Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.03.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-03-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990303017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899030301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899030301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-03
- Tag1899-03-03
- Monat1899-03
- Jahr1899
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs-Preis ttz der Hauptexpedition oder den im Stadt, beztrk und de« Vororten errichteten Lu«, oavestrlleil abgeholt: vierteljährliche 4.bO, ort ziveimaliger täglicher Anstellung in« Haus L.SO. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteijadrlich 8.—. Direkte tägliche Krruzbandsendung in« Ausland: monatlich X 7.bO. Tie Morgen-AuSgabe erscheint um '/,? Uhr, dir Abend-AuSgabe Wochentags um b Uhr. Maction und Erpe-itiou: JohanniSgaffe 8. Die Expedition ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi« Abend« 7 Uhr. Filialen: Otto Slcmm's Sartin». (Alfred Hahn), Universitätsstraße 3 (Paulinum), Loui« Lösche, Katharinevstr. k4, Part, und Königsplatz 7. Moegeu-Ansgahe. Anzeiger. Amtsblatt des Aömglichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Natljes und Notizei-Amtes der Stadt Leipzig. Anzeigen-Pret- die 6 gespaltene Petitzeile 20 Psg. Reklamen unter dem Redaction-sirick (4-e- spalten) üO^, vor den Fainiliennachrichrrn (Sgespailen) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis verzeichnis. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Vptra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-AuSgabe, ohne Postbrförderun.z 60—, mit Postbefördrrung .« 70.—. Aunahmeschtuß für Anisen: Abend-Ausgabe: vormittags 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittag- 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmeskelleu je eine halbe Stunde früher. Anteigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 112. Freitag den 3. Marz 1899. 93. Jahrgang. Die Eisenbahn-ebatte im Reichstage. -U- Das Eisenbahnwesen im deutschen Reiche ist zwar nach der thal-sächlichen Entwickelung dec Dinge mehr Sache der Einzelstaaten uls des Reichs; doch haben wir auch im Reichstag alljährlich eingehende Eisrnbahndcbatten, zunächst aus Anlatz des Etats Les Reichseisenbahnamtes und der Reichseisenbahnen in Elsaß-Lvlhvingen. Die Com- peienzfrage spielte denn auch wieder in den beiden diesen Posten gewidmeten Sitzungen vom 24. und 25. Februar eine große Rolle. Von freisinniger Seite wurde überflüssiger Weise betont, daß dec Reichstag nach der Verfassung das Recht habe, sich mit Eisenbahnfragen zu beschäftigen; weiter wurde ausgeführt, daß Artikel 45 der Reichsverfassung, der einheitliche Eisenbahntarife vorschreibe, nicht genügend ausgeführt sei, Latz das Reichsetsen- bahnvmt eine zu geringe Einwirkung, nur^auf die Pcioatbahnen habe u. s. w. Demgegenüber betonte ein freiconservativer Redner, daß das Reichseisenbahnamt nicht in der Lage sei, seinen Willen den einzelnen Verwaltungen einfach aufzuzwingen; der Artikel 45 der Verfassung gebe ihm nur ganz allgemeine Befug nisse, aber keine Aufsichtsbefugnisse über die staatlichen Eisen- bahnverwaltungen. Auch Las Bismarck'sche Projekt der Eisen bahnverstaatlichung durch das Reich, welches Mitte der 70er Jahr« durch den Widerspruch der Mittelstaaten scheiterte, wurde gestreift. Derlei theoretische Erörterungen sind ziemlich un fruchtbar. Man kann mit Recht in keiner