenblicke, nach errungenem vollständigen Siege, führt, geben einen Begriff von dem, was heimlich gegen den Kirchcnsürsten gebraut worden sein mag. Sein Nach folger Scklör hat viellcichlftie in ihn gesetzten „Erwartungen" auch nicht vollauf gerecbtferligt, denn der „päpstliche Nuntius" (in München) fordert Erklärungen „über verschiedeneLehrpuncte". Tie Darstellung der „Germania" enthält übrigens dunkle Partien, was bei der Affäre, die daS Licht zu scheuen bat, nicht gerade zu verwundern ist. Eine Angabe theilen wir noch mit, es dahin gestellt lassend, ob sie auf Wahrheit beruht. „Ende Juli vorigen Jahres", so erzählt der Würzburger, „also wenige Wochen nach seiner Consecration" (nämlich der Eonsecration Les bisherigen Würzburger Bischofs zum Erz bischof von München) „brach das Geschwür auf, indem einige Wcihecantidaten erklärten, daß sie auf Grund der Vorlesungen Schell's an die Ewigkeit der Höllenstrafen nicht glaubten, also auch dieselben zu lekren sich nicht verpflichten könnten." Wie cS sich mit dem „Geschwüre" verhielt, muß, wie gesagt, dahingestellt bleiben. Man kann auch aus künst lichem Wege Geschwüre erzeugen. Jedenfalls mußte eine Weigerung von PriesteramtSkandidaten, wie die behauptete, den Feinden Schell s hochwillkommen sein, d. b. unter Um ständen, wenn sie ein ketzerischer Anlauf all majorem llei gloriam war, kann sie auch auf volle Verzeihung und mehr rechnen. Solche Gedanken liegen nahe. Denn waS sich jetzt in Rom abgespielt bat, bedeutet einen vollen Triumph des JesuitiSmus. Einige Geistesverwandte in Deutschland werden ihn nicht im ersten Augenblicke rein genießen, denn die Eentrumspartei halte u. A. durch den Mund der „Germania" noch im Oktober vorigen JahreS aus dem Auftreten Schcll'S einen neuen Rechtsruck auf Parität hergeleuet. In Würz burg wurde ein neues CollegienhauS errichtet und der erste Rector, der dort seine Antrittsrede hielt, war Schell. Da schrieb die „Germania": „ES ist für di« brutschen Katholiken ein erhebender Gedanke, daß der erste Herr de- neuen Hauffs einer der ihren und ein katholischer Theologe ist. Durch die Antrittsrede Schell's geht rin froher, selbst bewußter, großartiger Zug: Wir Katholiken, wir Lehrer der katho. lischen Theologie gehören in Deutschlands Hochschulen hinein durch der Universitäten innersten Beruf, und weil sie unser wahres Heim sind, darum verstehen wir auch ihren Zweck und ihr Ziel und verstehen »S, sie z» pflegen und zu fördern und begeistert zu vertreten. Universität und «atholici«- muS: sind sie nicht nur zwei Wörter für einen Begriff? E» weht durch die Rede der Gcist, der im Mittelalter Universität auf Uni versität in- Leben rief und groß machte, und in dem Augenblick, da wir Katholiken nach Parität im Staate rufen, führt diese Rede den genialen, feierlichen Beweis, daß auch wir sie dem Staate zu gewähren vermögen." So am 28. Oktober. Heute ist die von „den Katholiken" angeblich gewährt, Partität durch den Papst feierlich vrr- welgert worden und dieselbe „Germania" redet Pros. Schell gut zu, er möge auch seinerseits sich nicht mehr an den Beruf der Universitäten kehren. Lx ore tuo julllco te! Ultramontane gehören nicht „in Deutschland» Hochschulen hinein". Ein deutsch evangelisches Liebeswertr. Vor Kurzem wurde aus Aussig das polizeiliche Verbot zweier Versammlungen gemel'oet, in welchen ein Geistlicher der säch sischen Landeskirche, Diakonus Vr. Kühn aus Dresden, über die Frage „Wie wurde Luther Reformator?" und „Durch Knech tung zur Freiheit" sprechen wollte. Wenn man zugestehen wollte, daß in diesem Falle di« Fassung des Themas einen Vorwand für di« Unterstellung politischer Motive und somit für das vor beugende Eingreifen der k. k. Behörde geliefert hahe, fo war dieser Unterstellung jeder Boden entzogen bei einer Reih« von Vorträgen, die ein anderer sächsischer Geistlicher, Pfarrer Kröber von St. Jacob hier, erhaltener Aufforderung folgend, am 25., 26. und 27. d. M. an drei Orten Dcmschböhmens halten wollte. Denn — so schreibt der Genannte in dem von ihm herausge gebenen „Neuen Sächsischen Kirchcnblatte" — von der Ueber- zeugung durchdrungen, daß >den Leuten dort jetzt vor allem Religion und nichts als Religion geboten werden