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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.03.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-03-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990311014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899031101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899031101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-03
- Tag1899-03-11
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Direkte tägliche KreuzbanLsendung in- Ausland: monatlich 7.50. Morgen-Ausgabe. MipMcrTagMatt Anzeiger. Amtslikatt -es Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Rattjes und Notizei-Ämtes -er Lta-t Leipzig. Tonnabenb den 11. März 1899, 127. Unzeigen-Prel- die 6 gespaltene Petitzeile 20 Psg. Reklamen unter dem Redacttonsstrich (4ge- spalten) 50 ^. vor den Familiennachrtchtea (6 gespalten) 40 ^z. Größere Schristen laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsa» nach höherein Tarif. —e»«— hertra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Poslbrsördrrung 60.—, mit Postbefördrrung 70. -. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgr n-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bet den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen find stet- an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von L. Polz in Leipzig. 93. Jahrgang. Die russischen Slndentenunruhen. V. 8. Es ist ein eigenthiimliches Kennzeichnen russischer Verhältnisse, daß dieSbudentenschaft des Zarenreiches seit Langem eine feindselige Haltung gegenüber der bestehenden Ordnung einnimmt. Wenn die Jünger russischer Hochschulen an die Oeffentüchkeit treten, so geschieht es gewöhnlich, um in lärmender Weise ihre Unzufriedenheit zu äußern; bald sind es Erlöste, welche die Universitäten betreffen, bald handelt es sich um staatliche Einrichtungen, aber immer tragen die Kund gebungen einen verneinenden Charakter. Diese auffällige Er scheinung konnte man sowohl unter dem liberalen Alexander II. beobachten, als unter der Aera des reaktionären Alexander III., als endlich wärend der Regierung Nikolaus' II., von dem man erhoffte, er werde zu den Grundsätzen seines aufgeklärten Groß vaters zurückkehren. Die jüngsten Unruhen an der Petersburger Universität liefern den Beweis, daß der umstürzlerische Geist oer akademischen Jugend sich auch jetzt nicht sonderlich geändert hat. Die Tumulte fanden bekanntlich am Jahrestage der Hoch schule, auf dem Nrvski-Prospect, der belebtesten Straße der Hauptstadt, statt und richteten sich zunächst gegen einen Erlaß des Rectors, der in ruhigem Tone die Studenten ermahnt hatte, ven Unfug auf den Straßen zu unterlasten. Dieser Unfug am Stiftungstage der Petersburger Universität ist leider etwas ganz Gewöhnliches. Schreiend und lärmend ziehen Schaaren von Studenten die Straßen entlang, belästigen die Vorübergehenden und hindern auf alle nur denkbar« Weise den gewöhnlichen Verkehr. Bisher waren es meist Ausschreitungen Betrunkener, welche mit verhältnißmäßiger Nachsicht behandelt wurden; aber schließlich nahm die Sache eine derartige Ausdehnung, daß im vorigen Jahre zum ersten Mal ein energisches Eingreifen nöthig wurde. Militär wurde aufgeboten, welches dir Lärm macher rasch zur Ruhe brachte, wobei die Kosaken nicht sonderlich glimpflich mit den Studenten umgegangrn sind. Die Regierung erblickte darin gleichwohl noch nichts Schlimmes, sondern ver öffentlichte eine Erklärung, in welcher sie die Sache als einen gewöhnlichen Dtraßenunfug hittstellte. Am 20. Februar d. I. hat man die Sache ernster genommen. Die Kosaken haben nicht nur ihre Reitpeitschen benutzt, sondern auch scharfe Waffen sind zur Anwendung gekommen, lieber den eigentlichen Verlauf des bedauerlichen Zusammenstoßes zwischen