Weise behaupten, daß Bestimmungen der Reichsverfaffung im Eisenbahnwesen, welche von vornherein eine allmähliche Entwickelung voraussahen, heute noch unbilliger Weise nicht erfüllt seien. So sollte man sich einfach auf den Boden der historischen Entwickelung und der thatsächlichen Verhältnisse stellen und Competettzfragen und dergl. gebührend bei Seite lassen. Anerkannt muß werden, daß auch auf freisinniger Seite die alten principiellen Klagen gegen das Staatsbahnsystem über haupt mehr zurücktraten. Wenn einer dieser Redner meinte, die Eisenbahnen würden im Interesse der Einzelstaaten, d. h. im fiskalischen Interesse, und nicht im Verkehrsinteresse des Reichs verwaltet, so sind das ja billige Behauptungen, denen man einen strikten Beweis, daß eine volle Reichseisenbahnver waltung anders handeln wurde, nicht entgegensetzen kann. Ganz sicher aber darf man behaupten, dah bei der bunten und wechselnden Zusammensetzung des Reichstags dessen Beherrschung der E-isenbahnpolitik — wenn diese eben parlamentarischen Ein flüssen unterstellt wäre — noch Viel bedenklicher sein würde, als eine solche Einflußnahme des preußischen Landtages. Wenn inan sich erinnert, wie schon voriges Jahr gegenüber dem zum Theil übertriebenen Sturm, der Ende 1897 sich wegen der vermehrten Eisenbahnunfälle gegen die Skaatsbahnverwal- tung erhoben hatte, di« Parlamentsdebatten ziemlich abficlen, so kann man mit Befriedigung constakiren, daß jetzt von ähnlichen Vorwürfen kaum mehr dieRede war, daß die großen Anstrengungen und die besseren Leistungen anerkannt wurden. Ein freisinniger Redner sprach allerdings die Binsenwahrheit aus: „Es werden immer noch zu viel Eisenbahnunfälle gemeldet". Insofern sicher lich, als den idealen, aber nicht erreichbaren Standpunkt, daß gar keine Unfälle vorkommen, Jedermann wünscht und anstrebt. Der Präsident des ReichSeisenbahnamts Schulz betonte die feit vorigem Jahr ergriffenen weiteren Voösichts- u. s. w. Maß regeln und bemerkte, daß wir in Deutschland bester dran seien als auf außerdeutfchen Bahnen. Wenn die letzten Monate des Jahres 1898/99 nicht noch weitere Unfälle bringen, werde die Zahl derselben sich 1898 nur auf ein Drittel der Zahl von 1880 belaufen. Hauptsächlich wurden Wünsche wegen der Tarife laut. Von der Linken bemängelte man, daß die in 1891 in Aussicht ge nommene Reform der Personentarise immer noch nicht erfolgt sei; aber auch auf diesem Gebiete erhoben sich die Klagen und Forderungen nicht so stürmisch wie früher. Die Ansicht, daß eher noch eine weitere Ermäßigung der Gütertarife angebracht ist, wie sie auf der Rechten vertreten wird, welche die Ermäßigung der Personentarife vornehmlich wegen der Unseßhaftigkeit der länol.chen Arbeiter perhorrescirt — diese Ansicht scheint weitere Kreise gewonnen zu haben. Es ist bezeichnend, daß die frei sinnige Partei im preußischen Abgeordnetenhaus sich auf den Antrag beschränkt hat, die Regierung aufzufordern, im Jahre 1899 die Arbeiterrückfahr- u. s. w. Karten mindestens in dem selben Umsang auszugeben, wie im Vorjahr. Präsident Schulz bemerkte, daß wegen dec Tarifreform vertrauliche Verhandlungen und Erhebungen unter den deutschen Staatsbahnen stattgefunden haben, ein Ergebniß aber noch nicht mitgetheilt werden kann; und am folgenden Tage äußerte der Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen in gleicher Sache, eine Vereinfachung der Tarife ohne wesentliche Ermäßigung sei erwünscht und noihwendig; in diesem