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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.03.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-03-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990313028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899031302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899031302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-03
- Tag1899-03-13
- Monat1899-03
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Die etwas seltsame Fassung dieser Mahnung — es heißt darin, wer am Dienstag nicht komme, trage die Verantwortung für die etwaige Bewilligung der Regierungsforderungen — bat hier und dort der Bermuthung Raum verschafft, das Centrum wünsche überstimmt zu werden und greife deshalb zu dem beim Socialistengesetz wiederholt gebrauchten Mittel der „Abcomniandirung." Diese Annahme schien von Anfang an nicht berechtigt, und sie ist der „Freis. Ztg." zufolge bestimmt unbegründet. Da nach haben die Führer der Centrumspartei die anderen Parteien, welche gegen die Regierungsvorlage stimmten, er sucht, auch ihrerseits auf die vollzählige Anwesenheit ihrer Mitglieder hinzuwirken. Herr Richter versichert weiter, das Centrum werde einmiithig, also einschließlich des Prinzen Aren berg, der sich 1893 von seiner die damalige Miiitarvorlage ablehnenden Partei getrennt hatte, gegen den Negierungs entwurf stimmen und noch mehr, eS unterliege keinem „Zweifel, daß ein erheblicher Theil der Centrnmspartei auch gegen die Präsenzstärke nach Maßgabe der Beschlüsse ter Budzetcommission stimmen wird. Bleibt es dabei, so werden die CentrumSführer mit ihren weitgehenden Abstrichen nicht einmal ein geschlossenes Auftreten der Partei erreicht haben. Ein Grund mehr, sich die Sache, die sich um eine Differenz von jährlich zwei Millionen dreht, noch einmal zu überlegen. An der Annahme, daß die Drohung mit einer Reichstagsauslösung den schließlichen Ausgang nicht im richtigen Sinne beeinflussen kann, muß aber auch jetzt festgebalten werden. Die deutsch konservative Presse bat sich keinen Augenblick aus einer realpolitischen Zurückhaltung herauslocken lassen und die „No.dd. Allg. Ztg." führt in ihrer letzten Ausgabe in fachlicher Darstellung den Gedanken aus, daß eine aus reichende Präsenzstärke zu den besten Stützen der zweijährigen Dienstzeit gehöre, von Neuwahlen spricht aber das Regierungsblatt mit keiner Silbe. Aber auch ohne dieses Stillschweigen wären wir überzeugt, daß der Reichs kanzler mit der irrigen Rechnung auf Ängst beim Ccntrum nichts ru schaffen hat. Möglicherweise wirkt er auf andere Art auf die Klerikalen ein und möglicherweise hat er Erfolg dabei. Aber der alte Herr ist zu viel Psychologe, um sich etwas davon zu versprechen, wenn man eine Zeitung, die am Freitag die Beschlüsse der Budget commission für „einigermaßen annehmbar auch für die Regierung" erklärt hat, am Sonnabend von dem „Herauf beschwören eines ConflictS" reden läßt. Ties ist der Fall der „Post". Die Angelegenheit ist einmal verfahren und zwar durch die Schuld der Regierung selbst oder wenigstens eines ihrer berufenen Vertreter. Herr v. Goßler wird schlechter Laune sein. Der Reichstag hat am Sonnabend die zweite Berathung des Colantaletais zum glücklichen Ende geführt. Daß 25 000 für in Südwestafrika sich ansiedelnde Mädchen gestrichen wurden» ist kein Unglück und noch weniger ein Er folg deS Herrn Bebel, der die Position mit großem Aufwand von Hetzmitteln bekämpft hat. Der gute