Studenten und Militär wird aber völlig geschwiegen. Weder der „Regierungsbote" noch ein anderes Blatt hat bisher über den Vorfall das Geringste veröffentlicht — em sicheres Zeichen, daß die maßgebenden Kreise den Vorfall durchaus nicht für harmlos halten. Dieses Bestreben, zu vertuschen, tritt immer nur dann bei der russischen Regierung hervor, wenn man glaubt, daß einem Ereigniß sociale und nihilistische Pläne zu Grunde liegen. Man scheint demnach zu früheren Gepflogen- luiten zurückzukehren, was durch die Gerüchte bestätigt wird, daß die reaktionäre Partei unter Führung PobedonoSzew's an Einfluß bei der Regierung gewonnen hat. Berücksichtigt man dte Entwickelung der russischen Studenten schaft, so kann es eigentlich nicht Wunder nehmen, wenn die Negierung den scharfen Mitteln bei der Behandlung der Stu denten den Vorzug giebt. Seit 40 Jahren sind die russischen Universitäten, mit Ausnahme allein der livländischen Hochschule Dorpat, in Wahrheit Herde des Nihilismus gewesen. Es wiederholten sich auf ihnen die unglaublichsten Ereignisse, di- in lärmenden Kundgebungen, in mörderischen Anschlägen und in direkten Angriffen zum Sturze der herrschenden -Staats gewalt zu Tage traten. Auf sämmtlichen Hochschulen fanden die Abgesandten nihilistischer Cirkel den günstigsten Boden und erwarben im Fluge zahlreiche Anhänger. Der Grund dieser Erscheinung ist freilich zum Theil in der wechsel- und wider spruchsvollen Haltung der Regierung, aber auch in den drückenden Verhältnissen und der äußersten materiellen Nothlage zu suchen, unter der das Gros der Studentenschaft zu leiden hat. Die raschen Reformen Alexander's II. hatten den Studenten die Köpfe verwirrt, und die Haltung der Professoren, welche den unreifen und phantastischen Neigungen ihrer Schüler Vorschub leisteten, hat ihrerseits recht diel verdorben. Dann wiederum schlug man ins Gegentheil um und ahndete verhältnißmäßig geringfügige Vergehen mit äußerster Strenge. Das rirf schließ lich eine derartige Erbitterung hervor, daß die Studentenschaft sich als im Kriegszustände mit der Regierung betrachtete und keine Gelegenheit unbenutzt ließ, einen aussichtslosen Versuch zu wagen, die herrschende Ordnung zum Zusammenbruch zu bringen. Die 60er Jahre weisen in Charkow, Petersburg, Moskau, Kjcw u. s. w. eine Reihe von Studentenunruhen auf, die alle einen mehr oder weniger ernsten Charakter trugen und meist durch das Militär unterdrückt werden mußten. Aus der Zahl der Studenten sind mehrere der nihilistischen Mord buben hervorgegangen, welche ihre Anschläge anfangs gegen Gouverneure und Generale richteten, und Venen im Jahre 1881 der Zar Alexander II. zum Opfer gefallen ist. War es verwunderlich, wenn der Sohn und Nachfolger des „Zar-Befreiers" die äußerste Strenge gegen studentische Um triebe bekundete? Das hinderte freilich nicht, daß unter seiner Regierung ebenfalls Unruhen zu Tage traten, die, namentlich in Moskau, sich ernst genug ausnahmen und die es in Peters burg dirrct auf das Leben des Zaren abgesehen hatten. Es war nur ein Zufall, daß Alexander III. am Jahrestage der Ermordung seines humanen Vaters nicht das gleiche Schicksal wie dieser erlitt. An die Öffentlichkeit freilich ist von dem Allem verhältnißmäßig wenig gedrungen. Und wie hat man dem Zaren Nikolaus II., der mit wohlwollenden Absichten den Thron bestieg, dafür gelohnt? Vor drei Jahren brachen aber mals Unruhen aus, deren Fäden sich über zahlreiche Universitäten verbreiteten und die zweifellos socialistische Tendenzen verfolgten. Es war wohl der persönliche Einfluß des Kaisers, daß die Rädelsführer verhältnißmäßig nachsichtig behandelt wurden, und daß man im „Regierungsboten" die Sache als bedeutungslos hinzustellcn suchte. Bald darauf begann man auch allen Ernstes durch Unterstützungscomite-s