Sinne sprach man sich auch von nationalliberaler und sogar von konservativer Seite aus. Wiederum wurden ferner Vorhalte gemacht, daß auf den preußischen Staatsbahnen und auf den Reichseisenbahnen kleine Erleichterungen, die sonst in Sllddeutschland und Sachsen gewährt seien, nicht eingeführi worden. Minister Thielen glaubte sagen zu können, daß über haupt ein großer Theil der vielen Wünsche, soweit möglich, er füllt worden sei. Die wllrttembergischen Abonnements- und die badischen Kilometerhefte seien nur innerhalb einer nicht zu weiten Zone durchführbar. Den Klagen über die Bahnsteig sperre im Elsaß hielt der Minister entgegen, daß früher sieben bis acht Schaffner im Jahre bei der Fahrkartenrevision verloren »vurden, auf den preußischen Staatsbahnen aber seit der Perronspcrre kein einziger mehr. In Elsaß werde man sich schließlich auch an die Bahnsteigsperre gewöhnen, wie ander wärts. Abgesehen von localen Wünschen wegen Bahnhofsan lagen, Zufahrtkinien u. s. w. wurde von elsäsischer Seite be sonders eine Decentralisation, eine Verlegung der Centralstelle von Berlin nach Straßburg befürwortet. Andererseits meinte charakteristischer Weise der Elsässer Delsor, er habe immer noch mehr Vertrauen zum Reichstag, als zum elsaß-lothringischen Landesausschutz. Auf Bemängelungen wegen Verwendung der Verkehrsüberschüsse und Bezahlung der Angestellten antwortete der Minister, die Berechnung der Verzinsung der Reichseisen bahnen ergebe allerdings einen Zinssatz von 4,6 Procent; wenn man aber die außerordentlichen Aufwendungen einrechne, so be trage die Verzinsung nur 3,08 Procent. Der Minister habe die Interessen der preußischen Staatsbahnen und der Reichseisen bahnen immer streng auseinander gehalten. Ein Abgeordneter von der Rechten fügte bei, durch Aufhebung der Personalunion der preußischen und Reichsbahnen würden die letzteren einen er heblichen Schaden erleiden. Das Beispiel der Hessischen Lud- wigsbahn zeige den Vortheil, den es gewähre, von einer so starken Verwaltung wie der preußischen nicht unter dem Gesichtspuncte der Concurrenz, sondern unter dem der Interessengemeinschaft behandelt zu werden. Die frühere Privatgesellschaft der Hes sischen Ludwigsbahn kann allerdings ein Lied von der Concurrenz der preußischen Staatsbahn singen. Von Interesse war dabei noch die Bemerkung des Ministers, die Gehaltsverhältnisse der Beamten und Angestellten seien derart verbessert, daß dem Mi nister bei seiner Anwesenheit im Reichslande überall die Sorge der Ccmmunen entgegengeireten sei, wie sie ihre Beamten ohne Gefährdung ihrer Finanzen gleich gut stellen sollen. Am Mon tag betonte der Minister nochmals, die Gehaltserhöhungen seien vorerst als abgeschlossen zu betrachten. Prinripielle Debatten entspannen sich namentlich noch über die Berechtigung und den Nutzen der Staffeltarife. Die Mehr heit der Redner von rechrs nach links waren für solche; Wider spruch kam aus dem Westen und Süden; der Präsident des Reich-eiseirbähnamts halt die Frage für noch nicht entschieden; er wies darauf hin, daß man darüber sehr verschiedener Meinung sei. Unseres Erinnerns hat man sich seitens der preußischen Regierung schon früher grundsätzlich für Staffeltarife ausge sprochen, die ja ihatsächlich schon in weitem Maße in Anwendung sind. Im Einzelnen verdient noch hervorgehoben zu werden, daß von verschiedenen Seiten über zu langsame Frachtverbindung nach England geklagt wurde; statt der in Aussicht gestellten