Gedanke, der Colvnie den stärksten aller Anziehungspunkte zu verleihen, ist noch nicht völlig ausgereift. Wie die Colonialdebatteu der Tagung im Allgemeinen, so zeigte auch die über Neuguinea, wie sehr die Popularität der Colonialpolitik sich erweitert. Der be redtste Lobredner dieses Besitzes war ein Mitglied der frei sinnigen Vereinigung, ein politischer Gesinnungsgenosse Ludwig Bamberger'S. Äuch er befürwortete den Vertrag mit der Neu-Guineagesellsckaft, die ihre Hoheitsrechte gegen eine, wie der Abg. Hasse nachwies, nickt zu hohe Entschädigung an das Reich abtreten wird. Ein Berliner Blatt bemängelt, daß die Anwesenheit des Herrn NhodeS nicht beim Colonialetat, sondern bei dem ihm auf der Tagesordnung solgcnoen Etat des Auswärtigen Amtes berührt worden ist. Der Tadel ist ungerechtfertigt, die Reise deS Engländers nach Berlin ist ein hochpolitisches Ereigniß. Hoffentlich ist es kein trauriges für Deutschland. Bei der Einbringung der CharfreitagSvarlage, die im preußischen Herrenhause berathen wurde und zur Zeit in der Commission ruht, ist der Regierung besonders schwer vom Centrum zum Vorwurf gemacht worden, daß das Cultus- ministerium sich nicht zuvor mit dem Cpiscopat ins „Benehmen gesetzt" habe. Wie sich nun bei den Verhandlungen im Ab geordnetenhause herausgestellt, wird damit von der Regierung verlangt, klerikaler als das Centrum zu sein. Den Beweis er brachte Abg. vr. Porsch, der fürstbischoflicher Consistorialrath in Breslau ist. Er führte aufs Schärfste Beschwerde darüber, daß der Falk'sche Erlaß vom Jahre 1876 über die Ertheilung des Religionsunterrichts nicht aufgehoben werde; der Episcopat hätte das verlangt, aber es sei gar nichts geschehen. Der Geh. Ober regierungsrath I)r. Förster war in der Lage, sofort festzustellen, daß die Regierung seiner Zeit einen Kommissar nach Köln ge schickt hat, um mit dem Cardinal-Erzbischof Crementz über die Aenderung des Falk'schen Erlasses zu conferiren. Der Erzbischof habe versprochen, mit den übrigen Bischöfen zu berathen und der Regierung das Resultat dieser Verhandlungen mitzutheilen. Diese Mittheilung sei bis heute nicht erfolgt. Wirksamer konnte der Anspruch des Herrn Professor Porsch, als Sachverwalter der Bischöfe aufzutreten, nicht bloßgestellt werden. Inzwischen haben die Herren vom Centrum das „Benehmen" mit dem hohen Episcopat, das sie unbedingt von der Negierung verlangen, ihrer seits bewirkt; mit welchem Erfolg, ist indeß bis heute nicht be kannt geworden. Der böse Geist Südafrikas, „Right Honourable" Cecil Rtzo-eS, geht in Deutschland um. In dem bekannten Tele gramm deS Kaisers an den Präsidenten Krüger vom 3. Januar 1890 wurden die unter Iamesvn's Führung in Transvaal eingebrochenen Engländer „Friedensstörer" genannt. In einem anderen amtlichen Dokumente, daS in London überreicht wurde, sprach man von einem „Einbruch bewaffneter Banden" nnd in ganz Deutschland fand diese energische Sprache lebhaften Widerhall. Heute, kaum drei Jahre später, weilt der Regisseur jenes mißglückten RaubzugeS in Berlin, ist vom Kaiser, vom Reichskanzler Fürsten Hohenlohe und vom Staats sekretär von Bülow empfangen worden. Was er in der Haupt sache will, weiß man. Um sein gewaltiges Projekt einer Afrika von der Stadt am Tafelberge bis zur Nilmündung durchquerenden Eisenbabn, dessen Durchführung das noch gigantischere Ideal: „Afrika vom Cap bis Kairo englisch", seiger Verwirklichung nahe bringe» würde, endlich realisiren zu können, bedarf der ungekrönte König von Südafrika