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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.03.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-03-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990309020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899030902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899030902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-03
- Tag1899-03-09
- Monat1899-03
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Reklamen unter demRedactionsstkich (4ao- spalten- LO/»Z, vor -en FamiiieNiiachtichten lSgeipalten) 40/ij. Gröbere Schriften laut unserem Preis- verzeichnib- Tabellarischer und Ziffnnjatz nach höherrm Laris. hkxtra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen - Ausgabe, ohne Pvstbesbrderung ./t 60.—, mit Postbrsördrrung 70.—. Ännahmeschluß für Inzei-en: Abend-Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Margen-Ausgabe: Nachmittag» 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen jr eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet» an di« ErtzSdltisn zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 93. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Let-zl-, 9. März. Während de» ErholnngStages, ven sich gestern da» Plenum des Reichstag» gönnte, haben diejenigen Com missionen, von deren Fleiß die Fortsetzung der Plenar- berathungen am meisten abhängt, eifrig gearbeitet. Dies gilt namentlich von der Budgetcommission, die u. A. die zweite Lesung der Wilttärvorlage in kaum N/2 Stunden erledigte — selbstverständlich nach den Anträgen des Centruins. „Compromisse" hatte e« mit der Regierung nickt geschlossen, auch keine Vorschläge gemacht. Dir Heeres verwaltung ebensowenig, man hatte nur „verhandelt", ohne sich, wie eS scheint, völlig zu einigen. Gefordert batte bekanntlich die Regierung in der Vorlage eine FriedenSpräsenzstärke, die im Jahre 1902, also zum Abschluß de» nächsten Ouinqennat», 502 506 Mann betragen würde. Angenommen hatte die Commission in der ersten Lesung die Mehrforderungcn an Artillerie, gestrichen hatte sie Mehrforderunaen an Cavallerie, nnd die FrievenSpräsenzstärke auf 494 780 Mann reducirt. Gestern in der zweiten Lesnng wurde angenommen die Artillerie nnd die Mchrsorderungen an Cavallerie. Gefordert batte die Vorlage 482 EScadrons, zehn mehr als jetzt; diese Ziffer wnrde jetzt in der Weise bewilligt, daß man beschloß: 465 EscadronS Cavallerie und 17 EscadronS Jäger zn Pferde. Die Friedenspräsenzstärke aber wurde festgesetzt auf 495 500 Mann und bestimmt, daß diese Zahl nicht 1902, sondern 1903 erreicht werden solle. Das sind 7006 Mann weniger, als die Vorlage verlangt; in der Bndgetcommission wurde herauSgerechnet, daß die in erster Lesnng festgesetzte Bataillonsstärke von 584 Mann, die schon damals Bedenken fand, dadurch noch auf 582 bis 583 Mann verkürzt werde. Natürlich dielt derKriegsminister principiell an der Vorlage fest, aber da Herr vr. Lieber erklärte, die CentrumSanträge seien daS „äußerste Zugeständniß", so wurden diese Anträge mit 19 gegen 7 Stimmen angenommen, während ein Antrag Bassermann, die Forderungen der Ne gierung als durchaus berechtigt zu bewilligen, mit 13 gegen 12 Stimmen abgelebnt wurde. Es fragt sich nun, ob die Negierung sich in daS „Unvermeidliche" fügt, oder den Ver such macht, die „Ve,Handlungen" mit dem Ccntrum fortzu setzen und auf Grund des Ergebnisses im Plenum ihre Forderungen durchzudrücken. „Aeußerste Zugeständ nisse" bat ja das Centruin schon öfter gemacht nnv trotzdem