dem Nothstande der Studenten ent- I gegenzutreten, lieferte zahlreichen Unbemittelten das Geld zum Studium und hat erweislich eine Menge Existenzen vom Unter gänge gerettet. Es scheint, als hätte das an der Gesinnung der Studentin nicht sonderlich viel geändert. Ihr Mißtrauen gegen die Re gierung bricht bei jeder Gelegenheit hervor, Tumulte werden auch heute in Scene gesetzt, und der umstürzlerische Charakter der ganzen Bewegung ist nicht zu verkennen. Es soll hier keineswegs geleugnet werden, daß die Regierung selbst, die wenig Verständniß für die thatsächlichen Verhältnisse besitzt, di« Schuld an manchem Vorkommniß trifft, das ändert aber nichts an der einmal feststehenden Thatfache, daß -die akademische Jugend im Zarenreiche von nihilistischem Gifte völlig durchseucht ist. Bisher haben ebenso Strenge als Milde sich wirkungslos erwiesen. Ver breitet sich die umstürzlerische 'Gesinnung weiter und ergreift sie immer größere Kreise, so entwickelt sich daraus die ernsteste Gefahr für die Monarchie in Rußland. Deshalb wird auch der von der Studentenschaft mit Jubel begrüßt« Befehl der Zaren an den Generaladjutanten Wannowski, die letzten Vor kommnisse einer genauen Untersuchung zu unterziehen, von der man hofft, daß sie für die Studenten günstig ausfällt, an der jetzt mit Recht beliebten schärferen Tonart schwerlich viel ändern. Der amtliche deutsche Gericht überdie Vorgänge auf Samoa. (-) Berlin, 10. März. (Telegramm.) Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht ausführliche amtliche Be richte über die Vorgänge auf Samoa. Im Berichte des General konsuls Rose vom 23. Januar über die Ereignisse vom 31. De- cember 1898 bis zum 4. Januar 1899 wird hervorgehoben, daß die Entscheidung Chambers' zu Gunsten Tanu' s habe verblüffend wirken müssen, da Chambers am 5. October 1898 in einer schriftlichen, allgemein bekannt ge wordenen Erklärung geäußert habe, es würde kein Grund vorliegen, Makaafa den Platz des Königs vorzu enthalten, falls er rechtsgiltig zum Könige gewählt würde. „In einer Besprechung der SicherungSmaßregeln vor dem Aus bruche deeKampfes der samoanischen Parteien äußerte der Consul Maxse, Capitän Sturdee hätte die Absicht, das Vordringen der Mataasa-Leute mit Gewalt abzuwehren und die Tanu-Partei thätig zu schützen. Deutscherseits sind nur solch« militärische Schritte angckündigt worden, die durch die Rücksicht des Schutzes von Leben und Eigenthum der Weißen bedingt wurden. In die Wohnung des Oberrichters, wo die englische und die ameri kanische Flagge gehißt waren, war eine englische Wach« gelegt worden. Nach Lage der Oertlichkeit wäre diese Wache mitten in die Kämpfe der Eingeborenen hineingezogen worden. Sie ver ließ aber am 1. Januar Vormittags unter Einziehung der Flaggen den Platz, nachdem sich der Oberrichter zuvor nach Apia begeben hatte." Der Generalkonsul schilvert sodann, wie er am 1. Januar Nachmittags zum Tivoli-Hotel geritten sei, um, wie viele andere Weiße, die Vorgänge zu beobachten, und dabei einem Haufen Mataafa-Leute habe durchqueren müssen, mit denen er jedoch nichtgesprochen habe, und wie er kurz nach 4 Uhr mit dem Leutnant Frielinghaus vom Kreuzer „Falke" nach dem Stadttheile Scugi und von dort nach Hause ge ritten sei. Somit sei die Anklage Chambers', der deutsche Generalkonsul sei um 4H Uhr Nachmittags an der Spitze dec Mataafa-Leute geritten, als diese das Tivoli-Hotel angriffen, dem wirklichen Sachverhalt nicht entsprechend. Der Beweis sei das schriftliche Zeugniß des Leutnants Frielinghaus. Die erstenbeidenSchüsse seien von zwei namentlich bekannten Malietoa-Leuien abgefeuert worden. Die Tanu-Leute seien am 2. Januar von der „Porpoisc" und, da der Raum dort nicht ausgereicht habe, von dem „Falke" ausgenommen worden. Bei der Schilderung dec