einerTrace durch unser deutsch- ostafrikanisches Colonialgcbiet, dem Tanganjika parallel. Tie Linie ließe sich auch auf dem Gebiete deS Congostaatcs legen, doch sollten sich dem sehr große Terrainschwierigkeitcn entgegen stellen. Cecil RhodeS ist also stark auf deutsches Entgegen kommen angewiesen. Daß er keine stricte Abweisung zu gewärtigen braucht, siebt man ja aus seinem Empfang beim Kaiser und aus den Bemühungen der Officiösen, für eine „unbefangene Prüfung" seiner Pläne Stimmung zu machen. Unfern Standpunkt diesem rücksichtslosesten und arrogantesten Vertreter britischer Omnipotenz gegenüber haben wir schon kürzlich angedeutet. Trefflich secundiren uns dabei die „Berl. N. N", wenn sie in Bezug auf den Artikel der „TimeS", der „Vergessen und Vergeben" predigt, schreiben: „Unseres Erachtens löscht Kaiser Wilhelm, wenn er Rhodes empfängt, nicht nur die Erinnerung an den Einfall in Transvaal aus, sondern auch an die Unterstützung, die die aufständischen Ein- geborenen in Teutsch-Südwestasrika wiederholt durch englische Waffenlieferungen fanden, sowie die überhaupt recht unfreundliche Stimmung, die in England gegen Deutschlands afrikanischen Besitz bestand und die wesentlich der Anlaß war, seinerzeit die verlangte Durchführung einer englischen Telegraphenlinie durch deutsches Gebiet abzulchnen. In der Geschicklichkeit, Persönlichkeiten, von denen sie Zugeständnisse haben wollen, in Liebenswürdigkeiten rinzuwickeln, sind die Engländer Meister; den Artikel der „Times" wird man wesentlich unter diesem Gesichtspunkt betrachten müssen. Ob überhaupt Abmachungen möglich sind, die „gleich, müßig" den deutschen nnd den englischen Interessen dienen, wird sehr sorgfältig zu prüfen sein, namentlich La Deutschland sür die fremden Eisenbahn- und Telegraphen-Nnlagen Len Schutz in einem bisher noch wenig erschlossenen Theile seines Gebietes über- nehmen müßte. ES wird ihn ansgiebig nur leisten können und labei zugleich seinen Interessen gerecht werden, wenn es in geeigneter Weise Anschlüsse an die englische Linie zu seinen Häsen am indische» Ocean zu ermöglichen vermag. Auf jeden Fall er- wachsen uns Kosten daraus." Daß Rhodes nicht im deutschen, sondern lediglich im englischen Interesse bauen will, wird er selbst nicht leugnen wollen, ist ja auch selbstverständlich. Ebenso klar aber ist, daß die deutschen und die englischen Interessen im schwarzen Erdtbeil überall in direktem Widerspruch miteinander stehen. Die Schlußfolgerung hieraus ergiebt sich von selbst. Wir formuliren sie nicht auf absolute Ablehnung jeder Verhand lung mit RhodeS, aber auf äußerste Vorsicht und Berück sichtigung ausschließlich deutscher Interessen. Die kürzlich von uns wiedergegebenen Mittheilungen der „Int. Corr." über neuerliche russisch-dänische Yjrge»sät'»e haben in Kopenhagen einen gewissen Widerhall gefunden. Die behaupteten Thatsachcn werden überwiegend als richtig anerkannt, doch glaubt man weniger an eine persönliche Betheiligung des dänischen Kronprinzen Friedrich; der demnächst 56jährige Herr hat niemals im Rufe besonderer individueller Initiative gestanden, obgleich eine Art von Thronfolgepolitik gelegentlich bei ihm zum Vorscheine gekommen sein soll. Richtig dürfte sein, daß in seiner Umgebung die englischen Einflüsse den russischen den Rang abg elaufen haben. Man entsinnt sich der mehr erwähnten plötzlichen Verlobung der Prin zessin Maud von Wales mit oem Prinzen Karl von Dänemark; dieser zweite Sohn des dänischen Kronprinzen hatte