bintcrher gefunden, daß eS noch weiter gehen könne. Tas ist aber immer nur geschehen, wenn es sich seinen Wählern gegenüber auf Couccssionen berufen konnte, die daS Hiuausgehen über „äußerste Zugeständnisse" rechtfertigten. Daß aber wegen der Reduction der verlangten Friedens präsenzstärke um 7006 Mann der BundeSralh zu einem dem Centrum entgegenkommenden Schritte in Sachen deS Jesuitengesetzes oder die preußische Negierung zn einer anderen Concession sich entschließen werde, ist nicht gerade wahrscheinlich. Vermuthlich wird sich also die Heeres verwaltung mit den Verwilligungen von Centrumsgnaven begnügen. Die Beratbung im Plenum wird wahrscheinlich am Donnerstag der kommenden Woche statlfinden. CentrumScapläne der bekannten Art haben sich daS Ver dienst erworben, dem „NeichSregenten" nnd einem weniger hervorragenden klerikalen Führer urkundliche Beweise dafür zu entlocken, daß die kentrumSfraction am 8. December v. I. eine jesuitische Komödie spielte, als eS Len Nachruf des Grafen Ballestrem auf den Fürsten Bismarck mit „lebhaftem Beifall" begrüßte. Daß Pfarrer Richen in Viersen im Volksverein für da» katholische Deutschland nicht nur eine Rede gegen die dort geplante Errichtung eine» Bismarck- venkmals hielt, sondern sie auf Anregung seines Vorgesetzten auch als Flugblatt verbreitete, daß er den Fürsten BiSmarck in Vergleich stellte mit HerodeS, PilatuS und Dio kletian, wird von den Herren vr. Lieber und Roeren in Zuschriften an einen Vierfener „hochwürdigen" Herrn voll kommen gebilligt. vr. Lieber schreibt: „Ew. Hochwürden erwidere ich ..., daß sich auf mich Niemand berufen kann, um Katholiken Viersen» zur Betbeiligung an der Errichtung eine» Bismarckdenkmals zu bestimmen, oder solche Ka tholiken ViersenS, welche diese Betheiligung ablrhnen, inS Unrecht zu setzen. Ich habe nichts gethan, als diejenige Anerkennung wiederholt.., welche schon der selige Vr. Windthorst den Bemühungen des verstorbenen Fürsten Bismarck um das deutsch-österreichische Bündniß . . gezollt hat. Dieser Act der Gerechtigkeit auch gegen unseren gewaltigsten Widersacher ändert nichts an unserer Beurthei- lnng desselben im Uebrigen und im Allgemeinen. Machen Sie hiervon jeden Ihnen dienlich scheinenden Gebrauch." Noch deutlicher als der „ReichSregent" ist der Abgeordnete Roeren in seiner Zuschrift an dieselbe hochwürdige Adresse geworden. Herr Roeren spricht dem Adressaten „seine vollste und freudigste Zustimmung" aus und erklärt dann: „Wie rin CentrnmSmann eine andere Stellung einnehmen könnte, ist mir unverständlich; denn nie und nimmer läßt sich von der Person BiSmarck'S trennen, daß er der Vater jenes trau- rigen Culturkampfes ist, der so unsägliches Elend über unsere Kirche in Deutschland und über unser treukatholisches Volk gebracht hat, und an dessen Wunden Kirche und Volk noch jetzt auf das Empfindlichste leiden. Konnte man am ossenen Grabe Les tobten BiSmarck die bitteren Empfindungen zurnckvrängen, so tritt in dem Denkmal die historische Person BiSmarck'» nnd alles das, wo» er zur Zeit seiner politischen Thätigkeit dem katholischen Volke an- gethan hat, hervor." Was die Vaterschaft BiSmarck'S in Bezug auf den Cultur- kampf anbetrifft, so bat erst vor vierzehn Tagen der katho lische Ges ch ich tS forsch er Professor vr. Fin ke bei der BiSmarckgedenkfeier der katholischen Akademie Münster gesagt: „Daß BiSmarck ibn nicht muthwillig vom Zaune gebrochen, steht jetzt fest." Doch das nebenbei! Gross Ballest rem betonte in seinem Nachruf am 8. December 1898 ausdrücklich, es liege