müsse, wählte ich das Thema: „Christus, unser Herr und Heiland". Die Versammlung wurde mit diesem Thema und der ausdrück lichen schriftlichen Erklärung angemecdet, daß lediglich dieser religiöse Vortrag mit Ausschluß jeden politi schen Wortes den Gegenstand der Tagesordnung bilden werde. Obgleich nun das letztere in dem Bescheid der k. k. Be zirkshauptmannschaft Aussig ausdrücklich anerkannt wird und ob gleich die correcte Ausführung jener Ankündigung polizeilich Lberlvacht werden konnte, so hat 'die genannte Behörde den Bor trag doch schlankweg untersagt, und zwar mit der fadenscheinigen Begründung, manhalteesnichtfür gestattlich, daß Ausländer bei Verhandlungen öffentlicher Angelegcuheiten in Versammlungen sich hierland als Redner aktiv betheiligen dürfen." Ein Vortrag über Christus, unfern Herrn und Heiland, Be theiligung an Verhandlungen öffentlicher Angelegenheiten im Sinne des Gesetzes! Solche Auslegung, Äe jede evan gelische Predigt eines Ausländers in Oesterreich zur Un möglichkeit macht, macht der Mcttrrnich"schen Evbweisheit öster reichischer Behörden in der That alle Ehre. Sie zeigt aufs Neue, daß dort die verfassungsrechtlich verbürgte Parität noch immer blos auf dem Papiere steht und daß es die staatliche Macht auch heut« noch mit ihrer Würde vereinbar findet, als Büttel der kirchlichen zu fungiren. Selbstverständlich ist auch gegen dieses Verbot sofort Beschweriw eingelegt worden; ob sic Erfolg haben wird in einem Lande, wo ein tschechischer Polizist, der in eine Gruppe von ruhig ihres Weges gehenden Deutschen, blos «weil sie Deutsch reden, einfach hineinschiebt, freigesprachen, ein deutscher Student dagegen, der gegen einen tschechischen Angreifer mit einem Schüsse sein Leben vertheidigt, verurthcilt wird, — ist zum Mindesten zweifelhaft. Unsere deutschen Glaubens- und Stammesbrüder in Oesterreich werden mit dieser brutalen Me thode, ihre religiöse und nationale Bewegung — die letztere erst recht — durch Abschneidung der geistigen Zufuhr aus dem Reiche einfach auszuhungern, fortan rechnen und sich darauf «inrichten müssen. In politischer Hinsicht können sie nun die Grenzsperre allen falls eine Weile aushalten, weil ihnen im eigenen Land« zahl reiche zugkräftige Redner und schneidige Prcßorgane zur Verfügung stehen, von denen allerdings die letzteren bei dem schweren Stand, den sie haben, ausgiebige Unterstützung aus dem Reich« sehr wohl gebrauchen können. Am fühlbarsten ist jeden falls die Verlegenheit, in welche die religiöse und kirchliche Be wegung durch jenes Vorgehen der österreichischen Behörden ver setzt wird. An der Wiener evangelischen theologischen Facultät studiren zur Zeit insgesammt 5 evangelische Theologen deutscher Nationalität. Bon daher ist also kaum der Bedarf für die vor handenen, geschweige denn der für die entstehenden evangelischen Gemeinden zu decken. ES bleibt nichts anderes übrig, als daß eine Anzahl evangelischer Theologen aus dem Reich, Candidaten, aber neben ihnen auch erfahren« Geistliche, dauernd oder doch auf längere Z«it hinübergehen und sich, um allen Polizei- Chicancn die Spitze abzubrechen, auch gleich in Oesterreich natu- ralisirrn lassen. Bei dem Idealismus unserer theologischen Jugend wird es an Meldungen nicht fohlen; aber kann man eS den Betreffenden verdenken, wenn sie als Bedingung, sowohl für die Zeit ihres Dienstes im Ausland«, als auch für den Fall ihres Rücktrittes in ihre Landeskirche die Sicherstellung ihrer Exi stenz verlangen? Die Fürsorge für den letzteren Fall darf den zuständigen Kirchenbehörden überlassen werden, für den Dien st im Auslände aber kann allein die Ein fi ch t u n d O p f e r w i l l i g k e i t unserer national und kirchlich gesinnten Kreise sorgen. Nicht allein aber dafür. Die Uebertretenden müssen, wenn anders ihr Schritt Bestand haben und Nachfolge finden soll, so rasch wie möglich in evangelischen Gemeinden mit eigenemKirchen-undSchul- wesenzusarnmenge faßt und organisirtwerden. Es ist eine weitverbreitete Vorstellung, daß ihnen dies alles mit dem Uobertritte von selbst gegeben sei, sofern eben ihre Kirchen und Schulen damit zugleich in evangelischen Besitz übergingen. Das ist selbst in dem Falle ein Jrrthum, daß