ca. 100 Stunden brauchten Güter 300—400 Stunden, so wurde Namens sächsischer Industrieller ausgeführt. Präsident Schulz erkannte diese Beschwerde wegen mangelhafter Beförde rung als begründet an und sagte Abstellung zu. Wenn wir unsere kurze Besprechung mit den Worten des Herrn Eisen bahnministers schließen: Die Kritik sei für die Eisenbahnver waltung so noihwendig, wie der Sauerstoff für das menschliche Athmen, so möchten wir nicht versäumen, hinzuzufügen, daß eine maßvolle Kritik jedenfalls wirksamer ist, als eine maßlose. Der Reichstag hat sich dieses Mal ziemlich in der entsprechenden Grenze gehalten. Deutsches Reich. I-. Leipzig, 2. März. JmSpionagrproceß Gold hur m e r, der, wie schon gemeldet, vor dem vereinigten zweiten und dritten Strafsenate des Reichsgerichts begann, war vom Gerichtshöfe der Oberlehrer an der Handelsschule in Leipzig, Julius Theodor de Beaux, als Dolmetscher in Pflicht genommen lieber seine persönlichen Verhältnisse macht -der Angeklagte Gold- hurmer, alias Karl Gündel, folgende Mittheilungen: Er sei 5-4 Jahre alt, der Sohn eines polnischen Juden und einer pro testantischen Mutter, gehöre selbst keiner Religion an, glaube aber an Gott, habe bisher in Paris, 4 Rue de Rivoli, gewohnt, sei von seiner Frau geschieden und habe zwei Söhne von 21 und 20 Jahren, sowie eine Tochter von 18 Jahren. — Der vom Gerichtsschreiber Kanzleirath Rösler verlesene Eröffnungs beschluß legt dem Angeklagten zur Last, daß er sich im März und September 1898 im Inland« Schriften, Zeichnungen oder andere Gegenstände, deren Geheimhaltung im Interesse der Landesvertheidigung geboten war, verschafft habe und in den Besitz anderer Personen habe gelangen lassen, um sie bei ihrem Verbrechen zu unterstützen. Der Präsident weist den Angeklagten auf eine möglicherweise eintretende Acnoerung des rechtlichen Gesichtspunktes hin. — Auf Antrag des Oberreichsanwaltes beschloß dann, wie ebenfalls schon gemeldet, der Gerichtshof, während der ganzen Dauer der Verhandlung wegen zu befürch tender Gefährdung der Staatssicherheit di« Oeffentlichkeit aus zuschließen. — Die Zeugen sind folgende: 1) Polizeirath Zahn aus Straßburg i. E., 2) Polizeicommistar Rupprecht ebendaher, 3) Hausbursche Michel Wolff in Metz, 4) Oberkellner Guido Hafen, 5) Zimmermädchen Marie Weil, 6) Bahnhofspförtner Johann Peter Schweizer aus Devant-les-Ponts, 7) Kellner Johann Schwarz ebendaher, 8) Kellnerin Katharine Bungert aus Metz, 9) Kürschner Hugo Adelsberger aus Metz, 10) Kell nerin Sophie Bagnrrowski aus Metz, 11) Gastwirth David Zeißolf aus Saargemünd, 12) Criminalwachtmeister Borst aus Metz, 13) Gef-angenaufseher Kristaller aus Metz. Die Sach verständigen sind: 1) Goldarbeiter Emil Haubold aus Leipzig, 2) Lyceallehrer Wilhelm Rothe aus Metz, 3) Hauptmann Mertens vom Pionierbataillon Nr. 10 in Minden (Wests.), 4) Major Gayer vom Kriegsministerium und 5) der Oberlehrer an der Handelsschule in Leipzig, Julius Theodor de Beaux. — Im Laufe des heutigen Tages wurden nach der -Befragung des Angeklagten eine Anzahl Zeugen vernommen. Gegen 3H Uhr wurde die Verhandlung abgebrochen und auf morgen Vormittag vertagt. Berlin, 2. März. (Zur Ersatzwahl im zweiten Berliner Reichstagswahlkreise.) Die Kandidaten für die demnächst stattfindende Ersatzwahl im zweiten Berliner Neichst-agswahlrcite stehen nunmehr fest. Die Frei sinnigen und die Socialdemokraten haben, wie nicht anders zu erwarten tvar, dieselben Bewerber aufgestellt, wie