für die Parteien und Personen, mit denen der große Kanzler in Conflict gekommen, kein Grund vor, ihm eine „feierliche Ehrung" zu verweigern. „Die Majestät des Todes", sagte Graf Ballestrem, „verklärt Alle«. Was Parteien und Personen an dem Fürsten Bismarck bei seinen Lebzeiten bekämpft, ist, soweit es persönlicher Natur war, mit seiner sterblichen Hülle begraben. Das Andenken deS Fürsten Bismarck steht vor unS al» das eines großen Staats mannes, deS hervorragenden Mitbegründers des Reiches, de» Vorbereiters und Ausnutzers der unsterblichen Siege unseres unvergeßlichen Heeres. Betrachten Sie sein Bild als das des Er halters eines jahrzehntelangen dauernden segensreichen Friedens. So stehl da» Bild Otto von BiSmarck'S vor unserer Seele ..." — Der Sarg BiSmarck'S war längst geschlossen, als Graf Ballestrem diesen Nachruf hielt, der frei ist von „bitteren Empfin dungen", wie sie Herr Roeren nur am offenen Grabe zu- rückvrängen will. Damals spendete da» Centrum der An erkennung Bismarck» al» historischer Person Beifall, heute erklären Centrumsfllhrer im Hinblick auf BiSmarck als historische Person eS für ausgeschlossen, daß ein Centrums- mann ibn ehren könne. Demnach ist das Centrum gegen den Fürsten BiSmarck noch heute von jenem ganz gewiß nicht christlichen Haß erfüllt, der es bewog, dem Achtzig jährigen im März 1895 Gruß und Glückwunsch zu versagen. Die „nationale" Komödie, die daS Centrum am 8. December vorigen JabreS im Reichstag aufführle, ist damit in ihrem Wesen wohl auch für den größten Optimisten endgiltig enthüllt. Der französisch-englische Gegensatz hat wieder eine er hebliche Verschärfung, und zwar in der MaSkat-Arage, erfahren. Nachdem am Montag der französische Minister des Aeußern Delcassä sich über die Differenz aus gelassen hatte, die zwischen England und Frankreich wegen einer Kohlennjederlage in Maskat entstanden war, hat am DienStag auch der englische Parlamentssekretär des Aeußern Br 0 drick in dieser Sache das Wort genommen. Beide Auslassungen gehen indessen in bcmerkenswerther Weise fast diametral auseinander. Brodrick sagte, die Darlegung Delcassö's sei in einigen Puncten unvollständig. Wa» Deicassö bei Seite gelassen hat und was Brodrick ergänzt, ist aber durchaus nicht unwesentlich. Der Erstere sprach nur von der pachtweisen Anlage einer Kohlen niederlage, während der Letztere positiv erklärte, Frankreich habe eine Landco. cession verlangt und auf diesem Gebiet seine Flagge hissen und Befestigungen anlegen wollen. Ferner sagte Delcassö, daß England wegen deS eigen mächtigen nnd incorrecten Eingriffes einer seiner Beamten sein Bedauern ausgesprochen habe, während Brodrick erklärte, das Vorgehen der englischen Agenten werde von seiner Regierung nicht gemißbilligt, sondern erfolgte nach ihrer Instruction. Er müsse sie auch jetzt noch für im Wesentlichen vollständig correct erklären. Aber nicht genug! Brodrick erinnerte noch daran, daß DelcaD, als er im No vember v. I. vom englischen Botschafter Monson gefragt wurde, was Wahres an den Gerüchten sei, daß Frankreich eine Landerwerbung an der Küste von Maskat beabsichtige, geantwortet habe, davon wisse er nicht da» Geringste, und diese Erklärung habe er noch vor einigen Tagen wiederholt. Dabei ertheitt Brodrick DelcassS die Lehre, daß e» üblich sei, derartiges so oder so rechtzeitig zur Kenntniß ter betreffenden Regierung zu bringen. DaS ist ein DeSaveu in aller Form, daß der englische Außenminister seinem franzö sischen Collegen vor aller Welt zukommcn läßt, ein DeSaveu, daS Delcasss