Einsetzung der provisorischen Regierung sagt Rose, Raffel habe sich in unruhigen Tagen durch seine Thäligkeit allgemeine Anerkennung erworben. Der Berich: citirt Lobeserhebungen, die die englische Zeitung in Apia am 7. Januar Raffel gespendet hat. In demselben Sinne be wegen sich die DankeSäußerungen des englischen Consuls und des englischen Capitäns. So sei die Einsetzung einer proviso rischen Regierung mit Raffel an der Spitze schon am 3. Januar beschlossene Sache gewesen. In der Schilderung des Verhaltens der beiderseitigen Kriegsschiffe wird erwähnt, daß Raffel am 3. Januar für den Schutz der englischen Mission gewirkt habe. Am Schlüsse dieses Berichtes sagt Rose, Matvafa habe nicht an den Kämpfen theilgenommen. Auch auf englischer Seite sei in der Zuschrift an die Zeitung in Apia anerkannt worden, daß Mataafa für den Krieg nicht verantwortlich sei und bis zuletzt bemüht gewesen sei, ihn zu verhindern. Der zweite Bericht des Generalkonsuls Rose behandelt die Vorgänge vom 4. Januar bis zum 9. Januar. Raffel habe am 6. Januar das Obergericht geschlossen, weil nach seiner Ansicht die Wahrnehmung des Oberrichter-Posiens durch Chambers für die Dauer der Regierung rechtlich ausgeschlossen sei, die entgegen der Entscheidung Chambers' vom 31. December entstanden sei. Der Bericht tritt der Auffassung des englischen Consuls, das Raffel'sche Vorgehen bedeute eine Beleidigung der englischen Flagge, entgegen. Rose schildert, wie am 7. Januar Mittags das Obergericht a u f Veranlassung ChamberS' vom englischen Con sul zwangsweise wieder eröffnet worden sei. Während der englische Consul die Beschießung Apias angedroht, und das Kriegsschiff „ Porpoise" zur Zeit der zwangsweisen Eröffnung des Obergerichtes seine Geschütze auf das Gerichtsgebäude gerichtet habe, habe es Rose unterlassen, sich an den Kreuzer „Falke" zum Schuhe Raffel's zu wenden, weil er nicht gewollt habe, das be waffnete Abteilungen zweierbefreunvcterStaaten aus somin i- malcr Veranlassung sich feindlich gegenüberstünden. Rose bespricht alsdann die Proklamation vom 7. Januar, worin Chambers das Obergericht vom Bestehen irgend einer proviso rischen Regierung unabhängig erklärt, und eine Kundgebung des englischen und des amerikanischen Consuls, worin Chambers als einziger rechtmäßiger Oberrichter, auch während des Be stehens der provisorischen Regierung, erklärt wird. Rose weist Der Sprachenkrösns. Eine Skizze zum 60. Todestage Mezzofanti'S. Don Ernst Abel. Nachdruck vlrbovn. DaS Talent von Sprachen ist von je besonders bewundert worden und besonders nützlich gewesen. Noch in unseren Tagen haben uns die Schicksale Emin Pascha's und Schliemann's seine ganze Bedeutung ermessen gelehrt, da nicht zuletzt mit Hilfe ihrer seltenen Sprachkenntnisse der eine dieser Männer ein eigenes Reich gründete, der Andere ein längst untergegangenes erneut ans Licht rief. Das sind gewiß große Triumphe linguistischer Genies; und dennoch stehen Emin und Schliemann als Sprachenkundige unendlich hinter dem Manne zurück, der auf diesem Gebiete thatsächlich Alle thurmhoch überragt und als einziges Phänomen bezeichnet werden muh: hinter Mezzofanti. In diesem Manne war ein Sprachentalent vereinigt, das, auf Viele vertheilt, noch immer Jedem eine ansehnliche linguistische Begabung gesichert hätte, und die Frage, wie der von Frankl glücklich so getaufte SprachenkrösuS zu seinem Reichthum kam, muß in der That das lebhafteste Interesse Hervorrufen. Der äußere Lobensgang Giuseppe Mezzofanti'S ist ziemlich einfach. Er war ein Bologneser, auS armer Familie als der Sohn eines Zimmermanns am 17. September 1774 geboren. Es ist nicht zu controliren, ob gewisse Erzählungen, die von seinen Kinderjahren überliefert sind, auf strenger Wahrheit beruhen oder spätere Erfindungen sind; so