am 15. Juni 1898, Kreitling brzw. Fischer. Die Conservativen haben einen bisher politisch noch garnicht hervorgetretenen Mann auf gestellt, den Oberregierungsrath im Reichsversicherungsamte Witorsky. Mit dieser Candidatur hofft man die in diesem Wahlkreise sehr zahlreich wohnenden Beamten zum lebhaften Eintreten in die Wahlagitation zu bewegen, andererseits manche nationalliberale Stimme zu gewinnen, die für einen conservativ- antisemitischen Candidaten sicher nicht zu haben gewesen wäre. Diese Envartung mag vielleicht zutreffen, aber trotzdem dürfte sich di« Candidatur als ein Fehler Herausstellen. Denn wie steht es mit dem antisemitischen Klcin- bürgerthum, das doch die gute Hälfte der in diesem Wahlkreise dem conservativen Bewerber durchschnittlich zufallenden 12- bis 15 000 Stimmen stellt? Gegen di« höheren Beamten Hot man in diesen Kreisen eine Abneigung, die durch di« radical anti semitischen Organe geschürt wird, vom Standpunkte des radikalen Antisemitismus ja auch nicht mit Unrecht, denn ein hoher Beamter kann nicht so leicht leidenscl-astliche antisemitische Reden im Par lamente halten. Di« Aufstellung der Candidatur Witorsky kann daher leicht zur Folge haben, daß der conseroative Bewerber einige Tausend Stimmen weniger erhält, als di« conservativen Candidaten der früheren Reichstagswahlen, was die Wahl des socialdemokratischen Candidaten im ersten Wahlgange zur Folge haben würde. Dieser Ausgang ist um so wahrscheinlicher, als die Socialdemokraten-alle Kräfte ansponnrn, um die Scharte vom 24. Juni 1898 auszuwetzen. Berlin, 2. März. (Bayern-Vorgehen in der W a a r e n st e u e r f ra g e.) -In der viel umstrittenen Frage der Besteuerung der Waarenhäuser haben Regierung und Volks vertretung in Boyern sich schneller zu einem positiven Entschlüsse aufgeschwungen als Preußen. Nahezu mit Einstimmigkeit har die bayerische Kammer einen Gesetzentwurf gut geheißen, der eine Umsatzsteuer für Großbazar« von H bis zu 3 Proc. vom Umsätze festsetzt. Der Stimmenzahl nach (110 gegen 3) müssen auch die Liberalen fast durchweg den Entwurf gurgcheißen haben Die bayecisck)«n Liberalen haben danach erfreuliclzrrweise die Einsicht bewiesen, daß es sich hier nicht um eine Frage des liberalen Pcincips handelt, sondern einerseits um die Herstellung einer ausgleichenden Gercchrigkeit, andererseits um die emineni wichtige sociale Frage des Schutzes des gewerblichen Mittelstandes vor der Proletaristrung. Man ist in Bayern nach dem sehr richtigen Grundsätze verfahren, -daß «S keinen Zweck hat, sicb vorher theoretisch den Kopf darüber zu zerbrechen, ob die Maß regel auch wirklich den gewünschten Effect haben wird, sondern daß man vor allen Dingen den Versuch machen muß. Zu be dauern ist nur, dah jede reichsgesehliche Regelung der Frage nun mehr ausgeschlossen erscheint. Es dürfte sich an manchen Nach theilen bald zeigen, wie recht der badische Minister Buchenberger hatte, als er eine reichsgesetzliche Regelung der landesgesetzlichen vorzog. Jetzt kann sich rin Ramschbazar, dem ifnolge der Umsatzsteuer der Aufenthalt beispielsweise in Ludwigshafen zu unbequem ist, in Mannheim aufthun. Auch wird es einen an die Zeiten des seligen Bundestages erinnernden Eindruck machen wenn eine so wichtige sociale Frage in jedem deutschen Dunde- staate anders zu lösen gesucht wird, in dem einen durch eine Umsatzsteuer, in dem anderen durch eine Branchensteuer, in einem dritten nach der Zahl der Angestellten