offen der Unwahr Hastigkeit zeiht nnd ibn rücksichtslos bloßstellt. Eine solche Sprache ist nur denkbar, wenn zwischen zwei Staaten daS Tafeltuch so gut wie zer schnitten ist. Was will es nun heißen, wenn französische Minister und Botschafter fortgesetzt erklären, die englisch französischen Streitfragen, namentlich in Afrika, seien dabei, fried- lickst und freundschaftlichst beglichen zn werden! Tbalsächlich er weitert sich der Riß zwischen England und Frankreich immer mehr, aber die französische Regierung täuscht die öffentliche Meinung darüber hinweg, zugleich mutbloS zurückweichenv, denn statt auf einem Landerwerb zu bestehen, hat man mit der Pachtung eines Platzes für einige Koblenschuppen vorlieb ge nommen. Faschoda war eineNieberlage schwerster Art fürFrank- reich, Maskat ist rin Schlag ins Gesicht, eine Beleidigung, die Frankreich gar nicht hinnebmen kann. Tbut r» dies doch, so hat England einen neuen Beweis, daß eS seinen Concur renten Allr» bieten kann und e» wird damit nicht zögern. Wir sind äußerst gespannt, wa» Delcassö auf die englische Herausforderung erwidern wird. lieber die Beziehungen zwischen den Höfen in Peter-dura und Kopenhagen wird »ns au» K open ha gen vom 8. März geschrieben: Die durch ein dänisches Blatt in Umlauf gebrachten beunruhigenden Meldungen über den Gesundheitszustand des Zaren finden in gut unter richteten Kreisen folgende Erläuterung: Ein kühles Verbältniß zwischen dem Zaren nnd dem dänischen Hofe besteht seit vorigem Frühjahr und hat seinen EntstebungSgrund in ter persönlichen Abneigung deS Kaisers Nicolaus gegen den dänischen Kronprinzen, welch' Letzterer bei häufigen Gelegenheiten seine V 0 r l i e b e für England zu erkennen gab. Derselbe unterhielt auch enge Beziehungen zu dem früheren hiesigen Gesandten Englands Charles Scott, welcher jetzt Botschafter in Petersburg ist. Am Zarenbofe glaubte man schon im Vorjahre Anhaltspunkte dafür zn haben, daß Scott auf einen möglichst engen wirthschaftlichen und politischen Anschluß Dänemarks an England nnd auf dessen vollständige Abwendung von Rußland binarbeite. Scott wurde hierbei von den liberalen Parteigruppen Däne marks und besonders auch von dem Linkenblatte „Politiken" offenkundig unterstützt. Nnd nun, da Scott Botschafter in Peters burg ist, erschienen in dem letztgenannten Blatte wiederholt Berichte über die Verhältnisse am russischen Hose, welche eine unverkennbare Spitze gegen den Zaren zeigten. Der Letztere aber ist hinsichtlich der Ehrbezeugungen für seine Person ebenso empfindlich wie in der Frage der antienglischen Politik Dänemarks. Je mehr nun nach dem Tode der alten Königin der Einfluß des Kronprinzen aus die Politik Dänemarks stieg, desto mehr übertrug sich das Mißtrauen des Zaren, da» sich bisher nur gegen einzelne Personen am Kopenhagener Hofe richtete, auf die gesammten dortigen Kreise, sowie auf alle Verwandten des dänischen Königshauses. Während eine römische Meldung wissen will, die Italiener seien in der Sanmun-Bat gelandet und hätten dort die italienische Flagge gehißt, meldet daS „Reuter'sche Bureau" au- Peking, man glaube, daß der italienische Gesandte Martino von seiner Negierung noch keine Instructionen be züglich weiterer Schritte beim Tsung li Damen erhalten habe, und die officiöse „Agenzia Stefani" berichtet aus Rom, Minister präsident Pelloux, der Minister deS Auswärtigen Canevaro und der Marineminister Palumbo hätten noch gestern eine Conferenz gehabt, um die für die zukünftige Besatzung der Sanmun-Bucht zn ergreifenden Maßregeln zu