sonst für den künftigen niederländischen Prinzgemahl gegolten, da seine Mutter die Tochter einer oranischen Prinzessin ist. Nach dem Tode der 81jährigen Dänenkönigin Luise im September v. I. hat sich der englische Einfluß noch mehr bethätigt, und die Kreta fahrt der prinzlich Walesschen Damen zu dem dort als osma nischen Generalgouoerneur amtireaoen hellenischen Velter Prinzen Georg dürste in dieser Hinsicht recht unzwciveuiig sein. Noch mag erwähnt werden, daß die „Politiken" mit ihren Eni Hüllungen über das Befinden des Zaren sich jetzt auf den Nüct zug beziebt; doch behauptet sie, ihre Neuigkeiten weder aus London noch auch aus Kopenhagen, sondern lediglich aus Peters bürg empfangen zu haben. Bei ihren alten Verbindungen in der Newa-Residenz kann man ihr das auch glauben. Auf jeden Fall ist die Fähigkeit zum Ausgleich der verschiedenen dyna stischen Interessen am Kopenhagener Hofe im Wesentlichen mit der Königin Luise zu Grabe gegangen, und wenn zum 8. April, als dem Geburtstag König Christian's, sich seine sämmtlichen Töchter in der dänischen Hauptstadt zusammenfinden, wiro es ihnen an Stoff zur persönlichen Schlichtung von Meinungs verschiedenheiten nicht fehlen. Ueber Amerika uns die Philippinen außen sich ver ehe malige deutsche Gesandte in Peking, Herr v. Brandt, im März lieft der „Deutschen Rundschau" wie folgt: Was jetzt schon mi: Gewißheit gesagt werden kann, ist, daß Vie Amerikaner in den Philippinen eine Aufgabe finden werden, die ihre ganze Energie in Anspruch nehmen dürste. Seitdem Spanien 1569 die Jnse!» annectirte, hat es ein Dutzend Aufstände der Eingeborenen zu ve kämpfen gehabt, t»n denen einer, in der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts, vierunddreihig Jahre dauerte und fünf auf dieses Jahrhundert fallen; es ist daher anzunehmen, daß auch die Vereinigten Staaten ähnlichen Erfahrungen nicht entgehen werden; die Niederwerfung von Erhebungen der Eingeborenen wird aber, je weiter dieselben von der Küste zurück in die ungang baren Gebirge gedrängt werden, desto schwieriger und opferreicher werden und die Verwendung von Freiwilligentruppen selbst verständlich ganz ausschließen. Auf der anderen Seite werden die Philippiner bald finden, daß sic bei den Amerikanern einer ganz anderen Energie und Rücksichtslosigkeit begegnen, als sie bei den Spaniern gewohnt waren; eingeborenen Rassen gegenüber haben die Amerikaner auch im eigenen Lande nie viele Umstände gemacht — man braucht nur an die Art und Weise zu denken, in der der Jndianerstamm der Cherokescn 1838 aus seinem Gebiet vertrieben wurde, obgleich sie civilisirt worden waren, Kirchen uns Schulen gebaut hatten und sogar eine Druckerei besaßen. Die Zeiten werden voraussichtlich nicht fern sein, in denen die Ein geborenen aus den Philippinen die spanische Herrschaft zurück sehnen werden, zu deren Vertreibung sie so wesentlich beigetragen haben. Eine andere Frage, der die Amerikaner auf den Philippinen begegnen werben, ist die der Chinesen. Zu den Zeiten der spanischen Herrschaft wurde der überhandnehmenden Zahl derselben von Zeit zu Zeit durch große Massenmorde, so 1662 und 1819, gesteuert, aber weder diese noch die vielfachen Besteuerungen und Bedrückungen, Venen sie durch die spanischen Behörden ansgesetzt waren, sind im Stande gewesen, die Ein Wanderung der Chinesen zu verhindern. Dem Befehl der Re gierung des Mutterlandes, die Einwandernng ganz zn verbieten, wollten oder konnten die colonialen Behörden aus national ökonomischen Gründen niemals Folge leisten; es wird jetzt ab zuwanen sein, wie die Amerikaner sich zn der Frage stellen. Eine Ausschließung der Chinesen, wie sie in Amerika sür chinesische Arbeiter öurch ein Gesetz stattgefunden hat, dürfte aus den Philippinen schon wegen der großen Räbe Chinas außer Zweifel sein. Deutsches Reich. 