heißt es z. B., daß er als Knabe die griechischen und lateinischen Worte einer Lehrers, die aus der gegenüberliegenden Schule in die Werkstatt seines Vaters ab und zu hinüberklangen, mit auffallender Leichtigkeit behalten und wiederholt habe. Sicher ist, daß Mezzofanti sich frühzeitig als begabt erwies und einen gelehrten Unterricht erhielt; und sicher ist ferner, daß seine Neigung zu den Sprachen und sein Talent dafür gleichfalls sehr bald zu Tage trat. Einer seiner Lehrer war der als tüchtiger Grieche bekannte spanische Jesuit d'Apontr, der ihn frühzeitig in die Kenntnih des von ihm stets besonders geliebten Hellenischen «Inführte; ein Schwede, Namens Thiulen, vermittelte ihm zugleich die Elemente der germanischen Sprachen. Das Französische machte ihm als Italiener natürlich keinerlei Schwierigkeiten, da» Lateinische war ja die Grundlage de» ganzen Unterricht»; da» Hebräische, Arabische und Koptische er lernte der junge Priester gleichfalls noch vor seinem 20. Lebens jahre, so daß er schon eine stattliche Sprachenkenntniß besaß, als er 1797 an der Bologneser Universität als Professor des Arabischen angestellt wurde, — «ine Anstellung, auf dir er bereits im folgenden Jahre verzichtete, weil er der neu errichteten Republik sich nicht unterwerfen wollte. Er war ein höchst an- fpruchSloser, bescheidener Mann, der von ein paar Hundert Lire des Jahres lebte und nur in seinen Studien Vergnügen fand. So groß aber auch sein Talent für Sprachen war, so hätte er es doch nie weit gebracht, wenn er nicht durch einen zähen Fleiß seiner Begabung zu Hilfe gekommen wäre. Mit Begier stürzte er sich auf jede Grammatik einer fremden Sprache, auf die Literatur der ausländischen Völker; jeder Bologna passirende Reisende mußte ihm zur Vermehrung der Befestigung seines Sprachenschahes dienen; und so konnte er schon im Jahre 1800, als die Soldaten des österreichischen Heeres die friedliche Bononia erfüllten, den Ungarn und Deutschen, den Slawoniern und Tschechen, die damals in den Hospitälern lagen, die Beichte ab nehmen. Damals war er bereits eine Bologneser Berühmtheit geworden; man nannte ihn den „Beichtvater der Fremden" (oonkossionario clsi lorostiori), und man erzählte sich von ihm, wie er wiederholt, wenn an ihn sich eine seines geistlichen Bei standes bedürftige Person wandte, deren Sprache er nicht mächtig war, in stauennswerth kurzer Zeit sich ihr Idiom so völlig an eignete, daß er sich mit ihr unterhalten und ihre Beichte hören konnte. Nachdem er in sein Amt wieder eingesetzt, von Napoleon aber 1808 wieder quiescirt war, trat er 1814, als auch in Italien die wilde Fluth der Revolutionen und Gegenrevolutionen endlich ebbte, endgiltig wieder in die Stellung eines Professors und Oberbibliothekars ein. Die wiederholte erzwungene Ruhe hatte er zu schneller Erweiterung seiner Sprachenkenntnisse benutzt, und wer durch Bologna reiste, verfehlte nicht, dieses vielberufene „Sprachen-Chamäleon" aufzusuchen. 1817 schrieb der Engländer Stuart Rose von Mezzofanti, er lese zwanzig und schreibe acht zehn Sprachen, und zwar die, über die er zu urtheilen vermöge, mit der höchsten Präcision. Lord Byron war (1818) über dies „Sprachenungeheuer" ganz erstaunt; der hätte, so meinte er, zur Zeit des Thurmbaues von Babel als allgemeiner Dolmetscher leben müssen. Sein Englisch überraschte ihn außerordentlich. Was seine Beziehungen zur deutschen Sprache angcht, so er zählt der bekannte DÄne Molbech, daß er ihn in der deutschen Literatur sehr bewandert gefunden und daß er Schiller und Goethe in Bologna eingeführt habe; dem Baron Zach nöthigte er ein Lächeln ab, wie er ihn nacheinander im sächsischen, schwäbischen und österreichischen Dialekte und jedeSmal mit dem genauen Tonfalle der Mundart anredete. Auch der damalige