besprechen; Canevaro habe lange mit dem englischen Botschafter Currie conferirt. Die „Jtalie" theilt mit, die amtlichen Kreise seien überzeugt, daß die Angelegenheit noch vor Ablauf eines MonatS endgiltig geregelt sein werde. Demnach ist die Meldung von der bereits erfolgten Besetzung der Bai Wohl verfrüht und diese ließe sich auck schwerlich ohne Weitere» durch die Beleidigung rechtfertigen, welche die chinesische Regierung Italien zngefügt hat. In letzterer Hinsicht wird un» gemeldet: * Rom, 9. März. (Tel.) Wie die „Tribuna" au» London von guter Seite erfährt, theilte der englische Gesandte in Peking, Maedo- nald, der englischen Regierung mit, der Ehef der chinesischen Regierung habe ihn gebeten, dem italienischen Gesandten d« Mar tino das lebhaste Bedauern ouszudruckrn, daß de Martino die Weigerung, seine Note rntgrgrnzunebmen, als Beleidigung aufgefaßt habe. Die chinesische Regierung sei Feuilleton. Wang-hgan-Lh6. Roman von Sylva Testa (L. Frsr. von Staöl-Holstein). Nachdruck vcrdsik». „Und wo meinst Du, daß ich es hernehmen soll?" rief der Kaiser. „Mit welchem Machtwort könnte ich den See in Wein und seinen Ufersanio in Reis verwandeln?" „Dieses Wunder, 0 mein Gebieter, vermag ein Tauschsystem zu vollbringen; die nördlichen Provinzen haben Korn geerntet, oie südlichen Thee unb Früchte; im Osten sind die Heerden ge diehen, während eine Seuche hier fast sämmtliche Hausthiere vertilgte; dagegen lieferte die Seide einen reichen Ertrag, die im übrigen Lande gänzlch mißrieth. Schließe die Zwischenhändler aus, erlasse dem kleinen Manne die Steuern, besteuere Dagegen den Luxus der Reichen, di« rm Ueberfluß schwelgen, sehr hoch, und lege mit den ungeheueren Einkünften, die Dir daraus zu fliehen werden, St<ra:smagazin« im ganzen Reiche an, kaufe alle Product« auf, di« zur No hdulst des Lebens gehören und vertheile sie durch Tausch nach dem von mir ausgearbeiteten System. Hiermit wirs !v«r Druck schwinden, der unerträglich auf dem Volke lastet, und von selbst wird sich der Aufruhr legen." Einige Mandarin«, an ihrer Spitze Shv-ma-Kuang, hatten sich während dieser Unterredung genähert, aber der Kaiser erhob abwehrend den Fächer; er wollte sie nicht hören: sie würden ihm ja doch nur nutzlose Grausamkeiten anrathen, die ihm ein Gräuel ivaren. Hier stand Einer, der ihm in großen Zügen neue Mög lichkeiten entrollt«. Einer, aus dessen schönem Antlitz Frermuth, Kühnheit, cdle Menschlichkeit leuchtete, die mächtig auf den jungen Herrscher wirkte. „Fahr' fort", befahl er. „Wie willst Du den mörderischen Einfällen der Tortaren Stand halten, vor denen mein Heer schmählich zurückweicht?" „Deine Truppen, 0 Herr, sind friedliches Landvolk, wider willig zusammengetrieben, ungeübt im Waffendienste und elend herabgekommen unter der Hand gewinnsüchtiger, unfähiger Man darine. Entlasse sie in ihre Dörfer und entsende die beute lustigen Reiterschwärme Dein«! wilden Bergstämme, befehligt von ihren eigenen Fürsten, die Grenzen zu vertheidigen." „Ich wollte den Prinzen Jo-lu an die Spitze des Heeres stellen", sagt« der Kaiser, „aber Du magst Recht haben, nur ge borene Krieger vermögen diesen Horden zu trotzen. Es sollen sogleich Eilboten an alle Stammfürsten entsewdet werden." Dann schaute er eine Weile, in tiefes Sinnen versunken, auf die harrende Menge zu seinen Füßen. Lautlose Stille umgab ihn; in athemloser Spannung harrten die Vornehmen und Ge ringen seiner Entschlüsse. Nur auf Wang's Stirne leuchtete ruhige Zuversicht, und als der Kaiser sich zu ihm wandte und sogt«: „Was