6. H. Berlin, 12. März. (Zur Audienz Cecil RhodeS beim Kaiser.) Cecil RhodeS hat durch Ver mittelung Les englischen Botschafters bez. des Staatssekretärs Feuilleton. H Wang-hgan-Chv. Roman von Sylva Testa (L. Frfr. von Stael-Holstein). Nachdruck vklbslcn. Warum hatte Wang den Vorhang gehoben, der die Zukunft barg? Warum ihr selige Freiheit gezeigt, Liebe, Selbstbestim mung, stolze Menschenwürde, deren sie nie kheilhaftig werden sollte? Warum hatte er ihr grausam Herz und Sinn mit leuch tenden Bildern erfüllt, wenn sie doch nur zur niedrigen Sklavin eines fremden, rohen, verhaßten Mannes bestimmt war? Sie fragte sich's, laut klagend, unter heißen Thränen. Da sprach eine wohllautende Stimme neben ihr: „Fürchte Dich nicht vor der Tiefe, in die des Prinzen Arm nicht reicht. Es ruht sich weich und friedlich auf dem kühlen Grunde." Sie blickte auf und sah einen 'Jüngling aus einem Jelsspalt neben ihr hcrvortreten. Long-fu hatte sich tagsüber hier ver borgen gehalten. Er hatte sie belauscht und ihre Absicht er- rathen. Mit todttraurigen Augen sah er sie an, nickte ihr zu und meinte, jede Wahrheit fordere Opfer, warum nicht auch die Lehre von Freiheit und Menschenwürde; wer sie begriffen, könne kein Sklave mehr sein. „Wir werden Freiheit finden da unten", sprach er dann leise, als vertraue er ihr ein Geheimniß. „Sagt das der große Lehrer? fragte sie klopfenden Herzens. „Nein", erwiderte er, „von dem, was jenseits unserer Erden tage liegt, sagt er uns nichts. Er scheut jeden Jrrthum, wie die bewußte Lüge, darum hält er sich nur an die Welt, die er mit Augen sieht, mit Händen greift, — sie will er vollkommen ge- stalten, auf daß die Menschen gut und glücklich seien." „Wer sagt denn, wir fänden Freiheit da unten?" „Mein Herz, mit voller Zuversicht: der nach Leben dürstende Geist kann nicht sterben, und Geister sind frei." Sie nickte verständnißvoll. Ihr war wohl in eines Menschen Nähe, der dieselbe Sehnsucht wie sie in der Brust trug. Sie ließ ihn Weiler reden von des Meisters Lehren, von der goldenen Zukunft, in der eS keine Ungerechtigkeit und keinen Mangel geben werde, von der Liebe freier Seelen, und träumte, die ganze Welt vergessend, einen flüchtigen, lichtvollen Traum. Die Sonne sank hinter den Berg, und unheimlich schiefer schwarz lag daS Wasser zu ihren Füßen; da: Hörner, Rufe. — War man ihm oder ihr auf der Spur? — Gleichviel — ge fangen waren sie Beide, Jo-lu verfallen. Gao stand auf, wankte, schwankte haltlos am jähen Ab sturz, griff, vor der Tiefe schaudernd, nach einem Ast; blitzartig durchzuckte sie der Gedanke, Long-fu werde sie retten, sie fort tragen aus aller Gefahr, aber in der nächsten Sekunde hatte sie das Gleichgewicht verloren und flog hinab wie eine weiße Blume. Long-fu sah sie einen Augenblick auf den dunklen Wellen schaukeln, mit den Weißen Armen nach oben greifen und unter gehen. Er hatte keine Hand gerührt, sie zu halten, war er doch selbst dem Tode geweiht. Er kannte Jo-lu, er war sein Genosse gewesen bei manch' wüstem Gelage, und er gönnte Gao ihr lühies Grab. Näher drangen die Laute aus dem Wege, den er selbst ge kommen war; er erkannte Ping-Pu's Stimme. Dieser Unhold