u. s. w. <?. II. Berlin, 2.März. (Zu den Personal Vermehrungen in der Marine.) Die neueste Cabinetsordre des Kaisers, welche die durch das Flottengrsetz nothwendigen Personaloermehrungen in der Marine anordnet, ist von ungemein ein schneidender Bedeutung, und zwar hauptsächlich wohl insofern, als sie eine Anzahl Schwierigkeiren, welche sich der Laufbahn zum Marmeofficier entg«genstellt«n, sorträumt. Die springenden Punkte in den Aendrrungen der Bestimmungen über Ergänzung des Seeofficiercorps sind folgende: 1) der Eintritt in die Serofficierslciufbahn wird durch den Fortfall der Alters grenze erleichtert; 2) die ganze Laufbahn wird durch die Be schränkung in den Forderungen einer Zulage erheblich verbilligt; 3) die Ausbildung wird durch theilweisen Fortfall der Takelage der Schulschiffe vereinfacht und moderner gestaltet; 4) Vie Officiersaspiranten können jetzt mehr ins Ausland kommen. * Berlin, 2. März. Zur Frage des Gerichts- standes der Presse veröffentlicht Professor von Bar in Göttingen in der „Deutsch. Jur.-Ztg." einen Aufsatz, in dem die Unrichtigkeit d«r Ansichten nachgewiesen wird, auf denen der sog. ambulante Gerichtsstand dec Presse beruht. Am Schlüsse dieses Aufsatzes sagt der Verfasser: „Wenn es einen Ort im deutschen Reich« giebt, an welchen hin so ziemlich alle Erzeugnisse der Presse verbreitet werden, oder welcher nach der milderen Ansicht über den Gerichtsstand der Presse (z. B. v. Liszt Stenglein) als ein Verbreitungscentrum für die bei weitem meisten Preßerzeugnisse mit angesehen werden kann, so wäre es möglich, bei diesem einen Gericht« so ziemlich alle social od«r politisch wichtigen Preßprocesse anhängig zu machen. Man hätte alsdann eine einheitliche Judicatur besonderer Art, an welche Niemand vorher gedacht hat. Freilich wäre auch diese Rechtsprechung durch das Reichs gericht zu berichtigen. ?lber wie viele Fragen sind nicht als thatsächliche Feststellung der Rechtsprechung des Reichsgecichles entzoqen, und wieviel kommt nicht an auf di« formelle Abfassung der Entscheidungsgründe des Urtheils erster Instanz? Der richtigen Ansicht nach existirt kein sog. fliegender Gerichtsstand de: Presse, vielmehr bedarf eher die Strafverfolgung, nich: die Vertheidigung einer besonderen Bestimmung über den Gerichtsstand für Preßvelicte. Wenn dir Gerichte überwiegend den fliegenden Gerichtsstand praktisch aufrecht erhalten, ist eine besondere gesetzliche Bestimmung, welche dem entgegentritt, Wünschenswerth; denn dem Vertrauen in die deutsche Justiz ist eine Benutzung des sog. fliegenden Fettillrtsn. Eine Modeblume. Von Max HeSdörffer (Berlin). »i-chdruck vrrtotin. In England, wo di« Blumenliebhaberei in hoher Blüthe steht, und namentlich von den Geldfiirsten, die sich die kostspieligsten Extravaganz«» gestatten können, in au-giebiger Weise gefördert wird, bestehen seit langen Jahren Sp«cialv«reine, die in sehr segensreicher Weis« wirken. Die Mitglieder dieser Vereine» sind Liebhaber nur einer modernen Pflanzenart, deren Studium und Pflege sie oft die Mußestunden ihre« ganzen Lebens widmen. Solcher Vereine gi-ebt «» in England «in« größere Zahl, die theil- weise weit über die Grenzen de« Königreichs hinaus bekannt ge worden sind, denn diese Vereine treten alljährlich durch groß« Specialausstrllungen an die Oeffentlichkeit, die vorzugsweise in London stottfinden, da die Metropole für derartige Ausstellungen höchst geeignete Locale besitzt. ES ist namentlich der