der Ueber tritt immer g e m e i n d r w eis e er folgte, was natürlich nicht zutrifft; auch dann verbleiben Kirchen und Schulen in römisch katholischem Besitz und die Uebergetretenen habensichdieses am mtdennöthigengeiftlichen und Lehrkräften aus eigenen Mitteln neu zu beschaffen. ES leuchtet ohne Weiteres ein, daß kaum eine der werdenden Gemeinden dies aus eigener Kraft wird leisten können, wo es unsere Väter in der ReformationLzeit auch nicht ohne die Unterstützung ihrer Fürsten durch Zuweisung von säculari- sirten Kirchengütern oder ander« Mittel vermoch: haben. Der Gustav-Adolf-Verein, an, den man ja hier zunächst denkt, kann nach seinen Satzungen immer erst da helfend eingreifen, wo schon ein evangelisches Kirchenwcsen vorhanden ist, und wenn er auch, wie wir zuverlässig hören, dazu bereit ist, so wird «r es nack dem Maße seiner Mittel, die er ja doch auch nicht anderen ge fährdeten Gemeinden unter weiterer Gefährdung derselben mit einem Schlage entziehen kann, von sich allein aus nur in be scheidenem Umfange thun können. Hier muß die frei« LiebeSthätigleit für Volk und Kirche helfend eintreten. Wie wir hören, steht denn auch unter Mitwirkung unseres Reichs tagsabgeordneten Herrn Professor vr. Hasse und anderer angesehener Männer die Bildung eines Cvmitbs in naher Aussicht, welches sich die Förderung dieser wichtigen Bewrgung in erster Linie durch Beschaffung der nöthigen Mittel Mr Auf gabe machen wird. In welcher Höhe diese Mittel gebraucht werden, lehrt ein Blick auf die im Vorstehenden gekennzeichneten Aufgaben. Don betheiligter Stelle wurde der Bedarf für dieses Jahr vor Kurzem auf mindestens 50000 -4t geschätzt dieser, Be trag aber alsbald von, einem genauen Kenner der Bewegung — der Betreffende hatte daS Gebiet derselben kürzlich im Auf trage des Evangelischen Bunde- bereist — als keineswegs ge nirgend für die vielen Punkte, an denen sich deutsches und evan gelisches Empfinden regt, bezeichnet. Es handelt sich hier und kann sich nur handeln um die Förderung protestantischer, also religiöser Zwecke. Aber wer sie fördern hilft, dient zugleich seinem V olke; der oft festgestellte Zusammenhang zwischen Protestantismus und Deutschthum greift auch hier Platz. Dieser Zusammenhang wird auch von unseren Stammesgenossen in Oesterreich begriffen, er ist ja der eigentliche Anlaß zu diesem, ihrem Schritte geworden. Denn dazu führte neben und oor dem religiösen Verlangen nach wirk kichern gesunden und freien Glauben, wie es im Lause der Be wcgung je länger, je mehr in Vieler^ erwacht ist, die auf ge schichtliche Erfahrung und zeitgeschichtliche Beobachtung ge gründete Ueberzeuguny, daß da- so hart bedrängte deutsche Bolts thnm nur im Protestantismus Schutz und Widerhalt finden könne für die schweren Kämpfe der Gegenwart und für die viel leicht noch schwereren der Auckunst. Wie klar diese Erkenntniß den Deutschen in Oesterreich selber aufgegangen ist, lehren zahl reiche Kundgebungen aus der Bewegung, Briefe und Zeitungs stimmen, von denen zum Schluß hier folgende wiedergegeben seien: „Wir In Oesterreich find dem Untergänge geweiht, wenn wir katholisch bleiben." Wir müssen anknüpfen, wo der Faden abgerissen wurde, di« Reformation ist wieder aufzunehmen. Sieg oder Niederlage deS ostmärkischen Deutschthum» hängt davon ab." („Ostdeutsche Rundschau". 2S. XI. 98.) „Ein evangelischesDeutschö st erreicht st ge rettet, ein katholisches verloren." Die „Unverfälschten deutschen Worte" (1888 Nr. 17) klagen über die (ca. 500000) katholischen Schwaben der Banats (in Ungarn): „Sie fühlen sich (bisher) im Allgemeinen eben als deutsch sprechende Magyaren, oder besten Fall» al» deutschsprechende Un garn." Von den im selben Lande wohnenden (200 000) protestanti schen Siebenbürgern dagegen kann einer au» ihrer Mitte uns be richten: „Der Protestantismus war und ist gottlob noch immer ein fester, uneinnehmbarer Wall be» Dcutschthums. Bom Erdboden vertilgt wären wir längst schon, aufgegangen in dem un» umbran denden Völkergrtriebe, wenn der Protestantismus bei un« nicht solch kräftim Wurzel gefaßt hätte." Die „Ostdeutsche Rundschau" (28. August 1898) aber schreibt
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