hatte ihn gestachelt, ihm den Eid abgenommen und schmiedete gewiß bereits neue Mordanschläge. Er war es, der Jo-lu gerathen hatte, um Gao zu freien, sich SH6-ma-Kuang's zu versichern; er hatte den Prinzen zu tausend Schändlichkeit»» verleitet und unterrichtete täglich eine ganze Schaar junger Mandarinensohne in jeder Ver worfenheit. Nein, schrie es in Long-fu auf, soll ich unschuldig sterben und dieser Schuldbeladene sich des Daseins freuen? Mit hinab soll er, mit hinab. Von einem Hirten geführt, der den Vermißten gesehen hatte, und von Trabanten umgeben, erschien Ping-Pu in der Felsen öffnung. Zwei handfeste Sklaven wollten sich sofort auf Long-fu werfen, der aber erhob die Hand und wehrte ihnen, trotzig aus- vufend: „Nur Meinesgleichen soll mich anrühren, sonst springe ich hinab. Hier meine Hand, Ping-Pu." Ping-Pu kam langsam näher. „Vorwärts, vorwärts", ermunterte ihn Long-fu. „Fürchtest Du einen Knaben, der nicht einmal den Muth hatte, einen Arg losen im Schlafe zu erstechen?" „Ich fürchte mich nicht, Feigling", knirschte Jener, „aber Du magst zittern, Wortbrüchiger, — Du mußt sterben." „Das werde ich", erwiderte der Jüngling kalt, „weil ick zu gut bin, um unter Euch Schurken zu leben", und Ping-Pu's Arm umklammernd, „Du mit mir, weil das Maß Deiner Bos heit voll ist." Und er riß ihn mit sich hinab, ehe die bestürzten Diener es hindern konnten. Zwanzig st esCapitel. Nach dem mißlungenen Mordanschlage stand Wang noch höher denn zuvor in der Gunst seines Kaisers und Volkes. Beide fühlten, daß sie in ihm den einzigen treuen Freund ver loren hätten, und mit blinderem Vertrauen denn je hingen sie dem glücklich Geretteten an. Und doch war es Wang in der Ab schiedsstunde, die ihn mindestens für Jahresfrist von der Haupt stadt fern halten soll:«, bewußt, daß diese Gunst eine schwankende Woge sei. Unwandelbar wußie er nur die Treue eines Weibes, die nicht vermochte, als Schicksalsmächte für ihn anzuflehen, an die er nicht glaubte. Nein, auf Menschenhilfe durfte er nicht bauen, wohl aber auf die eigene Kraft, die gute Sach: und die allsiegende Vernunft. Mit der Genugthuung eines ehrlichen Gegners sah She-ma Kuang den Reformator ziehen, er achtete nvch immer sein edel- müthiges Wollen, seinen fleckenlosen Charakter; aber er hielt ihn für den Verderber des Reiches und mit tief schmerzlichem Groll auch für den Verderber seines Kindes. Hatten doch des Schwär mers überspannte 'Ideen seine süße kleine Gao in den Tod ge trieben. In stillen Abendstunden, im Kiosk am See ruhend, gab sich der Greis noch immer ungehemmten Klagen um sein Kleinod hin. Gao's Leichnam war nicht aufgefunden worden, und die alte Nll-di war fest überzeugt davon, die guten Geister der Luft hättten ihren Liebling entführt, um ihn vor dem bösen Prinzen zu verbergen, und eines Tages werde sich das holde Kind auf einem rosigen Morgenwölkchen fröhlich wieder zu den Ihrigen herab lassen. Nach Wang'S Abreise sah sich der alte Minister an die Spitze des Schün-tfchi-schu-Collegiums, d. h. des großen Staatssecre- tariats, berufen, es war ihm jedoch nicht gestaltet, irgend eine Aenderung im neuen System oorzunehmen, seine schwierige Auf gabe bestand im Hinhalten und Ausgleichen von Fall zu Fall. Trotzdem ihm die Hände gänzlich gebunden schienen, hoffte er doch den Sturz seines Gegners wirksam vorzuberriten, und der Tiefgebeugte fühlte seine Thatkraft durch diesen Gedanken neu entfacht. Das Dasein wurde ihm wieder erträglich. Es konnte nicht schwer halten, dir