Krystall- Palast in London, der zu derartigen Ausstellungen bevorzugt wird. Auch in anderen europäischen Ländern und in Amerika giebt es große Specialblumenvereine. Die meisten dieser Ver eine haben die Verbreitung und die Vervollkommnung der indi schen Wunderblume, di« der Botaniker Otirz^sanltrernurn incii- aurrr nennt, zum Zweck, und im verflossen«» Jahr« werden wohl über hundert dieser einen Blumenort gewidmet« Specialausstel- lungen stattgefunden haben. In Deutschland, wo derartige AuS- stellungen früher häufig waren, wird ihre Veranstaltung von Jahr zu Jahr seltener, so daß das verflossen« Jahr nur eine wirk- lich großartig verlaufene derartig« Schau zu verzeichnen hatte, die in der zweiten Hälfte de« November in Hannover stattfand. Gelegentlich dieser Ausstellung ist auch di« „Deutsch« Chrysan themum-Gesrllschaft", unser erster dieser Modeblume dienende Verein, begründet worden. Von Spccialblumenvereincn, die eine größere Bedeutung erlangt haben, besteht seit längerer Zeit bei uns in Deutschland nur der unter dem Protectorat« der Kaiserin Friedrich stehende „Verein deutscher Rosenfreunde" mit über zwei tausend Mitgliedern und die „Gesellschaft der Cactcen-Freunde", deren Mitglieder den oft so unförmig gestalteten, stacheligen Cactus-Gcwächsen eine rührende Sorgfalt zuwenden. Neben der deutschen Chrysanthemum-Gesellschaft ist im ver flossenen Jahve, und zwar zu Beginn desselben, ein neuer deutscher Specialblumenverein, die „Deutsche Da Hlien-Gesell- schäft", begründet worden, di« bereits virle Mitglieder zählt und Ende September in Magdeburg ihre erste Ausstellung ver anstaltet«, die überhaupt die erste deutsche Special-Ausstellung war, auf der nur einer Pflanzengattung angehörige Blumen vorgeführt werden durften. Dieser ersten Ausstellung der Gesellschaft wird in diesem Jahre eine zweite, großartigere in Leipzig folgen, für welche der im April d. I. zu eröffnende neue Palmengarten ausersehen wurde. So weit sich die Sache bis jetzt überblicken läßt, hat vor der Hand die deutsche Dahlien- Gesellschaft unter den wenigen vorhandenen Specialvereinen die größte Zukunft, da die Blum«, der sie dient, in allerneuester Zeit eine Modeblum« ersten Ranges geworden ist, deren begeisterte Verehrer in rapider Weise zunehmen. Die Dahlie ist keine neue Pflanze mehr, sie gelangte bereits gegen Ende des achtzehnten Jahrhunderts aus Amerika, ihrer Hei- math, nach Europa. Ihre Geschichte, die ich in meinem Buche „Unter Blumen" eingehend dargestellt habe, sei hier zunächst in kurzen Zügen mitgetheilt. Vincente Cervantes, Director des botanischen Gartens in Mexiko, sandte dir Dahlie in drei einfach blühenden Arten an Abbö Josef Antonio Cervanilles, den Direc tor des botanischen Gartens zu Madrid, der sie 1791 zum ersten Male zur Blüthe brachte und zu Ehren des schwedischen Bota- nikerl Andrea» Dahl Dahlia nannte. Au» dem Madrider bo tanischen Garten gelangte die Dahlie in die königlichen Gärten des Escurial und hier suchten die Spanier in ihrer Eifersucht di« Ver breitung der schönen Blume zu verhindern. Erst nach dreizehn Jahren gelang es dem Grafen Selieur durch «inen Freund, der in Verbindung mit dem Hofgärtner des Escurial stand, allem Anschein nach auf unerlaubtem Wege, einige Knollen zu erhalten, und er brachte sie in den llarckin ckes plantes nach Paris. Das bekannte Sprichwort, daß unrechtes Gut nicht gedeiht, bewährte sich auch hier. Die Franzosen hielten die Dahlien für exotische