Kronprinz, spätere König Friedrich Wilhelm IV. schrieb an I)r. Tholuck, Mezzofanti habe mit ihm Deutsch wie ein Deutscher, mit seinen Begleitern aber nicht minder gut Französisch, Englisch und Schwedisch gesprochen. DaS Jahrzehnt von 1820—1830 brachte Mezzofanti neue gewaltige Bereicherungen seiner Sprachenkenntniß; damals lernte er u. A. dar Armenische, Georgische und Türkische neu oder gründlicher. Er selbst hat — und zweifellos ganz richtig — darauf hingewiesen, daß, wer erst eine gewisse Zahl von Sprachen beherrsche, leicht auch zahlreiche andere bemeistern könne. Jeden falls aber wurde er mit der steigenden Zahl der von ihm be herrschten Zungen für die Welt immer mehr ein verblüffendes Phänomen. 1806 hören wir, daß er 24 Sprachen rede; 1817 las er nach Stuart Rose (wie bereit» erwähnt) 20 und unter- hielt sich in 18 Sprachen; 1830 schrieb ihm Baron Zach 32 Sprachen zu; Mezzofanti selbst bezifferte 1836 die Zahl der von ihm verstandenen Sprachen auf 45, 1839 aber bereits auf 50. Wir kommen auf die Frage dieser Zahl noch zurück. Dabei war aber bemerkenswerth, daß er eine große Zahl von Sprachen so weit meisterte, daß er sogar kleine Poesien in ihnen ab zufassen wagen konnte. Man hat von ihm z. B. Dichtungen in Hebräisch, Lateinisch, Griechisch, Persisch, Englisch, Ango- lesisch, Französisch, Graubündnerisch. Was die Correctheit seiner Aussprache betrifft, so fand der berühmte Philologe Jacobs sein Deutsch gar nicht fremdartig, höchstens von einem Anfluge ober deutschen Accents bezeichnet, seinen Ausdruck nannte er gewählt und richtig; und Tholuck bemerkte nur ein paar kleine Fehler in der Unterhaltung. Auch war er mit der Literatur der ver schiedenen Sprachen meist wohl vertraut. 1831 wurde Mezzofanti nach Rom berufen, wo er als Custos an der vatikanischen Bibliothek angestellt und 1838 sogar zum Cardinal ernannt wurde. Die römische Curie, deren Politik und Verkehr die ganze bewohnte Erde umspannt, die Weltstadt Rom, in der sich alle Nationen Stelldichein geben, — das war so recht der Schauplatz für Mezzofanti. Da stieg er zu San Antonio auf dem Esquilin empor, wo die Maroniten-Mönche hausten, conversirte in S. Maria in Navicello mit Ruthenen, sprach in S. Giuseppe Armenisch, Türkisch und Persisch und lernte in der Propaganda Chinesisch. Besonders in dem poly- glotten Colleg der Propaganda war er ganz zu Hause, sprach mit zwanzig Schülern in zwanzig Sprachen, corrigirte Reden und Aufsätze in ungezählten Idiomen, lehrte und lernte. Fast war es zu einer Art Sport geworden, diesen Sprachenkrösus zu prüfen, und es war selbstverständlich, daß er zuweilen Nieder lagen erlitt. Heute war es das Baskische, morgen der abessinische Amarinna-Dialect, der ihm fremd war. Aber ein Jahr später — und auch diese Idiome standen auf Mezzofanti'S Sprachenliste. Der alte Papst Gregor XVI., der ihm sehr wohl wollte, der- anstaltete einmal einen richtigen Sprachenübersall auf Mezzo fanti, um ihn in Verlegenheit zu setzen. Er ließ eine Anzahl Propaganda-Studenten sich in einen Hinterhalt postiren, und während eines Spazierganges des Papstes mit dem Cardinale stürzten sie Alle unversehens hervor und redeten in ihren Zungen zugleich auf Mezzofanti ein. Der ober verlor seine Geistesgegen wart nicht und fertigte Einen nach dem Anderen, Jeden in seiner Sprache, mit großer Eleganz ab. So mancher fremde Besucher, der mit hohen Erwartungen zu thm gekommen war, wurde doch durch seine Kenntnisse ganz verblüfft. So der Engländer vr. Forster, der Mezzofanti sagte, er könne etwas Wallisisch, und darauf den Cardinal nacheinander Wit einen walliser, keltischen, irischen, gälischen und bretonischen Bauern im Dialekte sprechen hörte. Selbstverständlich leistete er dem päpstlichen Stuhle durch seine Kenntnisse die größten Dienste; wo hätte