Du mir anräthst, wäre des kühnen Versuches wohl Werth, allein wo sind die Klugen und Getreuen, die dieses Riesen werk vollsühren können?" Da war es mit einem siegesfrohen Lächeln, daß er er widerte: „Zweihundert Jüngling« find seit drei Jahren für diese herrlich: Aufgabe geschult; zwar eine verschwindende Zahl, allein jüngere werden nachrücken und Wang, Dein Knecht, wird sich im Dienste seines Volkes verhundertfachen." „Geh'", sprach der Kaiser, „und sag's dem Volke, ich hätte seine Sache in Deine Hand gelegt. Was Du mit.diesem Siegel unterzeichnen wirst, soll meinem Worte gleich im Reiche gelten." Er zog einen Ring vom Finger, der, in rothem Stein ge schnitten, das Bild des chinesischen Drachen trug, und steckte ihn dem tnieenden Wang an. Jur Kreise der Anwesenden wurde ein leises Murren hörbar. D. Kaiser sah sich mit zürnenden Blicken um und verstummend n-igten sich Alle. Erhobenen Hauptes, das Herz voll unaussprechlicher Freude, verließ Wang den Altan und brstieg diesmal die kaiserliche Sänfte, um al» Abgesandter des Allgewaltigen, von seinen Jüng lingen getragen, auf dem Platze zu erscheinen, den das Volt noch immer wartend besetzt hielt. Die Kunde seiner Berufung in den Palast hatte sich wie ein Lauffeuer durch die Stadt verbreitet, und zahllose Menschen strömten noch herzu, unter ihnen nicht wenige Mitglieder der höheren Stände, sowie wißbegierige Damen in ihren Sänften. Eine solche, mit geschlossenen Seiden vorhängen, hielt neben der Wang's, als er, seine mächtige Stinime erhebend, dem Volke zurief, es möge getrost sein, die Morgenröthr einer besseren Zeit breche an, der Kaiser wolle aller Noth ein End« machen und habe ihn, Wang-hgan-Chsi, mit der Entlastung der Bedrückten betraut; er werde auf öffentlichen Plätzen die Lehren und Grundsätze der neuen Ordnung bekannt machen »assen; er fordere Geduld und unbedingten Gehorsam, dann müsse die Reform gelingen. Er fordere nicht nur die Mit hilfe aller wackeren Männer, sondern auch aller klugen, weichherzi gen Frauen, denn auch sie seien Menschen, geboren, um glück lich zu sein, und frei von den Fesseln, dir sie heute binden. Er wußte wohl, daß dieser Appell an die Frauen einen viel tausend fachen Widerhall finden werde. Die Besitzlosen rief er auf, «inmüthig im Geiste der Bruder liebe seiner Führung zu folgen, unv jubelnde Zurufe antworteten ihm. Die Besitzenden bat er, aus freiem Willen, ohne nutzlosen Wi'oerstand, ihren Ueberfluß dem Staats- und Gemeinwohle zu opfern. Erst im Geben würden sie sich wahrhaft reich fühlen. Hier und da erhob sich Widerspruch, den aber der Jubel des Volkes übertönte. Wang's Antlitz und Gestalt war wie verklärt vom Geiste der großen Stunde, die nun endlich geschlagen hatte, da er seinem Volke das H«il verkünden durfte, an das er glaubte, das «r über schwänglich austheilen zu können vermeinte. Selbst einig« seiner Widersacher fühlten sich ergriffen und hofft«n im Geheimen, der Traum vom allgemeinen Mrnschenylück könne Wahrheit ntcden. Die Falben der Seidengardinen an der Nachbarsänfte öffne ten sich ein wenig, rin Mädchenantlitz, weiß wie eine Locosblüthe, mit dunklen, thränrnfeuchtrn Augen, wurde sichtbar und «ine herrliche Purpurrose flog Wang in den Schooß. Er verneigte sich leicht und ließ sich, von maßlosem Jubel be gleitet, nach Hause tragen. — Zehntes Capitel. Jenseits des Palastes ««streckte sich d«r Park in unendlicher Ausdehnung. Pfad«, auf denen in buntfarbigem Kies die wunderlichsten Schnörkel und Arabesken gezeichnet waren, schlängelten sich um prächtige