Wang feindlich Gesinnten zu einem festen Bündnisse zu vereinen: aus die Kaiserin-Mutter konnte Shc- m^Kuang zählen, ferner auf alle Besitzenden, deren Ein künfte die Reform bereits empfindlich geschmälert hatte; sein: festeste Stütze sah er aber im gesammten Gelehrtenstande, welchen Wang auf das Tiefste erbittert hatte, weil er es gewagt, die ur ehrwürdigsten vier klassischen und fünf heiligen Bücher anzu tasten, auf denen die ganze Weltanschauung der Chinesen be ruhte, indem er durch Woriumdeuiung den Sinn der Lehren seinen Ideen entsprechend willkürlich änderte. Weitrr hatte er sich erkühnt, das künstliche Gebäude des Äelehrtenthums, das auf dem schwierigsten Examen beruhte, umzustoßen. Er selbst kannte diese Folter, welcher eingekerkertc Studenten, von denen viele ihren Studien erlagen, jahraus, jahrein unterworfen wurden, aus eigener Erfahrung; er hatte sie durchgemacht, um von Stufe zu Stufe zu den höchsten Staatsämtern befähigt zu werden, be vor die Gunst de» Kaisers ihn zur allerhöchsten Nangclaffe er hob. Aber lange vorher schon hatte er mit Äbscheu diese geist tödtende Gedächtnißmarter verworfen und seine Schüler auf praktischem Wege, in freiem Umgänge mit dem Natur- und Menschenleben zu selbstständigem Denken und zur Erwerbung jener Kenntnisse angeleitet, deren «in Mann der That, rin nütz kicher Staatsbürger bedarf. In seinen Augen waren diese ver knöchcrten, verstaubten Bücherwürmer mit ihrem todten Wissen nur Schmarotzer am Siaatsorganismus, dem vor Allem gesund: und stark: Elemente noththaten. Unter seiner Führung eman cipirte sich die Jugend mit Begeisterung von dem peinvollea Zwange; aber die ältere Generation, welche die Examentonur mit Lebensgefahr überstanden hatte und im Hau-lin-Collegium das Wort führte, hielt fanatisch zäh am Hergebrachten und wollt: sich den schwer erkämpften Rang nicht ablaufen lassen von Wang's Schülern, deren Wissen Anschauung, deren Glaube praktisches Können war und deren einzige Disciplin in freiwilliger Unter werfung unter einen mächtigen Willen bestand. Des Reformators Gegner zählten zwar der Zahl nach gering, aber sie repräsentirten die Geld- und Geistesmacht der Nation, während die Millionen seiner Anhänger den ungelenken Volks - massen angehörten, welch: alle seine Kräfte beanspruchten, ihm aber die ihrigen, wo es sich um steten, unentwegten, opferfreudi gen Gehorsam handelte, versagten. Ein Schwergewicht freilich lag noch in der Waagschale zu Wang's Gunsten, das aller Haß seiner Feinde noch nicht aufzu heben vermochte: die Freundschaft des Kaisers; aber ihre Dauer konnte nur eine Frag« der Zeit sein. Von Tag zu Tag stiegen in der Hauptstadt wie außerhalb derselben die Unruhen, und er wiesen sich die von Wang hinterlassenen Anordnungen für seine Beamten undurchführbar, seit sein Geist und sein Wille nicht mehr mit den tausendfachen Schwierigkeiten kämpfte und sie be zwang. Unter der allgemeinen Rathlosigkeit mehrte sich das Elend der Bevölkerung unsäglich. Aufhetzereien, Mißwachs und verheerende Seuchen thaten das Ihre, die Zustände unhaltbar zu machen, und für Alles sah der unglückliche Kaiser die Verant wortung auf sich gewälzt. In den Mienen seiner Großen las er ein vernichtendes Urtheil, ebenso in den kalten, harten Zügen seiner Mutter. Ihre Lippen aber blieben geschlossen, wenn er ihr den pflichtschuldigen Morgenbesuch abstattet«. Sie wartete. Der tausendfache Jammer, den «r täglich von der schwarzen
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