er auch einen zweiten Geistlichen gefunden, der mit einigen in die Propaganda aufgenommcnen Indianern und Indianer-Mischlingen die ver schiedenen indianischen Dialekte hätte treiben können! Der Ire C. W. Russell, der Mezzofanti eine ausführliche Biographie gewidmet hat, hat den Umsang seiner Sprachen kenntnisse genau ermittelt und gefunden, daß er sicher dreißig Sprachen, vermuthltch aber noch weitere neun mit völliger Ge läufigkeit redete. Darunter befinden sich einige der schwersten Idiome, wie Chinesisch, Koptisch, Abessinisch u. s. w. Minder vollkommen oder unvollkommen redete er weitere 17 Sprachen, während er zwölf Idiome aus Büchern gelernt hatte, jedoch nicht sprechen konnte. Dazu tritt endlich die große Reihe von Dia lekten, die er meisterte; da man sie wenigstens auf 35 beziffern muß, so würde sich die Gesammtzahl der von Mezzofanti be herrschten Sprachen und Mundarten mindestens auf 103 be laufen. Um diese Zahl recht zu würdigen, muß man sich ver gegenwärtigen, wie weit die Kenntniß einiger der gefeiertsten Sprachkenner ging. König Mithridates, der mit jeder Nation in seinem Reiche in ihrer eigenen Zunge verkehren konnte, dürfte Meister von etwa 25 Sprachen gewesen sein. Kaiser Friedrich II. war hochberühmt, weil er Lateinisch, Griechisch, Italienisch, Deutsch, Hebräisch und Arabisch flüssig sprach. Der Erzbischof Zkimenes von Toledo (im 13. Jahrhundert) beherrschte mehr als sieben Idiome. Pico von Mirandola hatte sich im Alter von 18 Jahren 22 Sprachen angeeignct, von denen er viele flüssig reden konnte. Der dem 16. Jahrhundert angehörige Franzose Postel konnte sich in 15 Zungen ausdrücken, und der jüngere Scaliger redete 13 Sprachen „elegant". Diese Beispiele werden genügen, um Mezzofanti's ungeheure Leistung in das gebührende Licht zu stellen. Man fragt sich natürlich, auf welche Weise und durch welche Mittel Mezzofanti es so weit gebracht hat. Da ist denn wohl in erster Linie auf sein außerordentliches Gedächtniß und auf die feine Ausbildung seines Ohres hinzuweisen, das ihm den Klang und Tonfall der Worte und Sprachen für immer fest vermittelte. Es ist bezeugt, daß er eine Seite eines griechischen Textes nach einmaligem Lesen auswendig wiederholte. Seine Methode bei der Erlernung von Sprachen hat er selbst in der Bemerkung angedeutet, es gebe in jeder Sprache eine beschränkte Anzahl von Erscheinungen, die besondere Aufmerksamkeit er heischten, die aber, wenn man sie einmal beherrsche, den Schlüssel zum Verständniß der übrigen Schwierigkeiten darböten. Ein un ermüdlicher Fleiß vereinigte sich bei ihm mit einer nie ermattenden Liebe zum Sprachensbudium, die so weit ging, daß er, wenn er allein war, nacheinander in den verschiedensten Sprachen zu denken pflegte. So wurde das Unglaublich« durch natürliche» Talent, methodisch« Schulung des Geistes und ausdauernd« Arbeit im Bunde erreicht. Es mag wohl Wunder nehmen und es ist sicher bedauerlich, daß ein so seltenes Genie wissenschaftlich keine weiteren Leistungen vollbracht und nur wenige un bedeutende Schriften hinterlassen hat. E» wird aber dies er klärlich, wenn man Bunsen's Urtheil ins Auge faßt, daß Mezzo- fanti al» Linguist ein Ries«, als Philologe und philologisch«! Kritiker «in Kind war. Er war kein Mann der Sprachwissen schaft, der vergleichenden Systematik, und da» war schade, denn wie hätte ein philosophisch und philologisch geschulter Kopf die» unvergleichliche Material zu verwerthen vermacht! Da» ändert aber an der Thatfache nicht», daß eine bestimmte Seite der menschlichen Begabung in Giuseppe Mezzofanti ein« Ausbildung erfahren hat, wie sie in der bisherigen Menschengeschichte un erhört ist und wohl noch auf viele Jahrhunderte hinaus ohne Gleichen bleiben wird.
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