Blumenbeete und Goldfischteich« und verschwanden im blühenden Dickicht, welches von Fasanen, Pfauen und bunten Singvögeln hinter fast unsichtbaren Silber drahtnetzen belebt war. Künstliche Felsen und Thäler, Murmel bäche, von schwebenden Brücken überspannt, Grotten und Wasser fälle überraschten den Wanderer bei jeder Wendung des Weges. Heute erschien diese Zauberwelt wie ausgestorben; der Kaiser, dem zu begegnen bei schwerer Strafe untersagt war, mußte in den geheimnihvollrn Hainen weilen. Auf einem kleinen Bach«, über den Blüthenbäum« sich neigten, glitt ein Nachen dahin, in dem Chen-Tsung, weich gebettet, ruhte. Hinter ihm stand Dhsia und führte den Kaiser mit einer glatten, rothen Ruderstange. Ein w«ihwollen«s Obergewand umhüllte sie und fiel in weichen Falten auf rin Unterkleid-von himmelblauer Seid«, die schönen Arm« freilassend. In spielenden Lichtblihen stahlen sich dir Sonnenstrahlen durch das dichte Laubgezweig; Goldkäfer summten, blauschillernde Libellen schwebten über dem Wasser. Dhsia war cs, als träume sie, wie sie so mit dem Mächtigsten der Erde in schweigender Wildniß .dahinzog, und dann trug ihr wacher Traum sie weit, weit zurück. Sie trieb auf dem blauen Flusse im Fischerboot dahin, den gefesselten Kormoran auf der Hand — sie löste die Schlinge und pfeilschnell schoß er ins Wasser und wisder herauf mit dem glitzernden Fisch, den zu ver schlucken ein silberner Halsring ihn hinderte; sie hörte die Flöte deS Hirten am Ufer und das Flüstern des Nachtwindes im Rohr, und statt des blassen Kaisers sah sic «inen stolzen Jüngling mit leuchtenden Adleraugen zu ihr aufschauen. — Den Palast mit allen seinen Schätzen gäbe sie hin, für einen Liebesblick aus diesen Augen! An den Weißen Marmorstusen eines kleinen, tempelartigen Pavillons legten sie an. Chen-Tsung schritt hinan, und den Vorhang, der den Eingang schloß, zurückschlagend, wandte er sich nach Dhsia um und winkte ihr, ihm zu folgen. Durch rosenrothe Hornscheiben fiel «in matter Schein wie Sonnenuntergangsgluth in das achteckige Gemach. Chen-Tsung ließ sich auf einem Divan nieder und reicht« Dhsia eine goldene Pepa mit Purpursaiten; sie kniete zu seinen Füßen und sang vom Kormoran, von der Hirtenflöte und vom Geflüster des Nachtwindes im Uferschilfe am Uang-tse-Kiang — aber von dem Jüngling mit d«n Adleraugen sang sie nicht. Chen-Tsung's Blicke hingen liebeglühend au ihrem süßen Antlitz, dann schloß er die Augen und schaute nach innen, wo sich ihr liebliches Bild in seiner Seeele Grund spirgelte. An ihrem Fenster stand Mc-ng, di« Kaiserin, betrachtete den Goldknauf auf dem Lusthäuschen im Haine und hörte hier und da verlorene Saitenklänge. Sie wußte, daß Dhsia dort ihrem kaiserlichen Gemahl die Zeit verkürzte. — Dhsia mit den großen Füßen und den ungeschminkten Wangen! Sie lachte üb«r den absonderlichen Einfall ihres Herrn; Eifersucht kam nicht in ihren Sinn, gab es doch der Frauen viele im Palaste; aber sie allein war Kaiserin und trug Ohrgehänge, Armringe und Halsketten, funkelnd von kostbaren Steinen, wie keine Andere. Chen-Tsung derweilen dachte nicht an seine Kaiserin, noch an eine ander« der Frauen, die seinen geheiligten» Namen mit Anbetung nannten. Der Sohn des Himmels hatte das Gebieten verlernt und war heute nur noch ein Erdensohn, der heißen Her zens, hoffend und bangend, um die Liebe einer Sklavin warb. Elftes Capitel. Wang hatte von seinem Vater Klugheit, Streben, recht schaffenen Sinn, von seiner Mutter Herzenswärme, Natur- und
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