Pflanzen, brachten sie in ein feuchtwarmes Treibhaus, und das Faulen der Knollen war die Folge. Im Jahre 1803 durchforschten Alexander von Humboldt und Bonpland Mexiko; sie fanden hier die Dahlie in zwei Formen, einer hellroth und einer gelb blühenden, und brachten Knollen da von in die Heimath. Damals lebte in Berlin txr berühmte Bo taniker Willdenow, der di« Dahlie zu Ehren des Petersburger Naturforschers Georgi und nicht, wie die Engländer fälschlich behaupten, zu Ehren Georg's HI., Georgina nannte, weil er wußte, daß schon früher Thunlberq eine andere Pflanzengattung nach Dahl benannt hatte. Der Name Georgine war noch vor Kurzem vielfach in Norddrutschland gebräuchlich, die Süddeutschen, Franzosen und Engländer nennen unsere Pflanze aber seit Langem kurzweg Dahlie. Seit ihrer zweiten Einführung in Deutschland, die, wie ge sagt, 1803 erfolgte, ward die Dahlie eine beliebte Blume, und sic ist es bis auf den heutigen Tag geblieben. In Berlin waren es zu Anfang dieses Jahrhunderts besonders die Gärtner Otto und Mathieu und der Minister von Altenstein, die die Dahliencultur mächtig förderten. Das Erscheinen der ersten weißen Dahlien auf dem Blumcnmarkt ward als ein großes Ereigniß begrüßt, und die immer zahlreicher auftretenden Sorten führten unserer Pflanze ständig neue Freunde zu. Man sagt, die erste Einführung der Dahlie in Europa sei nur erfolgt, weil man ihre Knollen, die schließlich sogar vom Vieh verschmäht wurden, fiir eßbar hielt, und es dürfte daraus wohl heroorgehen, daß ihre Blumen nicht gerade sehr ansehnlich gewesen sind. Obwohl nun die Dahlie während ihrer dreizehn jährigen Gefangenschaft in den königlichen Gärten des Escurial in gärtnerischer Hinsicht keine Fortschritte machte, stellte es sich doch nach ihrer zweiten Einführung bald heraus, daß sie für gärt nerische Züchtungskunst außerordentlich empfänglich sei. Neben den ursprünglich durchweg einfachen Blumen traten bald gefüllt blühend« Sorten auf, deren erste 1808 vom Garteninspector Hartweg in Karlsruhe gezüchtet ward. Mit ihr begann die eigentliche Glanzperiode der Dahlie. Bis gegen die Mitte der dreißiger Jahre waren die Engländer in der Dahlienzucht Meister, und man beschränkte sich darauf, die neuen Sorten aus England kommen zu lassen. Die ersten er folgreichen und systematisch durchgeführten Züchtungsoersuche führten einige Erfurter Firmen aus; ihnen schloß sich dann Christian Dregen in Köstritz an, der sich bis zu seinem Tode, fast sieben Jahrzehnt« lang, der Dahlienzüchtung widmete und dessen Beispiel andere Köstritzer Züchier folgten. Als im Jahre 1836 gelegentlich der in Jena tagenden Gesellschaft der Naturforscher und Aerzte auch abgeschnittenr Dahlienblüthen vorgeführt wur den, war Dcegen auf derselben mit beinahe zweihundert verschie denen, meist eigenen Züchtungen vertreten, und Alexander von Humboldt, der diese Ausstellung besichtigte, war hoch erstaunt und erfreut darüber, Nachkommen der unscheinbaren Dahlien, die er fast ein Vierteljahrhundrrt vorher einsiihren half, in solcher Voll kommenheit wiederzufinden. *) In allerneuester Zeit ist in der Cultur der Dahlien «in voll ständiger Umschwung «ingetreten. Die alten Sorten, die in so hoher Vollkommenheit von Köstritz aus ihren Weg in alle Wett *) Alte Leipziger werden sicb noch mit besonderer Freude der großen gSeorainen-Au-stellunaen von Lchulze in Stötteritz entsinnen. D. Red. d. Dazebl.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite